Bibelenergie

 

Kurzbibel

 

 

in Form gebracht und bedacht von Traugott Giesen

 -1940 geboren, 39 Jahre ev. Pastor, erst in Berlin, dann in Keitum auf Sylt, dort auch wohnhaft- [email protected]  .

 

Die wichtigsten Bibeltexte - von damals, aber so gar nicht von gestern - dazu geistvolle Gedanken zum Starkbleiben, dargeboten als Bibelrolle zum Scrollen

 

Zuvor

Die Bibel kann niemand auslesen; sie gleicht einer Quelle, die immer frisches Wasser gibt. Sie beschreibt die Anfänge der Menschheitssehnsucht vom großen Gott und seiner Liebesgeschichte, die immer noch im Gange ist. Die Bibel ist zu Recht das “Buch der Bücher“ genannt, es ist das notwendige Buch überhaupt.

Doch es gibt in ihm vermauerte Türen - abgelaufene Geschichts- und Gesetzestexte etwa. Und es gibt einladende Zugänge: Erleuchtete Gebete oder hinreißende Erzählungen.

Die Bibel ist ja erst spät zu einem Buch zusammengewachsen. Eigentlich ist sie eine  vierzehnhundert Jahre umfassende Bibliothek aus  (mehr oder weniger) 66 Büchern und einem Anhang von 15 Schriften. Ein Wegkundiger ist da hilfreich, um die dringendsten Texte und schönsten Bibelstellen zu finden.    

 

Aus dem „Kontinent Heilige Schrift“ ist Bibelenergie für den Tag zu schürfen:

Ein Stück Text, dazu ein paar Ideen von TG,  erwachsen aus 39 Jahren Pastordasein und einem langen Leben; Viel Angelesenes und Erfahrenes ist beigemischt.

Es ist doch so: Gott schafft noch und schreibt seine Bibel weiter mit uns; Schreiben wir sie mit. Der Luthertext (revidierte Fassung 1984) der Deutschen Bibelgesellschaft  in Auswahl und sehr gerafft und persönlich bearbeitet, liegt dieser Rolle, dieser Mappe zu Grunde. Die Reihenfolge der  Evangelientexte lehnt sich an „Die Synopse der vier Evangelien“ an, ebenfalls aus dem Verlag Deutsche Bibelgesellschaft.

B. Brecht lässt einen Weisen sagen: „Ich lehre es, weil es alt ist, d.h. weil es vergessen werden und als nur für vergangene Zeiten gültig betrachtet werden kann. Gibt es nicht ungeheuer viele, für die es ganz neu ist?“

Die meisten  Zeitgenossen wissen nicht mehr, wer Kain und Abel waren und  sie feiern an Weihnachten  christliche Folklore, aber finden die Geburtsgeschichte nicht, auch wenn man ihnen die Bibel gäbe.  Dabei ist die Bibel doch voll Bilder, die uns Zusammenhalt  einprägen, Bilder als Baken, die uns die uns den Weg weisen.

Ja, „bei der Lektüre der Bibel wieder in eine Art Goldgräberstimmung verfallen“ (Kardinal Lehmann), das wäre was.  Jeder nehme vom großer Schatz, ob als Offenbarung gelesen oder „nur“  als Weltliteratur.  Diese Auswahl hier hat ihren Sinn erfüllt, wenn man selbst zur „richtigen“ Bibel greift. 

 

Die Texte des Alten Testamentes erscheinen fortlaufend.

Die Texte des Neuen Testamentes sind gruppiert um

A  Jesus Christus-

1 Jesu Geburt, 2 Jesu Worte und Taten, 3 Jesu Passion- Kreuzigung- Auferstehung.

B Apostelgeschichte, Briefe, Offenbarung

 

                                                                                                                                                                                                                                                                                               

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Altes Testament

 

 

 

 

Die Schöpfung

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.

1.Mose 1,1

Vorher war nur Er. Von Gott her ist alles geworden. Alles erwächst aus ihm, dem Ursprung; alles ist Erweiterung, Entwicklung, Erfüllung und Vollendung des Angefangenen.  So sind wir auch nicht „Früchte des Zorns“, nicht Treibgut auf dem Fluss Nirgends. Sondern wir sind  von Gott Gewollte, erschaffen durch seinen Willen. Das hebräische Wort, das da für „schaffen“ steht, ist Gott vorbehalten, und meint „aus dem Nichts ins Sein gerufen“.

Gott schuf, schafft, schuf, weil er Gegenüber will, Abdruck und Erfindung und Ausgeburt seiner Selbst.

 

 

Tohuwabohu

Und die Erde war wüst und leer.

1.Mose 1,2

Schuf Gott auch das Wüste, die Leere? Alles Sein ist Seins. Auch was wenig Wesen hat, schreit nach mehr, will Fülle werden; Wüste will blühen, Leere will gefüllt sein. Das kommt davon, daß nichts ohne Erwartung, nichts ohne Gott ist.

Im hebräischen Urtext steht: „tohuwabohu“: wüst und leer.  Ich nehme es als Versprechen, alles Verquere ist auf Heilwerden ausgestreckt. Es ist eine Heilkraft in der Welt. Ich will ihr nicht entgegen sein, will einigermaßen in Schrittrichtung mit ihr im Gang sein. Ich glaube, dass auch mein Chaos heil wird.

 

                                                   

Und es war finster auf der Tiefe

und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.

1.Mose 1,2b  

 

Das Schweben des Geistes kann man eigentlich nur musikalisch ausdrücken.- Am Anfang ist geballte Energie, die schon schwanger geht mit Licht und Wandel.

Immer  wieder, immer noch ist es uns finster. Und wir werden wieder in Dunkles tauchen. Eingesogen werden wir von Muttermundhaftem- dann ist Ruhe; alles Grelle, Schreiende, Fordernde wird abgetan sein. Und  die Schöpfung geht weiter mit uns.

 

                                                 

Und Gott sprach:

1.Mose 1,3

 

Das ist die Erlösung. Wenn wir verkracht sind und einer bricht das Schweigen, ist das befreiend. Um Welten größer das Glück, dass Gott sich endlich äußert, sich kenntlich macht als sprechender Gott. Er hätte anonym und  unpersönlich bleiben können, nur gewaltig eben, Naturkraft pur, Schöpfer eines Universums ohne Menschen, ohne Gegenüber  und ohne Zwiesprache.  Aber endlich- nachdem Gott schon einige Milliarden Jahre Entwicklung hat laufen lassen, spricht er. Und fängt an, sich zu offenbaren. Er ist dabei, ein Sein zu schaffen, das vernehmbar ist; Klang ist; ja, das Antwort ist. Alles Sein ist Sein-Nehmen.,  sein Wesen ist Gewolltsein. Er aber ist Sein gebend. Er gebietet dem Sein zu sein.

 

 

„Es werde Licht!“  

Und es ward Licht.

 

1.Mose 1,3b  

 

Gottes erstes Wort  ruft eine Schöpfung herauf, die Erleuchtung bringt. Die Idee „Licht“  ist das erste aller Werke. Erst die Idee, später dann das physikalische Material. Die Lichtkörper sind einer späteren Entwicklungsstufe vorbehalten; sie treten erst nach und nach in Erscheinung. Sicher schwingt in der Hochschätzung des Lichtes als erste Schöpfung die Dankbarkeit für die Sonne mit. Ihr Auggehen lässt die Nacht weichen und richtet uns Menschen zum Tagwerk auf.

Aber vor dem Inswerksetzen  muss Gott auf die Idee kommen.

Hier werden die Weichen gestellt: Erst der Geist, dann die Materie. Erst auch  die Idee zu diesem und jenem bestimmten Menschen, dann  das Mischen der Chromosomen. So geht dem Leuchtstoff voraus die Idee und der Wille: Licht soll werden.

Von diesem Willen lebt das Universum. Wir werden nicht verglühen sondern werden in einem „Licht von unerschöpftem Lichte“ stehen.

 

 

Der erste Tag

Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.

1.Mose 1,4.5

 

 

Auf das Qualitätssiegel Gottes kommt es wohl an. Dass er Vorhandenes gut findet, gibt Dauer und rechte Zuordnung. Finsternis und Helle tun uns gut, sie stehen uns bei, sie geben uns den Rhythmus des Gedeihens.

Die Nacht soll für den Schlaf sein- eine der menschenfreundlichsten Erfindungen ist doch dies kleine alltägliche Sterben, dann die Auferweckung zum neuen Tag.  Ich darf wieder ich sein, hier sein auf eigenen Beinen und mit tätigen Händen. Jeder Tag - eine neue Berufung; auch das ist gut.

 

 

Das Himmelsgewölbe, die Erde, das Grün

Und Gott schuf im zweiten Schritt das Himmelsgewölbe, darunter das Wasser für die Erde. Im dritten Schritt trennte er auf der Erde das Meer und das Land. Und sprach die Erde an, sie solle Gras und Kraut, das Samen bringe, aufgehen lassen und fruchttragende  Bäume  Und Gott sah, dass es gut war.

1.Mose 1,6-13

 

Die Früheren dachten, es gäbe einen Himmels-Ozean, der von der irdischen Atmosphäre wie durch eine gläserne Glocke getrennt sei. Trennen war und ist überhaupt ein besonders wichtiger Akt: Dem  Meer ist eine Grenze gesetzt. Das schafft der Erde Raum für Anwachs. Herrlich, wie die Erde mit schöpferischer Kraft ausgestattet ist: Gott macht, dass sich die Dinge selber machen (Martin Luther). Jeder neue Baum und jede neue Sorte  ist aus Gottes Schatz und Willen ohne dass es eine  gezielte Entscheidung Gottes braucht. Sein Ansehen, sein Gutfinden lässt die Schöpfung gelingen.

 

                                                     

Die Lichter

Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und bilden Zeiten, Tage, Monate und Jahre- das war am vierten Schöpfungstag. Und Gott sah, dass es gut war.

1.Mose 1,14-19

 

Gelehrte des Gottesglaubens  brachten  vor wohl 2500 Jahren das Schöpfungswerk  in diese Worte und diese Abfolge. Ihnen war es dramatisch wichtig, die Gestirn-Götter der Nachbarvölker, Sonne und Mond, klein zu machen. Sie erniedrigten  Sonne und Mond zu „Lampen“.  Leuchtkörper haben zu dienen, haben keinen eigenen Willen und sind keine Verehrung wert.

So sollen wir auch nicht der Sonne danken sondern für die Sonne. Und die Sterne sind Leuchten aber keine Schicksalsmächte.

 

 

Die Tiere

Und Gott sprach am fünften Welttag: Es wimmle das Wasser von lebendigem Getier, und Vögel sollen fliegen auf Erden unter der Feste des Himmels. Und im sechsten Abschnitt sprach Gott: Die Erde bringe hervor lebendiges Getier, ein jedes nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere des Feldes. Und Gott sah, dass es gut war; und er segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und erfüllet das Wasser, die Luft, die Erde.

1.Mose 1,20-25 

 

Es muss uns begeistern, dass schon vor zweieinhalbtausend Jahren die Frommen das Schöpfungswerk als ein „work in progress“, als in Arbeit, ansahen, in Entwicklung (eben wollen Forscher entdeckt haben, daß die Phönix-Galaxie täglich zwei neue Sonnen ausspuckt).  Eins fußt auf dem anderen, geht aus dem andern hervor: Das Wasser als Wiege; nach den Fischen, aus den Fischen die Vögel, dann die Landtiere. „Die Erde bringe hervor!“- heißt auch: Die Erde nutze das Vorhandene für neue Arten.

Nicht „Schöpfung oder Entwicklung“, sondern Schöpfung als Entwicklung, mittels Entwicklung; nicht die Entwicklung ist das Schöpferische, „die Entwicklung ist kein denkendes Wesen“ (I. Kant) wie auch das Kochen nicht das Essen macht. Was setzt das Werden in Gang, hält es in Gang? Wer setzt die Naturgesetze? Der Koch der Schöpfung entwickelt das Werden in Schritten und Gängen. Und zielt auf  das Ihm Ähnliche.

 

                                                

 

Zum Bilde Gottes

Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Tiere. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.

1. Mose 1,26.27

 

Das alte Israel dachte sich Gott als die Summe vieler Gottheiten und als Person.  Damit  war ein gewaltiger Schritt in der Entwicklung des menschlichen Denkens getan- die uralten Gottheiten des Krieges und der Liebe, des Regens und der Ernte, der Künste  und des Todes, des Meeres und der verschiedenen Stämme waren zusammengefasst. In dem Einen klingen die vielen noch nach-„lasset uns Menschen machen“ –spricht Gott, der Viele, ja, der Alles ist.

Die dunklen Kräfte wurden früher einem Teufel, einem Gegengott zugeschrieben. Aber Israels Glaube ist auch darum groß, weil er an einen Großen, an Einen, den Einen, den Ganzen glaubt. Der umfasst auch das Schattenhafte, Dunkle, Böse.

Gott ist mehr als nur der Gute, er ist der Ganze. Der schafft sich ein Wesen, das er mit der Sehnsucht ausstattet, vollständig zu werden und Vollkommenes zu bauen, und einmal im Ganzen aufzugehen. Alle Lust strebt darum über das hier notgedrungen Bruchstückhafte hinaus und  will Ewigkeit (Friedrich Nietzsche). Der  Menschensinn strebt in Kunst und Wissenschaft und noch im Schrebergärtlein Abbild von Ganzheit an.

Das Wesen Mensch ist nicht wie das Tier eins und einig mit der Natur. Der Mensch sucht sein Gegenüber, mit dem er ein Ganzes bilden kann. Die Ellipse mit den zwei Brennpunkten, die mal weit auseinander treiben, mal zusammenfallen in einem Punkt und eine Kugel bilden, sind das Traum- Bild für das Menschenpaar.

Doch der Mensch ist so plastisch veranlagt, daß er nicht auf eine  einzige Ergänzung festgeschweißt ist. Er kann sich weitläufig befreunden und kann einen Reigen mit den Menschengeschwistern bilden. Weil Gott in keiner Weise monoman ist, hat er uns so spannend in uns selbst gemacht. Gott ist nicht autark, nicht glücklich in sich selbst. Darum will er Wesen, mit denen er sprechen und schaffen kann; Wesen, denen Selbsterkenntnis möglich ist, weil sie ein  Gegenüber haben, in dem dieses Selbst sich erkennen kann.

 

 

Segen für Tier und Mensch

Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und macht sie euch untertan.

1.Mose 1,28

 

Tiere und Menschen bekommen den Segen, der beauftragt und Geleit zusagt. Allem Menschenrecht und Tierschutz geht  als Begründung voraus: Mensch und Tier unterstehen Gottes Segen und dem Befehl, sich zu mehren.

Dass der Zeugungsauftrag des Menschen höchste Pflicht sei, ist nicht gesagt. Die jetzige Überfülle der Erde bewirkt Leid aus Mangel und Krankheit und Enge, was nicht von Gott gewollt ist.  Nicht Zeugen und Gebären ist höchstes Gebot sondern mütterlich, väterlich alle Kinder an den Gütern des Lebens zu beteiligen.

Dem auf Gott hörenden Menschen ist geboten, die  Natur sich untertan zu machen. Dieser Auftrag hat zu Wissenschaft und Technik angeleitet mit all den Wohltaten und Schattenseiten der Moderne  Der Mensch hat sich Mittel zur Umwälzung der Natur zugelegt. Verliert er sich als Mitarbeiter Gottes aus den Augen und  weiß  nicht mehr die höchste Instanz, der er verantwortlich ist, dann wird der Mensch sich und der Natur und der Mutter allen Seins zum Feind. Weil der Mensch geneigt ist, selbstherrlich  die Natur auszubeuten, muss der Segen Gottes uns immer wieder neu anleiten zu geistvollem Handinhand mit der Natur.

Von der Natur könnten wir Modernen die Strategie lernen, „zu wachsen und dabei immer komplexer und reicher zu werden, ohne pleite zu gehen“ (Michael Succow).  Aber blind gegen unsere Natureinbettung und ertaubt gegen Gottes Auftrag zur pfleglichen Mitgestaltung lebt der  Mensch sein „Untertanmachen“ als  „Prinzip Ausnutzen“ bis zur Zerstörung. Ob Gott diesen möglichen Niedergang mit bedacht hat, als er den Menschen so hoch begabte? Gott hat in der Entwicklung der Arten nicht Halt gemacht beim Menschenaffen sondern  er schritt  weiter zum Affenmenschen und darüber hinaus zum Homo sapiens. Diese Schöpfung ist noch im Gang und zielt auf eine heile Welt mit uns und gegen uns aber immer für uns katastrophenhafte, wunderbare Menschen. Auch in einer Pfütze kann sich der Himmel spiegeln. Wir sind noch zu retten  mit Heiligem Geist.

 

 

Sehr gut

Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.

1.Mose 1,31

 

Uns beginnt der Tag am Morgen und geht abends zur Neige. Wir gehen vom Hellen ins Dunkle. Für Israel hebt der neue Tag am Abend an. Israel geht vom Dunkel ins Helle. Das ist ein starkes Bild für die Werdewelt, die erst noch licht wird.

Dass Gott alles Gemachte für sehr gut hält, meint nicht, dass die Welt schon perfekt sei. Sondern sie ist sehr gut für Weiteres; ihr Rahmen, ihre „Naturkonstanten“ sind sehr gut.

Der alte Bibel-Text hat noch das Weltbild seiner Zeit: Was gut wird, ist am Anfang gut gewesen, darum hat es eine Chance. Der Baum muss aus guten Samen stammen. Das Goldene Zeitalter ist der Ursprung, dann kommt der Abfall, dann das Gericht und neuer Anfang auf höherer Ebene.  Wir denken heute anders: Sicher muss der Anfang gut sein, aber wir sind auf dem Weg, wir sind in einer guten Geschichte, die auf den Frieden Gottes mit aller Kreatur zugeht. Wir dürfen sagen: Gott segnet die Anfänge und den Weg und treibt das Werden zum Ziel.

 

 

Gott wird feiern

Und am siebenten Tage ruhte er von allen seinen Werken. Und segnete diesen Tag besonders.

1.Mose 2,1-3

 

 

Die sieben Tage meinen nicht 168 Stunden sondern Weltzeiten, Epochen. Die Woche gehört zu den ganz wenigen Zeitabschnitten, die im Bewusstsein der  Menschen schon früh verankert waren. Die sieben Schöpfungstagen meinen  sieben Phasen.

Es ist hier auch das Wissen von damals mitgeteilt, aber es ist dargeboten als Lobgesang, als große Liturgie der Anbetung. Es geht den Verfassern um den unbedingten Willen, den es zu preisen gilt. Goethe sagt es spielerisch: „In wenigen Stunden hat Gott das Rechte gefunden“. 

Natürlich ist diese Poesie dem naturwissenschaftlichen Denken zu ungenau. Es lässt nur Objektives –also in Wiederholung Zählbares, Messbares- gelten. Dieses Weltbild  ist nicht falsch aber eng, es kann auch von der Liebe nur ihre chemischen und physikalischen  Ausläufer erfassen. Das  Wiegbare, Messbare ist nur eine von mehreren Sprachen Gottes, wie auch Sternkunde  und Mathematik neben der Bibel  den Willen Gottes ausdrücken. 

Der siebte Tag wird keinen Abend haben. Es ist die Feierzeit Gottes mit aller Kreatur, „da Fried und Freude lacht“. Noch sind wir auf dem steinigen Weg zur Vollendung, sind noch am sechsten Tag, sind noch in Arbeit, auch Gott ist noch in Aktion. Doch der Anfang ist gemacht.

„Der siebte Tag siebt das Schaffen der sechs durch das Sieb der Ruhe“ (Ludwig Strauss). Als Anbruch von ewigem Glück, als messianische Insel im Meer der unerlösten Zeit  hat Gott den Sabbat bzw. den Sonntag  gestiftet. Da soll der Mensch ruhen, und die Nutztiere auch.

Der Ruhetag nach sechs Arbeitstagen ist eine der frühesten sozialen Errungenschaften der Menschheit. Israel zählte ihn unter die drei Gaben, die der Mensch aus dem Paradies mitnehmen durfte: Die Sonne, den Sabbat und die Liebesumarmung.

 

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Die Schöpfung anders erzählt

Als Gott der Herr Erde und Himmel machte, waren alle die Sträucher noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der Herr hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute; aber ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land.

1.Mose 2,4-6

 

Das ist eine andere, ältere Darstellung  vom Anfang. Sie unterscheidet sich stark  von der schon wissenschaftlich zu nennende Reihung im ersten Kapitel. Dieser Bericht ist  wohl geschrieben 950 Jahre vor Christi Geburt. Die Bilder reichen in graue Vorzeit zurück. Da konnte man sich dem Nichts gedanklich nur nähern, indem man aufzählte, was alles noch nicht da war. Vor allem war anfangs der Mensch noch nicht da, durch dessen Feldarbeit recht eigentlich die Schöpfung anfängt, jedenfalls für ein Bauernvolk.  

Gott verehren und das Land bebauen sind die zwei Seiten der einen Medaille, und haben im Lateinischen nur ein Wort: colere- wovon Kultur kommt. Der Mensch ist Gottes einziger Zeuge.    

Der Boden ist schon da, aber der ist so gut wie Nichts, ist Wüste, die eigentliche Schöpfung  beginnt mit der Feuchtung. Für die Menschen im Norden ist der Anfang gleichbedeutend mit dem (Wieder)kommen der Sonne. Die Menschen am Rande der Wüste finden  das immer wieder sich erneuernde Schöpfungswunder im Aufblühen des Landes  nach dem großen Frühjahrsregen. 

Für uns fängt die Schöpfung damit an, dass eine absichtsvolle Intelligenz  die Welt irgendwann ins Sein ruft und die Startbedingungen unfassbar genau einstellt, die Naturkonstanten, die Schwerkraft etwa und dann die koordinierte Mutation. Die Welt mit ihrer Geschichte von Zufall und Notwendigkeit ist selbst etwas uns Zufallendes, uns Zugeworfenes, ein Einfall, ein freies Geschenk Gottes, nicht der Natur, die ja selbst Geschenk ist.

 

                                                      

 

Von Erde genommen

Da machte Gott den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Atem des Lebens in seine Nase. Und so wurde der Mensch ein lebendiges Wesen.

1.Mose 2,7 

 

Töpfe und Schmuck waren die ersten Herstellungen des Menschen. Darum lag es für die Früheren nahe, sich Gott als Töpfermeister und Künstler vorzustellen, der  liebevoll die Körper des ersten Menschenpaares formt. Als Material (Mater = Mutter) bot sich Erde an- schon aus der Erfahrung, dass der Leib ja wieder zu Erde zerfällt.  Aber zum Körper muss hinzukommen der Atem, der auch für uns noch viel mit Seele zu tun hat.- Hier wieder ein liebevolle Zeichen: Gott gibt von seinem Atem dem Menschen ab.

Wir wissen heute, dass der Schöpfer statt Erdmaterial eine schon entwickelte Sorte Natur genutzt hat. Ob Erde oder Menschenaffe- ob aus Erde geformt oder aus einer Affenherde liebevoll hochgezüchtet, das kann Christen gleich recht sein. Der  Sprung vom Menschenaffen zum Affenmenschen ist ein Quantensprung an Qualität: Etwas von Gottes Inwendigem muss dem Menschen implantiert sein, dass er gedeihen kann.

Man kann naturwissenschaftlich wohl keinen Sinn beweisen, kein Ziel, um dessen Willen die Welt entstand. Das spricht nicht gegen die Existenz von Gott und Sinn. Die meisten Menschen sprechen ihrem Dasein einen Sinn zu. Wer sich aber beschränkt auf das zwar nicht falsche aber enge Weltbild  aus rein physikalischen, chemischen, biologischen Erkenntnissen, der kann wenigstens erwägen: “Möglicherweise wurde der Mensch so selektiert, dass er seinem Leben einen Sinn geben muss“ (S. Hibbeler). Das nackte „Selektieren“ –also „heraussuchen“ oder auch „züchten“ schreit für weiterdenkende Menschen geradezu nach einem „Treiber des Werdens“. Martin Luther sagt „Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen und Ohren, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält.“ Nimm  dies als Spitzensatz auch deines Glaubens. Man kann das so denken: Beweis für die Existenz Gottes sei dir dein Existieren.

 

 

 Garten Eden

Und Gott pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, dass er den Garten bebaue und bewahre.

1.Mose 2,8.15 

 

Der Mensch inmitten gartenhafter Schöpfung, Gott selbst als Der Große Gärtner!- Noch der Stolz  von Hobbygärtnern über die schönste Rose, den dicksten Kürbis erinnert von Ferne an die Leidenschaft Gottes, dass das Lebendige ihm gut gedeihe.

Wieder ist die Wüstenerfahrung Hintergrund für das alte Weltbild, in dem die Oase Wunder und Glück ist. Ähnlich wir Modernen: Die Astronauten berichten von ihrem Dank, ihrer  Bewunderung für den  blauen Planeten inmitten von Schwärze und funkelnder Kälte.

Die Erde zu bebauen und zu bewahren ist schon vor 3000 Jahren dem Menschen aufgegeben. Diese Weisung muss mitklingen, wenn wir den Auftrag, die Erde uns untertan zu machen, hören: Nicht zerstörerisches Ausbeuten sondern das bewahrende Nutzen ist Menschheitsberuf.

 

                                                        

 

 Aufs Du angelegt

Und Gott sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm einen Gefährten machen, der mit ihn lebt. Und Gott schuf aus Erde alle die Tiere auf dem Felde und alle die Vögel unter dem Himmel und brachte sie zu dem Menschen, dass er sähe, wie er sie nenne; denn wie der Mensch jedes Tier nennen würde, so sollten sie heißen. Und der Mensch gab einem jeden Vieh und Vogel unter dem Himmel und Tier auf dem Felde seinen Namen.

Aber der erste Mensch war zunächst allein.

1.Mose 2, 18-20

 

Das ist ein Urwissen von uns allen und  auch Gott erklärt es ausdrücklich für ein Defizit und nicht als eine Leistung, allein klar kommen zu wollen. „Wer einsam ist, der hat es gut, weil keiner ist, der ihm was tut“ (W. Busch), ist eine wehmütige Erkenntnis. Sie wird behoben dadurch, dass wir wieder und wieder uns als beziehungsfähig erweisen. Wir sind für andere brauchbar und nötig und liebenswert geschaffen. Weil es nicht gut ist, allein zu sein, sollen wir auch nicht allein lassen.

Damals dachte man, Gott habe erst einen geschaffen- dann den anderen. In Israel war der erste Mensch als Mann gedacht, in andern Kulturkreisen ist die Frau zuerst da. Jedenfalls begründet die  Geschichte von Adam und Eva keinen Vorrang für den Mann.   

Schon die Vorfahren wussten, dass Mensch und Tier aus gleichem Stoff sind. Der Mensch aber hat den Auftrag, die Tiere zu benennen, also sie sich zuzuordnen. Früher war der Abstand zu den Tieren noch klein, es war ein langer Kampf, bis sich die Vorherrschaft des Menschen erwiesen hat und die  Gefahr gebannt war, von den wilden Tieren ausgerottet zu werden. Die Vorstellung, dass der Mensch seine Ergänzung im Tier finden könne, ist in den Märchen noch bewahrt. Aber der Mensch braucht den Menschen.

 

 

Ein Fleisch

Da ließ Gott einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er schlief ein. Und er nahm eine seiner Rippen und schloss die Stelle mit Fleisch. Und Gott baute eine Frau aus der Rippe, die er von dem Manne nahm, und brachte sie zu ihm. Da sprach der Mann: Das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Und  darum wird wieder und wieder der Mensch Vater und Mutter verlassen und seinem Gefährten anhangen, und sie werden ein Gutesganzes (ein Fleisch) werden.

Und sie waren beide nackt, der Mann und seine Frau, und sie schämten sich nicht.

1.Mose 2,21-24

 

Die Ur- Schöpfung wiederholt sich in jeder Biographie. Auf dem Weg zum Erwachsenwerden ziehen wir  mehrfach uns in uns selbst zurück.  Die Mädchen wollen zu den Pferden, die Jungen zieht es zu Kampfspielen untereinander. Bevor wir offen werden fürs andere Geschlecht, müssen wir im Tiefschlaf aus dem Unbewussten schöpfen. Da tut sich die Erkenntnis auf, wir müssen von uns abgeben, um doppelt zurückzubekommen.

Das Bild von der verloren gegangenen Rippe kann von einer der uralten Geschichte herrühren: Die Männer  am Feuer erzählen sich von den Kämpfen der Vorfahren mit den wilden Tieren, und wie dem Urvater die Wahl gelassen war zwischen Unverwundbarkeit und Frau. So  gab er die Hälfte seines Körperpanzers, der ehemals auch den Bauch geschützt hat, für die Erschaffung seiner Eva. –Dieses Märchen bebildert ideal die Erfahrung der Liebe: Das plötzliche Erwachen aus dem Schlaf des Alleinseins, es  fällt einem wie Schuppen von den Augen: „Das ist ja Fleisch von meinem Fleisch“, das bin ich selber noch einmal anders: Du, meine bessere Hälfte!

Diese Geschichte erzählt nicht, wie, sondern dass Gott den Menschen gemacht hat, ergänzungsbedürftig und beziehungsfähig.  Irgendwann wird aus dem  Kind der Eltern die Frau oder der Mann zu dem Menschen, dem er dann zugehört und anvertraut und zugemutet ist, oder den er auch verfehlt.

Obwohl zu jeder Trauung ganz zu Recht dieser Bibeltext gelesen wird, ist dieser nicht die Gründungsakte unseres mitteleuropäischen Eheverständnisses, geschweige denn das Einsetzungswort für ein „Ehesakrament“. Es gibt nicht die Ehe, es gibt viele Formen, einander Gehilfe und liebender Mensch zu sein.

 

                                                       

 

Erkenntnis

Und Gott ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Und Gott gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben.

1. Mose 2,8.16-18

 

Mindestens zwei Geheimnisse treiben den Menschen um: Warum können wir nicht ewig leben? Und: Kann ich das Gute tun und das Böse lassen? Auf beide Fragen antwortete je eine Erzählung aus uralten Zeiten.  Der Mensch  aß verbotenerweise vom Baum des ewigen Lebens; Und er aß vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen, beides konnte er nicht lassen.  Die ganz früher getrennten Erzählungen handelten von  zwei  Bäumen im Paradies. Aber die Probleme, die mit den  Bäumen (Baum = Leben) kamen, gehören zusammen und die  Strafe ist eine. So konnte man gut die beiden Bäume als Lebensbaum ineins sehen.  Der Mensch ist sterblich, weil er erkennt, dass er sterblich ist. Er gewinnt Erkenntnis; damit verliert er das den Tieren ähnliche ewige Kindsein. Er wird „Hirnhund“(G. Benn), er muss denken, sich mühen, sich größer machen, er muss das Paradies des Nichtdenkenmüssens verlassen.  Und er will versuchen, will alles ausprobieren. Erst war er veranlagt, eben wie ein Tier nur zu müssen. Jetzt ist ihm Spielraum gewährt, zu wollen, zu entscheiden.

 

 

Sollte Gott gesagt haben

Aber die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott gemacht hatte, und die sprach zu der Frau: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?

1.Mose 3,1-3

 

Der wohl abgründigste Dialog der Menschheitsgeschichte steht in diesen knappen Zeilen. Die Schlange ist uraltes Symbol für Kommen aus dem Urgrund, für Erstickenmachen  durch (Jagd)List, aber auch für Häutung und Wandlung, Heilung. Und für ein Denken, das nicht weiter  kommt: Die Schlange beißt sich in den Schwanz. – So ist die Schlange auch Symbol der ewigen Wiederkehr des Gleichen- ohne Fortschritt und Erweiterung.

Die Schlange spricht, was der Mensch auch in sich selbst sprechen hört:  Ja, sollte Gott das wirklich gesagt haben? Sollte mein geliebter Vater seiner geliebten Tochter schönste Früchte vorenthalten- das kann doch nicht wahr sein: genießt alleine, ohne mit seiner Tochter zu teilen?

Die Schlange ist Bild für das menschliche Argwöhnen gegen Gottes Güte. Dies Argwöhnen haben die Alten durch das Auftreten der Schlange als von außen kommend beschrieben. Und tatsächlich ist der Argwohn gegen Gott, dass  er uns quälen könnte, indem er uns Glück willentlich vorenthielte und Unglück uns zufügte, himmelschreiend. Ist der Mensch zu diesem Argwohn fähig, ist er dazu fähig gemacht. Keiner hat sich selbst geschaffen. Diese Erkenntnis oder Ausrede schiebt die Schuld für unser Schuldigwerden in Richtung Gott. Durch  Auftritt der Schlange, die ja Gottes Geschöpf auch ist, zeigen die Alten: Gott befähigt und verurteilt uns  zum schuldig werden können und -müssen.

Wer handelt, muss auch Versäumnisse und Fehler und Schuld auf sich laden. Damit, daß Gott uns das Wissen um Gut und Böse einräumt, räumt er uns auch das Recht auf Schuld ein. Wir dürfen, was wir nicht dürfen: gegen das Wissen des Guten gegen an handeln.

 

                                                  

Das verquere Gespräch

Da sprach die Frau zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten; aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet!“

Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.

1.Mose 3,4-5

 

Wissen, was gut und böse ist, ist eine Gottesqualität. Diese Begabung hat uns Gott von immer her zugedacht. Tatsächlich kommen wir irgendwann im Kindesalter dazu, unsere Eltern zu belügen und zu bestehlen. Und fühlen in dem Augenblick uns stärker als sie. Jedenfalls fühlen wir unser Gewissen- wir wissen: Das darfst du nicht. Und doch schmeckt es gut. Unsere Augen werden uns aufgetan für die Ahnung, wie schwer das Leben ist, wir lieben die Eltern und verletzen sie doch. 

Diese Erfahrung von uns allen, haben unsere biblischen Vorfahren übertragen auf  Gott und in einer Szene vom Garten und den verbotenen Früchten nachgestellt. Immer wünschen wir, es gut zu haben und doch nicht schuldig zu sein.- Aber im Angesicht der Hungernden dieser Welt  ist keine schuldlose Nische zu haben:  Mein Vergeuden macht die Welt mit krank. Und mein Erfolg ist oft mit dem Scheitern Anderer erkauft. Wir wissen um uns, wissen daß wir verantwortlich sind- letztlich Gott, dem wir Rede und Antwort stehen müssen, schon jetzt. Denn unser Gewissen ist im Dialog mit ihm.

 

 

Sehen, was klug macht

Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte.

1. Mose 3,6

 

Da ist ein Verbot von dem aufgestellt, dem alles gehört. Aber Frau Mensch sah. Ihre Lebensbereitschaft neigt  dazu, die Verhältnisse zu ihren Gunsten zu nutzen.  Sie lässt sich die Dinge zum Besten dienen. Sie geht davon aus, dass Gott gut ist. Der wird  nicht einen Baum in die Mitte des Gartens stellen, dessen Früchte Glück verheißen aber vergiftet sind.  Auch wird mein geliebter Vater –so Eva- keine Versuchsanordnung aufbauen, nur um mich zu testen. Er weiß doch. Also will er mich klug machen. Darum macht er, daß Lust mir in die Augen springt.

Als die Menschheit noch in den Kinderschuhen steckte, gab es eine Entwicklungsstufe ohne Gebote, ohne Gut und Böse, ohne Wahl. Die Schöpferkraft musste entscheiden, ob es beim Menschenaffen sein Bewenden haben sollte. Oder ob Gott sich ein Partnerwesen heranerziehe. Dann muss dies vor allem Spielraum haben, selbst zu wählen, was es für Gut und Böse hält. Gott kann ihm zwar seine Sicht der Dinge sagen. Aber erst wenn der Mensch aus freiem Willen das göttliche Maß für sich gelten lässt- und nicht etwa aus Angst vor Strafe- lebt er ebenbildlich mit Gott. 

Die Menschen vor uns legten für sich fest: Gott ließ den Erdling mitentscheiden, ob er mit Gewissen gekrönt und beladen sein will. So viel Schmerz und Hass und Gewalt kommt dadurch in die Welt, dass der Erdling Mensch wird- also nicht nur „das Findigste aller Tiere“ bleibt, sondern „Invalide höherer Kräfte“ (Helmuth Plessner) ist.

Auch wollte Gott die Entscheidung, welche auch Bitternis mitbringt,  nicht alleine treffen. Natürlich leidet die Mutter des Lebens, wenn ihre Kinder ihr ins Angesicht widerstehen und sich gegenseitig Böses antun. Hätte Gott uns schonen wollen, hätte er uns unwissend, hätte unsere Vorfahren Menschenaffen bleiben lassen. Aber der Blitz des Heiligen Geistes  half  ersten Affenmenschen zur Welt.  Sie lernten, aufrecht zu gehen und Gebote des Herrn zu vernehmen.                                

 

 

Und er aß

Und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann auch davon, und er aß.

1.Mose 3,6b 

 

Das sollen wir uns so vorstellen: Lange steht Eva da, allein, wortlos, es arbeitet in ihr. Was die Schlange sagte, ist ja eine Stimme in ihr. Ob sie vielleicht Gott näher kommt, wenn sie das Gebot überspringt? Ob sie nicht vertraut werden soll mit dem Wissen von Allem? Ob sie vielleicht Gott besser versteht, wenn sie ihn nicht wörtlich nimmt? Soll ich meine Fähigkeiten auszuweiten?

Aber dann liegt Schuld und Unschuld glasklar offen, frei scheint sie wählen zu können, ob sie den Apfel greift oder es sein lässt.

Eva vor dem verlockenden Baum- wir spüren das Gefälle hin  zum selbstverständlichen Tun des Verbotenen: Köstlich ist die Augenweide, und dazu noch das Versprechen, dadurch klug zu werden. Da darf man doch nicht ablehnen. Sie nimmt. Und die Verführte wird zur Verführenden. Sie nimmt, isst, gibt. Und er isst.-

Dass die Frau den ersten Griff tut, ist kein Zeichen von Mehrschuldsein und Zweitrangigkeit, die der Frau so lange aufgedrückt wurde. Im Gegenteil scheint sie mehr Partner Gottes zu sein, schöpferischer und intelligenter, aktiver als der vor sich hinarbeitende Mann. Für ihn ist ja typisch, nichts verlieren zu wollen, während die Frau auf Gewinnen setzt. Die Frau scheint immer über das Geheimnis des Lebens zu walten. „Durch Männer lernt man höchstens, wie die Welt ist, durch Frauen jedoch, was sie ist“ (Cees Nooteboom). Die lange Geschichte männlicher Herrschaft geht Hand in Hand mit der  Dummheit des Adam.

 

 

Gewahr werden, was mit einem ist

Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.

1.Mose 3,7

 

Ihnen wurden wahrlich die Augen geöffnet. Aber sie fanden kein selbstbewusst erblühtes Ich. Die Unschuld war entzaubert, die Kindheit verloren. Es kommen auf sie die Mühen des Wissens: Sie lernen sich als Mängelwesen kennen, die geschlechtliche Stelle  legt die Ergänzungsbedürftigkeit bloß. Durch Verdecken schaffen sie die Angewiesenheit  nicht aus der Welt, es bleibt bei ihnen die Scham- eine innere Entherrlichung, ein Erschrecken, nicht leuchtend wie Gott für einander zu sein sondern zerrissen, argwöhnisch, selbstsüchtig, hungrig nach Liebe. In der Umarmung werden sie für Augenblicke von ihrer Eigensucht  zu einem Ganzsein erlöst.

 

 

Mensch, wer bist Du

Adam und Eva hörten Gott, der sich im Garten erging, als der Tag kühl geworden war. Und sie versteckten sich vor dem Angesicht Gottes unter den Bäumen im Garten. Und Gott rief: Adam, wo bist du? Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich.

Und Gott sprach: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Du hast  gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon essen. Da sprach Adam: Die Frau, die du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum und ich aß.

Da sprach Gott zur Frau: Warum hast du das getan? Die Frau sprach: Die Schlange betrog mich, sodass ich aß.

Da sprach Gott zu der Schlange: Weil du das getan hast, sollst du auf deinem Bauche kriechen dein Leben lang; Feindschaft soll sein zwischen deiner Brut und den Menschenkindern. Und zur Frau sprach er: Unter Mühen sollst du Kinder gebären und Verlangen sollst haben  nach dem Mann. Und zum Mann sprach er: Unter Mühen sollst du den Acker bestellen, im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zur Erde zurückkehrst, davon du genommen bist.

Und Adam nannte seine Frau Eva, Mutter des Lebendigen.

1.Mose 3, 8-20

 

„Adam, Mensch, wo bist du, wer bist du“?- ist der Ruf nach mir selbst. Was ist mit mir los; ist es ein Glück, dass ich bin? So müssen wir fragen. Es ist damit ein Horchen auf Antwort in uns eingegeben, ein Streben hin, bestätigt zu werden. Es ist der, die Andere, das Gegenüber, das mich zum Ich macht.

Durch Mitmenschen hindurch ruft Gott nach mir: Ich muss aus mir herauskommen, aus dem Dickicht des Unbewussten, ich muss mich outen, mich kenntlich machen durch das, wofür ich einstehe.

Mich verkriechen geht nicht, Scham vor der eigenen Dürftigkeit gilt nicht. Ich muss mich zeigen, anbieten, meine Begabung ausgeben, muss mich zu erkennen geben, ich muss Ich werden in dauernder Fühlung  mit Gut und Böse.

Das Ableiten von Schuld ist menschlich; Adam belastet die Frau, die Du, Gott, mir gegeben hast. Er beschuldigt also letztlich Gott. Das macht auch die Frau: Die Schlange hast  Du doch auf mich angesetzt!

Die schweren Menschenlasten sahen die Vorfahren im Schuldigwerden begründet: die Angst vor giftigem Getier; die Mühe mit dem Nachwuchs und der Geschlechtlichkeit, die Mühe ums tägliche Brot, der dauernde Blick in Richtung Vergeblichkeit und Tod.

Beides gilt: Die Menschen sehen letztlich Gott haftbar für die schwierigen Umstände. Diese aber besetzt Gott auch mit Hoffnung. Und Gott nimmt den Menschen in die Verantwortung: In den schwierigen Umständen wächst der Mensch, kommt zu sich selbst. Der Mann, der erst seine Frau von sich stößt, nennt sie dann Mutter alles Lebendigen- darin steckt Liebe und Trotz und Stolz: Der Mann sieht sich als Gefährten der Mitschöpferin, der Partnerin Gottes.

 

                                                      

 

 Das Wissen um Gut und böse ist unser Adel

Und Gott sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Das ist die Vertreibung aus dem Garten Eden, unter Schmerzen soll er Leben weitergeben, unter Mühen die Erde bebauen. Und Gott machte Adam und seiner Frau Röcke von Fellen und zog sie ihnen an. Cheruben versperren  mit flammenden Schwertern den Weg zurück zum Paradies.

1.Mose 3, 21 -24 

 

Das Wissen um Gut und Böse macht den Menschen anders als alle andere Kreatur. Es geht nicht mehr, das Leben aus dem Bauch; und wie es kommt, ist es gut- das ist vorbei. Von den vielen Möglichkeiten müssen wir die am wenigsten Schädliche ermitteln und tun. Einigermaßen nur wollen, was man darf und einigermaßen können, was man muss, das ist die alltägliche Gnade. Und Gelingen ist tägliches Wunder.

Uns sind Felle mitgegeben; wir können uns schützen vor dem Erfrieren, auch seelisch. Gut, dass Gott uns selbst umkleidet vor der Scham- von der es viele Sorten gibt; und immer hat Scham was von Schuld- oder Mängelwissen. Vor

Allem, was uns Schuldverlorensein in die Seele drückt- da sei Gott vor, bitte.  

Der Weg zurück ins Paradies ist uns verschlossen- wir müssen durch die Geschichte durch. Leben ist eine Dienstreise, wir können sterben, wenn wir das Menschsein durchlaufen haben. Spätestens dann werden wir erkennen: Das Paradies liegt vor uns.

„Der Cherub steht nicht mehr davor“- das wissen wir von Christus. Auf der Rückseite der Zeit hat Gott noch viel mit uns vor.

 Anders erzählt John Milton (geb.1609): Als Adam gewahr wird, daß Eva von der verbotenen Frucht gekostet hat, wendet er sich zunächst entsetzt ab. Doch dann wird ihm klar: Auch er muss nun den Apfel nehmen, weil er andernfalls allein zurückbliebe. Adam ist kein Opfer des Bösen, sondern er entscheidet sich bewusst für den Sündenfall. Sein Vergehen ist, daß er die Liebe zu Eva höher stellt als das Gesetz. Der Dichter lässt Adam und Eva aus dem Paradies treten; und „die Welt liegt ihnen zu Füßen“. –Es wäre dies ein Lobgesang auf die (von Gott uns eingeräumte) Willensfreiheit, auf die Liebe und die Lust, etwas aufzubauen. Letztlich hat ja Gott sich einen Partner erschaffen, indem er uns abkoppelt vom kindlichen Unwissen hin zum Gewissen des erwachten Menschen.

 

                                                      *

 

Kain und Abel

Und Adam erkannte seine Frau Eva, und sie wurde schwanger und gebar den Kain. Danach gebar sie Abel. Und Abel wurde ein Schäfer, Kain aber wurde ein Ackermann.

1.Mose 4, 1-2

 

Die deutsche Sprache hat für die Liebesumarmung eigentlich  nur das behutsame “Miteinander- Schlafen.“ Das  hebräische „Erkennen“ dagegen feiert das geistige Ereignis, das mit dem Lieben einhergeht: ausgeliefert aneinander nehmen wir uns wahr, von Angesicht zu Angesicht.

Der Mensch ist geliebter Sünder- dafür steht das erste Menschenpaar. Das erste Brüderpaar ist einander feind- auch das kennzeichnet die von Anfang an bedrohte Schöpfung; sie muss erst noch heil werden.

Schäfer und Bauer sind ehemals Konkurrenten- sie stehen für Rivalität aller Art. Der wirtschaftliche Kampf ums Überleben macht auch vor Geschwistern nicht Halt.

 

 

Zum Erntedank 

brachte  Kain dem Herrgott Opfer von den Früchten des Feldes, Abel brachte Jungtiere von  seiner Herde. Und Gott  sah Abel und sein Opfer gnädig an, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick.

1.Mose 4, 3-5

 

Beide Brüder wissen, dass sie ihre guten Ernten Gott verdanken. Auch ihre Gesundheit, ihre Familien, die Zeit, die Freude, ja, sich selbst verdanken sie Gott. Aber wie ein Blitz aus eben noch heiterem Himmel fährt ein Hass in die Welt, fällt in des Menschen Herz.  Kain  sieht seine Sympathie bei Gott und dem Schicksal verloren. Vielleicht war es ein nichtiger Anlass nur- sein Opferfeuer qualmte, während Abels Feuer herrlich prasselte. Er sieht sich zurückgesetzt, sieht Abel bevorzugt. Und schon lodert Argwohn in Kain auf, Grimm überzieht seine Seele, Neid und Gewalt brechen hervor.

Die Geschichte lässt Gott den Urheber auch des Grimms sein, er verteilt seine Gunst ungerecht („Die Wege des Herrn sind unerforschlich“-sagte man früher.) Wir sind heute mit solcher Schuldzuweisung vorsichtig. Jesu lehrte uns, Gott nicht als Autor von Bösem zu sehen, sondern als Miterleider und Erlöser.

 

  

Grimm

Da sprach Gott zu Kain: Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick? Es ist doch so: Wenn du ohne Arg bist, kannst du frei den Blick erheben. Sinnst du aber Böses, so lauert die Sünde als Dämon an der Tür. Auf dich hat er es abgesehen. Du aber werde Herr über ihn.

1.Mose 4,6.7

 

Kain ist nicht automatisch seiner Aggression ausgeliefert. Im Gewissen hört er sich infrage gestellt. Warum denn der Hass? Ist in dir ein Verlangen zu zerstören? Willst du gewinnen durch Kleinmachen und Vernichten? Sünde kann monströs Macht über uns gewinnen; wir sehen uns als Opfer eines Dämons, der auf uns zufliegt, von uns Besitz ergreift Aber du Mensch, beherrsche deine Lust, zu unterwerfen. Benutz kein Böses, auch nicht als Mittel für angeblich gute Zwecke - so lockt Gott und würdigt uns eines ziemlich freien Willens.

Es gibt böse Mächte, Dämonen, Hexen- aber sie können nicht in dein Haus, es sei denn, du lässt sie ein. Schlimm ist, sie noch einzuladen. Wir haben Entscheidungsspielräume, haben immer wieder Möglichkeiten, zu wählen. „Wer A sagt, muss nicht B sagen, er kann auch erkennen, dass A falsch war“ (Bert Brecht).

 

 

 

Bruders Hüter

Doch Kain sprach zu seinem Bruder Abel: Lass uns aufs Feld gehen! Und als sie auf dem Felde waren, griff Kain seinen Bruder Abel an und schlug ihn tot.

Da sprach Gott zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach: Was weiß ich? Soll ich meines Bruders Hüter sein?

1.Mose 4,8.9

 

Abgründig, dass Menschen Ihresgleichen umbringen können. Dann sind alle Sperren niedergerissen von der einen Gier, diesen aus dem Weg zu räumen. Um  sich seine Lebenskraft oder seinen Besitz, seine Würde, seine Macht anzueignen. Tief in uns wissen wir, dass wir einander zu Hütern bestellt sind. Mord ist fast Selbstmord. Lebenslänglich wird man das Töten bei sich haben, Sein Schrei, sein Niedersinken schiebt sich in jeden künftigen Gedanken. Die Räume des Schreckens wird man nie mehr los.

„Jeder Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt einen, wenn man herabsieht“(Georg Büchner). Kain ist tief gekränkt. Er sieht sich als Opfer, zum Versager gemacht, er tötet den Zeugen seiner Schmach. In einer Eruption aus Wut auf sich selbst-dass er so danebenlag in seiner Einschätzung- und Zorn : warum ich und nicht er- und Angst,wie kleingemacht soll es jetzt weitergehn neben dem triumphierenden Bruder- schlägt er zu, gegen seinen Willen, seine Vorsätze, seine Vernunft.

 

                                                     

 

Fluch

Gott  sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde. Verflucht sollst  du sein. Wenn du den Acker bebauen wirst, soll er dir hinfort seinen Ertrag nicht geben. Ruhelos und flüchtig sollst du sein auf Erden.

1.Mose 4,10-12

 

Das ist der Fluch der bösen Tat: Man kann sich seines Lebens nicht mehr freuen. Nähe mit dem Mörder wird gemieden, seine  Mitarbeit wird nicht gewollt. Die einzige Chance ist die garstige Fremde. Wo man ihn erkennt wird man Steine nach ihm werfen. Und er muss weiter. Es gilt das Wort aus Weisheit 11,16: „Womit einer sündigt, damit wird er auch bestraft.“

 

                                                   

Todesstrafe abgelehnt

Gott sprach: Aber totschlagen soll ihn keiner. Und Gott gab Kain ein Zeichen, dass ihn niemand erschlüge. Und  Kain ging weit weg, jenseits von Eden, wo er meinte, er sei dem Herrn aus dem Blick.

1.Mose 4,13-16

 

Die Sensation ist, dass schon ganz früh die Menschen wussten: Todesstrafe geht nicht. Das Leben, auch des Mörders, ist des Herrn. Fürchterlich, dass sich doch immer wieder Menschen anbieten zu Henkern, um anmaßend „im Namen des Herrn“ Leben auszulöschen.

Aber auch Gott ist gezeichnet mit dem Kainsmal. Das ist ein Versprechen: Auch jenseits von Eden bleiben Gottes Augen über Bruder Kain. Und dem Abel ist ein unverbrüchliches Gedenken gewidmet in all den Mühen um Geschwisterlichkeit.

Geschichten wie die von Kain und Abel erzählen, das kann man eigentlich nur, wenn man starken Mutes ist. Denn es braucht Kraft, die Räume des Schreckens zu vermessen und den Hang zur Gewalt in uns zu merken; Geben wir nicht auf, mitten im Winter die Keime des Frühlings zu glauben. Entzünden wir kleine Feuer der Liebe, helfen wir dem Pflänzchen Humanität zum Überleben. Retten wir Menschen aus ihrer Sprachlosigkeit. Hilde Domin sehnt sich, das Vertrauen zwischen den Brüdern noch einmal herzustellen, damit es eine zweite Chance gibt: „Abel steh auf/ damit Kain sagt/damit er sagen kann/Ich bin dein Hüter/ Bruder/wie sollte ich nicht dein Hüter sein.“  

Und hat nicht der alte Indianer recht der seinem Enkel von dem Bösen und dem Guten in der Welt erzählt und davon, dass in einem jeden von uns ein guter und ein böser Wolf steckt? Und der Enkel fragt: „Welcher Wolf siegt denn“? Und der Indianer antwortet:  „Der, den du fütterst“.

 

 

Doch Zukunft

Und Kain und seine Frau bekamen den Henoch, der baute eine Stadt. Nachkommen wurden Viehzüchter, andere Zither –und Flötenspieler, andere Eisenschmiede.

1.Mose 4,17.20f

 

Der schuldbeladene Kain geht an die Arbeit, vielleicht will er wiedergutmachen und der Schuld entkommen. Christian Morgenstern sagte: „Wer sich groß verfehlt, hat auch große Quellen der Reinigung in sich.“  Kinder ins Leben rufen und sie erziehen, das baut Zukunft, Kains Kindern schreibt man die Erfindung der Stadt zu, der sozialen Einrichtung überhaupt. Und sie machten Musik und Waffen und Geschmeide.

Wir stammen von Mördern ab,wir sind Sieger, stammen ab von Siegern.  Unzählbar die, die starben, ehe sie Eltern wurden.

 

 

                                                

Aus der Tiefe zu den Sternen

Ein Tiefpunkt  der menschlichen, der männlichen Großmannssucht klingt auf in dem grölenden Triumphlied des Kain-Nachkommen Lamech: Ada, Zilla, meine Frauen! Merkt auf, was Lamech zu sagen hat: Ich erschlage  einen Mann für meine Wunde, einen Jungen für meine Beule. Na und? Ich sage: Kain sollte siebenmal gerächt werden aber der große Lamech soll siebenmal siebzigfach gerächt werden.

1.Mose 4,23.24

 

Wir kommen aus Zeiten, da galt das Recht des Stärkeren. Der nahm, was er wollte und stillte seine Mordlust, bis er erschöpft war.  Hunderttausend Jahre wohl brauchte Gott, um dem Menschen Gewissen einzutrichtern: ein Um- sich- selbst- wissen: Mensch, du bist für dein Tun verantwortlich. Du bist gewürdigt und verpflichtet, einer höheren Instanz Antwort und Rechenschaft zu geben.        ( So kann man eigentlich nicht sagen: „Vor meinem Gewissen hab ich mir nichts vorzuwerfen“. Ich stehe ja mit meinem Gewissen vor einer Instanz, der ich verantwortlich bin.)

Ein Meilenstein in der Erziehung des Menschengeschlechtes ist die Begrenzung der Rache auf ein strenges: „Wie du mir, so ich dir.“ „Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben um Leben“ (2.Mose 21,23f). Nicht mehr, nicht weniger, kein Pogrom aber auch keine Gnade. Die Zeitenwende brachte Jesus: „Wenn dich jemand auf die rechte Backe schlägt, biete ihm auch die linke. Will einer deinen Mantel, gib ihm auch dein Hemd.“ (Matthäus 5,39). Der Mensch wird zur Feindesliebe fähig, wenn er an Jesu Hand  den Racheherrn und den Gesetzesrichter  hinter sich lassen darf und hinfindet zum „Gott der Geduld und des Trostes“ (Römerbrief 15,5).

 

                                                         *

 

Sintflut - die größte anzunehmende Traurigkeit

Als aber Gott sah, dass die Bosheit der Menschen groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immer und immer, da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen und er sprach: Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis hin zum Vieh und bis zum Gewürm und bis zu den Vögeln unter dem Himmel; denn es reut mich, dass ich sie gemacht habe. Aber...

1.Mose 6,5-7

 

Es ist vielleicht der gewalttätigste Satz über die Menschheit. Niederschmetternder haben wir nicht von uns gesprochen und von Gott: Wir, unsere Spezies, ein Missgriff eines scheiternden, gebrochenen Gottes.  Der Satz, ist wie eine gewaltige Flut, mit der der Herr seinen Stall ausmistet, seine Welt hinwegspült.

Immer wieder kamen und kommen Fluten, Feuersbrünste, Hungerkatastrophen, Vulkanausbrüche über die Menschheit. Und Menschen fragen: Warum?  Und sagen, um Gott zu schützen: Wir sind selbst schuld. Wären wir Gott, hätten wir mit Unsereins auch Schluss gemacht.

Doch an den Vernichtungssatz schließt sich ein Aber, das leuchtendste Aber. Vielleicht, am Ende des Tunnels, Licht; nicht vom entgegenkommenden Zug sondern von  Noah, der Arche, dem Regenbogen, dem Bund.

 

                                                         

Aber Noah

war ein frommer Mensch und ohne Tadel zu seinen Zeiten; er lebte mit Gott. Zu ihm sprach Gott:  Das Ende allen Lebens ist bei mir beschlossen, denn die Erde ist voller Frevel;  ich will sie alle verderben mit der Erde.

Du aber mache dir einen Kasten von dreihundert Ellen, dreißig Ellen Höhe, mit Stockwerken, Ställen, Kammern, Fenstern. Ich will eine Sintflut kommen lassen. Alles, was auf Erden ist, soll untergehen.

Aber mit dir will ich meinen Bund aufrichten, und du sollst in die Arche gehen mit deinen Söhnen, mit deiner Frau und mit den Frauen deiner Söhne.

In die Arche sollt ihr bringen von allen Tieren, von allem Fleisch, je ein Paar, Männchen und Weibchen, dass sie leben bleiben mit dir. Genug Verpflegung und Futter  nimm mit!

Und Noah tat, was Gott gebot. Und die Tiere gingen zu Noah in die Arche, paarweise. Dann  kamen die Wasser der Sintflut. Alle Brunnen der großen Tiefe brachen auf und es taten sich die Fenster des Himmels auf.  Es regnete vierzig Tage und vierzig Nächte.

1.Mose 6,8-22; 7,1-12

 

Die Rettung liegt bei einem, der mit Gott lebt. Einer bleibt übrig, einer kehrt um, einer baut die Arche. Die Vielen können irren. Einer aber sieht Gott kommen. Einer weiß, was zu tun ist: Retten, Bergen, in Sicherheit bringen, alles verlassen um des einen Auftrags willen. So einen fand Gott; Und so einen findet Gott immer wieder in den großen und kleinen Katastrophen. Lasst uns nicht sagen: „Nach uns die Sintflut“. Bauen wir Archen, Freundschaften, Inseln zum Überleben.

 

 

Solange die Erde steht

Nach dem lange nicht enden wollenden Regen gedachte Gott an Noah und an alles Getier, das mit in der Arche war, und ließ die Winde los auf Erden und die Wasser fielen.

Noah wurde ungeduldig- er ließ einen Raben ausfliegen; der flog immer hin und her und kam zurück. Auch eine Taube fand nichts Trockenes und kam zurück. Später ließ er erneut eine Taube fliegen, die kam um die Abendzeit zurück, und trug einen Ölzweig in ihrem Schnabel. Da merkte Noah, dass die Wasser sich verlaufen hätten und Land in Sicht war.

Dann redete Gott mit Noah und sprach: Geh aus der Arche, du und die Deinen und alles Getier, auf dass sie sich mehren auf Erden.

So ging Noah heraus mit allem, was bei ihm war. Und er baute Gott  einen Altar und dankte und feierte ihn.  Gott aber sprach: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen. Auch wenn das Machen und Tun  des menschlichen Herzens böse ist, will ich hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

Und Gott segnete Noah und die Seinen und schloss einen Bund mit Noah und seinen Nachkommen und mit allem lebendigen Getier und sprach: Es soll keine Sintflut mehr kommen, welche  die Erde verderbe. Ich setze meinen  Bogen in die Wolken. Den will  ich ansehen und gedenken und den sollt ihr ansehen und gedenken: Es ist ein Zeichen des Bundes zwischen Gott und Schöpfung.

1. Mose 8 -9,17

 

Böse von Jugend auf, der Mensch.- Das kann nicht wahr sein, denn wir stammen doch aus Gottes Willen.  Aber wir können böse werden, furchtbar hassvoll. Und Gott konnte seine Freude an uns Menschen verlieren. Aber dann bekehrt sich Gott wieder zu seiner Kreatur. Gott will mit uns auskommen, auch wenn er an uns leidet. Das ist eine Art Wandel in Gott, ist aber eher  doch ein Quantensprung in der Gotteserkenntnis des Menschen.

Und verzichtet Gott hiermit nicht auf jegliche gewaltsame Einmischung? Jedenfalls werden wir gänzlich in Verantwortung genommen. Verhängt Gott keine Strafaktionen mehr, müssen wir die Folgen unseres Tuns um  so mehr prüfen – und ausbaden.

Tief zurück liegen  Zeiten schauerlicher Göttervorstellungen. In vielen Schöpfungssagen der Menschheit steht eine Urflut am Anfang. Alle Völker am Meer haben Sintfluten im Volksschatz, immer war Sünde schuld, um nicht ganz irre zu werden am Verhängnis. Immer war es göttliches Erbarmen, das neuen Anfang machte.

Wunderbar: Der Regenbogen, den auch Gott ansehen will als seinen Eid, als seine Unterschrift: Ich will mit euch Menschen durchhalten, auch wenn ihr schwierig seid. Und auch die Natur soll euch aushalten. In aller Gefährdung ein rettendes Wort!

 

 

Noah aber, der Ackermann, pflanzte als Erstes einen Weinberg.

Und da er von dem Wein trank, wurde er betrunken und lag im Zelt aufgedeckt.

Als nun Ham die Blöße seines Vaters sah, sagte er's seinen beiden Brüdern draußen. Da nahmen Sem und Jafet ein Kleid und legten es auf ihrer beider Schultern und gingen rückwärts hinzu und deckten ihres Vaters Blöße zu; und ihr Angesicht war abgewandt, damit sie ihres Vaters Blöße nicht sähen.

1.Mose 9, 21-23

 

 In den ersten Kapiteln der Bibel klingen die Grundthemen des Menschlichen an; dazu gehört auch das Schmerzliche am Altwerden: die Hilfsbedürftigkeit. Noah zecht mit seinen Söhnen, er fällt um, kommt von Sinnen, liegt entblößt da. Ein Sohn tut das Nötige: Ohne des Vaters in seiner Schwäche ansichtig zu werden, tritt er zu ihm und verhüllt ihn gnädig mit einer  Decke. -Vater und Mutter im Alter die Ehre zu bewahren ist dringend. Denn die jetzt schwach werden, waren vorher stark und nährten und lehrten die nächste Generation sicher an die zwanzig Jahre. Auch sind die Alten alle Achtung wert, weil sie in ihren Mühen das Leben durchgehalten haben- was bei den Jungen ja noch offen ist. An den Alten kann man üben, die notwendige Fürsorge sicherzustellen und ihnen ihre Freiheit zu bewahren –kann also üben, so zu handeln, wie man selbst mal „behandelt“ sein will. 

 

 

                                                          *  

 

Der Turmbau

Von den Nachkommen Noahs kommen die Völker her. Und  alle Welt hatte einerlei Zunge und Sprache. Die nach Osten zogen, fanden eine Ebene im Lande Schinar und ließen sich dort nieder. Sie sprachen untereinander: Lasst uns Ziegel streichen und brennen! - und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel und taten sich zusammen: lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen; sonst verlieren wir uns in alle Länder.

Da fuhr Gott hernieder, Stadt und Turm der  Menschen zu besehen. Und erschrak: Das ist erst der Anfang- wenn die so weitermachen, werden sie entgrenzt. Verwirren wir ihre Sprache, dass sie sich nicht verabreden können!

Daher heißt ihr Name Babel, weil Gott da verwirrt hat aller Länder Sprache und sie von dort zerstreut hat in alle Länder.

1.Mose 10,32; 11,1-9

 

Die lange vor uns lebten, dachten den Ursprung der Welt als Einheit: Ein erster Mensch, ein erstes Menschenpaar, eine Urflut nach der Noah der erste Mensch war, von ihm zweigen alle Völker ab, am Anfang auch eine Ursprache; Die verwirrende Vielsprachigkeit galt als Strafe für den Größenwahn der Ahnen, ebenso die schrumpfende Lebenszeit erklärte man sich als Ermattung und Strafe.

Am Anfang dachten die Alten war Fülle und Goldenes Zeitalter. In unvordenklicher Zeit war eine Zeit der Ursprünge. Dann kamen die Abstiege bis zum ausstehenden Weltuntergang. Aber dann ist mit neuem Aufstieg zu rechnen bis in die Fülle des Himmels. Und dessen Ewigkeit ist dann die gesammelte und geheilte Zeit (Augustin).

Der Turm zu Babel  galt wie andere Weltwunder des Altertums  als Zeichen für die hohe Leistungsfähigkeit der Vorfahren. Dass nur Reste  vom Turm zu Babel blieben, nahmen spätere Generationen als Zeichen: Die wollten zu hoch hinaus. Ihr Scheitern blieb Mahnung, selber nicht in Hybris zu fallen.

Die „Babylonische Sprachverwirrung“ bleibt Warnung, die Sprache nicht zum Herrschaftsmittel verkommen zu lassen. Auch fängt der Friede mit der Wahrheit der Worte an. Wenn Menschen einander nur kommandieren und verhören, können sie sich nicht verstehen.

Die stärkste Gegengeschichte ist die von Pfingsten (Apostelgeschichte 2). Der Heilige Geist der Kommunikation brennt in den ersten Christen.

 

                                              *

 

Abraham, Vater des Glaubens

Gott erwählte sich einen Menschen, namens Abram (später Abraham) aus Haran. Den sprach er an:  Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deiner Eltern Haus in ein Land, das ich dir zeigen werde. Ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein; ja, in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.

Abraham glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit an. 

1.Mose 12, 1-3; 15,6

 

 

Im grandiosen Zeitraffer schildern die Schriftgelehrten vom Tempel Salomos (um 950 v. Chr.) die Vorzeit. Nach Schöpfung und Zeit der Riesen (1.Mose 6) und Sintflut schließt Gott mit Noah den Bund fürs Leben: Leben soll weitergehen. Und in Abraham schließt er den Bund des Glaubens. Abraham soll Vater Israels werden, des Volkes, dem die Gottessorge und die Erwartung des  Messias aufgetragen wird. Der Segen über Abraham ist  aller Menschheit gewidmet: Bewusste Gotteskenntnis ergießt sich von Abraham an in die Welt: Der Schöpfer hat mich geschaffen, und in ein besonderes, nahes Verhältnis zu sich gefügt. So kann ich Gott vertrauen, ich gehöre ihm. Im Innersten bin ich „Kind Gottes“. Nicht weil ich so gehorsam bin sondern weil ich dazu bestimmt bin und geliebt bin. Diese Gewissheit ist der Glaube, den Gott uns schenkt und bei uns sucht.

Abraham wird rausgerufen aus seinem Zuhause, seinem Mondgottglauben, seinem Eingebettetsein in ein kreisendes  Hier und Jetzt. Dann  wird er losgeschickt „in ein Land, das ich dir zeigen werde“. Und er packt mit Frau Sara sein Hab und Gut zusammen. An der Gartenpforte  weiss er noch nicht, ob es nach rechts oder links geht.  Einen Schritt weiter ist er auf einen Weg geleitet, der Jahrhunderte später Israel ins Gelobte Land führt. Abraham  lässt sich auf die Verheißung Gottes ein und kann darum alles verlassen. Vor ihm: Zukunft, Weg, Ziel statt ewige Wiederkehr des Gleichen. Abraham entdeckt den Gott der Geschichte, der auch Schöpfer ist, aber eben auch der mitgehende Behüter.

 

                                                  *

 

Wir sind doch Brüder

Da zog Abraham aus mit seiner Frau Sara und aller Habe, und Schwager Lot und dessen Familie zog mit. Abraham war fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus Haran zog, um im Land Kanaan zu wohnen. Er baute bei Sichem einen Altar und östlich der Stadt Bethel, danach zog Abraham weiter ins Südland. In den langen Jahren der Wanderzeit (als Nomade) wurde er  reich an Vieh, Silber und Gold.                       

Lot hatte auch viele Schafe, Rinder und Zelte. Aber  das Land konnte beide  nicht ertragen, immer war Zank zwischen den Hirten von Abrahams Vieh und den Hirten von Lots Vieh.

Da sprach Abraham zu Lot: Lass doch nicht Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten. Wir sind doch Brüder! Steht dir nicht alles Land offen? Trenne dich doch von mir! Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken.

Da erwählte sich Lot die ganze wasserreiche Gegend am Jordan und zog nach Osten. Also trennte sich einer vom andern.

Abraham wohnte im Lande Kanaan und Lot in den Städten am unteren Jordan, bis nach Sodom zog er mit seinen Zelten. Die Leute von Sodom aber waren böse.

1.Mose 12,4 -13,13

 

Streit zwischen Brüdern, Familien, Mitarbeitern geschieht. Das Kunstwerk ist nur, wie damit hinreichend friedlich zu leben? Abraham macht das vorbildlich. Er schlägt Trennung vor, lässt aber Lot die erste Wahl. Das Geheimnis seiner  und aller Großzügigkeit ist das Wissen, gesegnet zu sein. Und darum gönnen können.                  

 

                                                    *

 

 

Sara und  Hagar- eine  Geschichte mit Folgen bis heute

Sara, Abrahams Frau, bekam keine Kinder. Sie hatte aber eine ägyptische Magd, die hieß Hagar. Und Sara sprach zu Abraham: Siehe, Gott hat es verfügt, dass ich nicht schwanger werde. Geh zu meiner Magd, ob ich vielleicht durch sie zu einem Sohn komme. Und Abraham hörte auf Sara.

Er schlief mit Hagar, die ward schwanger. Da fing sie an, ihre Herrin zu verachten. Da sprach Sara zu Abraham: Das Unrecht, das mir geschieht, komme über dich! Ich habe meine Magd dir in die Arme gegeben; nun sie aber sieht, dass sie schwanger geworden ist, bin ich  in ihren Augen verachtet. Gott sei Richter zwischen mir und dir. Und Sara demütigte sie, da floh sie von ihnen weg in die Wüste.

Aber der Engel Gottes fand sie bei einer Wasserquelle in der Wüste und  sprach zu ihr: Den Sohn, den du gebären wirst, sollst du  Ismael nennen.- was heißt: „Der Herr hat dein Elend erhört“. Und Hagar nannte fortan den Herrn:  “Du bist ein Gott, der mich sieht.“      

Später wurde Sara doch noch schwanger. Und als sie ihr  Kind geboren hatte, sprach sie zu Abraham: Treibe Hagar von uns mit ihrem Sohn; denn der Sohn dieser Magd soll nicht erben mit meinem Sohn Isaak. Das Wort missfiel Abraham sehr um seines Sohnes Ismael willen.

Aber Gott sprach zu ihm: Lass es dir so gefallen. (17,19) Ich will Sara segnen und nach Isaak soll dein Geschlecht benannt werden. Er soll zu einem großen Volk werden. Aber auch den Sohn der Magd will ich zu einem Volk machen, er ist auch dein Sohn.

Da stand Abraham früh am Morgen auf und nahm Brot und einen Schlauch mit Wasser und legte es Hagar auf die Schulter, dazu den Knaben, und schickte sie fort. Da zog sie hin und irrte in der Wüste umher bei Beerscheba.

Als nun das Wasser in dem Schlauch ausgegangen war, setzte sie den Knaben unter einen Strauch ab und wartete gegenüber, einen Bogenschuss weit; denn sie sprach: Ich kann nicht ansehen des Knaben Sterben. Und sie erhob ihre Stimme und weinte.

Und der Engel Gottes rief Hagar vom Himmel her und sprach zu ihr: Steh auf, nimm den Knaben und führe ihn an deiner Hand; denn ich will ihn zum großen Volk machen. Und Gott tat ihr die Augen auf, dass sie einen Wasserbrunnen sah. Und sie gab dem Knaben zu trinken.

1.Mose16 u. 21.1-19 

 

Groß, die Geschichte der zwei alttestamentlichen Frauen. Sara ist kinderlos. Sie gibt ihre Sklavin Hagar dem Abraham in die Arme: Er soll mit ihr als Leihmutter für Sara ein Kind zeugen. Die stolze Ägypterin Hagar triumphiert wohl, Sara staucht sie zurecht. Das Kind wird geboren. Später wird Sara auch schwanger, sie gebiert den Isaak. Jetzt will sie Hagar und deren Söhnchen aus den Augen haben. Sie veranlasst den Abraham, beide vom Hof zu treiben. Nah am Verdursten, rettet sie ein Engel, eine Quelle lag offen vor ihren Füßen. 

Gott gibt dem erst Kinderlosen zwei Söhne. Auch Ismael soll ein großes Volk werden. Aber aus Isaak soll das besondere Volk Gottes werden, ein Segen für alle Geschlechter auf Erden. Und doch sind auch die von Ismael stammenden Völker doch Völker Gottes. Abraham wird der Vater der Ökumene: Vater des Glaubens von Juden und Christen und Moslems zugunsten der ganzen Menschheit. -  

Der islamischen Tradition gilt Ismael als Ahnherr der Araber. Schon das alte Testament kennt den palästinensischen Stämmeverbund der Ismaeliten als Feinde Israels. Der Islam beruft sich auf den Segen, den Gott auch für Ismael hat. Beide - Israel und Araber haben in Abraham den einen gemeinsamen Stammvater des Glaubens, sie sind Brudervölker.

Der Koran führt die Geschichte von Hagar in der Wüste so weiter: Als die Quelle Semsem vor Hagar aufsprang, wusste sie, daß Gott diesen Ort heiligte und ließ sich dort im Tal Kaaba nieder. Später baute Abraham und Ismael dort ein Heiligtum. Ismael empfing vom Erzengel Gabriel den bis heute in Mekka aufbewahrten Stein, der aus Trauer über den Götzendienst in der Welt zum „Schwarzen Stein“ geworden ist.

Die Rivalität der Weltanschauungen heute hat tiefe Wurzeln. Auch die Christenheit hat aufzuholen im Verständnis des Islams. Lange galt der Islam den christlichen Kirchen als Häresie oder böswillige Verdrehung christlicher Wahrheiten. Dabei gewann der Prophet Muhammed (+632) durch Visionen die Gewissheit, er müsse die Basis des jüdischen und des christlichen, ja des ganzen Menschheitsglaubens wieder zur Geltung bringen: die völlige Hingabe (das arabische Wort dafür: Islam) an den allmächtigen und barmherzigen Gott.  Eine weltliche Sphäre jenseits von Gottes Heiligkeit und Ruf in den Gehorsam gibt es nicht: Der Mensch hat ungeteilt Gott zu dienen, alles Tun ist Gottesdienst und untersteht einer Geistlichen Aufsicht. 

Eine Sensation gelang der Türkei unter Atatürk. In einem islamischen Land setzte er die Trennung von Moschee und Staat durch. Bis heute kämpfen ungezählte Schattierrungen von Islam um die Wahrheit. Die der Moderne zugewandte Seite hält Demokratie und Gleichberechtigung der Frau für durchaus vereinbar mit dem Islam, der Sufismus verehrt Gott als  die reine Liebe, im Iran gewinnt gerade eine Richtung die Oberhand, der Toleranz und Freizügigkeit als gotteslästerlich gilt.

Wir Europäer, durch die Nietzsche-Marx- und Feuerbäche Gegangenen, die wir nichts Heiliges mehr zu wissen scheinen außer unserer Ruhe, lächeln beim Thema „Gotteslästerung“ meist nur müde.  Das Thema Gottesverachtung ist durch  Auschwitz und die Atombombe und die Millionen Hungertoten jährlich ziemlich aufgebraucht. Darum fiel  uns die Karikatur vom Propheten mit Bombe im Turban erst auf, als viele Moslems diese Zeichnungen als Schändung Ihres Glaubens lasen. Wir hier müssen verstehen lernen.

                                                  

                                                        *

 

Gott dreifach

Und Gott erschien Abraham, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war. Drei Männer standen vor ihm. Vor denen neigte er sich zur Erde und sprach: Ich will euch bewirten, dass ihr euer Herz labt; danach mögt ihr weiterziehen. Und er trug Kuchen, Butter und Milch auf, schlachtete ein Kalb und bereitete es zu. Dann setzte er es ihnen vor und wartete ihnen auf. Er blieb dabei stehen vor ihnen unter dem Baum und sie aßen.

Da sprach Gott: Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr. Dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter der Tür des Zeltes. Sie lachte bei sich selbst und sprach: Nun ich alt bin, soll ich noch der Liebe pflegen, und mein Abraham ist doch auch alt! Der Herr sprach: Ihr werdet sehen, übers Jahr soll Sara einen Sohn haben.

1. Mose 18, 1-15

 

(Diese Geschichte steht zwischen Ismaels und Isaaks Geburt) Eigentümlich diese Begebenheit: In drei Gestalten der eine Gott- ein starkes Inkognito. Abraham fremdelt nicht, er ist sofort gastfrei, sicher hat er die gottvolle Aura  gespürt. Ein Kind wird ihnen verheißen, Sara lacht; sie, wissend, hält es für unmöglich. Sara lacht- das ist auch ein Lockruf, auch im Alter Neues zu erwarten.

Die Dreifach-Erscheinung hier hat später die  Kirche aufgenommen als Vorbild für die trinitarische (drei in eins) Idee von Gott. Die wundersame Mutterschaft der Sara wiederholt sich  bei Maria.

 

                                                    *

 

Abrahams Handel mit Gott

Und Gott sprach zu Abraham: Es ist großes Geschrei über Sodom und Gomorra, dass ihre Sünden sehr schwer sind. Ich will hinabfahren und sehen und strafen.

Abraham aber sprach: Willst du denn den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen? Es könnten vielleicht fünfzig Gerechte in der Stadt sein; kannst du die umbringen und dem Ort nicht vergeben trotz fünfzig Gerechter?

Gott sprach: Finde ich fünfzig Gerechte in der Stadt, so will ich um ihretwillen dem ganzen Ort vergeben. Abraham antwortete und sprach: Ach siehe, ich habe mir herausgenommen, zu reden mit dem Herrn, wiewohl ich von Erde genommen bin.

Es könnten vielleicht fünf weniger als fünfzig Gerechte darin sein; und dann? Würdest  du die ganze Stadt verderben um der fünf willen? Er sprach: Finde ich darin fünfundvierzig, so will ich sie nicht verderben.

Und er fuhr fort mit ihm zu reden und sprach: Man könnte vielleicht nur vierzig darin finden. Er aber sprach: Ich will ihnen nichts tun um der vierzig willen.

Abraham sprach: Zürne nicht, Herr, dass ich noch mehr rede. Man könnte vielleicht nur dreißig darin finden. Er aber sprach: Finde ich dreißig darin, so will ich ihnen nichts tun.

Und er sprach: Ach siehe, ich habe mich getraut, mit dem Herrn zu reden. Man könnte vielleicht zwanzig darin finden. Er antwortete: Ich will sie nicht verderben um der zwanzig willen. Und er sprach: Ach, zürne nicht, Herr, dass ich nur noch einmal rede. Man könnte vielleicht nur zehn darin finden. Er aber sprach: Ich will sie nicht verderben um der zehn willen.

1.Mose 18, 20-32

 

Gott hält viel von Abraham, er zieht ihn ins Vertrauen über Sodoms Schuld. Uralt ist die Vorstellung, Gott müsse erst mal an den Tatort, um zu wissen. Modern dagegen ist fast schon, dass Abraham wagt, wie ein Teppichhändler auf dem Bazar mit Gott zu feilschen. Es ist, als würde Gott vom Menschen lernen, dass  Kollektivhaftung nicht gottgewollt sein kann; klar, dass Gott nicht die Gerechten mit den Ungerechten umkommen lassen darf. Bei Gott gibt es wohl eine umgekehrte Kollektivhaftung: Die wenigen erlösen die vielen.

Ergreifend auch: Gott lässt mit sich reden- er braucht das Gespräch mit seinen Auserwählten.

 

                                                  *

 

Eine wüste Geschichte

Zwei Engel kamen nach Sodom am Abend; Lot aber sah sie, er stand auf, ging ihnen entgegen und neigte sich bis zur Erde und sprach: Ihr lieben Herren, kehrt doch ein im Hause eures Knechts und bleibt über Nacht.

Aber als sie einkehrten, kamen Leute der Stadt Sodom und umgaben das Haus,

und riefen Lot und sprachen zu ihm: Wo sind die Männer, die zu dir gekommen sind? Führe sie heraus zu uns, dass wir uns über sie hermachen. Lot ging heraus zu ihnen vor die Tür und sprach: Ach, liebe Brüder, tut nichts Böses den Fremden!

Siehe, ich habe zwei Töchter, die wissen noch von keinem Manne; die will ich herausgeben unter euch und tut mit ihnen, was euch gefällt; aber diesen Männern tut nichts, denn sie sind unter den Schatten meines Daches gekommen.

Die Engel-Männer griffen aber hinaus und zogen Lot herein ins Haus und schlossen die Tür zu. Und sie schlugen die Leute vor der Tür des Hauses mit Blindheit, sodass sie es aufgaben, die Tür zu finden.

Und die Männer sprachen zu Lot: Hast du hier noch Verwandte? Die führe mit weg aus dieser Stadt. Denn wir werden diese Stätte verderben.

Als nun die Morgenröte aufging, drängten die Engel Lot zur Eile und sprachen: Rettet euer Leben und seht nicht hinter euch. Da ließ Gott Schwefel und Feuer regnen vom Himmel herab auf Sodom und Gomorra Und Lots Frau sah hinter sich und wurde zur Salzsäule.

1.Mose 19

 

Es kann ein Vulkanausbruch gewesen sein, mittels dessen die Städte Sodom und Gomorra in Schutt und Asche fielen. Man verstand die Katastrophe als Strafe Gottes für die sprichwörtlich gewordene sodomitische Unzucht.                                

Wir tun recht daran, Unglück mit unserem Tun in Verbindung zu bringen. Leben ist ja Konflikte lösen und Unglück ist auch immer ein Lehrstück für Versagen und  Bessermachen. Katastrophen sind ja immer auch menschgemacht, jedenfalls wurden immer Warnungen überhört aus Sorglosigkeit und Selbstsucht.  Man braucht nicht ein direkte Eingriffe Gottes in die Geschichte anzunehmen, die Menschheitsgeschichte ist auch so Gottes Geschichte mit den Menschen.

Boten mit Vollmacht werden gesandt, um Lot und die Seinen zu retten. Die Boten werden von Leuten aus Sodom angegriffen. Lot bietet seine Töchter als „Freiwild“ an, die Gastfreundschaft war ihm den Verrat an den Töchtern wert.  Frauenhandel und Kindesmissbrauch waren noch üblich. Die patriarchalische Mannesehre galt viel. Mag sein, daß die Frau des Lot an den ungeweinten Tränen ihrer Mitwisserschaft erstickte. Ihr Zurückschauen, ihr Gebanntbleiben in Vergangenheit wurde ihr zum Verhängnis.

 

                                                            *

 

 Kein Menschenopfer mehr

Gott stellte Abraham auf eine fürchterliche Probe. Er sprach: Abraham! Und der antwortete: Hier bin ich. Und er sprach: Nimm Isaak, deinen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir zeigen werde.

Da stand Abraham früh am Morgen auf, spaltete Holz zum Brandopfer, bepackte den Esel und nahm seinen Sohn Isaak und sie  machten sich auf.

Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von ferne.  Er legte das Holz zum Brandopfer dem Sohn auf. Er nahm das Feuer und das Messer; und gingen die beiden miteinander.

Da sprach Isaak zu seinem Vater: Mein Vater! Abraham antwortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer?

Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander. Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachte.

Da rief ihn der Engel des Herrn vom Himmel und sprach: Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich.

Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Ehrfurcht zu Gott hegst und  hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen.

Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich in der Hecke mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt. Und Abraham nannte die Stätte »Der Herr sieht«. Daher sagt man bis heute: Morija- der Berg, da der Herr sieht.

1.Mose 22

 

Daß Gott uns auf die Probe stellt, um unser Gottvertrauen auszuloten, das soll uns unvorstellbar sein- Und doch  sehen sich Menschen in Versuchung geführt, sehen sich vor Entscheidungen gestellt, die nicht unschuldig lassen. Auch  dann haben wir mit Gott zu tun. Entscheidungen klären uns, sie zeigen unser wahres Gesicht, zunächst uns selbst, dann auch den Mitmenschen und natürlich Gott, der um uns aber immer schon weiss.

Sicher hat Gott nicht dem Abraham den Sohn abverlangt, um seinen Glauben zu testen. Aber Menschen haben sich lange ausgeliefert gesehen wilden, herrischen Göttern; Menschenopfer waren gang und gäbe- an Götter oder fürs Vaterland oder den Familienclan.

Jedenfalls ist dies die Geschichte von der Ablösung des Menschenopfer durch das Tieropfer, wenn auch verpackt in einen schauerlichen Befehl.

Israel und viele andere Menschen in Verzweiflung nahmen „Vater Abraham“ zum Vorbild: Wenn Gott auch das Pfand seines Glücks-Versprechens uns aus der Hand windet, hat er doch Wege, seine Verheißung zu erfüllen. Müssen wir auch durch Finsternisse, sind diese nicht Endstation. In diesem Sinne  darf die Bitte: „Führe uns nicht in Versuchung“ so verstanden werden: „Vater, führe uns durch die Versuchungen“.

  

                                                            *

 

 Eine Frau für Isaak

Abraham war alt geworden, seine Sara war gestorben, er hat sie in der Höhle Machpela, dem Erbbegräbnis östlich von Hebron, begraben. Überreich hatte Gott sie gesegnet.     

Abraham sprach zu seinem Großknecht Elieser: Zieh zu meiner Verwandtschaft und nimm meinem Sohn Isaak dort eine Frau. Gott wird seinen Engel vor dir her senden, dass du die Richtige findest. Wenn aber die Frau dir nicht folgen will, so bist du vom Auftrag befreit.

Elieser nahm zehn Kamele und noch allerlei Güter seines Herrn und machte sich auf und zog nach Mesopotamien, zu der Stadt Nahor.

1.Mose 24, 1-10

 

Abraham lässt bei seiner Verwandtschaft in seiner alten Heimat nach einer Frau für Isaak suchen. Er scheint sich des Findens sicher zu sein: Gott wird einen Engel vor dir hersenden, sagt er dem Brautwerber. Traumhaft, diese sonnige Gewissheit, daß die Richtige schon da ist. Herrlich auch der Respekt vor der Selbstbestimmtheit der Frau: Wenn die Richtige aber nicht in die Fremde mit will, dann kann man nichts machen.

 

                                                      *

 

 

Wie sich die Richtige fand

Nach langer Reise ließ Elieser die Kamele sich lagern draußen vor der Stadt Nahor bei dem Wasserbrunnen des Abends um die Zeit, da die Frauen kamen um Wasser zu schöpfen.

Und er sprach: Du Gott Abrahams, lass es mir heute gelingen. Das erste Mädchen das zum Wasserschöpfen kommt, und bereitwillig mir zu trinken gibt und meinen Tieren, die soll mir als von Dir bestimmt gelten.

Und ehe er ausgeredet hatte, kam ein  Mädchen heraus, schön von Angesicht, und trug einen Krug auf ihrer Schulter. Die stieg hinab zum Brunnen, füllte den Krug und stieg wieder herauf. Da bat sie Elieser um Wasser.

Und sie sprach: Trinke, mein Herr! Und eilends ließ sie den Krug hernieder auf ihre Hand und gab ihm zu trinken. Dann sprach sie: Ich will deinen Kamelen auch schöpfen, bis auch sie getrunken haben.

Elieser aber betrachtete sie und schwieg still, abwartend, ob Gott zu seiner Reise Gnade geben werde. Dann  nahm er einen goldenen Stirnreif und zwei goldene Armreifen und sprach: Wessen Tochter bist du? Sie sprach zu ihm: Ich bin Rebekka, die Tochter Betuëls, des Sohnes der Milka, den sie dem Nahor, dem Bruders Abrahams geboren hat.  Und Raum zur Herberge haben wir auch genug. Da neigte sich Elieser und betete zu Gott. 

Das Mädchen aber lief und sagte alles in ihrer Mutter Hause. Und Rebekka hatte einen Bruder, der hieß Laban; und Laban lief zu dem Mann draußen bei dem Brunnen. Und sprach: Komm herein, du Gesegneter des Herrn!

Und man lud ihn ein zum Essen. Er sprach aber: Ich will nicht essen, bis ich zuvor meine Sache vorgebracht habe. Sie antworteten: Sage an! Und Elieser sagte von Abraham, von seines Herrn Auftrag, dass er für den Sohn aus der Verwandtschaft um eine Frau werben solle und es habe sich gefügt, daß diese junge Frau vom Herrn erwählt scheint, denn sie kam als erste zum Brunnen und stillte meinen Durst.

Da antworteten Laban und Betuël und sprachen: Das kommt von Gott, darum können wir nichts weiter dazu sagen. Wir sind einverstanden, dass sie die Frau werde des Sohnes deines Herrn.

Am Morgen aber sprach er: Lasst mich ziehen zu meinem Herrn, haltet mich nicht auf, denn Gott  hat Gnade zu meiner Reise gegeben. Da sprachen sie: Wir wollen das Mädchen rufen und fragen, was sie dazu sagt.

Und sie riefen Rebekka und sprachen zu ihr: Willst du mit diesem Manne ziehen? Sie antwortete: Ja, ich will es.

Da ließen sie Rebekka ziehen mit Abrahams Knecht und ihre Amme ging auch mit. Und sie segneten Rebekka und sprachen zu ihr: Du, unsere Tochter, unsere Schwester wachse vieltausendmal tausend, und dein Geschlecht nehme die Tore von Gottes Feinden ein.

So machte sich Rebekka auf und zog mit Abrahams Knecht davon. 

1.Mose 24,11 – 61

 

Diese freundliche Erzählung  hat noch die Anmut der orientalischen Märchenerzähler. Die wollen unterhalten und  belehren. Erst später wurde die ursprünglich selbstständige Geschichte in die Sammlung  der heiligen Schriften eingearbeitet.

Spannend bleibt, wie Elieser herausfindet, dass Gott Gnade zu seiner Reise gegeben hat. Erstens geht er davon aus, dass er im Dienste des Herrn unterwegs ist. Und zweitens schlägt er Gott ein Erkennungs-Schema vor. Er wagt, Gott festzulegen, um sich Kenntnis zu beschaffen. Aber es bleibt die Freiheit Gottes gewahrt. Und auch die Frau muss zustimmen. Ihr sofortiges Mitgehen zeigt, dass auch die Frau, von Gott sich auserwählt weiss und damit Geschichte nicht als  Leere sieht oder als klumpigen Haufen von Komplikationen. Geschichte leuchtet hier auf  als von Gottes Willen  und menschlichem Zutun gemeinsam Geschichtetes.

 

                                                 *

 

Zwillinge, so verschieden

Und Abraham starb in einem schönen Alter, alt und lebenssatt, und wurde zu seinen Vätern und Müttern  versammelt. Isaak nahm die Rebekka zur  Frau und sie gewannen sich lieb. Und Gott segnete sie. Und  Rebekka wurde schwanger, es waren Zwillinge, die stießen sich schon im Mutterleib.

Der erste, der herauskam, war rötlich, ganz rau wie mit Fell, und sie nannten ihn Esau. Danach kam sein Bruder heraus; der hielt mit seiner Hand die Ferse des Esau, und sie nannten ihn Jakob (d.h. Fersenhalter). Esau wurde ein tüchtiger Jäger, ein Mann der Natur.  Jakob aber wurde ein Mensch des Nachdenkens und der Häuslichkeit.

Und Isaak hatte Esau lieb, er aß gern von seinem Wildbret; Rebekka aber hatte Jakob lieb.

1.Mose 24,67; 25,1- 28

 

Von  Abraham und Isaak zu Jakob führt der Segen Gottes: Jakob gilt als Stammvater der zwölf  Söhne, von denen die zwölf Stämme Israels abstammen. Wie verquer, wie am seidenen Faden, wie wunderbar  die Geschichte Israels von Anfang an lief, das erzählte sich Israel in all seinen bedrohten Zeiten:

Es begann schon mit der langen Kinderlosigkeit des Abraham und der Sara. Verheißen war, dass aus ihnen ein Volk wird, aber ein Volk fängt mit zumindest einem Nachkommen an. Als der dann endlich da war, waren Gefahren die Fülle  zu bestehen, in denen Gott den Verheißenen zurück zu fordern schien.

Dann wurde Isaak erwachsen, Der Segen sollte weitergehen, aber schien schon bei den Zwillingen zu stocken. Schon im Mutterleib befehden sie sich, liefern sich ein Wettrennen um die Rangfolge. Und die Eltern befehden sich wegen ihrer jeweiligen Lieblinge. Der Segen der Väter steht dem Ältesten zu, hätte Gott den nicht gewollt, hätte er ihn ja als Zweiten zur Welt kommen lassen können.

Beglückend:1.Mose 25,7:Abraham starb in schönem Alter, lebenssatt. Das ist der Traum vom friedlichen Sterben, dankbar zur Ruhe kommen nach Mühe und Arbeit  und heimkehren zu den Vorangegangenen.

 

                                                       *

 

Für ein Linsengericht

Und Jakob kochte ein Gericht. Da kam Esau vom Feld und war müde

und sprach zu Jakob: Lass mich essen das rote Gericht; denn ich bin müde. Und Jakob sprach: Verkaufe mir deine Erstgeburt, sofort jetzt.

Esau antwortete: Ich muss sowieso sterben; was soll mir da die Erstgeburt?

Jakob sprach: So schwöre mir, du trittst sie mir ab. Und Esau  schwor ihm und verkaufte Jakob seine Erstgeburt. Da gab ihm Jakob das Linsengericht, und er aß und trank und stand auf und ging davon.

1.Mose 25, 29-34

 

Bis heute ist Esaus verächtlicher Umgang mit einem hohen Gut sprichwörtlich. Da stürmt dieser Raubauz ins Haus. Der Duft seiner Lieblingsspeise erregt seinen Heißhunger. Jakob macht sich diese Gier zu Nutze, nimmt ihm den Eid ab, daß er als Ältester auf sein Erstgeburtsrecht verzichte. Vielleicht war ihm die Verheißung Gottes vom großen Volk eine Nummer zu groß und er fühlte sich für die großen Pläne Gottes zu klein, wollte nicht ins Rampenlicht, wollte gern sein eigener Herr bleiben. Gott schien ihn verstanden zu haben und ließ ihn später auf andere Weise Karriere machen.

 

                                                         *

 

Mutter und Sohn täuschen Isaak

Als Isaak alt geworden war und seine Augen schwach, rief er Esau, seinen älteren Sohn, und sprach zu ihm: Mein Sohn! Geh aufs Feld und jage mir ein Wildbret und mach mir ein Essen, wie ich’s gern habe, und bring mir’s herein, dass ich esse, auf dass dich meine Seele segne, ehe ich sterbe.

Rebekka aber hörte diese Worte, ging zu Jakob, ihrem Sohn, und sprach: Tu, was ich dir sage. Geh hin zu der Herde und hole mir zwei gute Böcklein, dass ich deinem Vater ein Essen davon mache, wie er’s gerne hat. Das sollst du ihm auftischen, dass er esse und dich segne vor seinem Tod.

Jakob aber sprach zu seiner Mutter Rebekka: Siehe, mein Bruder Esau ist rau, doch ich bin glatt; mein Vater könnte mich betasten, und ich würde vor ihm dastehen, als ob ich ihn betrügen wollte, und brächte über mich einen Fluch und nicht einen Segen.

Da sprach seine Mutter zu ihm: Der Fluch komme über mich, mein Sohn; verlasse dich auf  mich. Da ging er hin und holte die Zicklein und brachte sie seiner Mutter. Die machte  ein Essen, wie es sein Vater gerne hatte.

Und sie nahm Esaus Feierkleider und zog sie Jakob an. Und  Felle von den Zicklein tat sie ihm um seine Hände und wo er glatt war am Halse. Dann  gab sie das Mahl in seine Hand. Er ging hinein zu seinem Vater und sprach: Mein Vater! Er antwortete: Hier bin ich. Wer bist du, mein Sohn? Jakob sprach zu seinem Vater: Ich bin Esau, dein Erstgeborener; komm nun, setze dich und iss von meinem Wildbret, auf dass mich deine Seele segne.

Isaak aber sprach zu seinem Sohn: Wie hast du es so schnell gefunden, mein Sohn? Er antwortete: Der Herr, dein Gott, bescherte mir’s. Da sprach Isaak zu Jakob: Tritt herzu, mein Sohn, dass ich dich betaste, ob du mein Sohn Esau bist oder nicht. So trat Jakob zu seinem Vater Isaak. Und als er ihn betastet hatte, sprach er: Die Stimme ist Jakobs Stimme, aber die Hände sind Esaus Hände. Und sprach: Bist du mein Sohn Esau? Er antwortete: Ja, ich bin’s.

Da sprach er: So bringe mir her, mein Sohn, zu essen von deinem Wildbret, dass dich meine Seele segne. Da brachte er’s ihm und er aß; und er trug ihm auch Wein hinein und er trank.

Und Isaak, sein Vater, sprach zu ihm: Komm her und küsse mich, mein Sohn! Er trat hinzu und küsste ihn. Da roch er den Geruch seiner Kleider und segnete ihn und sprach: Siehe, der Geruch meines Sohnes ist wie der Geruch des Feldes, das der Herr gesegnet hat. Gott gebe dir vom Tau des Himmels und von der Fruchtbarkeit der Erde und Korn und Wein die Fülle. Völker sollen dir dienen, und Stämme sollen dir zu Füßen fallen. Sei Herr über deine Brüder. Verflucht sei, wer dir flucht; gesegnet sei, wer dich segnet!

Als nun Isaak den Segen über Jakob vollendet hatte und Jakob kaum hinausgegangen war von seinem Vater Isaak, da kam Esau, von der Jagd und machte auch ein Essen und trug’s hinein zu seinem Vater und sprach zu ihm: Richte dich auf, mein Vater, und iss von dem Wildbret deines Sohnes, dass mich deine Seele segne.

Da antwortete ihm Isaak, sein Vater: Wer bist du? Er sprach: Ich bin Esau, dein erstgeborener Sohn. Da entsetzte sich Isaak über die Maßen sehr und sprach: Wer? Wo ist denn der Jäger, der mir zuvor aufgetischt hat, und ich habe von allem gegessen, ehe du kamst, und habe ihn gesegnet? Und er wird auch gesegnet bleiben.

Als Esau diese Worte seines Vaters hörte, schrie er laut und wurde über die Maßen traurig und sprach zu seinem Vater: Hast du denn nur einen Segen, mein Vater? Segne mich auch, mein Vater! Und er weinte sehr. Da antwortete sein Vater: Von deinem Schwerte wirst du dich nähren, und deinem Bruder sollst du dienen. Aber einst wirst du sein Joch von deinem Halse reißen. Und Esau war voll Hass und sprach bei sich:  ich will meinen Bruder Jakob umbringen.

Das wurden Rebekka hinterbracht. Und sie ließ Jakob warnen: Dein Bruder Esau droht, dich umzubringen. Mach dich auf und flieh, flieh zu meinem Bruder Laban nach Haran.

1.Mose 27

 

Wie Menschen falsch spielen können- dafür ist Rebekka ein Beispiel. Sie weiß, daß sie Unrecht einfädelt und will den Fluch, wenn er denn komme, auf sich ziehen. Doch Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade. Er nutzt unsere Taten und Untaten. Besessene Mutterliebe fädelt das Schurkenstück ein, das nötig ist, um den Vatersegen auf den Gottgewollten zu lenken. Wird Rebekka von Gott verführt zum Unrecht? Wir müssen davon ausgehen, dass Rebekka tat, was sie wollte. Und Gott damit machte, was Er wollte. 

Wir sehen nicht, was wird. Uns bleibt nur die Hoffnung, dass vom Ende her das Geschehen seine Rechtfertigung findet und  das Ende in ein Ziel mündet, welches die Auflösung aller Verwicklungen bringt.

Schon Esau wird im Laufe der Zeit seinen Frieden mit dem Dieb machen, auch weil er lernt, dass Jakob nur tat, was er tun musste. Letztlich ist es doch Gott, der zusammenfügt das Finden des innersten Wesens und das Eintreffen der äußeren Zufälle. Doch werden zu als der man gedacht ist, ist harte Arbeit.

 

                                                    *

 

Jakob schaut die Himmelsleiter

Jakob machte sich auf nach Haran und kam an eine Stätte, die zum Nachtlager einlud- die Sonne war untergegangen. Und es träumte ihm, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und Engel stiegen daran auf und nieder.

Und oben stand Gott und sprach: Jakob, ich bin der Gott Abrahams und Isaaks und will auch dein Gott sein. Das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben, die sollen zahlreich  werden wie der Staub auf Erden, und durch dich und deine Nachkommen soll die ganze Menschheit gesegnet werden. Ich bin mit dir und will dich behüten und will dich nicht verlassen, bis alles eingetroffen ist, was ich dir zugesagt habe.

Als nun Jakob von seinem Schlaf aufwachte, schauderte ihn. In Ehrfurcht eingehüllt sprach er: Hier ist ein Ort Gottes, hier ist die Pforte des Himmels. Und Jakob nahm den Stein, auf dem sein Haupt geruht hatte, und richtete ihn auf  und baute einen Altar. Er  nannte die Stätte Bethel - Haus Gottes.

1. Mose 28, 10-21

 

Im Traum eine Leiter sehen, an der die Engel auf und nieder steigen: Jakob sieht sich in einer  nicht enden wollenden Verbindung zu Gott. Engel bilden eine Art Räuberleiter (Peter Handke). Ihm geschieht Verknüpfung. Er beschafft sie nicht durch gute Taten oder Geheimwissen. Gott setzt sich mit ihm in Verbindung, erwählt ihn, überschüttet ihn mit Glücksverheißung. Und keiner geht dabei leer aus; alle Welt  soll davon profitieren.

Auch uns kann der Weg zum Himmel offen stehen. Bedenk deine Bilder, in denen Gott sich dir nahte. Wo du leer vor Glück warst, da warst du gottvoll. Wir können uns einander Himmelsleiter sein, uns heil machen, ein Stück weit.

Am Leben sein, heißt, auf dem Weg sein. Obwohl Jakob einen Ort findet voll Heiligkeit, geht er weiter. Er baut einen Altar zum bleibenden Gedächtnis aber geht weiter, gewiss, dass sein Gott mit ihm unterwegs ist.

 

                                                       *

 

Jakob findet Rahel

Jakob ging weiter nach Osten. Nach langen Tagen kam er an einen Brunnen. Herden waren versammelt und Hirten. Jakob sprach zu ihnen: Liebe Brüder, wo seid ihr her? Sie antworteten: Wir sind von Haran. Er sprach zu ihnen: Kennt ihr auch Laban, den Sohn Nahors? Sie antworteten: Ja, wir kennen ihn. Er sprach: Geht es ihm auch gut? Sie antworteten: Es geht ihm gut; und da kommt seine Tochter Rahel mit den Schafen.

Als Jakob aber Rahel sah, die Tochter Labans, des Bruders seiner Mutter, trat er hinzu und tränkte ihr die Schafe. Und er küsste Rahel und weinte laut.

Dann sagte er, dass er ihres Vaters Verwandter wäre und Rebekkas Sohn. Da lief sie und sagte es ihrem Vater. Als aber Laban hörte von Jakob, seiner Schwester Sohn, lief er ihm entgegen und herzte und küsste ihn und führte ihn in sein Haus. Da erzählte er Laban alles, was sich begeben hatte.

1. Mose 29,1-12

 

Der Kranz der Jakobserzählungen ist hinreißend schön. Sie sind wahr. Sie sind Menschheitswissen. Beglückend- wie aus der Flucht eine Brautschau wird. Der Gottesliebling findet die richtige Frau, aber es sind zwei. 

Erst mal tut Jakob instinktiv das für den guten Weg Nötige- an der Meute der staunenden Hirten vorbei verschafft er der Richtigen Vortritt zum Wasser, dann tränkt er das Vieh, was gemeinhin als Frauenarbeit galt. Dann küsst er sie und jetzt erst stellt er sich als Verwandten vor. Er geht mit großem Selbstbewusstsein zu Werke, er weiß sich mit Gott im Bunde und nutzt diese Beziehung zielstrebig.

 

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Jakob dient um Lea und Rahel

Jakob war schon einen Monat im Haus und hatte sich nützlich gemacht. Dann sprach  Laban zu Jakob: Bleib hier, du machst gute Arbeit. Sage, was willst du an  Lohn haben?

Laban hatte zwei Töchter; die ältere hieß Lea, die jüngere Rahel. Aber Leas Augen waren ohne Glanz, Rahel dagegen war schön von Gestalt und von Angesicht. –

Jakob hatte Rahel schon liebgewonnen und sagte zu Laban:  Ich will dir sieben Jahre um Rahel dienen. Laban antwortete: Abgemacht. So diente Jakob um Rahel sieben Jahre, und es kam ihm vor, als wären’s einzelne Tage, so lieb hatte er sie.

Und nach sieben Jahren sprach er zu Laban: Gib mir nun meine Braut; denn die Zeit ist da. Da lud Laban alle Leute des Ortes ein und machte ein Hochzeitsmahl. Am Abend aber nahm er seine Tochter Lea und brachte sie zu Jakob; und sie  feierten eine herrliche Hochzeitsnacht. Am Morgen aber, siehe, da wars Lea.

Da sprach Jakob zu Laban: Warum hast du mir das angetan? Habe ich dir nicht um Rahel gedient? Laban antwortete: Es ist nicht Sitte in unserm Lande, dass man die Jüngere weggebe vor der Älteren. Halte mit dieser die Hochzeitswoche, so will ich dir die andere auch geben für den Dienst, den du bei mir noch weitere sieben Jahre leisten sollst. Und so geschah es. Und er hatte Rahel lieber als Lea.

1.Mose 29, 13-30

 

Unvorstellbar für uns Heutige, wie  Vater Laban beide Töchtern an den Mann brachte. Aber die Mehrehe war (und ist) auch eine soziale Institution, sie geschah sicher im Einverständnis der Frauen. Und Jakob musste wohl zwei Frauen lieben, um eben diese Kinder zu erden, die Gott genau durch Jakob und seine Frauen zur Welt gebracht haben wollte.

Verzaubernd die orientalischen Hochzeitsbräuche, welche die Braut verhüllt sein lassen, bis es zu spät ist für Rücktritt und Rückgabe.

Hier steht auch eine der wohl schönsten Liebeserklärungen überhaupt: Die sieben Jahre Warten auf Rahel kamen ihm vor wie nur sieben einzelne Tage, so lieb hatte er sie.

 

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Jakobs Kinder

Und Lea wurde schwanger und schwanger. Sie gebar Ruben und Simeon, Levi und Juda, Issachar und Sebulon; und Töchter, darunter die Tochter Dina. Die von ihrer Magd Silpa geborenen Gad und Asser zählten auch als Leas Eigene.

Rahel war lange kinderlos. Die von ihrer Magd Bilha geborenen Dan und Naftali zählten als Rahels Eigene, waren ihr aber nur ein schwacher Trost.

Dann erhörte Gott die Rahel und sie wurde schwanger und gebar einen Sohn und sprach: Gott hat meine Schmach von mir genommen; sie nannte ihn Josef.  Und sprach: Gott, gib mir noch einen Sohn dazu! Und sie gebar noch Benjamin.

1.Mose 29,31-30,24;35,16

 

Dramatisch hing früher Wohl und Wehe der Frauenwürde von der Mutterschaft ab. Kinder galten als höchstes Gut des Mannes. Darum wurde auch Jakobs Liebe zu Rahel auf eine harte Probe gestellt. Er musste auch Lea lieben lernen, denn „Kinder sind eine Gabe Gottes“ (Psalm 127,3) - die Mutter vieler Kinder galt als vom Herrn gesegnet. Später gebar auch Rahel noch; Jakob und Benjamin  wurden die Lieblingssöhne auch des Jakob- und damit nimmt der Streit zwischen den Brüdern der einen und der anderen seinen Lauf. 

Uns will nicht in den Kopf, und braucht es auch nicht, daß Gott so willkürlich mit der Zeugungs- und Gebärfähigkeit hantieren sollte. Unsere Vorfahren im Glauben hatten eine andere Tendenz: Nicht sind wir Spielball göttlicher Neigungen, sondern: Gottes Wege sind wunderbar: Die Geliebte, die Schöne hat keinen Nachwuchs, die weniger Schöne strahlt durch Kinder. So sind die Gaben verschieden, aber es ist ein Geber. Und der hat in allem die Hand im Spiel.

                                               

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Jakob kommt durch List zu Reichtum

Als Rahel den Josef geboren hatte, sprach Jakob zu Laban: Lass mich zurück  in mein Land gehen. Laban aber sprach zu ihm: Bitte, bleib. Ich spüre, dass mich Gott segnet um deinetwillen. Bestimme den Lohn, den ich dir geben soll.

Jakob sagte: Du weißt, wie ich dir gedient habe und was aus deinem Vieh geworden ist unter mir. Nun wird es Zeit, daß ich für mein Eigenes sorge.

Laban sagte: Ich gebe dir viel. Jakob antwortete: Du sollst mir gar nichts geben; Lass mich machen, wie ich’s meine, so will ich deine Schafe weiter hüten. Alle Schafe und Ziegen sind Deine, nur das Gefleckte oder  Schwarze soll mein sein.  Und Laban: Es sei, wie du gesagt hast.

Und Jakob nahm frische Stäbe von Pappeln, Mandelbäumen und Platanen und schälte weiße Streifen daran aus, sodass an den Stäben das Weiße bloß wurde, und legte die Stäbe, die er geschält hatte, in die Tränkrinnen, wo die Herden hinkommen mussten zu trinken, dass sie da empfangen sollten, wenn sie zu trinken kämen. So wurden die Herden über den Stäben trächtig und brachten viel mehr Gesprenkelte, Gefleckte und Bunte zur Welt. Daher wurde Jakob  über die Maßen reich, sodass er viele Schafe und auch Mägde und Knechte, Kamele und Esel hatte.

Da machte sich Jakob auf und lud seine Kinder und Frauen auf die Kamele und führte weg all sein Vieh und alle seine Habe; alles, was er in Mesopotamien erworben hatte, dass er käme zu Isaak, seinem Vater, ins Land Kanaan.

Jakob aber täuschte Laban damit, dass er ihm nicht ansagte, dass er ziehen wollte. So glich  sein Weggang eher einer Flucht. Auch hatte Rahel den Hausgott ihres Elternhauses- eine kleine Statue- heimlich mitgehen lassen.

Laban jagte mit einer Mannschaft  Jakob nach- und stellte sie am Gebirge Gilead.

Aber Gott war zu Laban im Traum gekommen und sprach zu ihm: Hüte dich, mit Jakob anders zu reden als freundlich. Laban sprach zu Jakob: Warum bist du heimlich geflohen und hast mich hintergangen und hast mirs nicht angesagt, dass ich dich geleitet hätte mit Freuden, mit Liedern, mit Pauken und Harfen? Und hast mich nicht einmal lassen meine Enkel und meine Töchter küssen? Nun, du hast töricht getan. Und wenn du schon weggezogen bist und sehnst dich so sehr nach deines Vaters Hause, warum hast du mir dann meine  Gottesstatue gestohlen?

Jakob antwortete und sprach zu Laban: Ich fürchtete mich und dachte, du würdest deine Töchter von mir reißen. Bei wem du aber deine Gottesfigur findest, der soll sterben. Jakob wusste aber nicht, dass Rahel sie gestohlen hatte.

Da ging Laban in die Zelte Jakobs und Leas und Rahels und fand nichts. Rahel aber hatte den Hausgott genommen und unter den Kamelsattel gelegt und sich darauf gesetzt. Da sprach sie zu ihrem Vater: Ich  kann nicht aufstehen vor dir, denn es geht mir nach der Frauen Weise. Daher fand er den Hausgott nicht, wie sehr er auch suchte.

Nach langem Hin und Her  kamen sie überein, einen Bund zu schließen mit Gott als Zeugen: Und Laban sprach: Gott wache als Späher über mir und dir, dass wir nicht in böser Absicht uns aufsuchen. Und dass du meine Töchter nicht bedrückst oder andere Frauen dazunimmst zu meinen Töchtern. Und sie aßen und gingen auseinander.

1.Mose 30,25-31,34

 

Warum bedient sich  Gott eines solchen Gauners? Und schützt ihn auch noch vor dem gerechten Zorn? Wird damit Gott nicht auch Handlanger von Hinterlist? Es ist wohl so: Gott ist nicht nur der Gute. Er ist der Ganze. Unter dem resoluten Singular „Gott“ bricht sich im Menschenbewußtsein Bahn die eine, umfassende Energie. Die ist für alles zuständig, aus ihr kommt auch das Vergewaltigten und Missbrauchen. Der durchtriebene Jakob mästet sich an fremdem Gut, damit er dann Vater vieler werden kann und selbst viele ernährt. 

Gott ist ja ins Werden der Welt eingefleischt und ins Werden dieser Familensaga hineingebunden, er ist auch auf leidvolle Weise an die Hybris von Menschen gefesselt, eben weil er die Menschen liebt, auch die Gauner.

 

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Wie Jakob dem Esau die Wut abkauft

Am Morgen stand Laban früh auf, küsste seine Enkel und Töchter und segnete sie und zog hin in seine Heimat. Auch  Jakob zog seinen Weg. Und es begegneten ihm die Engel Gottes.  Er betete: Gott meines Vaters Abraham und Gott meines Vaters Isaak, Du hast gesagt: Ich will dir wohltun und deine Nachkommen zahlreich machen wie den Sand am Meer. Nun aber kommt mein Bruder Esau mir entgegen, mich und die meinen umzubringen; rette mich, Herr. 

Und er blieb die Nacht da und bereitete von dem, was er erworben hatte, Geschenke vor  für seinen Bruder Esau: zweihundert Ziegen und dreißig säugende Kamele mit ihren Füllen, vierzig Kühe und zehn junge Stiere, zwanzig Eselinnen und zehn Esel. Und beauftragte seine Knechte:

Geht vor mir her und lasst Raum zwischen den  Herden.

Und sagte dem ersten Knecht:  Wenn dir mein Bruder Esau begegnet und dich fragt: Wessen Eigentum ist das, was du vor dir hertreibst? sollst du sagen: Es gehört deinem Knechte Jakob, der sendet es als Geschenk seinem Herrn Esau und zieht hinter uns her. Ebenso gebot er auch dem zweiten und dem dritten und allen, die den Herden nachgingen, und sprach: Wie ich euch gesagt habe, so sagt zu Esau, wenn ihr ihm begegnet, und sagt ja auch: Siehe, dein Knecht Jakob kommt hinter uns.

Denn er dachte: Ich will ihn gnädig stimmen mit den Geschenken, die ich vor mir herschicke. Danach will ich ihn sehen; vielleicht wird er mich annehmen. So ging das riesige Geschenk vor ihm her; er aber blieb diese Nacht im Lager.

1.Mose 32,1-22

 

Nach wohl zwanzig Jahren wagt Jakob die Rückkehr. Und er rechnet damit, dass Esaus Wut über die Segenprellerei noch frisch ist, wie am ersten Tag. Jakob fleht zu Gott, der möge ihm beistehen gegen seinen Bruder. Und gleichzeitig ist er höchst geschickt, seinen Bruder gnädig zu stimmen. Er schickt, raffiniert gestaffelt, Berge von Geschenken- in der Hoffnung, dass Esau, erschöpft vom Staunen, für  die Rache schlicht zu müde sei. Diese doppelte Vorsorge: Gott bitten und sich selbst mühen, schlägt sich auch in einem Bildwort aus unserer Zeit nieder: Bete zu Gott aber fahre fort, ans andere Ufer zu rudern.

 

                                                           *

 

 

Gesegnete hinken

Jakob stand auf in der Nacht und nahm seine beiden Frauen und die beiden Mägde und seine elf Söhne und die Töchter und zog an die Furt des Jabbok und führte sie über das Wasser, sodass hinüberkam, was er hatte. Er aber ging noch mal allein zurück.

Da rang ein männliches Wesen mit ihm, bis die Morgenröte anbrach. Und als er sah, dass er ihn nicht niederringen konnte, schlug er ihn auf seine Hüfte. Und er sprach noch dringlicher: Lass mich gehen, denn die Morgenröte bricht an. Aber Jakob antwortete: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.

Er sprach: Wie heißt du? Er antwortete: Jakob. Er sprach: Du sollst nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel; denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gesiegt. Und er segnete ihn. Und Jakob nannte die Stätte Pniël: Der Ort, da ihm die Sonne aufging. 

1.Mose 32, 23-33

 

Jakob brachte seine Familie und seine Habe ans andere Ufer, ging aber noch mal zurück, wollte wohl an der Schwelle zur Zukunft noch mal im Gebet stille sein und nächtigte allein.

Ein Flussgott soll mit ihm gerungen haben, Jakob weiß selbst nicht, wer genau; nur spürt er, dass es Segenskräfte sind, die Hand an ihn legen. Es ist eine heilende Energie, die er nicht fahren lassen darf- er muss kämpfen um sein Glück. Er bekommt Schläge, aber er will von Gott nicht lassen. Er verkrallt sich  richtig in das Gegenüber, presst ihm den Segen ab.  Dann, als ihm die Sonne aufging, ist er getauft auf seinen neuen Namen: Gotteskämpfer.

„Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn“ -kann auch stehen für einen lebenslangen Kampf um das Gute oder um Gewissheit oder um Gottes- und Selbsterkenntnis. Lebenslang wird Jakob hinken- Gesegnete haben immer einen Schaden. Und  die mit Schaden haben auch ihre Portion Segen.

 

                                                             *

 

Jakobs Versöhnung mit Esau

Dann war es soweit- Jakob sah in der Ferne seinen Bruder Esau kommen mit vielen Männern. Da stellte er seine Frauen und Kinder auf und sich davor und sie gingen Esau entgegen, immer wieder sich bis zur Erde beugend. Esau aber lief ihm entgegen und herzte ihn und fiel ihm um den Hals und küsste ihn und sie weinten.

Und Esau sprach: Du hast mir Herden entgegen geschickt, was soll das? Er antwortete: Ich möchte so gern Gnade finden vor meinem Herrn - ich sah dein Angesicht, als Spiegel für Gottes Angesicht- freundlich hast du mich angesehen. So nimm doch diese Segensgabe.

Er nötigte ihn, dass er sie nahm und sie gingen versöhnt voneinander. Esau zog an jenem Tage wiederum seines Weges nach Seïr. Jakob aber siedelt sich bei Sichem an. Er kaufte das Land für hundert Goldstücke und errichtete dort einen Altar  und betete an.

1. Mose 33

 

Hinreißend, wie Jakob seine Familie als Schlachtreihe aufbaut. Er will dem Esau die noch vorhandene Wut abhandeln, will ihm auch sein Gesegnetsein vorführen. Er will Esau vor Augen führen, daß dieser es mit einem Schützling Gottes zu tun hat. Gleichzeitig hofiert er Esau ebenfalls als  einen Günstling des Herrn, macht ihm geradezu ein atemberaubendes Kompliment: Nicht nur nähert er und seine Familie sich mit Kniefall, sondern er nimmt dessen Antlitz als Spiegel Gottes. Er nimmt Esau in die Haftung für Gottes Freundlichkeit. So kann Esau gar nicht anders als seinem Bruder vergeben.

Die vorauseilende Unterwürfigkeit Jakobs hat sicher dazu beigetragen,  Esau freundlich zu stimmen. Aber Esau weiß seinen eigenen Weg. Und kann darum vergeben.

 

                                                               *

 

Jakob hatte Josef lieber

Jakob aber wohnte im Lande, in dem sein Vater ein Fremdling gewesen war, im Lande Kanaan. Er wohnte dort mit seinen Söhnen und deren Familien und sie hüteten große Herden.  Jakob hatte Josef lieber als alle seine andern Söhne, weil er der Sohn seines Alters war. Er schenkte ihm ein edles Kleid.

Die Brüder aber hatten  kein freundliches Wort für ihn übrig. Denn er überbrachte ihrem Vater Schlechtes von ihnen. Einmal hatte Josef einen Traum und erzählte ihn seinen Brüdern; da wurden sie ihm noch mehr Feind.

1.Mose 37,1-5

 

Der große Bogen der Geschichten von Josef und seinen Brüdern ist ein Meisterstück antiker Erzählung. Die  Kapitel 37-50 des 1.Buch Mose  nahm Thomas Mann zur Basis für seinen dreibändigen grandiosen Roman „Joseph und seine Brüder“.

Josef wird der Retter des „den  Gott der Väter“ verehrenden kleinen Stammes.- Aber menschliche Schwächen gefährden und begleiten die den Weg zur Größe. Unheilvoll bevorzugt der alte Jakob den (zunächst) einzigen Sohn seiner über alles geliebten Rahel. Josef geht gekleidet in „einem bunten Rock“. (Vielleicht geschneidert aus Rahels Hochzeitskleid - dies eine dichterische Phantasie des Thomas Mann). Jedenfalls nutzt der Vater ihn als Informant über Ungehörigkeiten der Brüder. Josef  bekommt früh beigebracht, sich für was Besseres zu halten, dem dann auch mehr Ehrerbietung und größere Bildung zustehen.

 

                                                              *

 

Traumtänzer

Josef sprach zu seinen Brüdern: Hört doch, was mir geträumt hat.

Wir banden Korn zu Garben auf dem Felde, und meine Garbe richtete sich auf und stand; eure Garben aber stellten sich zum Kreis und neigten sich vor meiner Garbe. Da sprachen seine Brüder zu ihm: Willst du unser König werden und über uns herrschen?

Und er erzählte ihnen noch einen zweiten Traum; Die Sonne und der Mond und elf Sterne neigten sich vor mir.

    Seine Brüder hassten ihn der Träume wegen. Auch sein  Vater nahm ihn sich vor: Was ist das für ein Traum, den du geträumt hast? Sollen wir alle vor dir niederfallen?

1.Mose 37,6-10

 

Dem Josef drängte sich in Träumen seine hervorragende Stellung auf. Gott werde viel vorhaben mit ihm- so musste er die Träume verstehen. Ja, Josef bekommt schon das Ergebnis der kommenden Erkenntnisabenteuer zu Gesicht- geradezu überrealistisch sinnlich wird sein kleines Ego aufgebaut: Einst wird man ihm zu Füßen liegen.

Der Leser bangt mit, ob Josef die Hervorhebung ohne Hochmut bestehen wird. Aber dass er seine Träume rausposaunt, statt sie in sich reifen zu lassen, ist bedrohlich.

 

                                                           *

 

Die Brüder hassen ihn

Wieder einmal sprach Jakob zu Josef: Geh hin nach Sichem zu deinen Brüdern und sieh, ob’s gut steht um sie  und das Vieh, und sage mir dann, wie sich’s verhält.

Als sie ihn von ferne kommen sahen, sprachen sie untereinander: Seht, da kommt der Träumer! Wir werden ihn uns vom Halse schaffen; wir sagen, ein böses Tier habe ihn gefressen; so wird sich zeigen, was seine Träume wert sind.

Ruben aber sprach zu ihnen: Vergießt nicht Blut, sondern werft ihn in die nächste Zisterne! Er wollte ihn aus ihrer Hand erretten und ihn seinem Vater wiederbringen.

Als nun Josef zu seinen Brüdern kam, griffen sie ihn, zogen ihm seinen Rock aus  und ließen ihn herab in einen Brunnen, der gerade kein  Wasser hatte. Und sie setzten sich nieder, um zu essen.

1.Mose 37,12-24

 

Josef wird  von den Brüdern zum Abstieg in den Brunnen gezwungen- und dann setzen die sich wie nach getaner Arbeit zum Essen nieder. Ihr Grölen wird dem Josef noch lange in den Ohren liegen; es dürstet ihn, er ist hungrig, er friert, er weint- aus den Träumen wird nichts werden, er wird seine Träume verfluchen. Oder aber die halten ihn aufrecht, stärken ihn wie ein Pfand. Er hatte ja schon viel von der Verheißung gehört, die von Abraham über Isaak zu Jakob gekommen war und jetzt doch bitte Gestalt gewinnen soll in ihm.

Josef ist gewiss, dass er in Gottes Plänen eine wichtige Rolle zu spielen hat. Und so kann es nicht schon mit ihm aus sein, sein Leben fängt doch gerade an zu sprießen. Vielleicht legt ihn Gott in ein Grab, wie eine Raupe in eine Puppe, ehe sie zum Schmetterling wird. Nachts sieht Josef den gestirnten Himmel über sich, sieht sich gekrönt und redet sich in Gott hinein und in den Schlaf, bis er Stimmen hört.

 

                                                                  *

 

Verkauf nach Ägypten

Eine Karawane von Ismaelitern war auf dem Weg mit ihren Kamelen; die trugen kostbare Ware und zogen hinab nach Ägypten. Da sprach Juda zu seinen Brüdern: Was hilft’s uns, dass wir unsern Bruder töten? Lasst uns ihn den Händlern verkaufen, dann vergreifen sich unsere Hände nicht an ihm - er ist doch unser Bruder, unser Fleisch und Blut. Und sie gehorchten ihm und verkauften Josef für zwanzig Silberstücke nach Ägypten.

Dann nahmen sie Josefs Rock und schlachteten einen Ziegenbock und tauchten den Rock ins Blut und ließen seine Kleider  ihrem Vater bringen und sagen: Dies haben wir gefunden; sieh, ob’s deines Sohnes Sachen  sind oder nicht. Jakob erkannte das Kleid und schrie: Es ist meines Sohnes Rock; ein böses Tier hat ihn gefressen, ein reißendes Tier hat Josef geschlagen! Und Jakob zerriss seine Kleider und trug Leid um seinen Sohn lange Zeit.

Aber die Midianiter verkauften ihn in Ägypten an Potifar, des Pharao Kämmerer und Obersten der Leibwache.

1.Mose 37,25- 36

 

Wie sich Schicksal fügt. Aber wir sind Ruderer, wir fahren mit dem Rücken zur Zukunft (Sören Kierkegaard). Erst im Nachhinein weist sich, wie notwendig genau diese Wege waren. Josef wusste in der Brunnentiefe nicht, was wird. Er konnte sich nur nicht denken, daß das alles gewesen sein soll. Auch Vater Jakob konnte es nicht glauben, daß Josef tot, aus und vorbei sei. Im tiefsten Winkel seines Herzens gab es eine Ahnung. Aber unter tiefer Trauer über Jahre war diese Hoffnung nur ein Flämmchen und keine Aussicht.

Die Brüder handeln verbrecherisch an ihrem Bruder. Wer, wenn nicht Geschwister, sind einander zur Hilfe gedacht? Doch „Scham macht Männer zu Gaunern“ (Robert Musil). Die Brüder sehen sich gedemütigt durch den Hochmut des Einen. Das erklärt nichts, aber macht es verstehbar.

 

                                                           *

 

Eine traurige Geschichte

Und Juda gab seinem ersten Sohn eine Frau, die hieß Tamar. Der Mann starb, ohne Kinder zu hinterlassen. Tamar tat, was damals üblich war: Sie bat ihren Schwager Onan, seinem toten Bruder Nachkommen zu zeugen. Er schlief auch mit ihr, zog sich aber zurück, sodaß sie nicht schwanger werden konnte. Das missfiel Gott und er ließ ihn auch sterben. 

1.Mose 38, 6-10

 

In jener alten Zeit war Kinderzeugen ein Dienst an der Großfamilie. Darum gehörte es sich nicht, daß die Witwe kinderlos blieb. Sie hatte geradezu ein Recht auf Nachwuchs aus der Sippe des verstorbenen Mannes. Diese und andere Sitten und Ordnungen galten als gottgegeben. Damit ist nicht gesagt, daß Gott diese Anordnug getroffen und den Vollzug  verlangt hätte. Damit ist nur gesagt, daß die Menschen damals ihre Gesetze als vom Himmel diktiert hielten.  In unserer Zeit die Selbstbefriedigung als von Gott verboten zu erachten, ist absurd.

 

                                                          *

 

Männer

Viele Tage waren vergangen im Leben der Witwe Tamar. Da starb Judas Frau. Und nachdem Juda ausgetrauert hatte, ging er hinauf, seine Schafe zu scheren nach Timna. Da wurde der Tamar gesagt: Siehe, dein Schwiegervater geht hinauf nach Timna.

Da legte sie die Witwenkleider ab, verhüllte sich mit einem Schleier und setzte sich vor das Tor an dem Wege nach Timna. Als Juda sie nun sah, meinte er, es sei eine Hure- sie hatte auch ihr Angesicht verdeckt.

Und er ließ sich mit ihr ein, nicht wissend, dass es seine Schwiegertochter war. Sie antwortete: Was willst du mir geben, dafür, daß du mit mir schlafen darfst?

Er sprach: Ich werde dir einen Ziegenbock senden. Sie antwortete: So gib mir dein Siegel zum  Pfand, bis ich ihn habe. Da gab er’s ihr und kam zu ihr; und sie ward von ihm schwanger.

Später sandte Juda den Ziegenbock durch seinen Freund, damit er das Pfand zurückhole von der Frau. Doch der Freund kam zurück zu Juda und sprach: Ich habe sie nicht gefunden; dazu sagen die Leute des Ortes, es sei keine Hure da gewesen. Juda sprach: Sie mag’s behalten, damit wir nur nicht in Verruf geraten! Siehe, ich habe den Bock gesandt, und du hast sie nicht gefunden.

Nach drei Monaten wurde Juda angesagt: Deine Schwiegertochter Tamar hat Hurerei getrieben; und siehe, sie ist davon schwanger geworden. Juda sprach: Führt sie heraus, dass sie verbrannt werde. Und als man sie hinausführte, schickte sie zu ihrem Schwiegervater und sprach: Von dem Mann bin ich schwanger, dem dies gehört. Juda erkannte sein Siegel und sprach: Sie ist gerechter als ich. Und bekannte sich zu seiner Vaterschaft.

1. Mose 38, 11-26

 

Eine der Geschichten, um deretwillen das Alte Testament im üblen Ruf steht- völlig zu Unrecht. Das Alte Testament  ist grandios ehrlich- ist also auch ein Abbild unserer menschlichen Schwächen.  Und betont, daß Gott sich einlässt auf genau diese verruchten und geschickten Menschen.

Die Witwe weiß sich ihrem verstorbenen Gatten zum Erhalt der Familienehre durch Nachwuchs verpflichtet. Und erwirkt sich die Schwangerschaft durch List. Der Mann, der die Hure besuchte, spricht sie des Todes schuldig. Dann weist sie aber das Siegel vor, das der Freier als Pfand zurückließ. Beschämt bekennt Juda seine Verfehlung. Und setzt Tamar in ihre Rechte ein.

Es ist eine der Geschichten, die den Männern beibringen, daß sie die Frau zur Hure machen. Die Frau zu bestrafen, als wäre der Mann das Opfer  ist mit dieser Geschichte als sündhaft gebrandmarkt. Es ist ein hohes Gut des Gottesglaubens, dass diese Ehrung der Tamar aufgeschrieben blieb, obwohl es den Stammvater des großen jüdischen (Nord) Reiches in schlechtem Licht zeigt. Und Tamars Sohn Perez gehört in den Stammbaum Jesse, der dann auf Jesus zuführt (Lukas 3,33).

 

                                                            *

 

Einer, dem alles glückte

Mit den Kaufleuten  kam Josef nach Ägypten. Dort verkauften sie ihn an den Haushalter des Pharao mit Namen Potifar. Und Gott war mit Josef, sodass er ein Mensch wurde, dem alles glückte.

Sein Herr sah, dass Gott mit ihm war; da gab er ihm Vollmacht über sein Haus; und alles, was er hatte, vertraute er ihm an. Aber Josef war schön an Gestalt und hübsch von Angesicht.

So fügte es sich, daß, dass die Gemahlin des Potifar ihr Auge auf Josef warf und sprach: Lieb mich!

Er weigerte sich aber und sprach zu ihr: Wie könnte ich das Vertrauen meines Herrn so missbrauchen und gegen ihn und Gott sündigen? Sie aber bedrängte Josef tagtäglich mit heißen Worten. Aber er blieb stark und war ihr nicht zu Willen. 

Eines Tages war kein Mensch sonst im Haus. Und sie verstellte ihm den Weg und sagte: Komm jetzt! Aber er riss sich los, und ließ sein Obergewand in ihrer Hand und floh zum Hause hinaus. Da war sie so sehr gekränkt, daß sie auf Rache sann.

Sie rief die Leute zusammen und sprach zu ihnen: Der hebräische Kerl wollte mich vergewaltigen. Als ich schrie, da floh er – sein Gewand hielt ich fest. Da ist es. Und sie legte sein Kleid neben sich, bis ihr Gemahl heimkam.

Als sein Herr nach Hause kam und die Anklage  seiner Frau hörte, wurde er sehr zornig. Er ließ ihn ins Gefängnis werfen.

1. Mose 39,1-20

 

Daher also das Wort vom „keuschen Josef“. Er wollte einfach das Vertrauen seines Herrn nicht mißbrauchen. Eigentlich reicht in heiklen Situationen das einfache Wort „nein“ und jeder vernünftige Mensch stellt bei handfester Klarheit das Werben ein. Allerdings ist Faszination ein explosiver Stoff. Sieht sich ein Mensch zurückgestoßen, so kann er rasend werden.

Josef als Glückskind wird sich noch oft bewähren müssen. Und „wem viel anvertraut ist, dem wird viel abverlangt“ (Lukas 12,48). Auch die Gnade ist zwar umsonst aber ist nicht billig.

 

                                                          *

 

Josef  hat auch im Gefängnis Glück

Gott neigte die Herzen der Menschen dem Josef zu. Auch das Vertrauen  des Gefängnis-Vorstehers gewann er schnell, bald waren ihm alle Gefangenen unterstellt und ohne sein Wort passierte nichts. Es geschah aber, dass sich der Mundschenk des Königs von Ägypten und der Oberste Bäcker versündigt hatten an ihrem Herrn. Und der Pharao ließ sie ins Gefängnis werfen, wo Josef auch war. Und es träumte ihnen beiden Träume voller Bedeutung. Und sie erzählten Josef ihre Träume. Bald darauf kamen sie frei- was Josef ihnen in Aussicht gestellt hatte.

1.Mose 39,21-22; 40, 1-5 

 

Die Verfasser dieses wunderbaren Erzählreigens sehen den Verlauf der Geschichte normal laufen. Keine Gottheit greift mit Blitz und Donner von außen ein, wie man sich in grauer Vorzeit etwa des Geschickes Mächte so gewalttätig vorstellte. Hier in der vergleichsweise modernen Novelle ist Josef von guten Mächten wunderbar geborgen. Hinter den Kulissen ahnt man einen „guten Vater“, der langfristig die guten Energien stärkt und die bösen Kräfte schwächt.

Gott neigte dem Josef die Herzen zu. Das ist doch das Geheimnis aller Sympathie und  allen Charmes- das sie nicht erklärlich sind, sondern Zuneigung wird von höheren Ortes verfügt, sie zählen zu den Rohstoffen des Herzens und sind eigentlich Gemeineigentum. Warum auch niemand sich etwas einbilden sollte auf die Zuneigung, die er findet.
Josef deutet den Mitmenschen ihre Träume. Wir sollten damit sehr behutsam sein. Am besten kann man ja seine Träume selber deuten, wenn man nur hinfühlt und achtet auf die im Traum vorweggenommene Entschlossenheit.

 

                                                             *

 

Josef fällt nach oben

Nach zwei Jahren hatte der Pharao einen Traum, der ihn furchtbar berührte. Er ließ alle Wahrsager in Ägypten rufen und alle Weisen. Aber da war keiner, der dem Pharao seine Träume verstehbar machen konnte.

Da redete der oberste Mundschenk zum Pharao und sprach: Ich muss heute an meine Sünden denken: Als der Pharao mich mit dem obersten Bäcker ins Gefängnis brachte, da träumte uns beiden in einer Nacht einem jeden sein Traum. Es war bei uns damals ein hebräischer Jüngling, des Amtmanns Knecht, dem erzählten wir’s. Und er deutete uns unsere Träume. Und wie er uns deutete, so ist’s gekommen.

Da sandte der Pharao hin und ließ Josef rufen, und sie holten ihn eilends aus dem Gefängnis. Er ließ sich frisieren und zog andere Kleider an und kam hinein zum Pharao.

Da sprach der Pharao zu ihm: Ich habe einen Traum gehabt und es ist niemand, der ihn deuten kann. Ich habe aber von dir sagen hören, wenn du einen Traum hörst, so kannst du ihn deuten.

Josef antwortete dem Pharao und sprach: Das steht nicht bei mir; doch lege sie dar.

1.Mose 41,1-16

 

Die Erzählung von Josef, der  die Träume des Pharao deutet, nimmt einen langen Anlauf. Weit ist der Umweg übers Gefängnis, doch „es gibt keine Zufälle“. Josef musste dorthin, weil Jahre vorher dort ein Probelauf in Traumdeutung ihm abverlangt wurde. Daraufhin konnte später der Mundschenk sich an den Kundigen erinnern.

Gott gestaltet Geschichte mit großer Übersicht und meist inkognito. Von langer Hand wird Rettung in die Wege geleitet. Dabei muss nicht jeder Schritt einzeln von Gott konstruiert sein, die Allmacht ist auch wirksam, indem sich die Dinge selber machen. Einer hat seinen Traum gut gedeutet bekommen, vergisst dieses Wunder, aber zur rechten Zeit erinnert er sich und kann die Fügung weiter anschieben.

 

                                                      *     

 

Die fetten und die mageren Kühe

Der Pharao sprach zu Josef: Mir träumte, ich stand am Ufer des Nils und sah aus dem Wasser steigen sieben schöne, fette Kühe; die gingen auf der Weide im Grase. Nach ihnen stiegen sieben dürre, sehr hässliche und magere Kühe heraus und fraßen die sieben fetten Kühe.

Und ich sah noch einen andern Traum: Ich sah sieben Ähren auf einem Halm wachsen, voll und dick. Danach gingen sieben dürre Ähren auf, dünn und versengt. Und die sieben dünnen Ähren verschlangen die sieben dicken Ähren. Und die Wahrsager können es mir nicht deuten.

Josef antwortete dem Pharao: Die sieben schönen Kühe und die sieben guten Ähren sind sieben gute Jahre fetter Ernten. Die sieben mageren Kühe und die sieben versengten Ähren stehen für sieben Jahre des Hungers. In beiden Träumen verkündet Gott dem Pharao, was bevorsteht: Nach sieben Jahre Fülle  werden sieben Jahre Hunger über Ägypten kommen.

Nun suchte  der Pharao einen verständigen und weisen Menschen, den er über Ägyptenland setze. Der sollte die richtigen Beamten einsetzen. Die sollen den fünften Teil in Ägyptenland in den sieben reichen Jahren von allem einsammeln. Sie sollen vom Ertrag der guten Jahre, die kommen werden, Getreide aufschütten in des Pharao Kornhäusern zum Vorrat in den Städten und es verwahren. Damit für Nahrung gesorgt sei für das Land für die schlechten Zeiten.  

Und der Pharao sprach zu Josef: Weil dir Gott dies alles kundgetan hat, ist keiner so verständig und weise wie du, in keinem wohnt der Geist Gottes wie in dir. Dich setze ich  über mein Haus. Und er tat seinen Ring ab von seiner Hand und gab ihn Josef an seine Hand und kleidete ihn mit kostbarer Leinwand und legte ihm eine goldene Kette um seinen Hals und ließ ihn auf seinem zweiten Wagen fahren und ließ vor ihm her ausrufen: Der ist des Landes Vater! Und setzte ihn über ganz Ägyptenland. Und Josef war dreißig Jahre alt.

1.Mose 41,17-46

 

Prophezeiende Wahrträume geschehen. Verstehende Menschen nehmen sie als Wink des Schicksals, Vorkehrungen zu treffen. Träumend schärft sich in uns auch der Sinn für Nötiges. Zu Gesicht gebracht wird mir möglicherweise Kommendes, und Zurückliegendes klärt sich, entwirrt sich.

Wir sind zuständig im Rahmen unserer Kräfte. In des Regierenden Pflicht steht es, vorausschauend vorzusorgen. Klar umrissene, hellsichtige  Prognosen sind  Gnade; auch Wissende zu finden für verantwortliches Handeln ist Gnade. Die richtigen Dinge zu tun, lehrt Josef. Die Dinge richtig zu tun, wurde Josef aufgegeben.

Alles zieht unablässig und miteinander verkettet weiter, die einen Dinge reißen die anderen mit, und alle wissen sie nichts voneinander. Doch letztlich geschieht es, damit Sein Wille geschehe.

 

                                                     *

Josefs der Ernährer

Und das Land trug in sieben reichen Jahren die Fülle, brachte Getreide wie Sand am Meer. Und Josef ließ sammeln die ganzen Ernten der sieben Jahre des Überflusses und verwahrte sie in neu errichteten Kornhäusern.

Und Josef und seiner Frau Asenat wurden zwei Söhne geboren: Manasse- das heißt: Gott hat mich vergessen lassen all mein Unglück, und Ephraim- das heißt: Gott hat mich wachsen lassen in dem Lande meines Elends.

Als nun die sieben reichen Jahre um waren im Lande Ägypten, da fingen die Hungerjahre an, auch in den Ländern ringsum.  Als nun ganz Ägyptenland Hunger litt, schrie das Volk zum Pharao um Brot. Da tat Josef die Kornhäuser auf und verkaufte den Ägyptern; und der Hunger wurde je länger je größer im Lande. Und alle Welt litt Hunger und sie kamen nach Ägypten, um bei Josef zu kaufen.

1.Mose 41, 47-57

 

Josefs Blick in die Geschichte beschaffte dem Pharao unermessliche Macht, die Bevölkerung aber überlebte und- verarmte. Ganz Ägypten geriet in die Leibeigenschaft. Dank Josefs Strategie des Hortens in den Zeiten des Überschusses, konnte er bei Anziehen der Nachfrage nach Belieben den Preis anheben, auch die Ware verknappen. Und immer mehr mussten die Menschen geben, um immer weniger, aber doch wenigstens das Nötigste bekommen zu können.

Hier wird zum ersten mal  Kapitalismus im großen Stil betrieben. Einer hat die bessere Information und das Startkapital und den festeren Willen, die Zukunft mit zu gestalten. Einer häuft Reichtum –also Gestaltungsmöglichkeit- an, andere verarmen. Sicher eine fragwürdige Art des Umgangs mit Menschen, den Gott da fördert. Immerhin entstehen so Völkerzusammenschlüsse, Austausch, Handel, Wandel. In Ägypten geschah eine Blüte der Menschheit an Geist, Religion und Kunst. Und das Volk und vor allem  auch Israels Ursprungsfamilie  überlebte.

 

                                                         *

 

Erste Reise der Brüder

Auch in Kanaan und in Sichem bei Jakobs Familie  wurde Essbares knapp. Es hatte sich aber rumgesprochen, daß in Ägypten Getreide noch zu haben sei. Da sprach Jakob zu seinen Söhnen: Kauft uns Getreide, dass wir leben und nicht sterben. Was sitzt ihr hier und macht lange Gesichter; zieht hinab und kauft  das zum Überleben Notwendige.

Da zogen die Brüder Josefs los, um in Ägypten Getreide zu kaufen. Aber den Benjamin, Josefs kleinen Bruder, ließ Jakob nicht mit seinen Brüdern ziehen.

So kamen die zehn Söhne Jakobs aus ihrer Heimat nach Ägypten. Josef gewahrte seine Brüder schon von ferne. Sie fielen vor ihm nieder zur Erde.- Er erkannte sie, aber sie erkannten ihn nicht.

Er stellte sich fremd gegen sie und redete hart mit ihnen: Woher kommt ihr? Sie sprachen: Aus dem Lande Kanaan um Getreide zu kaufen. Er verdächtigte sie: Spione seid ihr und wollt das Land ausforschen.

Sie antworteten ihm: Nein, Herr! Deine Knechte sind gekommen, Getreide zu kaufen. Wir sind alle eines Mannes Söhne; redlich und keine Spione. Wir, deine Knechte, sind zwölf Brüder, und der jüngste ist noch bei unserm Vater, und einer ist nicht mehr vorhanden.

Josef sprach zu ihnen: Und doch seid ihr Spione. Ich  will euch prüfen: Ihr sollt nicht von hier wegkommen, es komme denn her euer jüngster Bruder! Sendet einen von euch hin, der euren Bruder hole, ihr aber sollt gefangen sein. Und sie mussten sich damit abfinden.

Sie sprachen aber untereinander: Das ist die Strafe für unser Unrecht! Wir sahen die Angst der  Seele unseres Bruders, als er uns anflehte, und wir wollten ihn nicht erhören; darum kommt nun diese Trübsal über uns. Nun wird sein Blut von uns gefordert.

Sie wussten aber nicht, dass es Josef verstand; denn er redete mit ihnen durch einen Dolmetscher. Und er wandte sich von ihnen und weinte.

Als er sich dann wieder zu ihnen wandte und mit ihnen redete, nahm er aus ihrer Mitte Simeon und ließ ihn binden vor ihren Augen. Und gab Befehl, ihre Säcke mit Getreide zu füllen und ihnen ihr Geld wiederzugeben, einem jeden in seinen Sack, dazu auch Zehrung auf den Weg; und so tat man ihnen.

Sie aber erschraken, als sie unterwegs das Geld fanden. Und sprachen: Warum hat Gott uns das angetan?

1.Mose 42, 1-28

 

Dies Kapitel will sagen, dass Böses seine Strafe findet. Man sieht sich immer zweimal. Und dann sind die Verhältnisse umgekehrt, dann hat das Leben, hat Gott die herrischen Brüder zu demütig Bittenden umgekehrt. Und der einst flehte, wird Herr über Leben und Tod. Gespannt soll der Leser auch sein, ob der Freund Gottes mit seiner Machtfülle großmütig umgehen wird. Josef wird hoffentlich Gott am Werk sehen, auch im unrechten Tun der Brüder- und darum nicht anders können, als vergeben. Und ja- Schritt für Schritt wird die Versöhnung vorbereitet, die Brüder werden geängstigt wie sie ängsteten und hoffentlich werden sie sich geläutert zeigen.

 

                                                                *

 

Zögerlich schickt sich Jakob in die Realität

Als sie nun heimkamen zu ihrem Vater Jakob ins Land Kanaan, sagten sie ihm alles, was ihnen begegnet war, und sprachen: Der Mann, der im Lande Herr ist, ist hart. Er will Benjamin auch sehen- und behielt Simeon als Pfand.

Da sprach Jakob: Ihr beraubt mich meiner Kinder! Josef ist nicht mehr da, Simeon ist nicht mehr da, Benjamin wollt ihr auch wegnehmen- das geht alles über meine Kräfte.

Irgendwann aber drückte die Hungersnot zu sehr und der Vater schickte sie los: Kauft ein wenig Getreide. Nur mit Benamin, sprach da Juda; Zu sehr hat uns der fremde Herr eingeschärft:  Ihr sollt mein Angesicht nicht sehen, es sei denn, ihr bringt den Bruder mit.

Da fing Jakob noch einmal an zu jammern: Warum habt ihr überhaupt gesagt, dass ihr noch einen Bruder habt? Sie antworteten: Der Mann forschte so genau nach uns und unserer Verwandtschaft und sprach: Lebt euer Vater noch? Habt ihr auch noch einen Bruder? Da antworteten wir ihm. Wie konnten wir wissen, dass er sagen würde: Bringt euren Bruder mit herab?

Da sprach Juda zu Vater Jakob: Lass den Knaben mit mir ziehen, dass wir nicht sterben, wir und du und unsere Kinder. Ich will Bürge für ihn sein; von meinen Händen sollst du ihn fordern. Aber jetzt lass uns endlich gehen. Hätten wir nicht gezögert, wären wir wohl schon zweimal wiedergekommen.

Da sprach Jakob: Wenn es denn so ist, so tut’s und nehmt von des Landes besten Früchten in eure Säcke und bringt dem Manne Geschenke hinab, Balsam und Honig, Harz und Myrrhe, Nüsse und Mandeln. Dazu nehmt euren Bruder. Der allmächtige Gott gebe euch Barmherzigkeit vor dem Manne, dass er mit euch ziehen lasse Simeon und Benjamin. Ich aber muss sein wie einer, der seiner Kinder völlig beraubt ist. Da nahmen sie die Geschenke und doppeltes Geld mit sich, dazu Benjamin, machten sich auf, zogen nach Ägypten und traten vor Josef.

1.Mose 42,25-38; 43,1-16

 

Ein Kampf tobt zwischen Vater und den Söhnen. Nur der schiere Hunger ließ Jakobs Hartnäckigkeit erlahmen. Irgendwann blieb ihm nichts übrig, als sie ziehen zu lassen und sie Gott und der Barmherzigkeit des Herrn der Brote anzubefehlen. Der Vater weiß noch nicht, daß seine Söhne ihn des Josefs beraubt haben. Aber er setzt sich und die Brüder und ihre Familien  lange dem Hunger aus und lässt lieber den Simeon im Gefängnis in der Fremde schmoren- nur, um  den geliebten Benjamin bei sich halten zu können,  der ja von der selben Mutter ist wie Josef, von der geliebten, früh gestorbenen Rebekka. Jakobs blinde Leidenschaft zu seiner ersten Liebe und den zwei Kindern aus dieser Ehe verursachen zunächst den Neid der älteren Ehefrau Lea, dann den ihrer Söhne. Jetzt wird viel gebüßt. Auch Jakob versteht sein Loslassenmüssen als Strafe: „Ich muss sein, wie einer, der seiner Kinder ganz und gar beraubt ist.“ Strafe annehmen ist wohl eine heilige Arbeit.

 

                                                         *

 

Josef nähert sich den Brüdern

Als Josef sie kommen sah mit Benjamin, sprach er zu seinem Haushalter: Führe die Männer ins Haus und schlachte und richte zu, denn sie sollen mit mir essen.

Sie fürchteten sich aber um des Geldes willen, das in den  Säcken das vorige Mal obenauf lag. Der Hauhalter aber sprach: Seid guten Mutes, fürchtet euch nicht! Euer Gott und eures Vaters Gott hat euch einen Schatz gegeben in eure Säcke. Und er führte Simeon zu ihnen heraus.

Dann gab er ihnen Wasser, dass sie ihre Füße wuschen, und gab ihren Eseln Futter. Sie aber richteten die Geschenke zu-  sie hatten gehört, dass sie mit ihm essen sollten.

Als nun Josef ins Haus trat, fielen sie vor ihm nieder zur Erde. Er aber grüßte sie freundlich und sprach: Geht es eurem alten Vater gut, lebt er noch? Sie antworteten: Es geht deinem Knechte, unserm Vater, gut und er lebt noch.

Und er hob seine Augen auf und sah seinen Bruder Benjamin. Da stürzte Josef hinaus; denn sein Herz entbrannte ihm gegen seinen Bruder, und er suchte zu verbergen, daß er weinte. Als er dann sein Angesicht gewaschen hatte, ging er wieder zu ihnen und ließ auftischen.

Und man setzte sie ihm gegenüber der Reihe nach, vom Erstgeborenen bis zum Jüngsten. Sie aber  wunderten sich, wie genau er die Altersfolge kannte. Und man trug das Essen auf und sie tranken und wurden fröhlich mit ihm.

1.Mose 43,16-34

 

Der Haushalter Josefs verkündet ihnen ein Zeichen dafür, daß letztlich die Geschichte gut ausgehen wird: Gott selbst habe ihnen den Kaufpreis erstattet. Dann kann ja keine Strafe warten: die Scheu weicht. Josef ist so gerührt vom Wiederfinden seines jüngsten Bruders- er muß sich erst mal zurückziehen. Und dann werden die Brüder genau nach Alter an der Tafel platziert, das legt doch das Mitwissen des Josef und Göttliche Fügung nahe.

Sie werden fröhlich miteinander, Josef gibt ein Stück seiner Unnahbarkeit auf. das Drama strebt noch erst seinem Höhepunkt zu. Das Wechselbad aus Fremdheit und neuer Vertrautheit hält an.

 

                                                            *  

 

Entsetzen und Offenbarung

Und Josef befahl seinem Haushalter und sprach: Fülle den Männern ihre Säcke mit Getreide, soviel sie fortbringen, und lege jedem sein Geld wieder oben in seinen Sack.

Und meinen silbernen Becher legt oben in des Jüngsten Sack mit dem Gelde für das Getreide. Der tat, wie ihm Josef gesagt hatte.

Am Morgen ließen sie die Männer ziehen mit ihren Eseln. Als sie aber zur Stadt hinaus waren und noch nicht weit gekommen, sprach Josef zu seinem Haushalter: Auf, jage den Männern nach und wenn du sie erreichst, so sprich zu ihnen: Warum habt ihr Gutes mit Bösem vergolten? Warum habt ihr den silbernen Becher gestohlen, den,  aus dem mein Herr trinkt und aus dem er wahrsagt? Ihr habt übel getan.

Sie fanden den Becher in Benjamins Sack und führten die Brüder zurück in die Stadt. Und sie fielen vor Josef nieder auf die Erde. Josef aber sprach zu ihnen: Wie habt ihr das tun können? Juda sprach: Gott hat die Missetat deiner Knechte gefunden. Siehe, wir und der, bei dem der Becher gefunden ist, sind von nun an deine Sklaven .

Er aber sprach: Der, bei dem der Becher gefunden ist, soll mein Sklave sein; ihr aber zieht hinauf mit Frieden zu eurem Vater.

Da trat Juda zu ihm und sprach: Mein Herr, lass deinen Knecht ein Wort reden vor den Ohren meines Herrn, und dein Zorn entbrenne nicht über deinen Knecht, denn du bist groß wie der Pharao. Lass mich hier bleiben an des Knaben statt als Sklave meines Herrn und den Knaben lasst gehen mit seinen Brüdern. Ich könnte den Jammer nicht sehen, der über meinen Vater kommen würde, käme ich ohne Benjamin heim.

1. Mose 44, 1-33

 

Josef lässt die Brüder nachleben, was sie ihm einst angetan haben. Doch sie haben gelernt. Einst opferten sie den Einen zur Genugtuung für ihr Zurückgestelltsein beim Vater. Nun stehen sie gemeinsam für den Jüngsten, den Schwächsten ein. Noch einmal werden sie in Versuchung geführt, fein davon zu kommen. Doch sie schlagen das Angebot, den (vermeintlich) schuldigen Benjamin seiner gerechten Strafe zu überlassen, aus. Juda bietet sich als Opfer an. Damals hatte es ihnen nichts ausgemacht, dem Vater die furchtbare Nachricht vom zerrissenen Sohn Josef zu überbringen. Jetzt will Juda lieber lebenslänglich Sklave sein, als das Leid des zu Tode erschrockenen Vaters über den Verbleib des Jüngsten in Ägyptens Gewahrsam mitzuerleben.

 

                                                         *

 

Josef gibt sich seinen Brüdern zu erkennen

Da konnte Josef nicht länger an sich halten und rief: Lasst mich mit den Männern allein. Und kein Fremder war Zeuge, als sich Josef seinen Brüdern zu erkennen gab. Laut weinte er, sodass es die Ägypter und das Haus des Pharao hörten, und sprach zu seinen Brüdern: Ich bin Josef, euer Bruder, den ihr nach Ägypten verkauft habt. Lebt mein Vater noch? Und seine Brüder konnten ihm nicht antworten, so erschraken sie vor seinem Angesicht.

Er aber sprach zu seinen Brüdern: Nun bekümmert euch nicht mehr und denkt nicht, dass ich darum zürne, dass ihr mich hierher verkauft habt; denn um eures Lebens willen hat mich Gott vor euch hergesandt. Es sind noch viele Hungerjahre vor uns. Gott hat mich durch euch hierher geschickt, dass er euch übrig lasse auf Erden und euer Leben erhalte zu einer großen Errettung.

Nun eilt und zieht hinauf zu meinem Vater und sagt ihm: Das lässt dir Josef, dein Sohn, sagen: Gott hat mich zum Herrn über ganz Ägypten gesetzt; komm herab zu mir, säume nicht!

Du sollst im Lande Gosen wohnen und nahe bei mir sein, du und deine Kinder und deine Kindeskinder; komm mit allem, was du hast. Ich will dich dort versorgen. Und er fiel seinem Bruder Benjamin um den Hals und küsste alle seine Brüder und weinte an ihrer Brust. Danach redeten seine Brüder mit ihm.

Und als das Gerücht kam in des Pharao Haus, dass Josefs Brüder gekommen wären, gefiel es dem Pharao gut und allen seinen Großen.

Und Josef gab ihnen Wagen nach dem Befehl des Pharao und Zehrung auf den Weg und gab ihnen allen, einem jeden ein Feierkleid, aber Benjamin gab er dreihundert Silberstücke und fünf Feierkleider. Und seinem Vater sandte er zehn Esel, mit dem Besten aus Ägypten beladen. Damit entließ er seine Brüder und sie zogen hin. Und er sprach zu ihnen: Zankt nicht auf dem Wege!

1.Mose 45,1-24

 

 

Jetzt war Josefs Strafaktion auch genug. Sie hatten ihr Lehrgeld bezahlt. Und Josef konnte seiner Liebe freien Bahn lassen. Da standen sie, die Brüder, “wie Klötze“ (Th. Mann). Josef musste erst mal den Schauder von ihnen nehmen. Was er für sich längst erkannt hatte, offenbarte er seinen Brüdern: Euern Neid, eure Wut auf mich Bevorzugten hat Gott genutzt: Um euer Leben zu retten, hat Gott mich vor euch her gesendet.- Großmütig entschuldet Josef die Brüder, er behaftet Gott, daß letztlich er diesen Deal eingefädelt habe. Und dann ist große Versöhnung und überirdische Freude. Väterchen soll nachgeholt werden. Zuletzt wird Josef wieder der Mahner: Haltet Frieden auf dem Weg.

 

                                                              *

 

Jakobs Reise nach Ägypten.

So kehrten die Brüder heim zu ihrem Vater Jakob und verkündeten ihm: Josef lebt noch und ist Herr über ganz Ägyptenland! Aber sein Herz blieb kalt, er glaubte ihnen nicht.

Da sagten sie ihm alle Worte Josefs, und als er die Wagen sah, die ihm Josef gesandt hatte, um ihn zu holen, wurde der Geist Jakobs lebendig. Und er sprach: Ich will hin zu Josef und ihn sehen, ehe ich sterbe.

Und er brachte Opfer dar dem Gott seines Vaters Isaak. Da geschah ihm des Nachts eine Offenbarung: Ich bin Gott, der Gott deines Vaters; fürchte dich nicht, nach Ägypten hinabzuziehen; denn daselbst will ich dich zum großen Volk machen. Ich will mit dir hinab nach Ägypten ziehen und will dich auch wieder heraufführen, und Josef soll dir mit seinen Händen die Augen schließen.

 Da machte sich Jakob auf von Beerscheba mit allem Eigentum; und alle      Seelen des Hauses Jakobs, die mit nach Ägypten kamen, waren sechsundsechzig..

1.Mose 45,25-28; 46,1-4.26

 

 

Die Nachricht, Josef sei am Leben, kann den versteinerten Jakob nicht gewinnen. Erst  die Geschenke aus Ägypten  erwecken die Lebensgeister wieder. Sie zeigten ihm: Die Zumutung, als alter Mensch das gesegnete Stück Erde zu verlassen, muss von Gott selbst gewollt sein. Die direkte Willenskundgabe von oben her war so verpflichtend, daß sich der alte Herr langsam zur Reise anschickte. Er will Josef sehen, wenn er gewiss sein darf, jedenfalls in Heimaterde begraben zu werden. Der tiefere Grund der Reise aber ist die Heilsgeschichte: An Jakob, Sohn von Isaak und Rebekka und Enkel von Abraham und Sara soll sich doch erfüllen, was „der Gott der Väter und Mütter“ verheißen hat: Sie sollen zu einem großen Volk werden. Diese Großfamilie Jakobs mit Lea (und im Gedächtnis die verstorbene Rahel) bilden die Urzelle des Volkes Israel.

Die Patriarchen sind mythische Wesen. Die Historie der Stammväter Abraham, Isaak und Jakob liegt im Dunkel der Geschichte. Die Glaubens –und Lebenserfahrungen von Jahrhunderten sind literarisch verdichtet in diesen idealen Gründerfiguren. Kern des Glaubens von Jakob und Josef ist: Gott geht mit ihnen, auch ins fremdgläubige Ägypten.  Das ist der Anfang des Jesus-Vertrauens, dass Gott auch mit in den Tod geht. „Vater des Glaubens“ aber ist Abraham, der aus dem Nichts heraus- also ohne Vorerfahrung mit Gott, diesem gehorchte und losging.

 

                                                        *

 

Jakob segnet seine Söhne

Und  Josef ließ seinen Wagen anspannen und zog seinem Vater entgegen. Und als er ihn sah, weinte er lange an seinem Halse. Da sprach Jakob zu Josef: Ich will nun gerne sterben. Ich habe dein Angesicht gesehen.

Josef ging zu  Pharao und sagte ihm an: Mein Vater und meine Brüder, ihr Kleinvieh und Großvieh und alles, was sie haben, sind gekommen aus dem Lande Kanaan. Der Pharao sprach zu Josef: Es ist dein Vater und es sind deine Brüder, die zu dir gekommen sind. Das Land Ägypten steht dir offen, lass sie am besten Ort des Landes wohnen, lass sie im Lande Gosen wohnen, und wenn du weißt, dass Leute unter ihnen sind, die tüchtig sind, so setze sie über mein Vieh.

Josef brachte auch seinen Vater Jakob hin vor den Pharao. Der Pharao aber fragte Jakob: Wie alt bist du? Jakob sprach zum Pharao: Die Zeit meiner Wanderschaft ist hundertunddreißig Jahre; wenig und böse ist die Zeit meines Lebens und reicht nicht heran an die Zeit meiner Väter in ihrer Wanderschaft. Und Jakob segnete den Pharao und ging hinaus von ihm.

Josef ließ seinen Vater und seine Brüder in Ägyptenland wohnen und gab ihnen Besitz am besten Ort des Landes, im Lande Ramses, wie der Pharao geboten hatte. Und er versorgte seinen Vater und seine Brüder und das ganze Haus seines Vaters mit Brot, einen jeden nach der Zahl seiner Kinder. Und sie wuchsen und mehrten sich sehr. Und Jakob lebte noch siebzehn Jahre in Ägyptenland, sodass sein ganzes Alter wurde hundertundsiebenundvierzig Jahre.

Und Josef brachte seine in Ägypten geborenen Kinder zu ihrem Großvater. Und Jakob segnete Ephraim und Manasse. Und er segnete Josef und sprach: Der Gott, vor dem meine Väter Abraham und Isaak gelebt haben, der Gott, der mein Hirte gewesen ist mein Leben lang bis auf diesen Tag, der Engel, der mich erlöst hat von allem Übel, segne dich und die Knaben. Siehe, ich sterbe; aber Gott wird mit euch sein und wird euch zurückbringen in das Land eurer Väter.  Und Jakob segnete auch all seine anderen Söhne mit einem besonderen Segen und verkündigte ihnen ihre Zukunft.

1.Mose 46,28-30; 47,1-49,28

 

 

Majestätisch fast schreitet Jakob beim Pharao ein. Der mag mehr Macht haben, aber Jakob verfügt über eine hellsichtige Gottesbeziehung. Der Viehbesitzer  segnet ungebeten den, der sich als Gottkönig weiss. Dieser aber scheint über eine abgeklärte Größe zu verfügen- er lässt sich den Segen des ihm fremden Gottes geschehen.

Als es zum Sterben ging, segnete Jakob Söhne und Enkel. Sicher blieb der weibliche Teil der Familie auch nicht ungesegnet. Jakob verbürgt sich für die große Zukunft der zwölf Stämme Israels. Er bezeugt mit seiner Erfahrung Gott als Hirten, als Engel, als Erlöser. Das hohe Alter gilt als Qualitätssiegel eines gottgemäßen Lebens.

 

                                                         * 

 

Jakobs und Josefs Tod

Als Jakob starb und zu seinen Vätern und Müttern versammelt wurde, da bestattete man ihn mit großem Geleit im Grab der Vorfahren, der Höhle Machpela, östlich von Mamre im Lande Kanaan. Als sie ihn nun begraben hatten, zog Josef mit seinen Brüdern wieder nach Ägypten.

Die Brüder Josefs aber fürchteten, jetzt könne Josef zur Vergeltung schreiten. Darum sagten sie ihm, es sei des Vaters letzter Wunsch gewesen, dass er Vergebung walten lasse. Sie baten ihn: Vergib doch deinen Brüdern die Missetat, dass wir so übel an dir getan haben. Und Josef weinte, als sie solches zu ihm sagten.

Josef aber sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes Statt? Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk.

Und Josef sprach zu seinen Brüdern: Bald werde ich sterben; aber Gott wird sich euer annehmen. Und er wird euch aus diesem Lande führen in das Land, das er Abraham, Isaak und Jakob zu geben geschworen hat. Und Josef starb, hundertundzehn Jahre alt.

1.Mose 50

 

„Zu den Vätern (und Müttern) versammelt werden“ ist frühes Zeugnis für eine Jenseitserwartung, wie auch immer. Jedenfalls hatten die Gottgläubigen schon früh eine Hoffnung, die über das Familiengrab hinausreicht; auch wenn es ihnen wichtig war, in jener Höhle Makpela begraben zu werden. Die hatte Abraham als einzigen Grundbesitz im künftigen Gelobten Land erworben- ein Grab als Pfand für ein großes Reich.                                                                                     Josef vergibt den Brüdern endgültig. Festgehalten bleibt, dass Schuld benannt werden muss und  sie sich nicht einfach auflöst.  Und Versöhnung will gelebt werden. Dazu leitet Josef sich und die Brüder an durch Verweis auf Gott. Der lässt mittels des Bösen Gutes werden. Was  nicht heißt: Der Zweck heiligt die Mittel. Höchstens heiligt Gott das Mittel, den Verkauf in die Fremde, zum edlen Zweck der Bewahrung vor Hunger. Wir würden uns an Gottes Statt stellen, wenn wir Böses säen zum Zwecke einer  Ernte des Guten. Dafür sind wir zu klein, und haben zu wenig Überblick.

Josef stirbt schon in weniger hohem Alter als Jakob und die davor. Damit deuten die theologischen Schreiber dieses Buches an, daß sie die goldene Zeit der Gottesvertrautheit der Patriarchen zu Ende gehen sehen.

 

                                                  *        *

 

2.Buch Mose

Israels Bedrückung in Ägypten und Auszug                                                                                                        Josef und seine Brüder waren schon lange gestorben.- Die Nachkommen Jakobs zeugten Kinder und mehrten sich und wurden überaus stark, sodass von ihnen das Land voll wurde. Da kam ein neuer König auf in Ägypten, der wusste nichts von Josef und sprach zu seinem Volk: Siehe, das Volk Israel ist mehr und stärker als wir. Wir müssen sie kurzhalten, dass sie nicht noch mehr werden. Denn wenn ein Krieg ausbräche, könnten sie sich zu unsern Feinden schlagen und gegen uns kämpfen. Und man bedrückte sie mit Zwangsarbeit. Sie bauten dem Pharao die Städte Pitom und Ramses.                                                               2.Mose 1                                                                                                                                 

Wie im Zeitraffer werden Jahrhunderte der Volkwerdung Israels in Ägypten gerafft in wenige Zeilen: Ein neuer König, ein neuer Pharao weiß nichts von Josef. Schnell vergilben Verdienste. Vergünstigungen hängen an Personen: Wechseln die Herrschaften, wechseln auch die Bevorzugungen.                                                                                                                    Auch die Eingewanderten der nächsten Generationen sind anders dran: Sie müssen sich in der Gegenwart ihre Stellung neu erkämpfen. Die Kinder Israels bleiben in Ägypten Fremde, sie machen wegen ihres vielen Nachwuchses den behäbigen Eingesessenen Angst. Man zwingt sie zu niedriger Arbeit, dann zum Frondienst an den Pyramiden.                                                   

Auch das zweite Buch Mose ist hochwichtig. Das erste Buch Mose (Genesis- Werdung) legt den Grundstein unseres Denkens: Der Mensch von  Gott geschaffen und zum Mitgestalten berufen.- Das zweite Buch Mose (Exodus- Auszug) zeigt die Richtung: Wir, Israel und damit die Menschheit ist mit Gott auf dem Weg aus der Gefangenschaft, aus der Sklaverei von Sünde und Tod und Vergeblichkeit hin ins „Gelobte Land“.

Entdeckt wird für die Menschheit, daß wir nicht zum Zeitvertreib hier sind, sondern schwanger gehen mit Leid und Segen; unsere Seelen sind ausgespannt  auf Fülle. Ausdehnung des Glücks ist der Sinn der Schöpfung, Bau von Gerechtigkeit der Weg. Der Auszug aus der Gefangenschaft in die Freiheit der Kinder Gottes  ist ein Projekt jeder Generation und jedes Einzelnen. Wir sind zu einem Lebensgefühl erhoben, das aus der Idylle in das Drama gerufen ist und aus der Behaglichkeit in das Gestalten von Freiheit. Die politische und persönliche Freiheit leuchtet als großer Wurf Gottes an die Menschen auf. Es wird denkbar, daß wir nicht als Biomasse, nicht als gesichtslose Verbrauchende gedacht sind, sondern Gedankenfreiheit, Schönheit und Liebe leben dürfen.- Denn kein anderer ist Gott, als der, der aus der Knechtschaft herausführt. Immer noch. Der Auszug Israels ist Modellfall für die Menschheit. Die ist unterwegs mit dem vorausgehenden Gott. Mit ihm Schritt zu halten ist immer neuer Auftrag.

Liebevoll erzählt Israel fünf bis acht  Jahrhunderte nach dem dunklen Aufbruch ihrer Pilgerväter und -mütter die Rettung aus Ägypten. Wie bedrohlich auch die jeweilige Gegenwart scheint, sie ist ein Stück Weg, den Gott mitgeht.

                                                             *

Moses wunderbare Errettung                                                                                                  Und der König von Ägypten befahl den hebräischen Hebammen- eine hieß Schifra, die andere Pua: Wenn ihr den hebräischen Frauen helft und bei der Geburt seht, dass es ein Sohn ist, so tötet ihn; ist’s aber eine Tochter, so lasst sie leben.                                                           

Ein Mann vom Hause Levi aber  nahm ein Mädchen aus dem Hause Levi zur Frau. Und sie ward schwanger und gebar einen Sohn. Und sie  verbarg ihn drei Monate. Als sie ihn aber nicht länger verbergen konnte, machte sie ein Kästchen von Rohr und verklebte es mit Erdharz und Pech und legte das Kind hinein und setzte das Kästchen in das Schilf am Ufer des Nils, wo die Tochter des Pharaos zu baden pflegte. Und  seine Schwester hielt Wache, um zu erfahren, wie es weitergehe.

Und die Tochter des Pharao stieg hinab und wollte baden, und ihre Freundinnen gingen am Ufer auf und ab. Und sie sahen das Kästlein im Schilf und holten es. Als sie es öffneten, sahen sie das Kind- es weinte. Da jammerte es sie und sie sprach: Es ist eins von den hebräischen Kindlein. Und doch soll es leben.                                                    Da trat die  Schwester aus dem Schilf zu der Tochter des Pharao und sprach: Soll ich eine hebräische Frau rufen, die gerade stillt, dass sie dir das Kindlein versorge?                                                                   

Die Tochter des Pharao sprach zu ihr: Tu das. Das Mädchen ging hin und rief die Mutter des Kindes. Da sprach die Tochter des Pharao zu ihr: Nimm das Kindlein mit und stille es mir und zieh es groß; ich will es dir lohnen. Die Frau zog das Kind groß. Und als das Kind groß war, brachte sie es der Tochter des Pharao, und es ward ihr Sohn und sie nannte ihn Mose; was heißt: „aus dem Wasser gezogen“.                                             

 2.Mose 1,15; 2, 1-10                                                                                                                          Dem großen Mose gebührt eine wunderbare Geburt. Die Rettung im Schilfkorb ist starkes Zeichen der Bewahrung und der Erwählung. Und ist auch ein Lobgesang auf die Mütter dieser Erde, die oft genug ihre Kinder unter widrigsten Umständen gebären und durchbringen. Mose ist natürlich von Herkunft aus jüdischer Familie. Gleichzeitig ist er am ägyptischen Hof erzogen. Die Findelkindgeschichte flicht beide Wahrheiten zusammen.

                                                        

                                                          * 

Moses Flucht nach Midian                                                                                                              Als Mose herangewachsen war, ging er öfter hinaus zu seinen hebräischen Brüdern und litt mit an ihrem Frondienst.  Einmal schlug ein ägyptischer Aufseher einen Hebräer. Das brachte Mose so auf, daß er- kurz nach allen Seiten prüfend, ob es Zeugen gäbe- den Ägypter erschlug.  Er verscharrte ihn im Sande und ging davon. Am nächsten Tag ging er wieder hin und sah zwei hebräische Männer miteinander streiten und sprach zu dem, der im Unrecht war: Warum schlägst du deinen Nächsten?                                                                                Er aber sprach: Wer hat dich zum Aufseher oder Richter über uns gesetzt? Willst du mich auch umbringen, wie du den Ägypter umgebracht hast? Da fürchtete sich Mose und floh ins Land Midian. Dort setzte er sich nieder bei einem Brunnen.

                                                              *

2. Mose 2, 11-15

Dass dieser einzigartige Religionsheld so unbeherrscht war und dies auch noch spätere Generationen  nicht schönten, spricht für die große Menschlichkeit der Bibel und ihres Glaubens. Wieder macht Gott eben keinen Heiligen zu seinem großen Sprecher, sondern ruft einen mit dunkler Herkunft: ungeduldig, jähzornig, zerrissen in sich selbst- als Hebräer auf Seiten der Geschundenen, als Adoptivenkel des Pharaos gewöhnt, kurzen Prozess zu machen. Mose hatte gemeint, der Sympathien der Hebräer sicher sein zu können. Aber Mordblut an den Händen ist nicht abzuwaschen; man geht auf Distanz zu dem, der zurecht bringen will mittels Unrecht. Der Zweck heiligt die Mittel nicht. 

Kain wird der große Städtebauer;  Mose ist das Modell für Ausbruch aus Knechtschaft; Gott reduziert Menschen nicht auf ihre böse Tat. Er schafft Vergebung und neuen Anfang.

                                                           *

 

Fremdling sein steht am Anfang

Ein Priester namens Reguel in Midian hatte sieben Töchter; die kamen, Wasser zu schöpfen, und füllten die Rinnen, um die Schafe ihres Vaters zu tränken. Da kamen Hirten und stießen sie weg. Mose aber stand auf und half ihnen und tränkte ihre Schafe. Und als sie zu ihrem Vater kamen, sprach er: Warum seid ihr heute so bald gekommen? Sie sprachen: Ein ägyptischer Mann stand uns bei gegen die Hirten und schöpfte für uns und tränkte die Schafe.

Er sprach zu seinen Töchtern: Wo ist er? Warum habt ihr den Mann nicht eingeladen? Lauft, bittet ihn zu uns. Und Mose willigte ein, im Haus des Priesters von Midian zu bleiben. Und er gab Mose seine Tochter Zippora zur Frau. Die gebar einen Sohn und er nannte ihn Gerschom; was soviel heißt wie:  „ich bin ein Fremdling geworden im fremden Land“.

2. Mose 2,16-22

 

Der große Mose muß wie Jakob und Josef erst in die Fremde, muß dort seine Frau finden und um sie dienen.  Zweierlei ist prägend: Mose drängt auf Gerechtigkeit, er hilft den Frauen; und seine Frömmigkeit gedeiht in der Fremde, er hat keine Berührungsangst vor der Interpretation des Göttlichen  in ägyptischer und midianitischer Vielfalt. Das Fremdlingsein ist mühsame aber kostbare Chance, das Eigene zu finden.

 

                                                      *  

 

Moses Berufung

Mose hütete die Schafe seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian. Einmal trieb er die Schafe über die Steppe hinaus und kam an den Gottesberg Horeb.

Da erschien ihm der Engel Gottes in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. Da sprach er bei sich: Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung ansehen; ich will wissen, warum der Busch nicht verbrennt. Als aber Gott sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch an  und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich.

2. Mose 3,1-4

Eine der tiefgründigsten Gotteserscheinungen bahnt sich an. In der Wüste Sinai an einem „Unort“, weglos, wasserlos- nur Felsen und bizarre Luftspiegelungen- sieht Mose eine Glut, die sprüht und leuchtet- aus der Ferne vielleicht ein Dornbusch in Blütenpracht. Mose will wissen, was mit dem wunderlichen Busch los ist. Da geht ihn eine Stimme an, ein Ruf stülpt sich über ihn, er hört sich bei seinem Namen gerufen. Er weiß sich aufgerufen, er ist gemeint, ist erkannt. Er sieht sich gestellt vom Geheimnis der Welt.

 

                                                    

 

Wenn einem was die Schuhe auszieht

Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott zu schauen.

2.Mose 3,5.6

 

 

Nicht, dass Moses den Herrn gesehen hätte. Der brennende, sich nicht verzehrende Dornbusch ist ein Bild für die Anwesenheit Gottes. Doch Er ist  nicht besehbar, wohl aber ist seine Aura, seine Energie, sein Indienstnehmen erfahrbar. Es mag in etwa so sein, wie mit der Sonne: wir können nicht in die Sonne sehen, können nur ihre Wirkung spüren; ja, wir leben mittels ihrer.

Orte der Gottesbegegnung sind energetisch aufgeladen, sind heilige Bezirke- Das Ausziehen der Schuhe ist ein Zeichen von Demut, von Entwaffnung und Verehrung.

 

 

Verheißung eines Landes voll Milch und Honig

Und Gott sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. Ich will sie erretten aus der Hand der Ägypter und sie herausführen aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt. Dich aber will ich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.                                                                                                    2. Mose 3, 7-10

 

Hier legt Gott dem Mose seinen Rettungsplan dar und spannt ihn ein. Es sieht aus, als nähme sich Gott Zeit, um die Tiefe der Leiden gewahr zu werden. Als müsse das Gewissen der Welt erst mühsam sich ein Bild machen! Wir sollten immer wissen, daß unser Meinen über Gott  nur ein Ahnen ist auf den Schultern derer, die vor uns Erfahrung mit ihm machten. Die uns den Bericht vom Auszug Israels geben, sind ja die Anfänger unseres Glaubens. Und wir, die wir so viel Rückblick auf passierte, gedeutete Geschichte haben, tasten auch noch, wie denn das Geleit Gottes uns geschieht.

Von der Wüste aus gesehen ist das fruchtbare Land das Paradies auf Erden, das Land, wo Milch und Honig fließt. Aber jedes irdische Ziel, wenn es erst mal mühsam erreicht ist, stellt sich heraus als Vorhof, als Skizze für das „Gelobte Land, „da Fried und Freude lacht“. Wir sind hier Gäste, bleiben auf dem Weg voll Heimweh; „Wir haben hier keine bleibende Stadt sondern die zukünftige suchen wir“ (Hebräer 13,14).

 

                                                          

Das erste Zeichen

Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten? Gott sprach: Ich will mit dir sein. Und das soll dir Zeichen sein, dass ich dich gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott opfern auf diesem Berge.

2.Mose 3,11.12

 

 

Das blieb über die Jahrhunderte der nur mündlichen Weitergabe deutlich: Moses drängte sich nicht, Gottes Vormann zu werden. Er scheute sich, hielt sich für unfähig, sicher auch für unwürdig. Aber Gott übergeht dessen Einspruch und sagt ihm zu: „Mit mir kannst du alles, bist du alles.“  Gott malt ihm den Erfolg  glühend vor Augen: Du wirst nach gelungener Mission hier opfern. So bürgt die Zukunft für die Gegenwart. Weil jetzt die erste Stufe Richtung  Heile Welt ist, ist das Jetzt die Ouvertüre des Heilwerdenden. Uns ist aufgegeben, im Gegenwärtigen Heilendes anzubahnen. Sind wir damit voll beschäftigt, fallen viele Sorgen hinter uns zurück.

 

 

Moses drängt auf den Namen

Doch, spricht Moses weiter zum Herrn, wenn ich zu den Israeliten komme und sage  zu ihnen: Der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs hat mich zu euch gesandt!, dann werden sie mir sagen: Wie ist sein Name? Und was soll ich ihnen dann sagen?

2. Mose 3,13

 

Mose gibt sich nicht zufrieden mit dem Erinnerungsgott, dem Gott der Vorfahren. Heute soll er sich erweisen, als eben ihr Gott und nicht sich zitieren als „Der von Damals“. Es rettet uns auch nicht, Gott als Starter am Anfang der Welt zu wissen. Sein Schaffen heute muss uns leuchten. Und unser Mittun jetzt braucht einen Namen, der jetzt Energie ausstrahlt. Darum Dank an Moses, dass er drängt auf Gottes persönliches Sichbekanntmachen.

 

                                                  

Der „Gott bei uns“

Gott sprach zu Mose: „Ich werde für euch da sein, als der ich für euch da sein werde“ so ist mein Name. Sag den Israeliten: Der »Ich werde für euch da sein« hat mich zu euch gesandt.

2.Mose 3,14

 

Gottes Selbstoffenbarung ergeht in der Sprache Israels und heißt: „Jahve“. Das übersetzt die griechische (alttestamentliche) Septuaginta (etwa um 300 v. Chr): „Ego eimi ho Oon“-  „Ich bin der Seiende.“ Dynamischer und liebevoller aber ist die Übersetzung „Ich bin für euch da“. – „Ich bin der für euch Existierende, wie auch immer ich mich euch zeigen werde, wie immer ich euch auch geschehe“. 

Sicher ist Gott auch Der, Die, Das Seiende, aber vor allem ist er Liebe. Er ist für uns da. Wie verschlungen unsere Wege auch sind, er geht sie mit. Zuneigung ist sein Wesen. Schade, daß sich als Eigenname bei uns das „Jahve“- (in falscher Vokalisierung:“Jehova“)- „Der Gott mit uns“ nicht durchgesetzt hat. Aber “Vaterunser“ meint dasselbe.

 

                                                    

Zweifel bleiben

Und Gott sprach zu Mose: Geh mit den Ältesten Israels hin zum König von Ägypten und fordere die Freigabe der Kinder Israels. Und Moses sagte: ´Die Kinder Israels werden nicht auf mich hören, sie werden sagen: Gott ist dir nicht erschienen.

2.Mose 3,18; 4,1

 

Moses erweist sich als ebenbürtiger Gesprächspartner Gottes. Der legt sich mächtig ins Zeug, um Moses zu begeistern: Er soll Botschafter dessen werden, der den Geknechteten eigenes Land verheißt. Gott weiht seinen Helden in die künftigen Mühen ein, und Moses den Herrn auch.

Wird Moses ein Spiegelbild Gottes- vor Jesus schon eine Art Abbild?  Was muss sich Gott mühen, Israel frei zu bekommen; was muss sich Mose mühen, das störrische Israel auf dem Weg zu halten. Man wird den Eindruck nicht los, daß die beiden sich nicht um ihren  Job reißen- Gott stöhnt oft bei Moses und Moses beim Herrn- Es wird spannend, zu sehen, wie  sie sich gegenseitig aufrecht halten.

 

                                                     

Berufene drängeln sich nicht

Erst mal widersteht Moses noch: Ach, mein Herr, ich bin von jeher nicht beredt gewesen, auch jetzt nicht, seit du mit deinem Knecht redest; ich hab eine grobe Sprache und eine schwere Zunge.

Gott sprach zu ihm: Wer hat dem Menschen den Mund geschaffen, wenn nicht ich? So geh jetzt: Ich will mit deinem Munde sein und dich lehren, was du sagen sollst. Mose aber sprach: Sende, wen du senden willst, aber nicht mich. Da wurde der Herr zornig.

­2.Mose 3,10 –14

 

Das Widerständige des Moses ist eine Kraftquelle. Wir dürfen mit Gott streiten, unsere Bedenken haben vor ihm Platz. Wenn uns aber Gott in die Pflicht nimmt, dann sind nicht unsere Begabungen der Grund sondern Gottes Wille. Weil Gott den Moses will, taugt der für sein Amt. Das aber kann Moses nicht begreifen, der sich noch sieht unter den abschätzigen Blicken der Andern. Und wird halsstarrig.

 

                                                         

 Fürsprecher einander

Gott sprach: Dein beredter Bruder Aaron wird mitgehen. Du sollst zu ihm reden und die Worte in seinen Mund legen. Und ich will mit deinem und seinem Munde sein und euch lehren, was ihr tun sollt. Und er soll für dich zum Volk reden; er soll dein Mund sein und du sollst für ihn „Gott“ sein. Und diesen Stab nimm in deine Hand, mit dem du die Zeichen tun sollst.

2.Mose 3,15-17

 

Zürnt Gott? Es schmerzt ihn unsere geistlose Schwerfälligkeit. Er weiß doch, dass wir „Staub„ sind, nur durch seinen Willen eine Handbreit über dem Chaos gehalten. So stellt Gott dem zaudernden Mose dessen Bruder zur Seite; eine berühmte Partnerschaft wird begründet: Mose ist Gottes Knecht; Aaron sein Gehilfe. Das Gefälle zwischen Menschen kommt auch daher, daß Menschen mehr oder weniger Nähe zu Gott haben. Wir sollen mit unsern verschiedenen Gaben gemeinsame Sache machen. Spannungen sind programmiert. Aber kein von Gott Beauftragter geht ungerüstet. Moses  erhält einen Stab; ob Hirtenstab, Marschallstab, Hoheitszeichen- wunderträchtig, machtvoll; er geht nicht mit leeren Händen.

 

                                                         * 

 

Moses Rückkehr nach Ägypten

Und  Gott sprach zu Mose: Zieh wieder nach Ägypten, tritt vor Pharao und sprich zu ihm: So spricht der Herr: Israel ist mein erstgeborener Sohn; ich gebiete dir: Lass du meinen Sohn ziehen, dass er mir diene. Wirst du dich weigern, so will ich deinen erstgeborenen Sohn töten.

Mose aber hörte Gott auch sagen: Ich will des Pharaos  Herz verstocken, dass er das Volk nicht ziehen lassen wird.

Aus 2.Mose 4

 

Hochdramatisch ist Moses Auftrag: Er weiß, daß der Pharao Israel nicht ziehen lassen will. Und wird es dann doch tun müssen. Zunächst „verstockt“ ihn Gott. Kann das angehen, daß  Gott Menschenherzen versteint?  Ja- müssen wir nicht  hoffen, daß letztlich auch die Mörder nicht freien Willens ihre Untaten tun, sondern auch Hitler „nur“ verstockt war, nur Gottes „Geschirr“ war? Die Menschheit hat immer gewusst, dass die Leiden der Zeit „verhängt“ sind. Nicht nur die Schuld Einzelner bildet das Gewicht der Welt sondern wir häufen und tragen alle am überpersönlichen Schuldberg mit; wenn einer auch unschuldig sein sollte, schuldlos ist er nicht. Das kommt „ans Licht der Sonnen“ im größenwahnsinnigen Nationalstolz (1.und 2. Weltkrieg), jetzt in  Klimakatastrophe und Hungerelend.

Wir sind Verstockte, das merken wir an unserm „Weiter so“, obwohl wir es bejammern. So hinfällig wir auch sind, Gott würdigt, schuldig werden zu können. Doch im allertiefsten Grund sind wir nicht die Verursacher sondern die, „die nicht wissen , was sie tun“, wie rotzige, imponiersüchtige Jugendliche. Letztlich haftet Gott- das will wohl die Idee von der Verstocktheit sagen. Und unsere Schlechtigkeiten haben nicht das letzte Wort – letztlich  kommt Rettung, wenn auch über Tod und Ruinen hin.

 

 

Noch härtere Bedrückung Israels

Dann gingen Mose und Aaron hin und sprachen zum Pharao: So spricht der Herr, der Gott Israels: Lass mein Volk ziehen, dass es mich feiere in der Wüste.

Der Pharao antwortete: Wer ist der Herr, dass ich ihm gehorchen müsse und Israel ziehen lasse? Ich weiß nichts von deinem  Herrn, will auch Israel nicht ziehen lassen. Geht hin an eure Pflichten!

Und  der Pharao befahl am selben Tage den Aufsehern: Ihr sollt dem Volk nicht- mehr Häcksel geben, dass sie Ziegel machen, wie bisher; lasst sie selbst das Stroh dafür zusammensuchen. Man drücke die Leute mit Arbeit, dass sie zu schaffen haben und sich nicht um falsche Reden kümmern.

Mose aber kam wieder zu Gott und sprach: Herr, warum tust du so übel an diesem Volk? Denn seitdem ich hingegangen bin zum Pharao, um mit ihm zu reden in deinem Namen, hat er das Volk noch härter geplagt, und du hast dein Volk nicht errettet.

2.Mose 5

 

Mit großem Mut ausgerüstet, geht Moses zum Pharao und sagt ihm an: „Lass mein Volk ziehen“. Es ist wohl der stärkste Rettungssruf der Menschheit: „Let my people go!“  Viele Befreiungsbewegungen berufen sich auf diese Szene des Mose vor Pharao. Noch meint  der ahnungslose Herrscher, den Ruf nach Freiheit  wegwischen zu können. Pharao ist Modell für die Taubheit der Mächtigen: Wie einst Lenin schnippisch fragte: “Wieviel Divisionen hat der Papst?“- so hielt Pharao das Freiheitsbegehren nur für Einflüsterung, für „falsches Reden“.  Und das Rezept der Tyrannen heißt: Satteln wir Bedrückung drauf, das wird die Murrenden zur Vernunft bringen.     

Aber Pharao wird den Herrn Israels kennenlernen. Das muss auch Moses glauben- er muss in das zukünftige Wirken Gottes sich hineinhoffen.

Erst mal beschwert er sich, er will die Rettung sofort.

 

                                                           

Schlangen als Zeugen

Da sprach Gott zu Mose und Aaron: Die Ägypter sollen innewerden, dass ich der Herr bin- ich werde meine Hand über Ägypten ausstrecken und die Israeliten aus ihrer Mitte wegführen. Geht hin, mit  dem Pharao zu reden. Der Pharao wird dann verlangen: Weist euch aus durch ein Wunder! Dann sag zu Aaron: Nimm deinen Stab und wirf ihn hin vor dem Pharao, dass er zur Schlange werde!

Da gingen Mose und Aaron hinein zum Pharao und sie taten, wie ihnen Gott geboten hatte. Und Aaron warf seinen Stab hin vor dem Pharao und vor seinen Großen und der wurde zu einer Schlange. Da ließ der Pharao die Weisen und Zauberer rufen und die ägyptischen warfen auch jeder  seinen Stab hin, da wurden Schlangen daraus; aber Aarons Stab verschlang ihre Stäbe. Doch das Herz des Pharao blieb verstockt.

2.Mose 7,5- 13

 

Es blieb im Gemeinschafts- Gedächtnis Israels haften, dass der Pharao nur mit enormem Kraftaufwand zu überwinden war. Gott musste sich mit aller Macht ins Zeug legen, um sein Israel in die Freiheit zu führen. Und weil er solche Mühe mit Pharao hatte, ist die Rettung dann ja auch eine Zweite Schöpfung: Gott erschafft  Israels durch Erhebung aus dem Sklavenstand hinauf zur Gotteskindschaft. Darum ist auch im Nachhinein die Mühe um die Rettung so detailliert erzählt;  erst  ziehen die ägyptischen Zauberer mit Aarons Stabwunder  gleich- dann siegt Gottes Bote doch noch durch eine gesteigerte Machtdemonstration.  Ausgesuchte Qualen mussten auf Pharao gehäuft werden, ja Gott musste alle Fiesheit aufbieten, um letztlich zu triumphieren.  

Erst Jesus Christus hat uns Gott nahegebracht- anders gesagt: er hat uns offenbart, daß der Zweck die Mittel nicht heiligt, Gott nicht durch Strafen bekehrt. Andrerseits ist Verstocktheit oft nicht durch Zureden sondern nur durch Gewalt zu brechen- wie etwa Deutschlands Besessenheit von Hitler nur ausgetrieben werden konnte durch völlige Entmachtung. Auch Gott hatte hier kein anderes Mittel parat, als mit Gewalt zuzuschlagen. 

 

                                                           *

 

Die ägyptischen  Plagen

Um die Verstockung zu brechen, kamen große Plagen.

Mose schlug mit seinem Gottesstab aufs Wasser, da verwandelte der Nil sich in stinkendes Blut, sieben Tage lang. Dann wimmelte der Nil von Fröschen, die bis in die Backtröge und die Betten krochen. Dann kamen Mücken, setzten sich an die Menschen und an das Vieh; aller Staub der Erde wurde zu Mücken in ganz Ägyptenland. Als  vierte Plage kamen die Stechfliegen, dann die Viehpest. Dann kamen die Blattern, dann Hagel, dann führte der Ostwind die Heuschrecken herbei. Sie fraßen alles, was im Lande wuchs und ließen nichts Grünes übrig an den Bäumen und auf dem Felde in ganz Ägyptenland. Dann fiel eine so dicke Finsternis auf  das ganze Land drei Tage lang, dass niemand den andern sah noch weggehen konnte von dem Ort, wo er gerade war. Aber bei allen Israeliten war es licht in ihren Wohnungen. Da rief der Pharao nach Mose und sprach: Zieht hin und dient dem Herrn.

Und noch mal mehr verstockte der Herr das Herz des Pharao, dass er sie doch nicht ziehen lassen wollte. Und  Gott  sprach zu Mose: Eine zehnte Plage will ich noch über den Pharao und Ägypten kommen lassen. Dann wird er euch ziehen lassen, und nicht nur das, sondern er wird euch von hier sogar vertreiben.

Und Mose sagte Pharao an: Um Mitternacht will Gott durch Ägyptenland gehen, und alle Erstgeburt in Ägyptenland soll sterben, vom ersten Sohn des Pharao an, der auf seinem Thron sitzt, bis zum ersten Sohn der Magd, die hinter ihrer Mühle hockt, und alle Erstgeburt unter dem Vieh. Und es wird ein großes Geschrei sein in ganz Ägyptenland, wie es nie zuvor gewesen ist noch werden wird; aber gegen ganz Israel soll nicht ein Hund mucken, auf dass ihr erkennt, dass Gott einen Unterschied macht zwischen Ägypten und Israel.

2.Mose 8-11

 

Die ägyptischen Plagen sind sprichwörtlich geworden für Naturkatastrophen zuhauf. Es ist diese Häufung sicherlich erzählerisches Mittel und nicht historische Abfolge. Auch das Auf und Ab zwischen der himmlischen und der weltlichen Macht ist dramatische Gestaltung. Pharao ist jedermann. Mitten im Schrecken gibt Pharao klein bei; sobald das Leid etwas gelockert ist,  zieht er sein Wort zurück, bis eine weitere Plage ihn zum Nachgeben bringt. Doch  sobald der Druck nachlässt, fühlt sich Pharao wieder machtvoll. Braucht es da viel Verstockung? Ist es nicht unsere banale Sünde, von der Macht, vom Gewohnten nicht lassen zu wollen. Wieviel Plagen rufen wir hervor? Und lasten wir uns auf, ehe wir uns ändern? Wann gestehen wir Scheitern? Erst wenn das Unbehagen ganz und gar gesättigt ist, sind wir wohl zur Umkehr bereit.

Wenn man liest, wieviel Leid  über Ägypten kommen soll, damit die Welt erkenne, wieviel geliebter Israel sei- dann kann einem schon der Atem stocken angesichts der fortgesetzten Friedlosigkeit in Nahost. Jedenfalls hat die angebliche Bevorzugung Israels so viel Leid auf Israels Haupt gebracht. Wenn Israel „Gottes erste Liebe“ ist, so ist es eine unglückliche Liebe- die auf Heilung wartet wie die ganze Menschheit Heilung braucht.

 

                                                  *

 

 Einsetzung des Bundesfestes

Gott aber sprach zu Mose und Aaron in Ägyptenland: Sagt der ganzen Gemeinde Israel: Am zehnten Tage dieses Monats nehme jeder Hausvater ein Lamm und schlachte es gegen Abend. Und von seinem Blut sollen sie beide Pfosten an der Tür und die obere Schwelle bestreichen an den Häusern, in denen sie’s essen.  So sollt ihr’s aber essen: Um eure Lenden sollt ihr gegürtet sein und eure Schuhe an euren Füßen haben und den Stab in der Hand und sollt es essen als die Hinwegeilenden  mit ungesäuertem Brot.

Ihr sollt diesen Tag als Gedenktag halten und sollt ihn feiern als ein Fest für mich, den Herrn, ihr und alle eure Nachkommen, in ewiger Ordnung.

Und Mose berief alle Ältesten Israels und sprach zu ihnen: Wenn ihr in das Land kommt, das euch der Herr geben wird, wie er gesagt hat, so haltet diese Tradition. Und wenn eure Kinder zu euch sagen werden: Was habt ihr da für eine Überlieferung?, sollt ihr sagen: Es ist das Passah-Opfer des Herrn, der an den Israeliten vorüberging in Ägypten, als er die Ägypter schlug und unsere Häuser errettete. Da neigte sich das Volk und betete an.

Und zur Mitternacht schlug der Herr alle Erstgeburt in Ägyptenland vom ersten Sohn des Pharao an, bis zum ersten Sohn des Gefangenen im Gefängnis und alle Erstgeburt des Viehs.

Da stand der Pharao auf in derselben Nacht und alle seine Großen und alle Ägypter, und es ward ein großes Geschrei in Ägypten; denn es war kein Haus, in dem nicht ein Toter war.

Und er ließ Mose und Aaron rufen in der Nacht und sprach: Macht euch auf und zieht weg aus meinem Volk, ihr Israeliten. Nehmt auch mit euch Schafe und Rinder und Schmuck, nehmt was ihr braucht. Und geht hin und bittet auch um Segen für mich.

Und die Ägypter drängten das Volk und trieben es eilends aus dem Lande; denn sie sprachen: Sonst sind wir alle des Todes. Also zogen die Israeliten aus von Ramses nach Sukkot, sechshunderttausend Mann und die Frauen und Kinder.

2.Mose 12

 

Das wichtigste Fest Israels – das Passa- ist gestiftet in der Rettung Israels aus Ägypten. Das Blut des geschlachteten Lammes an den Balken ließ den Todesengel die jüdischen Häuser verschonen. Das ungesäuerte Brot erinnert an die in Eile Aufgebrochenen, die keine Zeit mehr hatten für ordentlich mit Sauerteig angesetztes Brot.

Das jährliche Passafest versammelt die jüdische Familie und nächste Freunde zu gebratenem Lamm und grünen Kräutern und weißem Brot. Kompott wird dazu gereicht aus Feigen und Trauben, die Symbol sind für die Backsteine, die die Hebräer in der ägyptischen Gefangenschaft herstellen mussten. Das Mahl beginnt mit einem Becher Wein, über den der Hausvater zwei Segenssprüche spricht, anschließend wird der Becher weitergereicht. Ein Wasserbecken geht vorher von Hand zu Hand für die vorgeschriebene Reinigung, Der Älteste der Familie erklärt dem jüngsten Tischgenossen die verschiedenen Riten, dann bricht er das Brot, das Mahl beginnt- es wird gerahmt von Lobgesängen aus den Psalmen.

Auch Jesus hat mit seinen Jüngern das Passamahl gehalten. Die Christen haben dann das letzte Mahl Jesu zum Abendmahl- (kath: Eucharistie)  umgeformt: Paulus setzt Jesus mit dem Lamm gleich. Brot und Wein geben sich die Menschen weiter in Vorfreude auf das  gemeinsame Fest im Reich Gottes.

 

                                                      *

 

Die Wolken- und Feuersäule

Als nun der Pharao das Volk hatte ziehen lassen, führte sie Gott nicht den Weg durch das Land der Philister, der am nächsten war; denn Gott dachte, es könnte das Volk gereuen, wenn sie Kämpfe vor sich sähen, und sie könnten wieder nach Ägypten umkehren wollen.

Darum ließ er das Volk einen Umweg machen und führte es durch die Wüste zum Schilfmeer. Und Gott zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten. Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage noch die Feuersäule bei Nacht.

2.Mose 13, 17,18,20-22

 

 

Warum bewahren die Erzähler den Umstand, daß Gott das Volk auf Umwegen ans rote Meer führte?- Sollte Gott mehr Interesse an der Befreiung Israels gehabt haben, als diese selber. Es ist so menschlich, dass wir das gewohnte Unglück vorziehen dem Kampf um die ungewohnte Freiheit. Es ist anrührend, wie Gott sein Völkchen an der Strippe hat, sie keinen Augenblick mit ihren Ängsten alleine lässt. 

Wir dürfen uns auch der Gegenwart Gottes sicher sein in den Alltäglichkeiten und den dramatischen Zeiten. Wie sich uns Wolken- und Feuersäule gestalten, dafür bekommen wir keine Schnittmuster im Voraus. Aber im Nachhinein haben wir die Treue Gottes erfahren, doch sicher.

 

                                                              *

 

Israels Weg zum Schilfmeer

Als dem Pharao angesagt wurde, dass das Volk geflohen sei, wurde er wieder verstockt und es reute ihn: Warum haben wir Israel ziehen lassen, sodass sie uns nicht mehr dienen? Und er spannte seinen Wagen an und nahm sein Kriegsvolk mit und sechshundert auserlesene Kampfwagen.

Die Israeliten waren unter der Macht einer starken Hand ausgezogen. Doch  Pharao war ihnen auf den Fersen. Da schrien sie zu dem Herrn und sprachen zu Mose: Waren nicht Gräber genug in Ägypten, dass du uns wegführen musstest, damit wir in der Wüste sterben? Haben wirs dir nicht schon in Ägypten gesagt: Lass uns in Ruhe, es ist  besser, den Ägyptern zu dienen, als in der Wüste zu sterben?

Da sprach Mose zum Volk: Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der Herr heute an euch tun wird. Denn wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie niemals wieder sehen. Der Herr wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein.

Und Gott sprach zu Mose: Sage den Israeliten, dass sie weiterziehen. Und der Engel Gottes, der vor dem Heer Israels herzog, kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels. Dort war die Wolke finster und hier erleuchtete sie die Nacht, und so kamen die Heere die ganze Nacht einander nicht näher.

2.Mose 14, 5-20

 

 

Wieder dies Murren und Schwanken- jetzt fürchten sie, ihnen ständen Gräber in der Wüste bevor; Da wären sie lieber in Unfreiheit altgeworden. Aber Mose steht ihnen ein für den rettenden Gott. Der wird für sie streiten.

Wir brauchen auch solche Bürgen, Prediger, Seelsorgende- die uns den Engel des Herrn geben: Der beleuchtet die Szene, daß uns das Böse nicht fressen kann und wir uns im Erleuchteten wahrnehmen.

 

                                                     *   

 

Die wunderbare Rettung

Als nun Mose seine Hand über das Meer reckte, ließ es der Herr zurückweichen durch einen starken Ostwind die ganze Nacht und die Wasser teilten sich, dazwischen war Trockenes Und die Ägypter folgten und zogen hinein ihnen nach, alle Rosse des Pharao, seine Wagen und Männer, mitten ins Meer.

Als nun die Zeit der Morgenwache kam, schaute der Herr auf das Heer der Ägypter aus der Feuersäule und der Wolke und brachte einen Schrecken über ihr Heer und hemmte die Räder ihrer Wagen und machte, dass sie nur schwer vorwärts kamen. Da sprachen die Ägypter: Lasst uns fliehen vor Israel; der Herr streitet für sie gegen Ägypten.

Aber der Herr sprach zu Mose: Recke deine Hand aus über das Meer, dass das Wasser wiederkomme und herfalle über die Ägypter, über ihre Wagen und Männer. Da reckte Mose seine Hand aus über das Meer, und das Meer kam gegen Morgen wieder in sein Bett, und die Ägypter flohen ihm entgegen. So stürzte der Herr sie mitten ins Meer, sodass nicht einer von ihnen übrig blieb. Aber die Israeliten gingen trocken mitten durchs Meer, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken.

So errettete der Herr an jenem Tage Israel aus der Ägypter Hand. Und sie sahen die Ägypter tot am Ufer des Meeres liegen.

2.Mose 14, 21-30

 

 

Die Nachkommen Jakobs und Leas, Rahels waren in fünf bis zehn Generationen zu einem Völklein herangewachsen. Sie wurden mehr und mehr versklavt und beim Pyramidenbau geschunden. Dann riefen sie zu Gott und der führte sie aus dem „Knechthaus“ Ägypten. Unter Moses Führung  gelang ihnen die Flucht durchs Rote Meer.

Ob das Meer wie in Mauern rechts und links Spalier stand, ist nicht sicher. Vielleicht ist der historische Kern ein Seenebel, der  den Ägyptern die Sicht versperrte auf eine Furt durchs Wattenmeer. Und als sich der Nebel verzog, war Israel schon am anderen Ufer, während die Streitwagen Ägyptens in der nahenden Flut untergingen.

Jedenfalls bricht für Israel mit diesem Auszug der Aufbruch ins Gelobte Land der Verheißung an. Tatsache und Bedeutung- das eine ist das Geschehen, das andere: Was es mir bedeutet. Der Glaube stützt sich auf Fakten, die dem Menschen Rettendes bedeuten. Ohne Glauben des Mich-Rettenden sind die Fakten nur nackte physikalische Sachverhalte.

Der Anfang von Rettung wird immer um so leuchtender dargestellt, je düsterer die Gegenwart scheint. Und der Anfang, voller Zauber, bürgt dafür, dass das  Gelobte Land auch erreichbar ist- selbst wenn der Weg weit ist.

Der Durchzug durchs Rote Meer ist ähnlich bedeutungsschwanger wie Jesu Auferweckung von den Toten: Wenn das Rote Meer Grüne Welle hat – so ein Kirchentagsschlager der siebziger Jahre- und der Tod uns vor Gott hinträgt, ist der Weg gesegnet, wie mühevoll er auch eben ist.

 

                                                     * 

 

Triumphlied des Moses und der Mirjam

Ich will Gott singen, denn er hat eine herrliche Tat getan;

Ross und Reiter hat er ins Meer gestürzt.

Der Herr ist meine Stärke und mein Heil. Der Herr ist der rechte Kriegsmann,

Des Pharao Wagen und seine Macht warf er ins Meer,

seine auserwählten Streiter versanken im Schilfmeer.

Die Tiefe hat sie bedeckt, sie sanken auf den Grund wie die Steine.

Herr, deine rechte Hand tut große Wunder; Durch dein Schnauben türmten die Wasser sich auf, die Fluten standen wie ein Wall; die Tiefen erstarrten mitten im Meer. Herr, wer ist dir gleich unter den Göttern? Wer ist dir gleich, der so mächtig, heilig, schrecklich, löblich und wundertätig ist?

Und Mirjam, die Prophetin, Aarons Schwester, nahm eine Pauke in ihre Hand und die Frauen folgten ihr mit Pauken im Reigen. Und sie sangen: Lasst uns dem Herrn jubeln, denn er hat eine herrliche Tat getan; Ross und Mann hat er ins Meer gestürzt.

2.Mose 15,1-20

Gott ist mehr als der Gute, Gott ist der Ganze. „Mächtig, heilig, schrecklich, löblich und wundertätig“ -  meint ganz und gar Umfassendes. Aber Gott als „Kriegsmann“?  Wenn wir gerettet werden aus Krankheit, feiern wir Gott als Arzt, wenn wir gesättigt werden, ist er unser aller Mutter. Wenn er uns vor unsern Feinden in Sicherheit bringt, ist er unser Schirm und Schild. Israel fand seinen Gott unter Wogen und zertrümmerten Streitwagen.. Fortan feiern sie ihn als den Kriegshelden vom Roten Meer.

Und die Ägyptischen Soldaten liegen geschlagen zuhauf. Eine jüdische Legende geht so: Gott, voll des Jammers, klagt: Ihr feiert so ausgelassen den  Sieg. Und ich weine über meine erschlagenen ägyptischen Kinder. Das sei uns Warnung: Wir dürfen Gott nicht auf unsere Fahnen schreiben, er ist kein Vereinsgott. Unsere Feinde sind auch seine geliebten Menschen.

 

                                                          *

 

Die Wüste fängt an

Mose ließ Israel ziehen vom Schilfmeer hinaus zu der Wüste Schur. Und sie wanderten Tage lang in der Wüste und fanden kein Wasser.

Dann kamen sie nach Mara; aber sie konnten das Wasser von Mara nicht trinken, denn es war s bitter. Da murrte das Volk wider Mose und sprach: Was sollen wir trinken?

Er schrie zu dem Herrn und der Herr zeigte ihm ein Holz; das warf er ins Wasser, da wurde es süß. Und Israel vernahm: Wirst du der Stimme des Herrn, deines Gottes, gehorchen und tun, was recht ist vor ihm, und halten alle seine Gebote, so will ich dir keine der Krankheiten auferlegen, die ich den Ägyptern auferlegt habe; denn ich bin der Herr, dein Arzt.

2.Mose 15,  22-26

 

 

Schon nach wenigen Tagen geht den wunderbar Geretteten das Wasser aus. Da murren sie zu Gott wie verwöhnte Kinder. Sie werden noch lernen, daß es nicht bequem ist, Gottes Lieblingskinder zu sein.

All die Rettungen müssen nicht auf die zauberähnlichen Weisen passiert sein, wie die Jahrhunderte später entstandenen Texte es sagen. Diese Texte sind geschrieben, nicht um zu sagen, wie es gewesen ist, sondern um der gegenwärtigen  Gemeinde Vertrauen zu geben in seiner von Gott geführten alltäglichen Gegenwart: Israel soll wissen: Was damals so groß anfing, das versickert jetzt nicht im banalen Scheitern. In der Herausführung aus Ägypten, eingeschlossen die zahlreichen Bewahrungen des Wüstenweges, hat Israel für alle Zeit die Garantie, dass Gott zu ihm steht.

Besonders für Zeiten der Anfechtung ist diese entfaltete Rettungserzählung geschrieben- Ursprünglich fand Israel endlich Wasser- begeistertes Erzählen schmückt dann die Rettung aus zur Stärkung der gegenwärtige Gemeinde

 

 

Die ausführliche Darstellung der Rettung aus Ägypten wird wohl erarbeitet als Israel ein Königtum und einen Tempel hatte mit  Priesterschaft und Theologen und gebildeten Schreibern –lange nach 950 vChr. Da, als der Staat gegründet war, suchte man nach seinen Ursprüngen und  fand etwa das Miriamlied und die Gebote als älteste Schrift-Texte vor. Aber zu einem großen Gesamtwerk fand man erst die Kraft, als ein zweiter Auszug bevorstand- nämlich die Rückkehr Israels aus dem Exil von Babylon und dann die Neuaufrichtung des Tempels. Also vielleicht tausend Jahre liegen zwischen Auszug aus Ägypten und der Buchwerdung dieser Geschichte. Die Tendenz ist klar: Der Gott , der soviel Rettung schon an Israel vollbracht hat, der hat ein neues vor, neue Rettung, neue Größe.

Auch uns  Heutigen können die Rettungsgeschichten Israel noch Mut machen: Gott ist mit uns unterwegs zu Heil und Frieden. Und er sagt dir: Mittels aller Medikamente, Mediziner und Helfenden – ich bin der Herr, dein Arzt.

 

                                                       *

 

Speisung mit Wachteln und Manna

Und einige Zeit später murrte die ganze Gemeinde wieder gegen Mose und Aaron in der Wüste. Und sie sprachen: Wären wir doch in Ägypten geblieben und da dann auch gestorben Wir saßen an  den Fleischtöpfen und hatten Brot die Fülle. Was habt  ihr uns herausgeführt in diese Wüste, dass ihr uns hier  an Hunger sterben lasst?

Da sprach der Herr zu Mose: Siehe, ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen, und werde euch am Abend Fleisch in Fülle geben. Und am Abend kamen Wachteln herauf und bedeckten das Lager. Und am Morgen lag es in der Wüste rund und klein wie Reif auf der Erde und Israel fragt: Man ha? (Was ist das?) So nannten sie dann das Wüstenbrot „Manna“, es schmeckte nach Semmeln mit Honig und Koriandersamen.

Und Mose sprach zu ihnen: Sammelt nur, was ihr heute esst. Niemand hebe etwas auf bis zum nächsten Morgen. Aber etliche ließen doch davon übrig bis zum nächsten Morgen; da wurde es voller Würmer und stinkend.

Und die Israeliten aßen Manna vierzig Jahre lang, bis sie in bewohntes Land kamen; bis an die Grenze des Landes Kanaan aßen sie Manna.

2.Mose 16

 

 

In diesem Schlusswort ist Wunder und Verzweiflung gebündelt. Die Wüstenzeit war Plackerei- da hat Israel sich zwischendurch oft zurückgesehnt nach dem zwar unfreien aber doch versorgten Alltag in Ägypten.  Und “Ägypten“ schien, je weiter es zurücklag, immer weniger drohend.

Beschwerlich wurde der Weg, der sich über Jahrhunderte hinzog- ganze Generationen hatten  die Verheißung nur noch als dünnes Gerücht bei sich-  aber dann erinnerte man wieder die großen Geschichten von dem rettenden Gott und man rappelte sich auf und zog weiter, ausgeliefert an die Gnade Gottes, wenn sie sich denn zeigte.

Erst im Zusammenleben mit Gott und den Zehn Geboten lernte Israel (und damit die Menschheit) Freiheit und Menschenwürde zu schätzen. Aber der Weg in die Freiheit war und  ist immer noch Mühe und Arbeit.

 

                                                          *

 

Wie Mose stark blieb

Es kam das Volk Amalek und kämpfte gegen Israel in Refidim. Da sprach Mose zu Josua: Erwähle uns Männer, zieh aus und kämpfe gegen Amalek. Morgen will ich oben auf dem Hügel stehen, und euch segnen.

Und Josua tat, wie Mose ihm sagte, und kämpfte gegen Amalek. Mose aber und Aaron und Hur gingen auf die Höhe des Hügels.

Und wenn Mose seine segnenden Arme emporhielt, siegte Israel; wenn er aber seine Arme sinken ließ, weil sie ihm schwer wurden, siegte Amalek.

Da  nahmen die beiden einen Stein und legten ihn so, dass Mose sitzen konnte. Aaron aber und Hur stützten ihm die Arme, auf jeder Seite einer. So blieben seine Arme  erhoben, bis die Sonne unterging. Und Mose baute einen Altar und nannte ihn: Der Herr ist mein Siegeszeichen.

2.Mose 17,8-15

 

 

Für uns ist es schwierig, Gott als Kriegsherrn zu denken. Wir haben als Deutsche viel zu viele  Kriege geführt, und die Soldaten „im Namen Gottes“ an die Waffen geschickt. „Mit Gott für Kaiser und Vaterland“ hieß die Parole; eine andere:„Gott strafe England“. Und wir sind umgeben von Fundamentalisten, die im Namen Allahs den Krieg gegen westliche Freizügigkeit ausrufen und bei uns die, die meinen, „das Reich des Bösen„ sei zu bekämpfen.

Israel hat aus kleinsten Anfängen sich sein Gelobtes Land erobern müssen, tut es bis heute noch. Israel sieht sich von seinem Gott angetrieben und befördert. Israel geht davon aus, daß ihm das Land vom Urbesitzer der Erde versprochen ist. Völker, die diesem Vorhaben Gottes im Weg stehen, wurden (und werden?) von Israel beiseite gedrängt. Israel sieht sich kämpfend an der Seite des für Israel kämpfenden Gottes.

An Jesus geschult, sagen Christen heute: Krieg darf nicht sein. Ob wir aber uns selbst daran halten? Essen wir nicht mittels unserer Zahlungskraft die Tische anderer leer? Kaufen wir den Armen nicht ihren Mais weg um Futtermittel für unser Schlachtvieh zu haben oder Benzin?

Doch, es ist ein starkes Bild, wie Mose mit segnenden Armen seine Krieger stärkt, und wie ihm Helfer die Schultern darbieten, dass er gestützt, die Arme weiter zum Himmel heben kann. Der Segen ist eine bittende Gebärde, welche die Kräfte Gottes auf die Mitmenschen herabfleht. Ob tatsächlich gute Kräfte auf uns kommen, das bleibt Gott vorbehalten; uns bleibt nur starkes Bitten und Sehnen und Mitdenken  in Richtung des Erhofften. Klar ist, nicht Menschen segnen sondern bitten um Segen.

 

                                                     *

 

Gott nimmt den Sinai zu seinem Sitz

Sie lagerten in der Wüste am Berg Sinai. Der aber rauchte, der Herr fuhr herab auf den Berg im Feuer; und der Rauch stieg auf wie der Rauch von einem Schmelzofen und der ganze Berg bebte sehr. Und der Ton einer Posaune wurde immer stärker.

Als nun  Gott niedergekommen war auf den Berg Sinai, rief er Mose hinauf auf den Gipfel des Berges und Mose stieg hinauf.

2.Mose 19, 18-20

 

 

Die Geschichte Israels hat hier ihre Mitte. All der Kämpfe hatte es bedurft, all die Mühen und Verzichte waren nötig, auch Gottes Langmut war letztlich nur gewährt für dies eine Ziel: Die Zehn Gebote. Gott schenkt Israel und durch Israel der Menschheit  die Grundlagen der Humanität. Israel sieht sich als Hüter des Willens Gottes. Dieser gipfelt  in den Geboten und dem menschlichen Vermögen, sich für das Gute zu entscheiden.

Noch viele andere Gebotskataloge bewahrt die Bibel, sie bewahrt Reinigungsgebote und Essensgebote und Baugebote und Sabbatgebote die Fülle, daß nur ja nicht die Heiligkeit Gottes beschmutzt werde. Aber die Zehn Gebote, der Dekalog, ist ethischer Sockel für die ganze abendländische Gesetzgebung.

Majestätisch ist diese Szene. Nicht einfach vom Himmel gefallen sind die ehernen Worte. Sondern das Volk lagert sich um den Gottesberg. Mose steigt dem Herrn entgegen, Wolken entziehen ihn dem Blick des Volkes.

 

                                                            *

Die Zehn Gebote

 

Das erste Gebot

Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. (Du hast keine andern Götter neben mir)

2.Mose 20, 2.3

 

Wer darf das sagen: „Ich bin dein Gott“? Damit steht und fällt doch unser Selbstbewusstsein, daß kein Mensch sich als unser Herr aufwerfen kann. Und wenn ein Mensch uns zwingt, ihm zu Willen zu sein, dann tut er Unrecht. Und ich tu Unrecht, wenn ich ihm aus der Hand fresse. Ich darf keinen Menschen aufblähen und verzerren zu Gottähnlichem.

Gott definiert sich als der, „der dich aus der Knechtschaft Ägyptens erlöst hat“. Das galt zuerst für Israel, aber meint jeden Menschen, gerettet aus der Nichtigkeit, aus dem Nichtvorhandensein. Gott ist der, der dich aus dem Nichtsein erlöst hat, der dich ins Sein gerufen hat, der dir das Selbstbewusstsein begründet. Nur der ist es wert, seinem Willen zu folgen. Gemessen an ihm, dem Erschaffer aller Dinge, ist alles Andere Nichtgott.

Dies erste Gebot sichert allen Menschen die selbe Würde zu, unabhängig Besitz und Einfluss. Jeder soll sich wichtig nehmen, weil er von Gott gewollt ist. Keiner soll sich kommandieren lassen, nicht sich abfüllen lassen mit Parolen, keiner soll verächtlich denken, von sich nicht, von andern nicht, keiner soll eines andern Herr sein. Wir haben nur einen Herrn, ansonsten  sind wir Brüder und Schwestern. Aus diesem Grundsatz gilt es, auf eine geschwisterliche Menschheit hin zu leben. 

 

 

Das zweite Gebot

Du sollst dir kein Bildnis von Gott machen. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.

2. Mose 20, 4.7

 

Kein Abbild von Gott, kein Imitat, kein Ideal, keine Vision, keine Definition! Wir sollen uns Gott nicht vorstellen, da ja alle Vorstellungen aus dem Irdischen genommen sind und nur ein gesteigertes Irdisches darstellen.  Aber auch im Sandkorn ist die Energie Gottes präsent. Kein Bild kann Gott fassen. Er ist größer als die Welt in ihrem Jetztzustand. Was wir mit Gott meinen ist, „ alles, was nicht in unserer Macht steht“.

Die Ikone Gottes ist Jesus Christus, mit ihm haben wir Gott vor Augen, wie er zu uns ist; Und vielleicht hält sich Gott an Jesus Christus, wenn er mal wieder an den realen Menschen irre zu werden droht.

Keiner darf sich zum Heros oder zur Diva ausrufen lassen, keiner darf Unterwerfung verlangen oder genießen. Im Überschwang kann der Reporter schon mal den Schützen des Siegestores einen Fußballgott nennen- aber schnell werden diese Größen vom Sockel gestoßen- das zeigt den himmelweiten Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf.

Und eben Irdisches nicht vergotten, vor allem nicht das Geld, den Götzen Mammon.

 

                                                       * 

 

Bedrohlich, barmherzig

Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter und Mütter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, aber Barmherzigkeit erweist an tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.

2.Mose 20, 5.6

Gott ist Treiber des Werdens, er betreibt die Geschichte als Weg zum Reich Gottes, „wo Fried und Freude lacht“.  Geschichte ist immer noch das Gegeneinander von Skrupellosen und Wehrlosen, aber mit scharfem Drang zur Versöhnung. Denn Gott will uns heil machen.                                              Diesem Ziel dient auch die Bestrafung der Missetaten der Väter und Mütter noch an den nächsten Generationen. So ist die Verachtung Deutschlands in der Welt nach Hitler für, zwei, drei  Generationen verständlich.  Und die Umweltkatastrophe fordert mit Wucherzinsen über die Generationen hin, was unser In- Saus- und Brausleben verdirbt.

Diese Heimsuchungen sind nicht willkürlich prasselnde  Strafen sondern Folgen unseres Tuns. Gott setzt uns den Folgen unseres Tuns aus. Dies jedoch  mit unvergleichlich starker Tendenz zum Retten und Zurechtbringen. Ungeheure Energien von Liebe strahlen in die menschliche Gesellschaft ein; wir werden doch alle mehr geliebt, als wir lieben.

Wir kommen aus dunklen Zeiten. Strafaktionen lagen näher als Lob und Anerkennung. Tief saß der Selbsthass, dass wir böse seien von Jugend auf. Dabei gilt doch Jesu Mitteilung: Gott liebt dich, Kind; dein ist das Himmelreich (Matthäus 19,14).

 

                                                            *

 

Das 3. Gebot

Du sollst den Feiertag heiligen. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Tag des Herrn. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt. In sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und ruhte am siebenten Tage und  segnete ihn.

2.Mose 20,8-11

 

Die Woche zu sieben Tagen ist das älteste Zeitschema. Unveräußerliches Kennzeichen des Menschlichen ist, daß er einen Rhythmus für Arbeiten und Ausruhen und gemeinsames Feiern hat. Auch ist es ein Akt des Vertrauens in die Lebensgrundlagen, daß sechs Tage Arbeit genügen für das Auskommen  an sieben Tagen.

Und der Mensch braucht Zeit für die Seele, für Meditation, Gebet, Feier, Freude, zweckfreie Gemeinschaft. Es ist ein hohes Gut, daß in unser aller Kalender der Sonntag (der Sabbat) rot angestrichen und herausgehoben ist. Auch wenn wir nicht zum Gottesdienst gehen, werden wir wollen, daß Gottesdienst gehalten wird und das „Vaterunser“ auch für uns mit gesprochen wird.

Und der Ruhe wird ein Freiraum geschaffen. Diese freie Zeit möglichst mit Vielen teilen, ist ein hohes Gut. Achten wir darauf, mit Dienstlichem nicht in die private Zeit der Mitmenschen vorzudringen. Achten wir auch uns selbst der Ruhe wert. Eine Rundumereichbarkeit bieten oder fordern steht uns nicht zu. Die Tendenz ist stark, die Sonntagsruhe zugunsten von Spaß und einer Allzeit-Bedarfsbefriedigung aufzuheben.  Denen, die wirklich notwendigen Dienstleistungen  am Sonntag erbringen, gebührt großzügige  Honorierung.

 

 

Das 4. Gebot

Du sollst Vater und Mutter ehren

2.Mose 20, 12

 

Eltern achten, schätzen, ehren als die ersten Mitarbeiter Gottes- dies Gebot ist die Brücke vom  Gottwürdigen hin, auch den Nächsten zu achten. Die Eltern haben uns empfangen, haben uns auf die Welt gebracht und großgezogen. Wir waren/sind ihnen anvertraut und zugemutet.

Eigenartig, daß schon vor dreitausend Jahren dies Gebot mit ehernen Lettern den Erwachsenen ins Herz gemeißelt wurde. Anscheinend war es immer nötig, der im Saft stehenden Generation die Alten fürsorglich ans Herz zu legen. Kinder müssen ihre Eltern nicht lieben aber sie ehren; Kinder müssen ihre der Fürsorge bedürftigen Eltern nicht selbst pflegen, aber ihr würdevolles  Behüten sicherstellen, dazu sind sie verpflichtet.

Aber auch die Alten werden noch besser lernen müssen, die Jungen zu ehren.

 Vielleicht stehen die rüstigen Rentner auf und lassen in der Vorortsbahn den Platz der müden Alleinerziehenden oder dem Erschöpften mit dem fahlen Gesicht. Auch erinnere man sich an den Umgang mit den eigenen Eltern; ist es nicht so, dass der Dank nicht zurück sondern nach vorn in die nächste Generation gegeben wird?

Ehren wir die Alten mit ihrer Erfahrung und die Jungen mit dem weiten Raum, den sie noch zu bestellen haben.

 

 

Das 5. Gebot

Du sollst nicht töten.

2.Mose 20,13

 

So klar, so ganz ohne Einschränkungen steht das Tötungsverbot auf den Gesetzestafeln der Menschheit. In Indien heißt das Gebot: Du sollst nichts Lebendigem den Atem nehmen- und meint auch die Tiere. 

Schon aus Eigeninteresse muss ich die Verpflichtung hochhalten, niemandem ans Leben zu gehen. Aber wenn einer sich schon wie tot fühlt, er sich zombiehaft, seelenlos, verachtet vorkommt, dann wiegt ihm des Andern Leben auch nicht schwer. Wir müssen einander zum Leben helfen, schon, weil jedes Leben Gott gehört.

Und der Staat muss darauf  beharren, daß es in jedem Fall böse ist, einen Menschen zu töten; folglich kann der Staat auch keine Menschen töten, um zu lehren, daß es böses ist, Menschen zu töten.

 

 

Das 6. Gebot

Liebe! Und schütze Ehen. -Du sollst nicht ehebrechen.

2.Mose 20 ,15

 

In der frühen Fassung der Gebote ging es nicht um Liebe sondern um Besitz; die Frau galt als Eigentum des Mannes. Inzwischen haben wir von Jesus gelernt und wissen, daß wir einander nicht gehören. Bestenfalls gehören wir zueinander, wissen uns einander anvertraut, wollen uns schützen vor Herzeleid. Die Ehe, hat mal einer gesagt, ist das letzte große Abenteuer: Zwei wollen sich immer wieder einig werden, wollen die Freuden und Mühen des Lebens –inklusiv Kinder, wenn sie gewährt sind- gemeinsam zu tragen, und wünschen, gemeinsam  alt zu werden.                                                                                                                               Die Liebe ist Gottes Atem, und der weht, wo er will. Wir können bestenfalls jetzt (im Trauversprechen) sagen: „Ich will dich lieben und ehren bis daß der Tod uns scheidet.“ Ohne dieses intensive Wollen darf man gar keine Ehe eingehen. Aber wir können nicht sagen: „Ich werde dich lieben,bis…Können nd sollen nicht schwören. Ob wir uns bis zum Tode  lieben können und dürfen, das ist offen.                                                                                                              Wieviel Befreundung neben der Ehe möglich ist, muß jeder Mensch, jedes Paar selbst für sich ausloten. Wichtig ist es, keinen, auch nicht sich selbst, aus seiner Ehe herauszubrechen, sondern gerade auch des Anderen Bindung zu achten und zu schützen.

 

Das siebte bis zehnte Gebot

Du sollst nicht stehlen, lügen, gieren, rauben

2.Mose 20,15- 17

 

Dem Andern das Seine nicht nehmen sondern „ihm sein Gut und Nahrung helfen bessern und behüten“, ist uns aufgegeben; nicht belügen sondern „entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum Besten kehren“ (Martin Luther). Sein Hab und Gut nicht anrühren, auch seine Ehre nicht- aber es ist ein dauerndes Ringen um Mein und Dein. Die Liebe der Eltern,der Gefährten,  die Anerkennung der Freunde, die Zuneigung, die Achtung  steht immer auf dem Spiel. Und ob ich erarbeiten kann, was ich nötig zu haben meine, muss in Konkurrenz zu andern erworben werden. Anerkennung und Zeit und berufliche Chancen sind knappe Güter, da kann man schon in Versuchung sein, mit rauem Ton und harten Bandagen  das Seine zu beschaffen. Am meisten wegnehmen lässt sich mit Sprache: Über den Mund fahren, die Früchte der Arbeit für sich reklamieren,  Beziehungen spielen lassen, anschwärzen, Schuld abschieben, den Vorteil sich zurechtlügen. Wie lassen wir dem Andern Seins, und sind mit dem Eigenen zufrieden?- Was dir genügt, lass dir genug sein. Das ist eine Lebensarbeit.

                                                    

 

Die Gebote zeigen Gottes Handschrift

Und als Gott mit Mose zu Ende geredet hatte auf dem Berge Sinai, gab er ihm die beiden Tafeln des Gesetzes; die waren aus Stein und beschriftet von dem Finger Gottes.

2.Mose 31,18

 

 

Uralt ist die Vorstellung, Gott habe eigenhändig die Gebote in Stein gegraben. Es ist dies ein starkes Bild für die heilige Urheberschaft: Die Gebote haben höchste Autorität.

Staat und Gesellschaft  schätzen die ethischen Gebote auch ohne Gottesbezug hoch. Dabei bilden die theologischen Gebote I-III ja den Sockel für alle übrigen. Aus dem Zugottgehören folgt, daß ich keinen Menschen aus seinem Gotteszusammenhang reißen darf. Eigentum verpflichtet. Besitz, Ehe und Ehre sind Gaben, darum ist Stehlen, aus der Ehe Brechen und Ehrabschneiden auch ein Angriff auf Gott.   

Das Recht auf Mundraub ist schon in der Bibel gewährt. Wer erst stehlen muß um nicht zu verhungern, an dem geschieht Unrecht. Wer lügen muss, um nicht unterzugehen, der ist näher an der  Wahrheit als der, der herrisch auf Ehrlichkeit pocht.

 

                                                           *

 

Anbetung des goldenen Stieres

Als aber das Volk sah, dass Mose lange nicht vom Berg zurückkam, sprachen sie zu Aaron: Auf, mach uns einen Gott, der vor uns hergehe! Denn wir wissen nicht, was Mose widerfahren ist, der uns aus Ägyptenland geführt hat.

Und Aaron gebot: Nehmt ab die goldenen Ohrringe eurer Frauen, Söhne, Töchter und bringt sie zu mir. Und er nahm das Gold von ihren Händen und bildete eine  Form und goss ein Goldnes Kalb. Und sie sprachen sich zu: Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat! Und sie brachten dazu Dankopfer dar. Dann setzte sich das Volk, um zu essen und zu trinken, und sie standen auf zu wilden Spielen.

2.Mose 32,1-6

 

 

Auch wieder eine Menschheits-Urgeschichte: Der große Führer scheint verloren gegangen und mit ihm der Garant für die Nähe des Unsichtbaren Gottes. Das Nichtgreifbare, das Unbegreifliche Gottes auszuhalten, braucht einen starken Glauben. Gott ist unsichtbar, aber seine Wohltaten sind erkennbar- vor allem, wenn ein Mittler da ist,  der die Gottesgnade im Konkreten benennen kann. Mose war einer der größten Mittler der Menschheit. In ihm geschah die Heiligkeit anfaßbar, unter seiner Führung wurde aus dem Herumirren ein Weg und aus dem Schreien zu Gott die Ahnung von Rettung.

Aber sobald das Bild Gottes, seine Ikone bei den Menschen, fehlte, wurden sie ungeduldig und unsicher und wollten ein Faustpfand für Gott, wollten einen Gott zum Anfassen. Und so „verwandelten sie die Herrlichkeit Gottes in das Bild eines Ochsen, der Gras frisst“ (Psalm 106,20).

Besitz und Zeugungsfähigkeit sind des Menschen stärkste Mächte. Besitz gibt Herrschaft und Sexualität gibt Leben. Der Stier steht für  Zeugungskraft, die ins Leben zwingen kann.  Gold steht für Macht und Herrlichkeit. Der „Tanz ums Goldne Kalb“ ist sprichwörtlich geworden für Anbetung von nackter Gier.

 

                                                      

Moses Fürbitte

Als Mose vom Berg herabstieg und das infernalische Spektakel sah, wandte er sich an Gott. Der sprach: Das Volk vergisst schnell, was ich ihm Gutes tat, ich zürne über sie.

Mose aber flehte: Ach Gott, warum will dein Zorn entbrennen über dein Volk, das du mit großer Kraft und starker Hand aus Ägyptenland geführt hast? Warum sollen die Ägypter sagen: Er hat sie zu ihrem Unglück herausgeführt, dass er sie umbrächte? Lass dich des Unheils gereuen. Und Gott ließ ab von seinem Zorn.

2.Mose 32,7-14

 

Dies Rettende hat Israel oft erfahren: Der Grund aller Dinge, obwohl oft enttäuscht über seine Menschenbrut,  kann sie nicht von sich stoßen, er hat zuviel Herzblut an sie –besonders an Israel- verwandt. Mose spricht diesen inneren Konflikt in Gott an. Und wahrlich, wir zehren auch von Gottes Großmut. Er darf die Erde nicht verloren geben, darf uns um seiner Liebe willen nicht fallen lassen.  Das dürfen wir aber nicht ausnutzen. Die Liebe leidet, das ist ihre Tragik. Wehe, wir wären nur grinsende Zuschauer des Niedergangs der Erde.

 

 

Gestopfte Mäuler

Als Mose aber nahe zum Lager kam und das Gold- Kalb und das wüste Tanzen sah, entbrannte sein Zorn und er nahm das Kalb, das sie gemacht hatten, und ließ es im Feuer zerschmelzen und zermalmte es zu Pulver und streute es aufs Wasser und gab’s den Israeliten zu saufen.

2.Mose 32,19.20

 

 

Auch ein Urbild der Menschheit: Den eigenen Mist fressen müssen, den man angerichtet hat: Das Gold, mit der Asche zu Pulver vermahlen, wird denen, die Gott vergessen haben, eingetrichtert. Sie müssen an dem ersticken, was sie zu ihrer Glorie aufrichteten. Es ist eine andere Art des zerbrochenen Babylonischen Turmes.  Turm und Stier sollten Bauwerke sein, die der Menschen Größe demonstrieren. Aber Größe aus Gottvergessenheit kann nur zu Fall kommen. So müssen wir unsern eigenen Unrat ausfressen.

 

                                                    *

 

 

Gott wissen  aber nicht sehen

Gott  redete mit Mose wie ein Mensch mit seinem Freund redet. Gott sprach zu ihm: Du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ich kenne dich mit Namen. Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen! Und Gott sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will vor dir kundtun mein Wesen: Gnade und Erbarmen ist mein Wesen. Aber  mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Irdischer kann mein Antlitz aushalten. Aber meine Nähe sollst du erfahren. Es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dich halten, bis ich vorübergegangen bin.

Dann will ich meine Hand von dir tun und du darfst hinter mir her sehen.

2.Mose 33, 11,17-23

 

 

Wir können nur Gottes Wohltaten sehen, nicht Ihn von außen. Grandios, wie Mose das „gesteckt bekommt“ - für uns mit. Obwohl Mose einer der Nächsten zu Gott ist, zeigt Gott sich ihm nicht. Den Abglanz seines Antlitzes legt er auf die Gesichter der Säuglinge und der Liebenden, aber er will verborgen bleiben in allen Gesichtern und Blumen und allem Sonnenleuchten. Es gibt Ereignisse, da haben wir Gottes Nähe unmittelbar gespürt, da ist uns  die Beglückung der Gegenwart Gottes geschehen- es ist, als wären wir in einem Spalt gesessen, den Gott beim Erscheinen uns verdunkelt hat. Es ist seine Hand, mit der er sich uns verstellt. Wir können Gott hinterher sehen - wie er uns das Kind in den Arm gelegt hat oder uns neu geboren hat nach einem Unfall. Das ist doch viel. Manchmal schon zu viel.

 

                                                      *

 

Nächstenliebe

Und Gott redete mit Mose und sprach: Rede mit der ganzen Gemeinde der Israeliten und sprich zu ihnen: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr, euer Gott.

Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin die Quelle  des Lebendigen. Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken.

Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Das sage ich euch, euer Gott, der ich euch aus Ägyptenland geführt habe.

3.Mose 19.1.2.18b,33.34

 

 

Viele Gebote und Gesetzessammlungen aus verschiedenen Epochen  werden unter die Autorität des Mose gestellt. Besonders wichtig ist das Gebot der Nächstenliebe und das der Fremdenfreundlichkeit. Den Nächsten lieben wie man sich selbst liebt- das rückt den Andern sehr, sehr nahe. Jedenfalls ist es eine eherne Messlatte: Was wünschst du dir an seiner Stelle? Es bleibt Auftrag, auch die dir Lästigen zu achten und dem Rivalen fair zu begegnen.

Mitgesetzt mit diesem Gebot ist: Du sollst dich selbst lieben. Du sollst dich achten als Gottes geliebte Schöpfung- also meine es gut mit dir und beschädige dich nicht selbst.

Als Testfall für die Nächstenliebe wird uns der Fremde aufgegeben. Sein obdachloses Außenseiterdasein zu wenden, ist Menschenpflicht. Wir waren ja auch  schon Fremde - und wie gut tat da der eine, der uns herwinkte und Platz anbot und einfädelte in Gesprächsrunde oder Nachbarschaft.

 

                                                        *

 

Alle siebenmal sieben Jahre

 ist die Zeit der sieben Sabbatjahre. Im siebten und im fünfzigsten Jahr sollst du die Posaune blasen lassen durch euer ganzes Land und ihr sollt das siebte und das fünfzigste Jahr heiligen. Ihr sollt eine Freilassung ausrufen im Lande für alle, die darin wohnen; es soll ein Erlassjahr für euch sein. Da soll ein jeder wieder zu seiner Habe kommen und wenn er sich verkauft hat in Leibeigenschaft, soll er wieder frei sein.

3.Mose 24, 8-10

 

Alle sieben und alle fünfzig Jahre war Israel ein Neuanfang verordnet.- Der Ur-Anfang liegt weit zurück: Als Nachklang der Schöpfung und als kreative Wiederholung ist der Sabbat eingesetzt, Ruhe für alle. Es gelte:„Alles zurück auf Null“. Jeder Neuanfang ist voll besonderer Würde- einer der stärksten Anfänge ist der  Auszug aus Ägypten: Gott nahm für Israel das Gelobte Land ein und teilte es an die  zwölf Stämme Israels und ihre Familien auf.  Aber immer bleibt Jahwe Herr der Schöpfung und der Besitzer des Landes.  Israel und die ganze Menschheit hat alles  nur als Leihgabe, es ist uns anvertraut nur auf Zeit.

 Um dies zu erinnern, rief man in Israel  jedes siebte Jahr zum Sabbatjahr aus- der Acker blieb unbestellt und hatte seine Ruhe. Und jedes fünfzigste Jahr galt als  Erlassjahr: Alle Schulden wurden den Stammesgeschwistern erlassen, alle ursprünglichen Besitzstände wurden wieder hergestellt, alle Ungleichheit durch Verschuldung wurde wieder aufgehoben.  

Wie diese Regelung gelebt wurde in Israel, liegt im Dunklen. Aber Sabbat- und Erlassjahr erinnern, daß uns Zeit, Gesundheit, Kraft, Besitz nur vorübergehend anvertraut sind. Diese  Überzeugung bewirkt im  Gläubigen einen verantwortlichen und großzügigen Umgang mit den Dingen- wenn, ja wenn „der Geist unserer Schwachheit aufhilft“ (Römer 8,26).

Die Schuldenkrise der Gegenwart rückt die Rezepte der Vorfahren wieder in den Blick: Es muss ein Erlass von Schulden eingeräumt werden, sonst sammelt sich bei immer weniger Reichen immer mehr.  Dabei muss immer mehr Menschen das Existenzminimum von der Gemeinschaft eingeräumt werden, ein Grundgehalt unabhängig von der Leistungsfähigkeit- und willigkeit ist nötig-  weil Gott uns das tägliche Brot heute geben will, bedingungslos. Und wir sind alle zuständig, dass Gottes Wille geschehe je im Rahmen unserer Fähigkeiten.

Christen gehen vorweg, auch , auch indem sie  gern Steuern, auch Erbschaftssteuern bezahlen. Durch „Brot für die Welt“ können wir unmittelbar  den Hunger auf der Erde lindern. Verschenken wir doch mehr. 

 

                                                        *

 

Der große  Segen

Gott redete mit Mose und sprach: Sage Aaron und seinen Söhnen: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet:

„Der Herr segne dich und behüte dich;

der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;

der Herr erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.“

Ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.

4.Mose 6,22-27

 

Segnen fleht die heilenden Kräfte Gottes auf Menschen und Kreaturen herab. Mit großer Inbrunst spannt der Segenspender die Arme aus, oder berührt mit beiden Händen seitlich den Kopf des zu Segnenden, er spricht intensive Behütungsworte als Widmung, als Weihe, als Gebet, als Gelübde fast. Und Christen schlagen zur Bekräftigung das Kreuz über Gemeinde oder Paar oder dem Einzelnen. Die Bibel sagt es noch genauer: Es gilt, den Namen Gottes aufzulegen, dass Gott segne. Also nicht Priester oder Eltern segnen, sie bitten um den Segen, sie stellen unter Gottes Schutz, unter dem der Betroffene ohnehin steht, aber sie vergewissern, sie benennen noch einmal das Haus aus Segen, das Gott tagtäglich neu errichtet mit seiner Schöpfungsenergie. Gut, wenn wir beim Abschied dem geliebten Menschen mehr zu bieten haben als die Mahnung: “Pass auf dich auf.“ Geben wir ihm mit: „Bleib behütet; Du bist „von guten Mächten wunderbar geborgen.“

 

                                                              *

Sehnsucht nach dem verheißenen Land

Nach vielen Jahren Wüstenzug schickte Mose Kundschafter los in Richtung Gelobtes Land. Und sie kamen bis an den Bach Eschkol und schnitten dort eine Weinrebe ab und trugen sie zu zweit auf einer Stange, so groß war sie; dazu auch Granatäpfel und Feigen. Und nach vierzig Tagen, als sie das Land erkundet hatten, kehrten sie um, und brachten Kunde, wie es stand, und sie zeigten die Früchte des Landes vor und erzählten und sprachen: Wir sind in das Land gekommen, in das Gott uns schickt; es fließt wirklich Milch und Honig darin und dies sind seine Früchte.

 4. Mose 13, 23,25-27

 Durch das Volk Israel hat Gott viel der Menschheit beigebracht: Gott ist ohne Abbild, darum ist auch die Natur nicht als  „Double“ Gottes zu ehren, sondern sie ist dem Menschen zu Nutz freigegeben (und anvertraut). Und die Gebote, das ethische Grundgesetz der Menschheit ist uns ausgegeben.. Und eine Befreiung vom Ring der ewigen Wiederkehr hin zu einer Geschichte mit Ziel; die Menschheit wird ausgerichtet auf die Zukunft und stark mit Hoffnung imprägniert.

Israel verdanken wir starke Bilder zukünftiger Freude: Etwa das Goldene Jerusalem, von dem gutes Recht ausgeht. Und die dem Menschen völlig dienende Natur, abgebildet in der nur von zwei Männern zu tragenden Rebe und dem Land, darin Milch und Honig fließt. So stark die Bilder auch sind- sie werden an die Wand der Zukunft geworfen. Sie wollen eingelöst werden in Befreundung von Gott und Mensch. Sie sind Utopie (ou topos= hat noch kein Ort), die Verheißungen Gottes gelten jeder Generation und brauchen in jeder Generation Annäherung, Wegmarken in Richtung Frieden.

 

                                                      *

Das verheißene Land rückt in weite Ferne

Aber die Männer, die nach Kanaan gezogen waren, sprachen: Wir vermögen nicht hinaufzuziehen gegen dies Volk, denn sie sind uns zu stark. Wir sahen dort auch Anaks Söhne aus dem Geschlecht der Riesen-im Vergleich mit ihnen waren wir klein wie Heuschrecken.

Da fuhr die ganze Gemeinde auf und schrie, und das Volk weinte die ganze Nacht. Und alle Israeliten murrten gegen Mose und Aaron und die ganze Gemeinde sprach zu ihnen: Ach, wären wir doch  in Ägyptenland gestorben oder stürben noch in dieser Wüste!

Warum führt uns Gott in dies Land, damit wir durchs Schwert umkommen? Ist’s nicht besser, wir ziehen wieder nach Ägypten?

Und Gott sprach zu Mose: Wie lange lästert mich dies Volk? Und wie lange wollen sie nicht an mich glauben trotz all der Zeichen, die ich unter ihnen getan habe? Ich will sie mit der Pest schlagen und sie vertilgen und dich zu einem größeren und mächtigeren Volk machen als dieses.

Mose aber sprach zu Gott: Dann werden’s die Ägypter hören und sagen: Ihr Gott vermochte es nicht, dies Volk in das Land zu bringen, das er ihnen zu geben geschworen hatte; darum hat er sie hingeschlachtet in der Wüste. So lass nun deine Kraft, o Herr, groß werden. Und vergib die Missetat dieses Volks nach deiner großen Barmherzigkeit. Und Gott  sprach: Ich habe vergeben, wie du es erbeten hast. Aber so wahr ich lebe und alle Welt der Herrlichkeit Gottes voll werden soll: Keiner von denen, die auszogen, soll einziehen in das gelobte Land. Eure Leiber sollen in dieser Wüste verfallen. Eure Kinder aber, von denen ihr sagtet, sie werden ein Raub sein, die will ich hineinbringen, dass sie das Land kennen lernen, das ihr verwerft.

4.Mose 13, 28.30 ; 14,1–31(in Auswahl)

 

Diese Erzählung  ist sechshundert bis tausend Jahre jünger  als der Wüstenaufenthalt Israels. Die Priester-Schreiber haben ihre Gegenwart im Blick. Im Exil wartet Israel als verlorener Haufen, wieder kommt die Kriegsgeneration nicht heim, aber hoffentlich die Enkel, die Urenkel. Wieder kann es nicht sein, daß Gott sie vergessen hat. Wie würde Er sonst vor den Völkern blamiert dastehen, daß Er sein Volk  an den Wassern Babylons sich totweinen lässt.  Wieder lehren die Propheten wie vorher Mose, daß mangelndes Gottvertrauen das ganze Schlamassel heraufgeführt hat.

Die Wüstenzeit ist für Israel  die Traumzeit, das Ideal der Verlobungszeit des Volkes mit seinem Gott. Dort lernten sie: „Gott wird für euch streiten und ihr werdet stille sein“ (2. Mose 14,14). Aber die ferne Wüstenzeit war auch Vorbild für eine Hoffnung mit bitterem Geschmack. Was  nur Übergang  sein sollte, Wegstück vom Auszug aus dem Knechtshaus Ägypten bis zum Einzug  nach Kanaan- wurde Schmerzenszeit, zerdehnte Zeit, bleierne Zeit- man war des ewigen Anfangs müde geworden (Manes Sperber).

Ganze Generationen lagen wüst, ohne Gottesdienst, ohne Aussicht, Gott und ein gelobtes Land zu schauen, ohne überhaupt Spuren zu hinterlassen. Aber irgendwann schlug eine Generation Feuer aus der Asche, ein Heerführer hörte Gottes Ruf: Jetzt geht’s über den Jordan.

 

                                                     *

 

Ach Gott,

Du bist das Lebendige in allem Fleisch

4.Mose 16,22

Wohl die grandioseste Bestimmung, wer, was Gott sei! Nah dran ist der Hinweis: Gott hauchte dem Adam seine Seele ein, also gab von seinem Atem einen Hauch, gab von seinem Wesen dem Menschen ab (1.Mose2,7). Darum ist Sterben auch das Zurückgeben der Seele in seine Hände (Lukas 23,46).

 

                                                        *

 

Heute gibt Gott uns die Gebote

Der Herr, unser Gott, hat einen Bund mit uns geschlossen am Sinai

und hat nicht mit unsern Eltern diesen Bund geschlossen, sondern mit uns, die wir heute hier sind und jetzt leben. Er hat von Angesicht zu Angesicht mit euch aus dem Feuer auf dem Berge geredet.

5.Mose 5,2-4

 

Schon  früher hatten die Gläubigen das Problem, dass ein „garstig breiter Graben“ (Gotthold E. Lessing)  sich auftut zwischen ursprünglicher Gottesbegegnung und dem heutigen Zehren davon. Die lange Historie hat die Kraft der ersten Liebe ausgedörrt. Da muss eine neue Erweckung geschehen. Und das ist die kühne Weissagung von damals: Die Gegenwärtigen sind gleichgestellt mit den ersten Zeugen. Jetzt hören wir Heutigen Gottes Stimme in den Geboten. Und wir leben in Gottes Gegenwart, vor seinem Angesicht. Die Vorigen waren nicht näher dran. Auch wir sind Kinder Gottes, jetzt.

Den Priestern im 6. Jahrhundert v.Ch. war die aktuelle Gottesbegegnung so wichtig- jetzt geschieht die wahre Verkündung der Gebote.

Das sei uns Beispiel, heute Gott gegenwärtig zu erfahren. Jetzt ist Sinai, und wir gehorchen oder nicht.

 

                                                      *

 

Jetzt mit in Ägypten

Wenn dich nun deine Kinder morgen fragen werden: Was sind das für Mahnungen, Gebote und Rechte, die euch unser Gott geboten hat? Dann sollst du sagen: Ein umherirrender Aramäer war mein Vater, dem Umkommen nahe, und zog hinab nach Ägypten und war dort ein Fremdling mit wenigen Leuten und wurde dort ein großes, starkes und zahlreiches Volk. Aber die Ägypter behandelten uns schlecht und bedrückten uns und legten uns harten Dienst auf.

Da schrien wir zu dem Herrn, dem Gott unserer Väter und Mütter. Und der erhörte unser Schreien und sah unser Elend, unsere Angst und Not und führte uns aus Ägypten mit mächtiger Hand und ausgerecktem Arm und mit großem Schrecken, durch Zeichen und Wunder, und brachte uns an diese Stätte und gab uns dies Land, darin Milch und Honig fließt.

5.Mose 26,5-9

 

 

Unseren Glauben schütteln wir uns nicht aus dem Ärmel. Wie man die Stadt nicht gebaut hat, in der man wohnt, so ist man auch in den Glauben eingezogen, der einen trägt, an dem man auch weiterbaut, der aber seine Wurzeln, seine Basis  in unsern Vorfahren hat.

Heute mit schnellem Internet und Patchwork- Familien verflüchtigt sich die Tradition. Wer erbt schon noch einen Jahrhunderte alten Bauernhof mit eingeschnitztem Stammbaum der Vorfahren. Allein schon das gedankenlose Aufgeben der Großeltern-Gräber zeigt ein vollkommenes Aufgehen in der Gegenwart. Jetzt gilt es die Chancen zu ergreifen, jetzt muss man überzeugen, jetzt flexibel und gewinnend sein, jetzt glücklich.  Die einzige Tradition, die noch zählt, scheint das Geld zu sein.

Und doch sehnen wir uns, zu einem guten Ganzen zu gehören. Aber die Fußballbegeisterung etwa und Vereinstreue geben nicht genug Halt. Gut, wer seine Familie hat, und weiß, wo er hingehört. Aber auch die Kleinfamilie kann nicht ewig bleiben.

Gibt es was, was immer hält? Was mich hält und trägt?

Als der Rest des zerschlagenen Israels nach Vertreibung und Exil wieder in seine alte Heimat kam, war diese verwüstet und leer.  Was hatte man da an innerem Halt? Was konnte einem Kraft für Zukunft geben? Die Priesterschaft rief den Bau eines neuen Tempels aus und verklärte die Rückkehr aus Babylon  als erneuten Auszug aus Ägypten und  als neue Verkündung des Bundes mit seinem Gott. Dazu half es, daß Israel sich identifiziert mit den Vätern und Müttern des Glaubens und dem Volk Israel, das ins gelobte Land Einzug hielt.

Ähnlich sangen sich die schwarzen Sklaven auf den Tabak-Feldern Virginias ihrer Befreiung entgegen, indem sie sich gleichsetzten mit dem Israel, das vor Pharao auszog.

Wir sind  mit der Kirchengliedschaft auch dieser langen Tradition zugehörig. Darum ist es so wichtig, daß wir Eltern und Großeltern unsere Kinder und Enkel einweihen in das Zusammengehören mit Israel und den frühen Christen und  den Generationen, in denen Kirche die Gesellschaft geprägt hat.

 

                                                        *

 

Der große Mose bleibt zurück

Und Mose stieg aus dem Jordantal auf den Berg Nebo, gegenüber Jericho. Und Gott zeigte ihm das ganze Land Gilead bis hin nach Dan und das ganze Naftali und das ganze Land Ephraim und Manasse und das ganze Land Juda bis an das Meer im Westen und das Südland und die Gegend am Jordan, die Ebene von Jericho, der Palmenstadt, bis nach Zoar.

Und Gott sprach zu ihm: Dies ist das Land, von dem ich Abraham, Isaak und Jakob geschworen habe: Ich will es deinen Nachkommen geben. - Du hast es mit deinen Augen gesehen, aber hinübergehen sollst du nicht.

Mose starb im Land Moab, und Gott begrub seinen Knecht dort. Und niemand hat sein Grab erfahren bis auf den heutigen Tag.

Mose war hundertundzwanzig Jahre alt, als er starb. Seine Augen waren nicht schwach geworden und seine Kraft war nicht verfallen. Und es stand hinfort kein Prophet in Israel auf wie Mose, mit dem Gott sprach von Angesicht zu Angesicht,

5.Mose 34

 

Mit Wehmut schließt die große Geschichte von Mose. Viel Idealisierung ist im Laufe der Jahrhunderte an seine Person angewachsen. Doch schon die Urfigur muss große Kraft gehabt haben. Mose hat Gott mit Geschichte und  Recht  und mit Israel verbunden. Mose ist der Architekt des Bündnisses: „Ich will euer Gott sein und ihr sollt mein Volk sein“(2.Mose 19,5.6). Bei allem Ungehorsam gibt er Israel und damit der Menschheit ein Existieren vor Gott „auf Augenhöhe“. Gott muss ihn sehr  geliebt haben. Dabei hat Mose gemordet, hat gezweifelt und gehadert. Dem Volk Israel blieb immer im Gedächtnis, daß dieser Große draußen  vor der Tür bleiben musste. Aber Gott hat ihn von eigener Hand beerdigt- was meinen kann, Gott hat ihn mitgenommen; Mose ist immer bei ihm.

 

                                          *                   *

 

 

Josua

 

Die Landnahme

Nachdem Mose gestorben war, sprach Gott zu Josua, dem Sohn Nuns, Moses Diener: Mein Knecht Mose ist gestorben; so mach dich nun auf und zieh über den Jordan, du und dies ganze Volk, in das Land, das ich den Israeliten, zugesagt habe.

Von der Wüste bis zum Libanon und von dem großen Strom Euphrat bis an das große Meer gegen Sonnenuntergang, das ganze Land der Hethiter, soll euer Gebiet sein.

Es soll dir niemand widerstehen dein Leben lang. Wie ich mit Mose gewesen bin, so will ich auch mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen. Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.

Josua 1,1-6.9

 

Josua („Gott ist Retter“) ist die sagenhafte begnadete Figur, mit der Gott seinem Volk Heimatland beschafft. – Das biblische Buch Josua ist Teil des großen Geschichtswerkes, das die fünf Bücher Mose, die Bücher Josua, Richter, Samuel und Könige  umfasst- 417 von den 906 Seiten des Alten Testamentes. Es hat die Zeit vom Schöpfungsanfang bis zum Ende des Reiches Israel zum Thema. Es wurde geschrieben in der babylonischen Exilgemeinde-  nach 587  war ja Jerusalem und sein Tempel zerstört und die gesamte Oberschicht war nach Babylon verschleppt worden. Dort hatte die Priesterschaft Zeit, nachzudenken den Weg Gottes mit seinem störrischen Volk. Und sie wagten eine Prophetie auf künftige Heimkehr hin und neues Erstarken unter Gottes Führung.

So nahm man die ferne Erinnerung an die Landnahme als Hoffnungsmaterial für den Blick nach vorn. Man wartete auf einen neuen Führer und einen erneuerten Glauben.

Natürlich haben die Geschichten des Josua einen historischen Kern. Der aber ist nicht mehr isoliert zu finden. Was geblieben ist, ist das starke Gewebe des Glaubens an den geschichtsmächtigen Gott, der mit seinem Volk durch Leid zur Freude geht. Darum sind auch uns die Erfahrungen Israels, sei es aus dem 12. oder 6. Jahrhundert v. Chr., hilfreich. Jeder ist eingeladen,  sich in der wiederholten Geschichte mit eingebettet zu finden. Jeder darf auf sich die wunderbare Zusage Gottes an Josua beziehen. Etwa zur Konfirmation wird dieses starke Segenswort weitergesagt in die nächste Generation: „Gott mit dir!“ Du bist nicht allein. Es ist eine starke Energie bei dir. Du kannst beherzt an deine Sache gehen.

Natürlich ist Gottes Beistand kein Freibrief für Dummheit und Angeberei. „Gott bei dir“ - das  mache dich sanft, klug, barmherzig, es entfeinde dir die Welt; du provozierst nicht. Aber es braucht  eine lange  Zeit in der Schule Gottes, ihn eben nicht als Volks-Gott oder deinen Privat-Gott, als Garant für deine Vorteile zu sehen. „Gott mit dir“ macht dich nicht zum Sieger.- Das  hat Israel in seiner langen Geschichte mühsam gelernt, das hat Deutschland gelernt, dessen Soldaten einst Koppelschlösser mit der Aufschrift „Gott mit uns„ trugen. Und wird jeder lernen, der  meint, auf  Erfolg und Gesundheit ein Recht zu haben.  

 

                                                  *

 

Die Kundschafter in Jericho

Josua sandte zwei Kundschafter aus: Geht hin, seht das Land an, auch Jericho. Sie gingen hin und nahmen Herberge im Haus der Hure Rahab. Das wurde dem Fürst von Jericho angezeigt. Der verlangte von  Rahab, die Männer herauszugeben, es seien Spione. Aber die Frau verbarg die beiden; Sie hatte sie aufs Dach steigen lassen und unter Flachsstängeln versteckt.

Und ehe die Männer sich schlafen legten, stieg sie zu ihnen hinauf auf das Dach und sprach zu ihnen: Ich weiß, dass Gott euch das Land gegeben hat; denn ein Schrecken vor euch ist über uns gefallen; wir haben gehört, wie Gott das Wasser im Schilfmeer ausgetrocknet hat für euch. Seitdem ist unser Herz verzagt und es wagt keiner mehr, vor euch zu atmen; denn euer Gott ist allmächtig.

So schwört mir nun bei Gott, weil ich an euch Barmherzigkeit getan habe, dass auch ihr an mir Barmherzigkeit tut, und gebt mir ein sicheres Zeichen, dass ihr leben lasst meinen Vater, meine Mutter, meine Brüder und meine Schwestern und alles, was sie haben, und uns vom Tode errettet.

Die Männer sprachen zu ihr: Belohnen wir dich nicht, wenn uns Gott das Land gibt, so wollen wir selbst des Todes sein, sofern du unsere Sache nicht verrätst.

Da ließ Rahab sie an einem Seil durchs Fenster hernieder; denn ihr Haus war an der Stadtmauer. Die Männer sagten „Lebewohl“ und vesprachen: Wenn wir ins Land kommen, so sollst du dies rote Seil in das Fenster knüpfen, durch das du uns herniedergelassen hast, und zu dir ins Haus versammeln deinen Vater, deine Mutter, deine Brüder und deines Vaters ganzes Haus.

Sie sprach: Es sei, wie ihr sagt!, und ließ sie gehen. Und sie gingen weg. Und sie knüpfte das rote Seil ins Fenster. Die Männer kamen heil zurück zu  Josua und sprachen: Gott hat uns das ganze Land in unsere Hände gegeben. Das Land steht offen für uns.

Josua 2

 

Rahab, die „Männerfreundin“ hat im Jüdischen Heiligenkalender einen guten Namen. Sie hat Gott geholfen, seinem Volk zur Heimat zu verhelfen. Rahab spiegelt, wie Israel das Heilswerk gerne sieht:  So gewaltig ist Gottes Einsatz für sein Israel, daß die andern Völker nur zittern können, ja, zur Verfügungsmasse  „Heiden“ herabgestuft werden.  Die sehen Israels Gott als allmächtig- im Vergleich zu ihren kleinen Lokalgöttern und sagen: „Unser Herz ist verzagt und es wagt keiner mehr, vor euch zu atmen; denn euer Gott ist allmächtig.“-

So darf es Israel wohl sehen, aber der an Jesus geschulte Glaube weiß, daß Gott nicht das Glück der einen Kinder mit dem Unglück seiner anderen Kinder erkauft. Wohl sind die Vorräte an Land, Wasser, Nahrung knapp, und wir Menschen finden uns in  Volks- und Interessenverbänden zusammen –um unseren Anteil uns zu sichern, auch gegen andere. Aber  Gott will nicht Krieg, will auch nicht vereinnahmt werden als „unser“ Gott.

Und doch haben immer Menschen für Siege gedankt und für Niederlagen Buß- und Bettage ausgerufen. Israels Einzug ins gelobte Land war ein Jahrhunderte lang dauerndes langsames Einsickern und Sichfestkrallen. Erst im Rückblick wurde es zum kurzen großen Triumphzug, wobei die Einnahme Jerichos und die Hilfe Rahabs ein Markstein war.

Eine kleine Kostbarkeit am Rande:  Der rote Faden, den wir oft brauchen, hat hier einen frühen Ort.

 

                                                        *

 

Die Einnahme Jerichos

Unter Josua waren sie ins Land Kanaan gezogen. Sie hatten den Jordan durchquert, hatten die Bundeslade mit den Gesetzestafeln mitten im Fluss abgesetzt, und die Fluten stauten sich, dass sie hindurchziehen konnten. Und sie kamen zur großen Stadt Jericho. 

Jericho aber war verbarrikadiert vor den Israeliten.

Aber Gott sprach zu Josua: Sieh, ich gebe Jericho samt seinem Fürsten und seinen Kriegsleuten in deine Hand. Lass eure Kriegsmänner rings um die Stadt herumgehen, einmal sechs Tage lang. Und lass sieben Priester sieben Posaunen tragen vor der Lade her, und am siebenten Tage zieht siebenmal um die Stadt und lass die Priester die Posaunen blasen. Und wenn man die Posaune bläst und es lange tönt, so soll das ganze Kriegsvolk ein großes Kriegsgeschrei erheben, wenn ihr den Schall der Posaune hört. Dann wird die Stadtmauer einfallen und das Kriegsvolk soll hinaufsteigen und die Stadt einnehmen. Und so geschah es.

Josua 6,1-5

 

Die Posaunen, die Jerichos Mauern wanken ließen, sind berühmt. Sie stehen für die Hand Gottes, die auch das Unmöglichscheinende möglich machen kann. Wenn sie will. Dürfen wir Gott bitten, zu unserm Vorteil und anderer Nachteil ins Geschehen einzugreifen? Gottes Wesen ist Kraftvergeudung, ist Verschwenden von Liebe. Gott weiß auch unsere Wünsche zu sortieren. Er tut nichts Unrechtes. Darum erfüllt er unsere Wünsche mehr, indem er es anders macht als wir erhoffen.  Hinterher sehen wir, was richtig war.

Ob die Mauern wankten durch den Hall der Posaunen? Israel erzählt es. Wenn ein hoher Ton Gläser splittern lassen kann, können auch Posaunen Mauern eindrücken, warum nicht? Israel erzählt, daß der Einzug ins gelobte Land eine Kette von Wundern war. Ist mein, dein Leben nicht auch wunderbar?

Die „Posaunen von Jericho“ sind auch ein Bild für Geisteskraft, die siegt. Nicht nur „Heer oder Macht“ sondern Gottvertrauen und Willen  und  geistiges Ringen bewegen die Welt.

Welche Mauern müssen bei dir einstürzen, daß dir neues Leben blüht?

 

                                                            *

 

Entscheidet euch

Josua sprach zum Volk. Achtet Gott, dienet ihm recht und lasst die falschen Götter fahren. Gefällt es euch aber nicht, dem einen Gott zu dienen, so wählt euch heute, wem ihr dienen wollt: Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen.

Josua 21, 13.14

 

Es muss entschieden sein. Gott dienen- das ist zuerst ein Nein, dem Geld zu dienen, der Karriere, dem Siegersein, dem kleinen, eigenen Vorteil. Gott dienen heißt, seiner Schöpfung dienen- Mitmensch, Mitkreatur sein- nicht zertreten sondern zum Gedeihen helfen, was mutmaßlich der Herr gedeihen lassen will. Gott dienen- ist auch, sich seiner Wohltaten bedienen, ist Taugen, jenseits von Leistung; ist Sich schwach zeigen dürfen; neu anfangen können. Täglich gibt es vielmals ein Entweder-Oder. Machen wir es richtig.

 

                                                        *

 

Josuas letzte Rede

Und nach langer Zeit, als Gott Israel Ruhe verschafft hatte vor allen seinen Feinden ringsumher und Josua nun alt war, rief er ganz Israel zusammen und redete diese Worte: Ich bin alt, und ihr habt alles gesehen, was euer Gott euch Gutes getan hat gegen  alle diese Völker; euer Gott, hat selber für euch gestritten.

Die  Völker, die noch nicht unterworfen sind ringsum, die teile ich euch durchs Los zu; einem jeden Stamm sein Erbteil.  Und der Herr, euer Gott, wird sie vor euch vertreiben, und ihr werdet ihr Land einnehmen, wie euch euer Gott, zugesagt hat.

So haltet nun ganz fest daran, dass ihr alles tut, was geschrieben steht im Gesetzbuch des Mose, und nicht davon weicht, weder zur Rechten noch zur Linken, damit ihr euch nicht mengt unter diese Völker, die noch übrig sind bei euch, und nicht anruft und schwört bei dem Namen ihrer Götter noch ihnen dient noch sie anbetet, sondern dem Herrn, eurem Gott, sollt ihr anhängen, wie ihr bis auf diesen Tag getan habt.

Der Herr hat vor euch große und mächtige Völker vertrieben, und niemand hat euch widerstanden bis auf diesen Tag. Einer von euch jagt tausend; denn euer Gott, streitet für euch, wie er euch zugesagt hat. Darum achtet ernstlich darauf um euer selbst willen, dass ihr den Herrn, euren Gott, lieb habt.

Josua 23

 

Israel blickt zurück auf seine glücklichste Zeit: Die Zeit der Landnahme – ging aber nicht so ideal und schnell vonstatten.  Als Israel sesshaft geworden ist unter seinen Königen ab 1000 vor Chr., da schuf sich Israel seine Ideale Geschichte- im traumhaften Rückblick war Gott der wunderbare Held gewesen, der den zwölf Stämmen Israels Heimstatt gab.

Unter dem Namen Josua ist die Jahrhunderte dauernde Landnahme zusammengezogen, zusammengeschnurrt. Das Land hat Gott für sein Volk beschafft –ein Leben in Gehorsam wäre die einzige richtige Antwort. Die Priester des 6. Jahrhunderts schreiben das große Geschichtswerk von der Schöpfung bis zum Heimatfinden Israels im Gelobten Land.

Die Gegenwart sieht anders aus, sie ist gezeichnet von Armut, Mutlosigkeit, Ungehorsam und Verweltlichung. Die Propheten müssen Schwerstarbeit leisten, um Gott noch Gehör zu verschaffen. Ein Wiedererrichten des Tempels steht an. Da ist es gut zu erinnern, welchen allmächtigen Gott Israel an seiner Seite hat, auch wenn die goldnen Zeiten innigen Einvernehmens weit zurückliegen. 

 

                                               *                   *

 

Richter

 

Es sollen umkommen, Gott, alle deine Feinde! Die dich aber lieb haben, sollen sein, wie die Sonne aufgeht in ihrer Pracht!

Richter 5,31

 

Im Buch Richter sind Geschichten der Eroberung Kanaans durch Israel versammelt. Immer wieder taucht der Satz auf „und sie konnten nicht einnehmen“. Doch auch ermutigende Geschichten sind hier überliefert. Groß ist der Stoßseufzer: „umkommen sollen alle Feinde Gottes!“  Israel sieht sich als Streiter für die Ehre des Allmächtigen. Israel hält es für ausgeschlossen, diesem Gott nicht die Ehre zu geben. Aus Sicht Israels ist es ein Gott zum Lieben, weil er sich für dieses kleine Volk so müht.  Und sie selber sollen strahlen, die Gottes Namen zum Strahlen bringen.  Dass  Gott nicht seine Feinde umbringt sondern sie bekehrt zu sich-  ja, dass Gott keine Feinde hat, schlimmstenfalls  Verblendete- das hat Jesus aufgetan.

 

                               

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Ruth

 

Zu der Zeit, als Richter richteten, entstand eine Hungersnot im Lande. Und ein Mann von Bethlehem in Juda zog aus ins Land der Moabiter, um dort als Fremdling unterzukommen mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen.

Der hieß Elimelech und seine Frau Noomi und seine beiden Söhne Machlon und Kiljon; die waren Efratiter aus Bethlehem in Juda. Und als sie ins Land der Moabiter gekommen waren, blieben sie dort. Und Elimelech, Noomis Mann, starb und sie blieb übrig mit ihren beiden Söhnen. Die nahmen moabitische Frauen; die eine hieß Orpa, die andere Ruth. Und als sie ungefähr zehn Jahre dort gewohnt hatten, starben auch die beiden, Machlon und Kiljon, sodass die Frau beide Söhne und ihren Mann überlebte.

Da machte sie sich auf mit ihren beiden Schwiegertöchtern und zog aus dem Land der Moabiter wieder zurück; denn sie hatte erfahren im Moabiterland, dass Gott sich seines Volkes angenommen und ihnen Brot gegeben hatte.

Und sie ging aus von dem Ort, wo sie gewesen war, und ihre beiden Schwiegertöchter mit ihr. Und als sie unterwegs waren, um ins Land Juda zurückzukehren, sprach sie zu ihren beiden Schwiegertöchtern: Kehrt um, eine jede ins Haus ihrer Mutter! Der Herr tue an euch Barmherzigkeit, wie ihr an den Toten und an mir getan habt.

Der Herr gebe euch, dass ihr Ruhe findet, eine jede in eines neuen Mannes Hause! Und sie küsste sie. Da erhoben sie ihre Stimme und weinten. Ruth aber blieb bei ihr.

Sie aber sprach: Siehe, deine Schwägerin ist umgekehrt zu ihrem Volk und zu ihrem Gott; kehre auch du um, deiner Schwägerin nach.

Ruth antwortete: Rede mir nicht ein, dass ich dich verlassen und von dir weggehen soll.

Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Nur der Tod wird mich und dich scheiden.

Später fand sie einen guten Mann namens Boas und gebar noch einen Sohn, namens Obed, der wurde Vater des Isai, der aber wurde Vater Davids.

Ruth 1,1- 17; 4,13.22

 

Zu den Helden der Menschheit, die uns das Alte Testament überliefert, gehören auch die großen Frauen: Sara, Rebecca, Lea, Rael, Mirjam, die Schwester des Mose und auch Ruth, die Urgroßmutter des David. Ruth singt ein hohes Lied der Treue, das zwar ihrer Schwiegermutter gilt und doch zum Hochzeitswort erster Klasse geworden ist: Ein Weg, eine Bleibe, ein Volk, ein Glaube, eine Zukunft, (ein Konto) ein Grab- inniger kann sich Liebe nicht ausdrücken- Über Volk und Einzelnem steht das Paar, die intensive Befreundung, die nur der Tod zu scheiden vermag.

 

                                                          *            *

 

 

1.Samuel

 

Ein starkes Lied

Hanna und  Elkana hatten keine Kinder. Aber nach viel Warten und Beten wurde Hanna schwanger und gebar Samuel-„ich habe ihn von Gott erbeten“.

Sie jubelte  und sprach:

Mein Herz ist fröhlich in Gott, er hat gemacht, daß ich wieder erhobenen Hauptes dastehe. Niemand ist heilig wie der Herr, außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist.

1.Samuel 1.20; 2,1.2

 

Eine ganz persönliche Not wird gewendet. Und ein jauchzendes Lied findet ins Freie, ein Triumphlied, in das ein Volk seine Not und Rettung mit einzeichnen kann. Es ist ein Heilsruf voller Kraft bis heute.

Die Geburt eines Kindes wird als Schöpfungswerk erlebt. Hanna sieht ihren persönlichen Mangel gewendet, sieht sich als Mitarbeiterin Gottes, als Mitschöpferin. Hat nicht jede Frau, die ein Kind geboren hat, dieses grandiose Gefühl, den Sohn, die Tochter Gottes zur Welt gebracht zu haben? Hanna jedenfalls sieht sich erhoben. Und erlebt sich als Verkünderin des Glanzes Gottes.

 

                                                    *

 

Der das Wechselbad des Lebens anrichtet

Der Bogen der Starken ist zerbrochen, und die Schwachen sind umgürtet mit Stärke. Die da satt waren, müssen um Brot dienen, und die Hunger litten, hungert nicht mehr.

Die Unfruchtbare hat sieben geboren, und die viele Kinder hatte, welkt dahin.

1.Samuel 2,4.5

 

Es ist eine besondere Leidenschaft Gottes, die Erniedrigten aufzuheben. Und die Hungrigen wieder zu sättigen. Starke sollen nicht stark bleiben, schwache nicht schwach. Wandel treibt die Geschichte. Die Mächtigen haben keine Garantien; “ein Wörtlein kann sie fällen“ (Martin Luther). 

Bonhoeffer schreibt, „dass die prinzipielle Aufhebung der göttlichen Gebote im vermeintlichen Interesse der Selbsterhaltung gerade dem Interesse der Selbsterhaltung entgegenwirkt… Es ist so eingerichtet in der Welt, dass die grundsätzliche Achtung der letzten Gesetze und Rechte  des Lebens zugleich der Selbsterhaltung am dienlichsten ist.“ Wird grundsätzlich gesündigt, kommt man zu Fall, unerbittlich, es ist nur eine Frage der Zeit.

 

                                                          *

 

Beides

Der Herr tötet und macht lebendig, er führt hinab zu den Toten und wieder herauf.

Gott macht arm und macht reich; erniedrigt und erhöht.

Er hebt den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten. Denn die Grundfesten der Welt sind sein.

1.Samuel 2,6-8

 

Alle Macht, alle Energien gehören Gott. Leben anrichten, es erhalten und dann auch ausgehen lassen ist seine Sache. Aber er hat keine Freude an Schmerzen, Jammer, Tränen. Seine Leidenschaft ist Freude, Liebe, Gelingen, Entwickeln. Doch der Lauf der Natur zerstört auch, und seine geliebten Menschen können zu Mördern werden. Und es ist seine Natur und es sind seine Menschen.

Gott übernimmt für alles letztlich die Haftung. Der Fluß des Lebens fließt in ihm, alles Grauen fällt auf Gottes Seele. Darum aber hat aller Jammer Hoffnung am Horizont, alle Tränen der Nacht warten auf den neuen Morgen. Es ist Aussicht auf  Besserung. Schon werden viele Arme gerettet. Schon ist viel mehr Freude als Hass, sonst wären wir längst untergegangen. Das kommt davon, daß Gott eine Tendenz zum Guten ins Werden eingesät hat. Diese aufspüren und sie mehren und sie feiern ist unser Auftrag.

 

                                                     * 

 

König Saul

Der Prophet Samuel sprach zu Saul: Gott hat mich gesandt, dass ich dich zum König salben soll über sein Volk Israel.

Nach Jahren der Herrschaft Sauls geschah ein anderes Wort Gottes zu Samuel:

Es reut mich, dass ich Saul zum König gemacht habe; denn er hat sich von mir abgewandt und meine Befehle nicht erfüllt.

Darüber wurde Samuel zornig und schrie zu Gott die ganze Nacht. Dann ging er zu Saul und richtete ihm Gottes Wort aus: Du hast Gottes Weisung verworfen. Weil du sein  Wort verworfen hast, hat er dich auch verworfen, dass du nicht mehr König seiest.

Und Samuel wandte sich um zum Weggehen. Da ergriff ihn Saul bei einem Zipfel seines Rocks; aber der riss ab. Da sprach Samuel zu ihm: Gott hat das Königtum Israels heute von dir gerissen und einem anderen gegeben, der besser ist als du. Und Samuel sah Saul fortan nicht mehr bis an den Tag seines Todes. Aber doch trug Samuel Leid um Saul, weil es Gott gereut hatte, dass er Saul zum König über Israel gemacht hatte.

1. Samuel 15,1.11;23,27.28.35

 

Das  Werden des Königtums in Israel liegt im Dunkeln. Aus den Großfamilien mit ihren Patriarchen wurden Volksstämme mit charismatischen Führern. Etwa 1100- 1000 v.Ch. hatten die Stämme Israels soweit zusammengefunden, dass sie wie die Ländern ringsum, einen Bund unter einem König wollten.

Der erste König Saul war glücklos. Der Prophet Samuel, der eigentlich im Königtum einen Abfall vom einzigen König, Gott allein, sah, hatte widerwillig Saul zum König gesalbt. Als er jetzt diesem die Kündigung überbringen sollte, war ihm Saul ans Herz gewachsen und er haderte mit Gott, fügte sich dann aber doch.

Israel hatte ein einzig inniges Verhältnis zu Gott, Israel konnte mit Gott schimpfen und ihm auch unterjubeln, er sei wankelmütig. Wenn Israel annimmt, Gott könne auch Fehler machen, dann ist es nur menschlich von Gott gedacht, dass ihn auch was reuen kann.

Seit Jesus denken wir da anders drüber. Gott weiß, was aus was wird. Und er will sich nie mehr die Schöpfung des Menschen gereuen lassen. Er steht zu seinem Werk und wird es vollenden. Bis dahin leidet er die Grausamkeiten seiner Menschen und das Leid aller Kreatur mit.

 

                                                      *

 

David wird zum König gesalbt

Gott sprach zu Samuel: Fülle dein Horn mit Öl: Ich will dich senden zu dem Bethlehemiter Isai; denn unter seinen Söhnen hab ich mir einen zum König ersehen.

Und Samuel kam nach Bethlehem. Und sprach: Mein Kommen bedeutet Heil. Kommt mit mir zum Opfer. Und er segnete den Isai und seine Söhne.

Als sie nun kamen, sah er zunächst den Eliab an und dachte: Fürwahr, das ist der Gesalbte.

Aber Gott sprach zu Samuel: Schau nicht auf sein Aussehen und seinen hohen Wuchs. Menschen sehen, was vor Augen ist; Gott aber sieht das Herz an.

Da rief Isai den Abinadab und ließ ihn an Samuel vorübergehen, ebenso seine anderen Söhne. Aber Samuel sprach zu Isai: Gott hat keinen von ihnen erwählt. Aber sag: Sind das alle Knaben? Er aber sprach: Es ist noch übrig der jüngste; der hütet die Schafe. Da sprach Samuel zu Isai: Lass ihn holen; Und als er kam, sprach Gott: Auf, salbe ihn, denn der ist’s.

Da nahm Samuel sein Ölhorn und salbte ihn mitten unter seinen Brüdern. Und der Geist Gottes geriet über David von dem Tag an.

1.Samuel 16, 1-13

Eine Geschichte mit Hintergrund: Schon bald entwickelt sich in Israel ein Königtum der Erbfolge- die Erinnerung entschwand, daß Gott selbst der König Israels sei und sogar als Heerführer dem streitbaren Volk vorausging. Die ersten beiden Könige werden noch erwählt durch den Propheten. Der weiß, wen Gott meint. Doch auch er ist bedroht, durch augenscheinliche Begeisterung. Auch er muss lernen, dass für Gott die inneren Werte zählen.

Hinter der Herde hervorgegriffen wird der später so große David. Es soll eingeschärft bleiben, daß der Mensch zum Helden wird, indem Gott ihn besetzt und begeistert.

„Von Jesse kam die Art“ singt das Weihnachtslied „Es ist ein Ros entsprungen“- Die „Wurzel Jesse“ (Isai) aus Bethlehem weist zurück auf Jesu Vorfahren, die glaubensstarke Ruth, Jakob und Abraham- den „Vater des Glaubens“. Durch Jesu Geburt in Bethlehem wird später klargestellt, daß der irdische  Vater Jesu, Josef, „aus dem Hause und Geschlechte Davids“ stammt, also von weit her gewollt ist.

 

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David kommt an Sauls Hof

Der Geist des Herrn aber wich von Saul und ein böser Geist von Gott her ängstete ihn.

Da sprach Saul zu seinen Leuten: Seht euch um nach Einem, der des Harfenspiels kundig ist, dass er mir spiele, wenn der böse Geist Gottes über mich kommt. Einer der Berater Sauls wusste, daß ein Sohn Isais  Harfe spielen konnte. Man rief ihn und so kam David zu Saul und diente ihm. Und Saul gewann ihn sehr lieb und er wurde sein Waffenträger.

Und  sooft der böse Geist von Gott über Saul kam, nahm David die Harfe und spielte darauf. So wurde es Saul leichter und es ward besser mit ihm und der böse Geist wich von ihm.

1. Samuel 16,14-23

 

Bedrückend ist der Verfall, den ein Mensch erleiden muss, sehenden Auges. Saul weiss um sich. Er fühlt seine guten Kräfte schwinden und dass böse Ängste ihn besetzen. Ist Gott Urheber aller Macht, ist auch böser Geist  aus seinem Schatz- und wenn es nur so ist, daß der gute Geist nachlässt und dadurch die dem Menschen eingegebenen dunklen Instinkte durchbrechen. Wenn alle guten Kräfte von Gott kommen, ist der Mangel guter Kräfte auch von Gott – er bleibt zuständig und verantwortlich. Wahrlich schwer ists- Gott zu sein.

Zu den guten Kräften gehört sicher die Musik. Ein guter Gesang wischt die Angst vom Herzen- schon mitsingen, mitklingen dürfen, verschafft Luft gegen die Erstickung an sich selbst. Luther sagte: „Die Musik ist aller Bewegung des Herzens eine Regiererin. Nichts auf Erden ist stärker, die Traurigen fröhlich, die Fröhlichen nachdenklich, die Verzagten mutig zu machen und die Überheblichen zum Maßhalten zu führen- und  Neid und Hass zu lindern als die Musik.“

                                                       *

 

Immer wieder David gegen Goliat

Die Philister sammelten ihr Heer und auch die Männer Israels unter König Saul rüsteten sich zum Kampf. Da trat aus den Reihen der Philister ein Riesenkerl auf mit Namen Goliat.  Der war mit  Helm, Schuppenpanzer und Bein-Schienen geschützt, er trug einen eisernen Wurfspieß auf seiner Schulter, ein Schildträger ging ihm voran.

Der Riese baute sich vor Israels Heer auf und rief: Erwählt einen unter euch, der zu mir herauskommen soll. Kann er mich besiegen, so wollen wir eure Knechte sein; vermag ich aber über ihn zu siegen, so sollt ihr unsere Knechte sein und uns dienen. Als Israel diese Rede des Philisters hörte, fürchteten sie sich sehr.

Es gab da aber einen Jüngling namens David, Sohn des Isai aus Bethlehem Efrata in Juda. Der hütete noch  die Schafe der Eltern. Einmal brachte er wieder seinen Brüdern, die in den Diensten Sauls standen, zu essen. Und als er sich noch mit ihnen unterhielt, da kam der Goliat herauf und redete Hohn und Spott  gegen  Israel.

König Saul  aber lobte hohe Belohnung aus: Wer ihn erschlägt, den will der König reich machen und ihm seine Tochter geben und will ihm seines Vaters Haus frei machen von allen Steuern.

Da sprach David zu den Männern: Bringt mich vor Saul. Und man brachte ihn zum König.

Und David sprach zu Saul: Wegen dem lasse keiner den Mut sinken; dein Knecht wird hingehen und mit diesem Philister kämpfen. Ich habe als Hirte Löwen und Bären erschlagen, und der Gott, der mich von Löwen und Bären errettet hat, der wird mich auch erretten von diesem Philister. Und Saul sprach zu David: Geh hin, Gott sei mit dir!

Und David nahm seinen Stab in die Hand und wählte glatte Steine aus dem Bach und tat sie in die Hirtentasche, und nahm die Schleuder in die Hand und ging dem Philister entgegen.

Der sprach zu David: Bin ich denn ein Hund, dass du mit einem Stecken zu mir kommst? Und der Philister fluchte dem David bei seinem Gott. David aber sprach zu dem Philister: Du kommst zu mir mit Schwert, Lanze und Spieß, ich aber komme zu dir im Namen des Herrn der himmlischen Heerscharen, den du verhöhnt hast. Heute wird dich Gott in meine Hand geben.

Und er nahm einen Stein aus der Tasche und schleuderte ihn- er traf den Philister so, dass der Stein in seine Stirn fuhr und er zur Erde fiel auf sein Angesicht.

So überwand David den Philister mit Schleuder und Stein und traf und tötete ihn. Als aber die Philister sahen, dass ihr Stärkster tot war, flohen sie alle.

1.Samuel 17 in Auswahl

 

David gegen Goliat –das ist bis heute Muster für das ungleiche, feindliche Paar. Der Riese steht für Macht, der Kleine für Gewitztheit. Der eine für Getöse und große Reden, der andere für Gottvertrauen. David ist auch der Held für steinewerfendes Jungvolk gegen Militär und Panzer; der entgegenstürmende David steht auch  für Partisanen, die große Militärmaschinen überrumpeln. Und David steht für alle, die für eine Überzeugung  streiten; ja, die im Namen ihres Gottes kämpfen.

Fraglich ist, ob David einen oder fünf Steine bei sich hatte- ob er mehrere Versuche veranschlagt oder alles auf eine Karte setzt. Wenn Gott diesen Krieg kämpft, reicht einer, könnte man denken.  Aber auch der zweite oder dritte Versuch kann gesegnet sein.

Diese Geschichte ist auch Modell für das Sich nicht unterkriegenlassen  in aussichtslos scheinenden Lagen. Wenn du glaubst, daß Gott für dich kämpft, dann setz auf Geduld, Vernunft, Entgegenkommen, auf  Argumente statt Waffen. Alle Zukurzgekommenen dürfen immer noch Gott auf ihrer Seite wissen. Da kann ein Wörtlein die Sache wenden. Im Lutherfilm spielte Peter Ustinow den Kurfürsten Friedrich, der  mit Geschick und List und Zeitverzögerung dem großen Kaiser Maximilian  den Mönch abluchste und in die Sicherheit der Wartburg verbrachte. Und so wurde die Reformation.

 

                                                       *            *

 

2.Samuel

 

 

Gottes Verheißung für David und sein Königtum

König Saul  hatte den Krieg gegen die Philister dann aber doch verloren, auch sein Sohn Jonatan war umgekommen. Da wollte Saul nicht mehr leben und stürzte sich in sein eigenes Schwert. David aber hielt Trauer um Saul und Jonatan. Dann wurde er König über Israel und Jerusalem, er wurde groß und mächtig.

Eines Tages, als der König in seinem Hause saß und Gott  ihm Ruhe gegeben hatte vor allen seinen Feinden, sprach er zu dem Propheten Nathan: Das kann doch nicht angehen: Ich wohne in einem Zedernhause , und die Lade Gottes

 steht unter Zeltdecken. Ich will dem Herrn ein Haus bauen.

Aber Gott ließ ihm durch Nathan ausrichten: Wenn deine Zeit um ist und du dich zu deinen Vorfahren schlafen legst, will ich deinem Nachkommen dein Königtum bestätigen. Der soll meinem Namen ein Haus bauen. Dein Haus und dein Königtum sollen beständig sein in Ewigkeit vor mir. Ich will sein Vater sein und er soll mein Sohn sein.

Als Nathan dies dem David gesagt hatte, fiel der König nieder und sprach: Wer, Gott, bin ich, dass du mich bis hierher gebracht hast? Und was soll ich dir noch sagen? Du kennst ja deinen Knecht, Herr, mein Gott. Und du hast dir dein Volk Israel zubereitet, dir zum Volk für ewig, und du bist ihr Gott geworden. Mit deinem Segen wird deines Knechtes Haus gesegnet sein ewiglich.

Aus 2.Samuel 7

 

Das ist ein großes Stück Theologie, ein abschließendes Denkstück  von der Vertrautheit Davids mit Gott und dessen weitreichender Verheißung.

Gut möglich, daß David voll überschäumender Dankbarkeit mal Gott ein großes Haus bauen wollte. Der gute Wille aber wird von Gott selbst vertagt auf den Nachfolger. Eine entscheidende Korrektur wird festgeschrieben: Nicht Gott bekommt ein Haus- höchstens der Name bekommt – eine Schatulle? Dies klärt, daß die Gegenwart Gottes nicht hinter Schloss und Riegel festgesetzt sein kann.

Gott legt sich auch fest auf Israel als Sein Volk- und den König als Seinen Sohn. Der König wird zum Sohn Gottes adoptiert- was später ein Denkmuster für die Gottessohnschaft Jesu abgibt.

 

                                                      *

 

Davids große Schuld

Eines Abends erging sich David auf dem Dachgarten des Königshauses; da sah er gegenüber eine Frau sich waschen; und die Frau war von sehr schöner Gestalt. Und David ließ nach der Frau fragen und man sagte: Das ist Batseba, die Frau des Hauptmanns Uria.

David ließ sie holen und schlief mit ihr. Und die Frau wurde schwanger und ließ David das ausrichten. Da schickte David Nachricht an Joab, den Kommandanten der Truppen, die gegen die Ammoniter im Krieg waren: Gib Uria ein paar Tage frei, daß er sich um seine Frau kümmere, gib ihm Geschenke mit.

Uria ging zwar nach Jerusalem, aber er legte sich schlafen vor der Tür des Königshauses, wo andere Kriegsleute seines Herrn auch lagen, und ging nicht hinab in sein Haus.

Als man das dem David ansagte, ließ er Uria kommen und fragte ihn, warum er es sich nicht gut gehen lasse bei dem kurzen Heimaturlaub. Uria aber sprach zu David: Die Kameraden liegen auf freiem Felde, und ich sollte in mein Haus gehen, um zu essen und zu trinken und bei meiner Frau zu liegen? So wahr Gott lebt: Ich tue es nicht. David aber lud ihn ein, und machte ihn betrunken. Und  trotzdem ging er nicht hinab in sein Haus.

Am andern Morgen schrieb David einen Brief an Joab und sandte ihn durch Uria. Er schrieb in dem Brief: Stellt Uria an die vorderste Front; dort, wo der Kampf am härtesten ist, und zieht euch hinter ihm zurück, dass er erschlagen werde und sterbe.

Als nun Joab die Stadt belagerte, stellte er Uria dorthin, wo er wusste, dass dort eine Übermacht war. Und Uria starb, wie geplant.

Und als Urias Frau hörte, dass ihr Mann Uria tot war, hielt sie Totenklage um ihren Ehemann. Sobald sie ausgetrauert hatte, sandte David hin und ließ sie in sein Haus holen, und sie wurde seine Frau und gebar einen Sohn. Aber Gott  missfiel die Tat, die David getan hatte.

Aus 2. Samuel 11

 

Auch der von  Gott Erwählte ist nicht vor Sünden geschützt. Ja,  bei den großen Lichtern  des Herrn ist auch viel Schatten. Aber Gott geht mit dem Menschen und seiner Last. Es bleibt die Frage, warum  Gott uns in die Falle von Schuld so tappen lässt. Das ist wohl des Menschen Glanz und Elend- dass ihm vorgelegt wird Gut und Böse und er entscheiden muss. Und er kann sein Leben ändern, kann ein anderes Leben erhalten, wenn er imstande ist, mit seinem ersten Leben gründlich aufzuräumen.  Aber das bekannte Unglück ist einem näher als das unbekannte Glück. Darum bleiben wir meist, die wir sind.

An David zeigt sich die Versuchung der Macht. Er ist gierig, die Frau sich zu Willens zu machen; die Liebesnacht wird vom Schicksal, von Gott zur Zeugung genutzt. Der im Krieg weilende Ehemann wird nach Haus beordert, ein Lieben der Eheleute soll den Seitensprung vertuschen.  Der Mann  will aber keine Vorzugsbehandlung, er geht nicht nach Hause- so wird er leider umgebracht- und transportiert vorher unwissentlich den ihn betreffenden Mordbefehl.

Und der Feldherr kuscht und die Frau kuscht und der König feiert nach der Schamfrist Hochzeit mit der Witwe des Ermordeten.

Gut, dass Gott weiss. Wäre Gott nicht, wäre alles erlaubt, so Dostojewski. Aber Gott missfiel… ist die Rettung.

 

 

Nathans Strafrede.

Und Gott sandte den Propheten Nathan zu David. Der sprach zu ihm: Höre zu:  Es waren zwei Männer in einer Stadt, der eine reich, der andere arm.

Der Reiche hatte viele Schafe und Rinder; aber der Arme hatte nichts als ein einziges kleines Schäflein. Das nährte er, auf dass es groß würde zugleich mit seinen Kindern. Es aß von seinem Bissen und trank aus seinem Becher und schlief in seinem Schoß und er hielt’s wie sein Kind.

Als aber zu dem reichen Mann ein Gast kam, brachte er’s nicht über sich, von seinen Schafen und Rindern zu nehmen, um dem Gast etwas zuzurichten- sondern er nahm das Schaf des armen Mannes und richtete es dem Mann zu, der zu ihm gekommen war.

Da geriet David in großen Zorn über den Mann und sprach zu Nathan: So wahr Gott lebt: Der Mann ist des Todes, der das getan hat!

Da sprach Nathan zu David: Du bist der Mann!

So spricht Gott: Es soll von deinem Hause das Schwert nimmermehr lassen und auch dir soll die Frau genommen werden. Da sprach David zu Nathan: Ich habe gesündigt gegen Gott.

Nathan sprach dann zu David: So hat auch Gott deine Sünde weggenommen; du wirst nicht sterben. Aber weil du die Ungläubigen durch diese Sache zum Lästern gebracht hast, wird der Sohn, der dir geboren ist, des Todes sterben.

2.Samuel 12,1-14

 

Grandios ist Nathans Bußpredigt- ein Muster an Entlarvung Der eben noch meinte, Richter zu sein, erkennt sich als Täter. Sein Richtspruch trifft ihn selbst. David bekennt sich schuldig und bereut. Er übernimmt Strafe.

Das Sterben des Kindes als Strafe ist uns nicht nachvollziehbar. Aber die Früheren billigten dem Kind noch keinen Eigenwert zu. Die Frau war noch Besitz des Mannes und das Kind Besitz des Vaters. Erst in längerem Umgang Gottes mit den Menschen wird erkennbar, daß die Würde jedes Menschen unantastbar ist.

 David führte Krieg um Krieg, er gründete das Königreich Israel, mit „seiner“ Stadt Jerusalem als Mittelpunkt und Klammer der beiden Reiche Israel und Juda. Israel hatte eine Ausdehnung die nie mehr überboten wurde, was Grund war für die später immer wieder aufflammende Sehnsucht nach der Wiederkunft eines neuen Davids.

Die Söhne Amnon und Absalom starben. Nach langem Zögern in hohem Alter setzt er seinen Sohn Salomo als Nachfolger ein. Dessen heilsames Singen und Saitenspiel war berühmt, viele Psalmen sollen auf ihn zurückgehen. Von ihm gilt wohl: Glücklich, wer sich Glücken geschehen lässt.  

 

                                           *                 *

 

 

1.Könige

 

Salomo hat Gott lieb

Und Salomo nahm die Tochter des Pharaos von Ägypten zur Frau und brachte sie in die Stadt Jerusalem. Aber es brauchte  noch viel Zeit, bis er sein Haus und Gottes Haus und die Mauer um die Stadt gebaut hatte.

Salomo aber liebte Gott. Und Gott  erschien Salomo im Traum des Nachts und sprach: Bitte, was ich dir geben soll! Salomo sprach: Ich bin noch jung und ahnungslos. Gib du deinem Knecht ein gehorsames Herz, damit er dein Volk lenken könne und verstehe, was gut und böse ist.

Das gefiel dem Herrn gut. Und Gott sprach zu ihm: Du bittest klug. So gebe ich dir ein weises Herz Und dazu gebe ich dir, worum du nicht gebeten hast, nämlich Reichtum und Ehre.

Und wenn du in meinen Wegen wandeln wirst, also  meine Gebote hältst, so werde ich dir ein langes Leben geben.

Und als Salomo erwachte, siehe, da war es ein Traum. Und er kam nach Jerusalem und trat vor die Lade des Bundes des Herrn und opferte Brandopfer und Dankopfer und machte ein großes Festmahl.

1.Könige 3, 1-15

 

König Salomos Regierungszeit von 962-926 war Israels große Zeit. Salomo muß wohl klug und fromm gewesen sein- eine glückhafter Mischung. Klugheit lehrt, die Wirklichkeit zu nutzen in den Grenzen des Erlaubten. Die Gebote sind ihm Leitlinien für gelingendes Leben. Großmut und Dankbarkeit gegen Gott und das Leben zeichnen ihn aus. Er kann Dienen und Genießen zusammenhalten, kann leuchten ohne zuviel Schatten zu werfen. Seine Weisheit ist sprichwörtlich geworden.

 

                                                       *

 

Salomos Urteil

Es kamen zwei Frauen mit einer Klage zu König Salomo. Und die eine sprach: Ach, mein Herr, ich und diese Frau wohnten in einem Hause und ich gebar dort.

Drei Tage später gebar auch sie. Und der Sohn dieser Frau starb in der Nacht; sie hatte ihn im Schlaf erdrückt. Sie stand in der Nacht auf und nahm meinen Sohn von meiner Seite, als deine Magd schlief, und legte ihn in ihren Arm, und ihren toten Sohn legte sie in meinen Arm.

Und als ich des Morgens aufstand, um meinen Sohn zu stillen, siehe, da war er tot. Aber ich  sah ihn genau an, und ich erschrak- es war nicht mein Sohn, den ich geboren hatte.

Die andere Frau sprach: Nein, umgekehrt: mein Sohn lebt, doch dein Sohn ist tot. Und jene: Nein, dein Sohn ist tot, doch mein Sohn lebt. Und so redeten sie vor dem König.

Und der König sprach: Diese spricht: Mein Sohn lebt, doch dein Sohn ist tot; Jene spricht: Nein, dein Sohn ist tot, doch mein Sohn lebt. Holt mir ein Schwert! Und als das Schwert vor den König gebracht wurde, sprach der König: Teilt das Kind in zwei Teile und gebt dieser die eine Hälfte und jener die andere.

Da sagte die eine Frau: Ach, mein Herr, gebt ihr das Kind und tötet es nicht!  Da antwortete der König und sprach: Nimm das Kind. Du bist seine Mutter.

Und ganz Israel hörte von dem Urteil, das der König gefällt hatte, und sie achteten mit Ehre den König; denn sie sahen, dass die Weisheit Gottes in ihm war.

1.Könige 3,16-28

 

Vernunft und gesunder Menschenverstand, Menschenkenntnis und hellsichtige Wachheit sind Gaben Gottes- König Salomo wurde weise genannt, Seine Sprüche, seine Sentenzen und diese Geschichte machten ihn weltberühmt.

Zwei Frauen streiten um ein Kind, beide geben sich als die Kindsmutter aus.  Im „Kaukasischen Kreidekreis“ (nach Bert Brecht) sollen die Mütter eine Entscheidung herbei führen, indem sie eigenhändig das  Kind zu sich zerren sollen. Ob Schwert oder Reißen- eine Frau gibt nach: Lieber will sie verzichten als dem Kind Leid zufügen.  Und der weise König ernennt sie zur wahren Mutter.

Damit ist ein Grundsatzurteil zugunsten des Kindes gefällt: Mutter ist, wer mütterlich mit dem Kind umgeht, nicht unbedingt die, die geboren hat. Nicht Fleisch und Blut sondern die Liebe macht einander verwandt.

Das ist die zweite Schwächung des Blut- und Bodenrechtes der Urzeit. Vorangegangen war schon das Verbot des Kindesopfers. Abraham darf den Sohn Isaak nicht opfern, selbst wenn er den Befehl dazu von seinem Gott erhalten haben sollte; das ist Gottes Auftrag. Also dürfen die Väter auch nicht mehr die Söhne in ihren Krieg schicken.    

Sowohl bei Abraham als bei Salomo fängt die Erkenntnis an zu keimen: Die Eltern sind für die Kinder da, die Gegenwart soll der Zukunft Chancen einräumen. Ein weites Feld.

 

                                                      *

 

Salomo baut den Tempel

Salomo war Herr über alle Königreiche vom Euphratstrom bis zum Philisterland und bis an die Grenze Ägyptens. Er hatte Frieden mit allen seinen Nachbarn ringsum, Juda und Israel wohnten sicher, jeder unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum, Und Salomo ging daran, dem Namen des Herrn, seines Gottes, ein Haus zu bauen.

Es wurde sechzig Ellen lang, zwanzig Ellen breit und dreißig Ellen hoch, dazu eine Vorhalle und Umgang mit  Seitengemächern. Salomo überzog das Haus innen und außen mit reinem  Gold.

Auch ließ Salomo alles Gerät machen, das zum Hause Gottes gehörte: den goldenen Altar, den goldenen Tisch, auf dem die Schaubrote liegen. Zwei goldene Cherubim spannten ihre Flügel aus von einer Wand zur andern.

Dann versammelte der König die Häupter der Stämme und Obersten der Sippen in Israel nach Jerusalem, um die Lade des Bundes einzubringen ins  Allerheiligste, unter die Flügel der Cherubim. Und es war nichts in der Lade als nur die zwei steinernen Tafeln des Mose, die er hineingelegt hatte am Horeb, die Tafeln des Bundes, den Gott mit Israel schloss, als sie aus Ägyptenland gezogen waren.

Aus 1.Könige 5-8

 

Der erste jüdische Tempel war ein Werk edler Baukunst und ehrfurchtgebietender Ausstrahlung. Er löste die vielen kleinen Kultstätten im Land ab und gab den zentralen Ort für den blühenden  jüdischen Glauben. An diesem Zentrum  wuchs in enger Bindung ans Königshaus eine starke Kaste der Priesterschaft. Neben Gottesdiensten und Opferhandlungen war die Rechtsauslegung beim Tempel angesiedelt. Eine  wissenschaftliche Elite erstellte, kopierte, sammelte die Heiligen Schriften und stritt um die Theologie- das rechte Verständnis von Gottes Geschichte mit den Menschen  und um das rechte Menschsein im Alltäglichen. Später ging es immer mehr um die korrekte Anwendung der Gebote. Vor allem durch immer genauere Unterscheidung von rein und unrein hoffte Israel das besondere Rechtsverhältnis mit Gottes sichern zu können. Die Propheten kämpften bald für einen Herzensgehorsam, jenseits von  opernhaft dargebrachten Opfern.

 

                                                        *  

 

Wo wohnt Gott

Bei der Weihe des Tempels erfüllte eine Wolke das Haus des Herrn- die Herrlichkeit Gottes erfüllte das ganze Haus. Aber Salomo sagte: Die Sonne hat der Herr an den Himmel gestellt, von sich aber hat er gesagt: (zu Mose im 2. Buch Mose, 20,21): „Ich will im Dunklen wohnen“.

Sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können ihn nicht fassen - wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe. Und zu Gott sprach er: Lass deine Augen offen stehen über diesem Hause Tag und Nacht.

Sei mit uns, wie du mit unsern Vätern und Müttern gewesen bist. Verlass uns nicht und ziehe die Hand nicht ab von uns. Neige du unser Herz zu dir, dass wir wandeln in deinen Wegen und halten deine Gebote. Ungeteilt sei unser  Herz bei dem Herrn.

Aus 1. Könige 8

 

Christen gehen von der Anwesenheit Gottes speziell in seiner Gemeinde aus, das Wort Jesu im Sinn: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen (Matthäus 18,20). Das nimmt aber nichts weg von der Allgegenwart Gottes. Die Herrlichkeit Gottes kann bei uns sein und  kann gleichzeitig woanders auch voll da sein. Salomo wehrt mit seiner Mahnung „alle Himmel können Gott nicht fassen“, die volkstümliche Vorstellung ab, daß der Tempel die ausschließliche Wohnung des Herrn sei. Wir können die Anwesenheit Gottes nicht auf einen Ort festlegen, als  throne  er auf der Bundeslade mit den Zehn Geboten. Er steckt in den Buchstaben der Bibel und in Brot und Wein und im summenden Bienenkorb. Gott ist in seiner Schöpfung; das Himmelszelt und die Schönheit der Rose, auch die vergehende, hat was von Gottes Wesen.  Aber für Israel hat der Tempel eine einzigartige Bedeutung: An der Klagemauer, dem Rest des zweiten zerstörten Tempels, weiß sich jeder Jude, jede Jüdin nah an Gottes Ohr.

 

                                                                     *

 

Elia der Große

Prophet  Elia verkündete dem König Ahab : Wegen eures Götzendienstes entzieht euch der wahre, der einzige Gott den Regen, ein  ganzes Jahr lang. Dann floh Elia. Gott hatte ihm geboten, zum Bache Krit zu gehen, der werde Wasser bereit haben für Elia und Raben würden ihn versorgen.

1.Könige 17,1-3

 

 

Es war 100 Jahre nach dem Tempelbau in Jerusalem: Israel ist groß geworden und hat sich weite Teile von Kanaanäer-Land unterworfen. Dort aber, auf dem Land, glaubte man noch an  Baalsgötter, die in Zeugen und Gebären ihren angestammten Offenbarungsort hatten. Elia aber war berufen, den Glauben an den Gott Israels auszubreiten. Der ist auch Schöpfer, aber vor allem ein Fordernder, ein Erziehender: Die Gebote sollen das Volk zu einem Gottesstaat heranentwickeln.

Elia bleibt Israel im Gedächtnis als rigoroser mächtiger Gottesstreiter. Er muss Gott klar auf seiner Seite gewusst haben, darum hat er für den wahren Glauben so geberserkert. Drei Geschichten zeigen den Weg der Erkenntnis Elias: Es ist der Weg vom herrischen zum behutsamen Gott und vom Gewalt- Propheten zum meditativen Schweiger.   

Elia muss fürchterliche Dürre ansagen vom strafenden Gott,  wird aber selber wunderbar erhalten.

 

                                                        *

 

Dann kam das Wort des Herrn zu ihm:

Mache dich auf und geh nach Zarpat - ich habe dort einer Witwe geboten, dich zu versorgen. Und er machte sich auf und ging hin. Doch die Witwe sagte: Ich habe nur eine Hand voll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. Ich will ein letztes Brot backen, das wir essen - und sterben.

Elia sprach zu ihr: Fürchte dich nicht! So spricht der Gott Israels: Das Mehl im Topf soll nicht ausgehen, und dem Ölkrug soll nichts mangeln bis auf den Tag, an dem der Herr wieder regnen läßt. Und sie buk. Und der Mehlvorrat wurde nicht verzehrt, und dem Krug ging das Öl nicht aus  – wie Elia es gesagt hatte.

1. Könige 17, 10-13

 

Gott kann aus nichts was machen- und seinen Getreuen soll die Hoffnung nicht ausgehen. Es sollen seine Geliebten nicht  hungern.  Die Wehmut ist groß, wenn die Hoffnung doch versiegt. Das mobilisiert in Elia Kräfte; er sagt Nahrung zu, gegen den Augenschein der leeren Töpfe wettet er auf  Rettung. Wir müssen auch bis zum letzten Augenblick auf Rettung setzen und uns in diese Richtung mühen mit allen Kräften.

 

                                                 *

 

Versuchen zu heilen

Und der Sohn der Witwe wurde krank, so sehr, dass kein Atem mehr in ihm blieb. Und sie sprach zu Elia: Was hab ich mit dir zu schaffen, du Mann Gottes?

Er sprach zu ihr: Gib mir deinen Sohn! Und er nahm ihn von ihrem Schoß und ging hinauf ins Obergemach, wo er wohnte, und legte ihn auf sein Bett und rief Gott  an: Mein Gott, was tust du der Witwe, bei der ich ein Gast bin, so Böses an?

Und er legte sich auf das Kind drei Mal und rief Gott  an und sprach: Lass Leben in dies Kind zurückkehren! Und Gott erhörte die Stimme Elias und das Kind  wurde wieder lebendig.

1. Könige 17, 17-21

 

Vom Leid überhäuft werden –das kann gerade auch Menschen treffen, die Gottes nahe Mitarbeiter sind. Und Helfer scheinen ohnmächtig. Elia wird der Witwe unheimlich. Erst beschafft der die Güte Gottes in Gestalt des nicht ausgehenden Brotes. Und dann scheint er nichts mehr zu können, oder schlimmer noch- ist er einer, an dem man sich verbrennt?

Elia verzweifelt über den Tod des Knaben. Er sieht die Willkür eines Gottes, der mit der einen Hand schenkt, mit der anderen nimmt. Und will dies Gottesbild nicht mehr. Will nicht mehr Prophet eines gut-bösen, bös-guten  Weltenherrschers sein, er kämpft mit ihm. Er identifiziert sich mit dem Toten, will ihn wiederbeleben. Tatsächlich kehrt Leben in das Kind zurück. Es ist, als wandele sich  hiermit das Gottesbild: Es kann nicht sein und  wir dürfen es nicht mehr denken, daß Gott mutwillig  ein Kind sterben macht. Gott tut nichts Böses. Gott lässt die in die Schöpfung gelegten Regeln geschehen, schmerzliche Komplikationen eingeschlossen. Aber wir sollen bis zum Erweis des Gegenteils auf Rettung setzen und in diese Richtung wirken.

 

                                                      *   

 

 

Das Gottesurteil auf dem Karmel

Elia erhielt den Auftrag: Versammle zu mir ganz Israel auf den Berg Karmel und auch die heidnischen Propheten. Und als sie versammelt waren, trat Elia vor das Volk und sprach: Wie lange hinkt ihr auf beiden Seiten? Was neigt ihr euch mal Gott zu, mal zu den Götzen. Entscheidet euch. Tut die Götzen und ihre Diener von euch.

Hilfe zur Entscheidung liefere ein Gottesurteil: Wir wollen zwei Stieropfer bereiten  und wollen sehen, welches Feuer fängt vom Himmel. Und die Priester  Baals schrien vom Morgen bis zum Mittag: Baal, erhöre uns! Aber es war da nicht Stimme noch Antwort.

Da sprach Elia zu allem Volk: Kommt her zu mir! Und rief  Gott an: Du, Gott Abrahams, Isaaks und Israels, lass heute kundwerden, dass du Gott bist und ich dein Knecht. Da fiel Feuer des Herrn herab und entzündete das Brandopfer.

Und  alle  fielen auf ihr Angesicht und sprachen: Der Herr ist Gott, der Herr ist Gott!

Elia aber sprach zu ihnen: Greift die Propheten Baals, dass keiner von ihnen entrinne! Und der Himmel wurde schwarz von Wolken und Wind und es kam ein großer Regen.

Aus 1.Könige 18

 

Aus weiter Ferne gesehen wird Elia zum grandiosen Gottesstreiter. Aber gerade seine Machtdemonstrationen haben das alttestamentliche Gottesbild entstellt. Und haben Zauberei und die heillose Praxis der mittelalterlichen Gottesurteile befördert.  Man sollte diese Geschichte lesen als Museumsstück aus der Frühzeit des Glaubens. Da meinte man, Gott sei versehen mit  Machogehabe wie die anderen Götter im Umfeld Israels. Doch im Laufe der Geschichte Israels stellte Gott sich in anderen Bildern vor.  Und ließ erkennen, daß er seine Sache nicht durch Machtspielchen betreibt.

Das Schlachtfest des Elia am Berg Karmel lebt noch aus dem alten götzenähnlichen Gottesbild. Schon in der nächsten Geschichte gibt es eine völlige Abkehr von den alten göttlichen Gewaltpraktiken.

Vermutlich hat Elia einen Gegenzauber angewandt Er entkräftet die Götzenmacht, er beweist, daß die Macht der Priester hohl ist, beweist, daß er im Dienst des einzig mächtigen Gottes steht.

Die Bekehrung geschieht in zwei Stufen: Erst wird die böse Magie von der guten Magie besiegt, etwa im Urteil am Karmel. Man geht dabei aber nur von einem Raum der Angst in den anderen Raum der Angst, man bleibt magisch gebannt. Dann aber streicht der Glaube die ganze Furcht vor böser oder guter Magie durch: Gott ist das einzige rechtmäßige  „Objekt“ unserer Ehrfurcht, wir verlassen uns darauf daß er uns vor jeder Magie abschirmt. –Diese Klärung musste aber immer neu erkämpft werden. Der Abschied von der (guten) Magie- etwa verkörpert in der geweihten Hostie- gelang erst im Gefolge der Reformation. Und immer noch müssen wir uns magischer Praktiken erwehren, indem wir sie einfach für uns als ungültig und taub erklären, weil wir unter Gottes Schutz uns wissen.

 

                                                          *

 

Elia am Horeb

Königin Isebel sandte einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mich vernichten, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast!

Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort.

Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, Herr meine Seele; ich bin auch nicht besser als meine Eltern.

Und er legte sich hin und schlief unter dem Wacholder. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss! Und er sah sich um, und siehe, da lag ein Laib Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen.

Und der Engel des Herrn kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir. Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.

1.Könige 19,1-8

 

Elia hat genug von der Spirale der Gewalt. Das soll sicher auch Zeichen sein, daß auch Gott der Gewalt müde ist. (Wir Heutigen müssen ja dran denken, daß das blutrünstige Gottesbild letztlich durch Jesus Christus abgeschafft wurde- und doch meinen heute noch Christen,  Gott zu dienen, wenn sie die Todesstrafe verhängen oder Kreuzzüge für den Sieg des Guten ausrufen). Elia will nicht noch ein Gottesurteil herausfordern. Statt sich mit blanker Brust der Königin ans Messer zu liefern und dann wohl unter Blitz und Donner  Sieger zu bleiben- will er lieber sterben. Er will nicht mehr der Draufhauer eines Oberdraufhauers namens „Gott“ sein. Er will auch nicht mehr der Logik folgen, er versichere sich seiner Reinheit, indem er gegen den Schmutz kämpft; er erschauert vielleicht auch vor seiner eigenen Gewaltlust. Und wird erschrecken beim Gedanken, daß seine Gewalt neue Gewalt sät.

Aber Gott braucht ihn genau für die Verwandlung des Gottesbildes hin zum großherzigen, guten Gott, die in Jesus vollständig wird. Dazu rüstet ihn ein Engel mit Himmelsbrot. Manchmal braucht man einen zweiten Ruck, um wach zu werden. Gott legt uns eine Last auf, aber er  hilft uns auch tragen (Psalm 68,20). Das Mahl, das vierzig Tage Kraft gibt, ist ein Symbol für Gottes Schutz in allem Schweren.

 

                                                       *

 

Gott kommt leise

Elia blieb über Nacht in  einer Höhle. Und Gott sprach ihn an: Was machst du hier, Elia?

Er sprach: Ich habe geeifert für dich, den großen, einzigen Gott. Aber  Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet und ich bin allein übrig geblieben, und sie trachten auch mir nach dem Leben.

Der Herr sprach: Geh heraus und tritt hin auf den Berg. Dort will ich dir erscheinen. Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam von Gott her. Aber der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm aber kam ein Erdbeben; aber der Herr war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der Herr war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen.

Als das Elia vernahm, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und bedachte das Ganze.

1.Könige 19,9-13

 

Elia hatte Sturm, Feuer, Erdbeben entfacht, hatte Wasserfluten herabgerufen- uns sie waren gekommen als Boten Gottes. Die Naturmächte galten nicht nur als vom Herrn geschickt sondern als Äußerungen Gottes, in denen er sich auf sein Volk stürzte um es zur Vernunft zu bringen. Aber was hat es genützt?

Elia ist der Machtdemonstrationen müde, er hat eigenhändig die Götzendiener umgebracht, aber statt dies als Bevollmächtigung des Propheten zu lesen und als Strafgericht des Herrn hinzunehmen, ist Elia jetzt allein und dem Tod ausgesetzt. Gott hätte dem Müden ein Feuerwerk  der Lebensfreude aufführen können. Oder noch mal seine Mächte tanzen lassen. Aber sie erschienen nur mit Minuszeichen, „hier ist Gott nicht drin“- riefen die Naturgewalten. Gott soll nicht mehr gesucht sein in  Blitz oder Flut oder Freudengeheul. Gott will im Stillen vernommen werden, im  Zarten, im Lächeln des Säuglings, im Streicheln, im Flüstern, im Auf- und Abblühen, in Sprache. Gott will erlauscht sein. Das eröffnet ein neues Wissen vom Göttlichen. Das weist auf die behutsame Klarheit des Jesus hin.

 

                                                   *         

 

Prophetenwechsel

Und Gott gebot ihm: Salbe Elisa aus Abel-Mehola zum Propheten an deiner statt. Und Elia fand Elisa, den Sohn Schafats, als er pflügte. Und Elia ging zu ihm und warf seinen Mantel über ihn. Der ließ die Rinder zurück und folgte Elia nach.

Aus 1.Könige 19, 15- 21

 

Mit uraltem Ritus bestimmt der Prophet seinen Nachfolger: Der derzeitige Prophet hört von seiner Abberufung durch Offenbarung des Namens des neuen. Und da gibt es kein Zaudern: Der Prophetenmantel hat die Macht der Wahrheit an sich- wem er übergeworfen wird, der ist der Würdenträger und Wahrsager, der ist fortan ummantelt von Gottesgeist. Ein Recht auf Widerspruch ist nicht vorgesehen. Der Ritus der Einkleidung versinnbildlicht die Idee des Amtes: Das Amt bekleidet den an sich Unwichtigen mit „Amtsgnade“. Die Volksweisheit  „Kleider machen Leute“ unterstreicht die Verwandelmacht der Erwartung. Zutrauen verschafft Ansehen, Ansehen Macht.

 

                                                     *

 

Nabots Weinberg

Ein Mensch mit Namen Nabot hatte einen Weinberg bei dem Palast Ahabs, des Königs von Samaria. Und Ahab redete mit Nabot und sprach: Gib mir deinen Weinberg; ich will mir einen Garten daraus machen, weil er so nahe an meinem Hause liegt.

Aber Nabot sprach zu Ahab: Ich will nicht  meiner Väter Erbe zu Geld machen.

Da kam Ahab heim voller Unmut und klagte seiner Frau Isebel: Nabot will mir seinen Weinberg nicht verkaufen, er lässt nicht mit sich reden. Da sprach seine Frau Isebel zu ihm: Du bist doch König über Israel! Ich werde dir den Weinberg Nabots verschaffen.

Und sie schrieb Briefe unter Ahabs Namen und versiegelte sie mit seinem Siegel und sandte sie zu den Ältesten und Oberen. Und sie schrieb: Schafft uns Nabot vom Hals. Und sie  taten, wie ihnen Isebel aufgetragen hatte: Sie  verklagten Nabot wegen Königsbeleidigung und steinigten ihn.

Als Ahab hörte, dass Nabot tot war, stand er auf, um hinabzugehen zum Weinberge Nabots, um ihn in Besitz zu nehmen. Da kam das Wort Gottes  zu Elia. Und der tat, wie ihm aufgetragen war: Er ging zum König, sagte ihm auf den Kopf zu: So spricht Gott: Du und deine Frau haben Unrecht getan vor dem Herrn. Du hast gemordet, dazu auch fremdes Erbe geraubt! An der Stätte, wo Hunde das Blut Nabots geleckt haben, sollen Hunde auch euer Blut lecken. Der Herr hats gesagt.

Aus 1. Könige 21

 

Eine frühe Brandrede gegen Tyrannenwillkür und die Droge Macht. Schmerzlich ist die Erfahrung, dass Obrigkeiten immer welche finden, die willfährig sich die Hände für sie schmutzig machen.  Zur Unterwürfigkeit gelockt wird durch die Aussicht  auf Kumpanei und Einfluss. Was retten kann, ist, für Recht und Gerechtigkeit einzutreten, auch  durch Kontrolle von Macht.-  Gottes Gebote sind eine große Heilstat- sie stehen dafür, daß Recht vor Macht geht.

 

                                                           *

 

Elia und der feurige Wagen

Elia ging mit Elisa. Sie wussten, daß die Erdenzeit für Elia zu ihrem Ende kommt.

Und als sie noch miteinander redeten, da kam ein feuriger Wagen mit feurigen Rossen, die schieden die beiden voneinander. Und Elia fuhr im Sturm gen Himmel. Elisa aber sah es und schrie: Mein Vater, mein Vater, du Wagen Israels und seine Reiter- und sah ihn nicht mehr.

Aus 2.Könige 2

 

In einer Art Himmelfahrt wird Elia von hier entrafft- eine grandiose Ehrung für diesen Gottesstreiter. Kein Grab, kein Verwesen, sondern von hier nach da in einem Nu, auffahrend  mit Flügeln wie Adler, eingeholt vom Himmel im Sonnenwagen mit feurigen Rossen-  ein leuchtendes Traumbild, wie Gott uns in sein Reich holt.

Ob wir  auch mal so von hier abgeholt werden, so leicht sich unsere Seelen von hier lösen? Auch wenn unser ausgedienter Körper hier bleibt- unser Ich wird emporgehoben und verwandelt. Mögen einige derer, die zurückbleiben, uns eine Träne nachweinen. Es braucht nicht so rauschend sein wie bei Elia, aber einigen sollen wir wichtig gewesen sein, das wäre schön.

 

                                             *                *

 

 

Hiob

Leid ist nicht Strafe, nicht Prüfung. Leid ist Mangel                                                                   Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, gelobt sei der Name des Herrn.                                                                                                                 Hiob 1,21                                                                                                                                               Der Dulder Hiob beschließt, sein Leid nicht empört Gott vorzuwerfen, er willfährt seiner Frau nicht. Diese schmeißt den Glauben von sich nach dem Tod der Kinder und dem Verlust aller Habe. Als Hiob dazu noch geschlagen wurde mit Geschwüren von der Fußsohle bis zum Scheitel, da rät sie ihm zu kurzem Prozess: Was hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Sag Gott ab und stirb (2,9).                                                                                                                  Hiob aber antwortet: „Haben wir Gutes empfangen von Gott, sollten wir das Böse nicht auch annehmen?“ (Hiob 2,10). Erst als die Freunde dem beladenen Hiob vorrechnen: Wo Leid ist, da ist Strafe, wo Strafe ist, ist Schuld - da bäumt sich Hiob auf: Weh euch, die ihr meint, Gott in eurer Faust zu führen! (12,6) Wohl wahr, in seiner Hand ist die Seele von allem, was lebt (12,10), sein ist die Kraft und die Einsicht, sein ist der irrt und irreführt (12,16). Aber wenn er mich strafte, dann hätte er Unrecht (19,6). Ich rufe Gott als Anwalt gegen einen Strafgott.

Hiob erfährt, dass durch Elend hindurch Gott rettet. Wenn man auch durch finsteres Tal hindurch muss, so ist das Elend nicht verhängt als Strafe. Leid - also Strafe, also Schuld- diese Logik zerbricht an Hiob. Und an Hiob wird hinfällig auch das zweite Argument: Leid käme über uns als Glaubensprüfung. Den Freunden, die meinen, Gott zu verteidigen, schleudert er entgegen: Wollen eure leeren Worte denn kein Ende nehmen? Ihr seid mir allzumal leidige Tröster (Hiob 16,3.2).

Die alte Geschichte geht ja so: Gott testet mittels einer hinterhältigen Figur, ob Hiob nur an guten Tagen an Gott glaube. Aber Hiob hält das für abgetanen Theologenmüll: Es ist doch auf der Hand: Was ist der Mensch, dass du ihn groß achtest, und dich um ihn bekümmerst? (7,17) Habe ich gesündigt, was tue ich dir damit an, du Menschenhüter? Ich bin mir doch selbst zur Last, lass meine Schuld dahingehen, denn gar bald fahr ich zur Grube (7,20 f).
Ja, wirklich, was gibt es da groß zu testen? Wir sind doch hinfällig, versuchbar bis dort hinaus, wenn Gott uns versuchen wollte, wie sollte einer bestehen? - Wie sollte etwas bleiben, wenn du nicht wolltest? Oder wie könnte sich halten, was du nicht gerufen hättest? (Weisheit 11,25).

Leid auflegen zur Strafe? Mittels Hiob scheitert diese Theorie. Es ist viel Leid in der Welt und ist nicht Strafe - meist sind es die Folgen unseres Tuns. Und das Leid ist nicht Materialprüfung. Gott weiß, was für ein Gebilde wir sind. Er weiß, dass wir vom Staub genommen sind (Psalm 103,14). Aber sein Geist hilft unserer Schwachheit auf (Römer 8,26).

Hiob ist die Kunstfigur eines begnadeten Dichters.  Der von Gott, hilfsweise von einem Chefteufel, bis aufs Blut geprüfte Mensch, wird wegen seiner Glaubenstreue zuletzt hoch erhoben. Das ist starke alttestamentliche Überzeugung.

Tausend Jahre später ereignet sich Jesus Christus. Er sieht sich nicht von Gott geprüft- sondern seine Passion ist ihm der einzig mögliche Weg, gegen die Herren der Welt seine Gottesgewissheit zu leben. Allgemein rät Jesus, im Windschatten von Klugheit und Gnade  zu bleiben. „Ich bin nicht zum Richten sondern zum Retten da“ (Johannes 12,47).  Genau so Gott.

Ihn sich vorstellen als „Riesin“,(wie im Gedicht : Das Riesenspielzeug“ von Adalbert v.Chamisso) die mit den Menschen rumfuhrwerkt, Steine in den Weg legt und schaut, wie sie sich  bewähren- das ist Ausfluss einer verängsteten Seele.  Ja, es kann sein, daß ich mich ans Schicksal so ausgeliefert sehe wie ein Maikäfer, den rohe Jungen zappeln lassen. Es kann sogar sein, daß einen die Angst so schluckt, daß ich mich für einen auf dem Rücken liegenden Käfer halte.

 Hiob ist der heroisch leidende Mensch, der das falsche Gottesbild anklagt- und eigentlich gerechter, liebevoller, treuer scheint als (der alte) Gott selbst, der in seiner  Allmacht wie ein Marionettenspieler die Puppen tanzen lässt. Und von genau diesem Gottesbild hat sich Jesus losgesagt. Für Jesus ist Gott alle Energie und alle Liebe- beides, alle Macht- auch die von Menschen missbrauchte und alle Liebe, auch die von Menschen einander gewährte. Dass letztlich die Liebe die Macht überwindet, und Gott als Erlöser uns aufscheint, hat Jesus uns vorgewusst.

Die Freunde Hiobs sind noch ganz befangen im „iustaljon“-Rechtssatz, „Wie du mir, so ich dir“ – und dem dazu  passenden Gottesbild: Dem Frommen soll seine Güte  belohnt sein; wem es schlecht geht, der büßt sicher eine Strafe ab. Erst Jesus treibt uns in ein Wissen vom liebevollen Gott, der noch leidet an und mit seiner Schöpfung; aber sein Reich lässt er auf alle Fälle kommen. Hiob hat auch schon einen Schimmer dieser Ahnung. Gegen den strafenden und belohnenden Richtergott appelliert er an den großmütigen Gott, der  ihn letztlich aus dem Staub erheben wird. 

 

Etwas von dieser Zuversicht brauchen wir alle: Vor uns Heil und Frieden für unsere wunden Seelen. Und „Licht wird nach und nach über das Ganze aufgehen“ (Ludwig Wittgenstein). Gott wird alle Schuld auf sich nehmen und begleichen- das deutet  doch der Opfertod Jesu an.

Ob das der Fall ist? Jedenfalls kann keiner für sein Lieblossein die Schuld alleine tragen. Und jetzt schon werden wir mehr geliebt als es unsere Gene sich erwerben. 

Bonhoeffer hat gesagt:“ Ich bin lieber in Gottes Hand als in den Händen Hitlers.“ Also letzten Endes ist ihm Hitler nicht so wichtig, der steht nur für das Schwarze der Nazizeit. Bonhoeffer glaubt sich in Gottes Hand, auch wenn die schwarz und gewaltsam zuschlägt. Das heißt nicht, annehmen zu müssen, daß Gott aktiv zerschlägt. Aber es ist Gottes Energie, die auch in Gewalt zur Geltung kommt, Kain  ist Gottes Kain; Hitler ist Gottes Kind, wie kaputt auch immer. Das möge uns ein Zipfel Trost sein in allem Grauen.

Um Gott zu schützen und ihn zu entlasten, haben Menschen die Idee eines Gegengottes gedacht. Der aber war immer zweitrangig. Der  „gefallener Engel“, war im Bild gesprochen, Angestellter Gottes, nur Mitglied des Hofstaates. Es ist wohl so wie Novalis es sagte: „Für Gott gibt es keinen Teufel, aber für uns ist er ein leider sehr wirksames Hirngespinst.“

 

                                                        *

 

Untröstlichkeit hat ihre Würde

Als aber Elifas, Bildad und Zofar, die drei Freunde Hiobs, all das Unglück hörten, das über ihn gekommen war, beschlossen sie, zu ihm hinzugehen, um ihn zu beklagen und zu trösten.

Und sie erkannten ihn erst nicht und weinten, und ein jeder zerriss sein Kleid und sie warfen Staub gen Himmel auf ihr Haupt und saßen mit ihm in der Asche sieben Tage und sieben Nächte und redeten nicht; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.

Dann tat Hiob seinen Mund auf und verfluchte seinen Tag.

Und schrie: Warum bin ich nicht gestorben bei meiner Geburt? Warum bin ich nicht umgekommen, als ich aus dem Mutterleib kam?

Warum nur gibt Gott das Licht dem Mühseligen und das Leben den betrübten Herzen - die auf den Tod warten, und er kommt nicht, die sich sehr freuten und fröhlich wären, wenn sie ein Grab bekämen.

Ich hatte keinen Frieden, keine Rast, keine Ruhe, da kam schon wieder ein Ungemach!

Hiob 2,11-13;3,1,11,20-22,26

 

 

Stark ist das Geleit der Freunde, bevor sie ein Wort sagen. Sie bleiben bei ihm, sie stehen ihm bei, sitzen bei ihm, verdoppeln seine Untröstlichkeit, fügen ihr Herzensgewicht dem Schmerz des Hiob hinzu. Das ist anders als unser Beispringen und Gutzureden. Wir wollen gern das Leid verdünnen auch aus Angst, wir könnten ebenso getroffen sein. Wir wollen durch unsere Anteilnahme selbst besänftigt werden. Wir ringen nach Worten, daß „der Kältesee im Herzen des Trauernden zum Abfließen kommt“.

Aber erst muss der Leidende seine Sprache finden für das Unermessliche, das ihn getroffen hat. Und wenn er Gott beschimpfte und verfluchte- Gott hält das aus. Nichts ist schlimmer, als sich zum Verteidiger Gottes aufzuschwingen.

 

                                                        *   

 

Skepsis pur

Wir sind von gestern und wissen nichts; unsere Tage sind ein Schatten auf Erden.

Hiob 8,9

 

 

„Von gestern sein“- eine so selbstverständlich gebrauchte Formulierung. Und sie ist wie viele andere aus der Bibel vorgedacht auch für uns, schon Jahrtausende früher. Die Zeitung von gestern ist überholt- heute ist das Leben. Heute müssen wir den Tag bestehen. Es darf nicht sein, daß wir nichts wissen. Wir müssen wissen, was brauchbar ist und was sein Preis ist. Sonst zahlen wir zuviel und schaden uns, oder zuwenig und schaden anderen. Es geht nicht nur um Geld. Es geht um die Folgen unseres Tuns, wir müssen haften für Taten und Untaten. Wir sollen uns für Kinder des Lichts halten, nicht für Schattenexistenzen, Kinder nicht von gestern sondern für morgen.

 

                                             *

 

Ich weiß, daß mein Erlöser lebt

Gott hat meinen Weg vermauert, hat Finsternis auf mein Geschick gelegt. Er hat mir mein Ansehen weggenommen, hat mich zerbrochen, hat meine Hoffnung ausgerissen wie einen Baum. Aber ich weiß, daß mein Erlöser lebt. Der wird mich zuletzt aus dem Staub erheben. Wenn auch mein Fleisch von mir abfallen wird, werde ich doch Gott sehen. Und er wird mir kein Fremder sein. Danach sehnt sich meine Seele.

Hiob 19, 8-10,25-27

 

Mitreißend, dieses Trompetensignal der Zuversicht, ein stärkeres ist im Alten Testament kaum zu finden- das ist Auferstehungshoffnung pur. Damit lässt sich die Mühsal des Irdischen bestehen. Und ich will mein Maß an Mühen nicht abwälzen. Ich will sie tragen, weil sie getragen werden müssen um verwandelt zu werden.

Der große Gott belädt sich mit der Welt, da kann ich auch mittragen, was sein muss. Hauptsache, ich weiß: Er wird sich als Freund erweisen und mich teilnehmen lassen an seiner geheilten Schöpfung.

 

                                                       *

 

 

Was hat es mit der Weisheit auf sich?

Der Abgrund und der Tod sprechen: »Wir haben mit unsern Ohren nur ein Gerücht von ihr gehört.« Und vor den Augen aller Lebendigen ist sie verhüllt.

Gott allein kennt ihre Stätte. Der die Enden der Erde sieht und weiß, was unter dem Himmel ist, der hat  dem Wind sein Gewicht gegeben und dem Wasser sein Maß gesetzt, hat dem Regen sein Gesetz gegeben hat und dem Blitz und Donner den Weg.

Der spricht zum Menschen: Gott achten ist Weisheit, und  das Böse meiden ist Einsicht.

Hiob 28,20-28

 

 

Im Nichts und im Kern des Nichtigen, dem Tod, steckt die Weisheit nicht. Gegen Gott achtsam sein, macht weise- also bescheiden, dankbar, barmherzig, zuversichtlich, vielleicht auch humorvoll.

 Jedenfalls Irdisches nicht anbeten, das bewahrt schon vor viel Irrsinn. Und nichts umsonst empfinden, das macht helle.

 

                                                   *

 

Er gibt dir Lobgesänge in der Nacht

Siehe, Gott ist mächtig und verwirft niemand; er ist mächtig an Kraft des Herzens. Den Elenden wird er durch sein Elend erretten und ihm das Ohr öffnen durch Trübsal.

Er reißt auch dich aus dem Rachen der Angst in einen weiten Raum, wo keine Bedrängnis mehr ist; und an deinem Tische, voll von allem Guten, wirst du Ruhe haben.

Hiob 35,10; 36,5; 36,15f

 

 

Das Hiobbuch ist ein Schutzschild des Glaubens. Ja, Leiden nutzt die Hoffnung und den Glauben ab. Stille Verzweiflung ist bei vielen. Doch das Leben ist schön. Aus den Abgründen bereitet Gott noch einen Lobgesang. Es gibt Lasten, die tragen denjenigen, der sie trägt.  Leid sei uns Türöffner des Herzens- wir sollen gerettet werden aus dem Rachen der Angst.

Unverzagt und ohne Grauen soll ein Christ, wo  er ist, stets sich lassen schauen. Wollt ihn auch der Tod aufreiben, soll der Mut dennoch gut und fein stille bleiben (Paul Gerhardt).

 

                                                      *              *

 

 

 

 

 

 

 

Die Psalmen

 

 

Wie ein Baum

 

Glücklich dran ist, wer Abstand hält zu denen, die Gott verneinen.

Glücklich, wer vom Sündigen loskommt; und wer Menschen nicht verlacht.

Und nicht abfällig redet vom Leben.

Glücklich dran ist, wer  Lust hat am Willen Gottes

und sinnt nach über das was gut ist, Tag und Nacht!

Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen,

der seine Frucht bringt zu seiner Zeit,

und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl.

Psalm 1 

 

 

Bäume sind uns ein Bild für gelingendes Leben. Bäume sind vielleicht Gottes bestgelungene Schöpfung, da sie nicht schaden, nur nutzen. Nun können die Bäume selbst für sich wenig tun, wohl aber der Mensch; wir können für uns sorgen. So  können wir, erwachsen geworden, unsern Umgang weitgehend selbst bestimmen. Meiden sollte man die, die großmäulig sich für Erfolge auf ihre Schulter klopfen, die ihre Gesundheit für selbstgemacht halten, sich mit harten Bandagen und lästerlicher Zunge durchsetzen, und die zynisch das Gute kleinreden.

Glück aber ist bei dem, der sich um Gott müht. Der sich Arbeit macht mit der Gemeinschaft und das Vorwärtskommen aller mit betreibt.

Der ist gern er selbst. Er steht am richtigen Platz. Und wenn ihm dann noch gutgestimmte Nerven geschenkt sind und er Talent hat, zu nützen und zu erfreuen, dann ist er wie ein Baum, der Frucht bringt. Wenn  ich einigermaßen kann, was ich muß und einigermaßen nur will, was ich darf, dann ist mein Leben im Lot. Dank dir, lieber Gott.

 

                                                      *

 

Fast Gott gleich

Gott- wie herrlich ist dein Name in allen Landen.

Du zeigst deine Größe am Himmel!

Und aus dem Munde der Säuglinge richtest du eine Macht dir zu

 gegen deine Verächter.

Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk,

den Mond und die Sterne, die du bereitet hast -

Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst,

und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?

So hinfällig er ist,  hast du ihn doch kaum niedriger

gemacht als dich selbst.

Mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.

Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk,

alles hast du unter seine Füße getan.

Herr, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Wesen allüberall!

Psalm 8 

 

 

Jauchzend ist dieses Lied- aber ist es auch unseres? Auf vielfache Weise wirkt Gottes Wesen, aber wissen wir es noch, wissen wir es schon? 

Doch.

Unter verwirrend  vielen Namen rufen wir das Herz des Lebens an. 

In  farbig vielen Formen zieht Frömmigkeit durch unsere Seelen. 

Was uns glücklich stimmt, ist von dir, Gott, ausgestreut.

Ein freudiges Lachen holt uns Sterne vom Himmel.

Leid hat eine Dimension bis hin zu dir,

Kunst hält die Sehnsucht nach dir wach.

Selbst die Wissenschaft blickt tiefer

und ist dem Geheimnis der Welt mittels Zahlen und Kurven auf der Spur.

Das Staunen über die Schöpfung nimmt zu mit jeder Erkenntnis.

Die Wunderbarkeit der Schöpfung ist unermesslich.

 

 

Im Großen ist Gott wie im Kleinen. Das Wässerchen des Säuglings und die Ozeane erzählen von seiner Grandiosität.

Im Grollen der Bomben und in den Stimmchen der Kinder ist er der Grund.

Wir Menschen sind von ihm ins Gespräch gezogen,

sind in sein Wirken eingearbeitet.

Du tust durch uns Deins, Gott;  herrlich, du Herz und Hirn und Leib der Wirklichkeit.

 

                                                    *

 

Herr, meine Stärke

Herzlich lieb habe ich dich! Mein Fels, meine Burg, mein Erretter;

dem ich traue, mein Schild, mein Heil, mein Schutz!

Der Tod griff nach mir, Fluten des Verderbens erschreckten mich.

Mir war so sehr angst. Da schrie ich zu meinem Gott.

Der erhörte meine Stimme, er streckte seine Hand aus und fasste mich

und zog mich aus großen Wassern.

Er errettete mich von meinen starken Feinden.

Er führte mich hinaus ins Weite, er riss mich heraus; denn er hatte Lust zu mir. Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.

Ich will dir danken und deinem Namen lobsingen.

Aus Psalm 18

 

Es ist was Starkes und Liebevolles, das mich umgibt wie die Luft;

wie Wasser den Fisch.

Unausforschbar, unmessbar bist Du, mein gültiges Gegenüber-

mein großes Du, das mich anspricht und zum Ich macht.

Namenlose Kräfte zerren an mir, sie schütteln mein Selbst,

sie lassen mich erstarren in Unsinn und Banalem.

Da schreie ich zu dir.

Und du nährst mich wieder mit Vertrauen.

Du gibst mir neue Aufgaben und die nötige Kraft dazu.

Du gibst mir wieder Lust zur Gemeinde, und neigst mich wieder Menschen zu. So rettest du mich vor meinen Feinden,

von machst die gehässigen Stimmen in meinem Innern verstummen.

Du führst mich ins Weite, ich denk dich wieder großherzig.

Das spannt auch meine Seele aus und macht sie frei zur Güte.

Von Verbohrtem kann  ich loskommen.

Ich kann Mauern überspringen, die Menschen trennen,

kann Gräben überbrücken, finde zu  Menschen hin, dass wir wieder

Gefühle und Schätze tauschen. 

Und du, Gott, solltest Lust haben zu mir?

Das ist ja eine Liebeserklärung. Ich bin glücklich.

 

                                                   * 

 

Nicht verlassen

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Ich schreie, aber Hilfe ist fern.

Psalm 22,2

 

Die Berichte von der Kreuzigung des Jesus sind diesem Psalm nacherzählt.  Szenen von Golgatha  sind  hier vorgebildet.

Nicht, daß man sich bei Jesu Kreuzigung an Psalm 22 als Drehbuch hielt.

Aber der „leidende Gerechte“ ist hier (und in Jesaja 53) als  Muster vorgegeben. Und als der rettende Tod dann geschehen war und die herrliche Auferstehung- da fiel es der Urgemeinde, die ja diesen Psalm kannte,

wie Schuppen von den Augen.

Jesus  starb sicher nicht mit dem einen erschütternden Wort:

„Mein Gott, warum hast du mich verlassen“.

Er betete sicher den ganzen Psalm,

der ja eine große Gebets-Leiter ist zu Gott hin.

 

 

Des Tages rufe ich, und des Nachts. Doch du, Gott, antwortest nicht. Du aber bist heilig, der du thronst über den Lobgesängen Israels.

Unsere Väter und Mütter hofften auf dich; und da sie hofften, halfst du ihnen heraus.

Psalm 22,3-6

 

Der Beter hält an dem Gott fest, der verlassen hat und der nicht antwortet.

Sollte der Leidende gerechter sein, der Verlassene treuer?

Der Beter ruft sich zur Ordnung, verbietet sich den Mund.

Die Lobgesänge der Gemeinde halten die Anfragen des Zweiflers kurz.

Und schon ist der Leidende wieder auf Linie,

ist an die Leine genommen durch Erinnerung.  

Die Gemeinde, die Heiligen Schriften,  das Gelernte von Zuhause

hat den Beter in ein Wissen eingeweiht, das um ein Bündnis kreist.

Gott und Israel, dann auch die Menschheit, sind sich verbunden

in Liebe und Gehorsam.

Im Rückblick, erinnert der Beter, hat Gott immer sich als Retter erwiesen- auch wenn der Weg  durch die Hölle ging.

 

 

Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, ein Spott der Leute

und verachtet vom Volke. Alle, die mich sehen, verspotten mich,

sperren das Maul auf und schütteln den Kopf: »Er klage es dem Herrn,

 der helfe ihm heraus und rette ihn, hat er Gefallen an ihm.«

Du hast mich aus meiner Mutter Leibe gezogen;

du ließest mich geborgen sein an der Brust meiner Mutter.

Auf dich bin ich geworfen von Mutterleib an,

du bist mein Gott von meiner Mutter Schoß an.

Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe; es ist hier kein Helfer.

Ich bin ausgeschüttet wie Wasser, alle meine Knochen haben sich voneinander gelöst; mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzenes Wachs.

Meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe,

und meine Zunge klebt mir am Gaumen,

und du legst mich in des Todes Staub. Aber, Gott, sei nicht ferne;

meine Stärke, eile, mir zu helfen!

Ich will deinen Namen kundtun meinen Geschwistern,                                             ich will dich rühmen in der Gemeinde.

Psalm 22, 7-12.15.16.20.23

 

Dem Beter  scheint jetzt Höllenzeit:

 Er sieht sich allein gelassen, ohne Gefährten.

Zum Schaden kommt der Spott. Er hält sich selbst für jämmerlich.

Dann aber findet der Beter in sich einen Schatz:

Er hat sich ja nicht selbst erfunden. Er ist ja Gottes Projekt:

Er erinnert Gott an seine Verantwortung.

Gerade weil der Mensch den Schmerz so erleiden kann und muß,

soll Er zu Hilfe kommen. So denken wir ja auch und bitten

und fordern Hilfe von Oben.

Und fanden wir nicht viel mehr Hilfe, als dass wir hilflos blieben?

Eigenartig: Sind wir gerettet, verflattert das Danken schnell.

Sind wir aber in Not, ist die Klage groß.

Und letztlich halten wir immer Gott für schuldig.

Dabei tut Gott Niemandem Leid an- wir  sind ja Verkörperungen seiner Ideen. Vielleicht geschaffen, daß Gott sich fühlt im Spiegel unserer Gefühle, und er sehnt sich danach, von uns gesegnet zu werden- indem wir ihn rühmen.

 

                                                  * 

 

 

Der Herr ist mein Hirte,

mir wird nichts mangeln.

Er weidet mich auf einer grünen Aue

und führet mich zum frischen Wasser.

Er erquicket meine Seele.

Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.

Und ob ich schon wander im finsteren Tal,

fürchte ich kein Unglück;

denn du bist bei mir,

dein Hand und Wort trösten mich.

Du bereitest vor mir einen Tisch

im Angesicht meiner Feinde.

Du salbest mein Haupt mit Heilsöl

und schenkest mir voll ein.

Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen,

ich werde bleiben im Hause Gottes auf immer. 

Psalm 23

 

 

Der Herr ist mein Hirte, mein Pilot, mein bester Freund,

mein Heiler, mein Trainer, mein Vorbild,

mein Leitstern, mein Code, mein Engel. 

Mir wird nichts mangeln,

ich werd nicht verrückt, ich geh nicht verloren,

in allem Mangel wird mir nichts mangeln,

ich bleibe Ich, der Behütete. 

Er weidet mich auf einer grünen Aue

und führt mich zum frischen Wasser.  Er hält mich,

er stärkt mein Bewusstsein, er beschafft mir Anerkennung,

er hilft mir zu nötigem Wissen.

Er erquickt meine Seele.

Er richtet mich auf durch Freude,

er flüstert mir Gebete, die die Welt bedeuten;

er macht mich glücklich, hilft, daß ich glücklich mache.  

Er führet mich auf rechter Straße.

Er lässt mich richtig gehen, er lockt meine Liebe an die Oberfläche,

er hält mich in Balance. Er lehrt mich ausräumen,

was die Freude am Tag behindert,

er beleuchtet mir meinen Zustand, dass,

wenn die  Schatten kommen, sie keine Macht über mich haben.

Um seines Namens willen,

weil er es sich schuldig ist, wird er mich, sein Kind, nicht verkommen lassen.

Er wird die Verderbnis seiner Schöpfung verhindern,

er will mich als Retter mitziehen.

Und sein Name ist Heil und Hilfe, Sonne und Schild,

Vatermutter, Lebensgrund. Sein Name werde geheiligt.

Und muß ich auch durch  Finsternisse,

so fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir,

dein Hand und Wort trösten mich.

Du hast Menschen zur Hand für mich,

Rettungsdienste, Ärzte, Anwälte, ADAC, Rotes Kreuz, Nachbarn,

die Kirchengemeinde, Nächste und Allernächste,

in deren Hände streckst du dich zu mir hin.

Die Worte der Mütter, der Liebenden, der Dichter,

die Zeichen der Künstler trösten; du bist in ihnen bei mir.

Du bereitest vor mir einen Tisch

im Angesicht meiner Feinde.

Du nimmst mich aus dem Schussfeld, du lenkst die Angriffe von mir ab,

du schickst die rettende Ausrede,

du lässt mich meinen Teil abbekommen.

Du nimmst mich in Schutz auch gegen die feindlichen Gedanken

aus meinem Inneren, du überlässt mich nicht den nächtlichen Gespenstern,

du lädst mich an den Tisch in der Sonne.  

Du salbest mein Haupt mit Öl

und schenkest mir voll ein.

 Du berufst mich zu deinem Kind

und setzt mich in das Amt deines Mitarbeiters ein.

Du gibst mir dein Zeichen an die Stirn,

ich bleibe gesalbt und gezeichnet von dir und für dich.

Du schenkst mir voll ein an Freude, an Ehre, an Gebrauchtwerden.

Gutes und Barmherzigkeit

werden mir folgen, man wird nicht hinter mir herfluchen,

nicht mich wie eine Last beseitigen.

Spuren sollen von mir bleiben, die Zeichen aufstellen für guten Lebensweg.

Ob Bäume gepflanzt oder Kinder erzogen, einen Weg gefahrloser gestaltet

oder tröstende Lied angestimmt oder versöhnende Sprache hinterlassen-

es soll gut sein, hier gewesen zu sein. 

Ich werde bleiben im Hause Gottes auf immer.

Ich werde zu Gott gehören, werde ihm nicht entfallen,

werde sein Gefährte sein, wenn die Schöpfung ganz und heil wird

 und die Liebe allen Hass verdaut hat.

Und Friede wird sein im All. Das All wird ganz Haus Gottes sein.

 

 

„Ich habe in meinem Leben viele kluge und gute Bücher gelesen. Aber ich habe in ihnen allen nichts gefunden, was mein Herz so still und froh gemacht hätte,  wie die vier Worte aus dem 23. Psalm: „ Du bist bei mir“ (Immanuel Kant).

 

                                                      *

 

Die Fanfare

Stemmt die Tore hoch

und die Türen in der Welt reißt auf,

dass der König der Ehren einziehe!

Wer ist der König der Ehren?

Es ist der Herr, stark und mächtig.

Sein ist die Erde und was darinnen ist.

Öffnet Tor und Tür, dass der König der Ehren einziehe!

Psalm 24,7.8.1. 9

 

Die einen fordern  freie Bahn für Gott. Die andern zögern:

Gibt es  überhaupt einen König der Ehren?  Hier  die Fanfaren des Willkommens, da die Skeptiker hinter verschlossenen Türen.

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ ist das Adventslied.

Herr der Herrlichkeit  ist der, der die Welt will,

dich will, dich aus der Fülle aller Möglichkeiten gehoben hat

und seitdem mächtig für dich streitet.

Du sollst ihm gelingen, durch dich will Gott in die Welt einziehen,

wie er damals in Jesus zur Welt kam.

Wisse dich „im Auftrag des Herrn“ unterwegs. 

Sieh, wo du Bewahrung erlebt hast. Und wofür brauchst du neuen Mut, deine Fenster zur Welt und die Türen innen aufzureißen?

Advent ist Sprung nach vorn, Aufbruch nach Utopia,

„wo noch keiner war, aber alle hin wollen“.

 

                                                          *

 

 

 

Ein Lied zur Rettung aus großer Not

 

Ich preise dich, Herr;

denn du hast mich aus der Tiefe gezogen

und lässt das Feindliche nicht  über mich siegen.

Als ich schrie zu dir, da machtest du mich gesund. 

Du hast mich von den Toten heraufgeholt;

du hast mich am Leben erhalten.

Psalm 30,2-4

 

 

Wir Menschen sind eine Erfahrungsgemeinschaft. 

Es sind in unserm Nervensystem die Schrecknisse und Freuden

all derer vor uns gespeichert und äußern sich als unwillkürliche Reflexe.

Unsere Sprache hat viel vermessene Welt in sich.

Lieder und Gedichte sind Schiffe voll Erlebnisfracht.

So besingt das Liedchen „Hänschen klein“ die Mutter-Kind-Trennungsschmerzen jeder Generation,

das Lied „Die Gedanken sind frei“ sichert trotzig ein Menschenrecht.

Und Psalm 30 besingt wegweisend die Auferstehung aus Abgrundstiefen.

Es ist ein Verantworter aller Realität,

ein Schöpfer des Universums, es ist ein großes Du für alle Ichs dieser Welt.

Der ruft die Ichs in ihr Personsein, der Ganze, du Ganzer, du Ganze,

von der wir die Atome sind; du, die Weltseele, von der wir  die Relais sind,

Du die Zeit und wir die Phasen; du das Meer und wir die Tropfen,

wir die Worte, du das Gedicht.

Du hast mich aus dem Nichtsein gezogen. Du lässt mich vorhanden sein.

Du hältst mich im Sein. Weil  du mich willst, bin ich.

Und weil du mich als genau diesen Menschen willst

mit genau diesen Genen und Wegen, bin ich, der ich bin.

Und werde noch immer mehr deiner, bis ich ganz in dir ruhe.

 Ich preise dich, dich.

Dazu braucht es selten Festgottesdienste,

 im Ein- und Ausatmen, im Schlagen des Pulses,

 im Verwandeln der Nahrung zu Energie, im Spiel der Liebe bist du da,

„das Lebendige in allem Fleisch“ (4. Mose 16,22).

Und doch ist es gut, dich mir zu benennen,

damit Dank und Staunen mich Schwerfälligen leicht machen.

Ich will merken, will wahrnehmen die Wunderbarkeit deiner Wege mit mir. Allein schon das Überwintern der Knospen und mein Auf- die-Beine-kommen am  Morgen, und wie das Grämliche schmilzt unter Einstrahlung von Sympathie- Gott, mein Gott, wie rettest du mich stündlich vor dem Nichtigen.

Du hast mich aus den Tiefen gezogen, fast wäre ich ertrunken, verblutet,

 hätte mich weggeworfen, wäre verstoßen, verarmt, verhärmt.

Doch du hast mich über Wasser gehalten durch einen Menschen,

Du hast Hilfe gebracht, Du hast mich wiederbeatmet mit Lebensmut.

Du hast mich zu dir schreien machen.

Du hast mir schluckweise Zuversicht eingespeist,

du hast mir Erstarrtem Wärme von der Hand eines Andern zukommen lassen.

Ich war mir schon tot, mir war die Welt schon vergangen,

da hast du mich wieder berufen zu noch ganz anderem Leben.

Darum kann ich Goethe nach  sagen: “Und wäre mir auch was verloren, kann immer tun wie neu geboren.“

 

 

Lobsinget dem Herrn,

Ihr seine Heiligen preiset seinen heiligen Namen!

Denn sein Verdunkeltsein währet einen Augenblick,

lebenslang aber  seine Gnade.

Den Abend lang währet das Weinen, aber des Morgens ist Freude.

Psalm 30, 5-6

 

Und dann braucht man doch Gemeinde, Freunde, Mitfeiernde,

braucht doch beschwingte Gottesdienste- den Chor, der die eigene Stimme mitträgt. Allein kann man nicht recht haben, nicht auf Dauer.

Darum gib ein Fest zu deiner Rettung, schreib auf  dein Erstarken,

erzähl deine Wiederkehr zu den Lebenden, bekenne deine Dankbarkeit.

 Ruf es hinaus, wie ganz und gar unselbstverständlich dir deine Genesung ist.

Gott wird so viel verklagt,

meist von außen, nicht von denen, die noch mit Gott ringen und ihn als Mitleidenden ahnen. Du hast ihn doch erfahren, dir war er nur eine Strecke verdunkelt, dir war er nur eine Zeit lang abhanden kommen.

Schlimmst genug war das.

Aber gegen deine Rettung und die dann glückliche Zeit

 ist  das Dunkel dir nur einen Schrecken lang gewesen.

Lasse das Zagen, verbanne die Klage, maule, mäkel nicht mehr. Mach es gut.

Und auch - wenn du zur Nacht weinst, morgen ist ein neuer Tag seiner Gnade. Freude wird dir blühen, halt dich bereit.

(Vers 6  heißt im Urtext:“ Sein Zorn währet einen Augenblick“-

 Das kann man so verstehen: Da ist einer überglücklich einem Leid entronnen und fordert seine Sinne und die Menschheit auf, Gott zu loben.

Er hat sein Leid mit eigenem Versagen in Verbindung gebracht,

aber es ist ihm eine Ehre, daß er wahrgenommen ist vom ewiggültigen Gott. Dieser muß ihm zürnen, wie er ja selbst über sich zürnt.

 Zorn ist viel mehr Zuwendung als matte Toleranz; Zorn ist Zeichen des Getroffenseins- wäre Gott der Beter egal, hätte er ihn einfach nur abgetan.

Kann zur Liebe auch Zorn gehören- einen Augenblick lang?

Die vor uns meinten, Zorn sei die Kehrseite der Verunehrung, und muss sein. Jedenfalls sind die Proportionen wunderbar: Ein Nu lang das Dunkel zwischen Gott und uns, aber lebenslang seine Gnade.

Tränen in der Nacht- manchmal müssen sie sein. Aber des Morgens ist Freude, auf Gott ist Verlass.

 

 

Ich aber, als es mir gut ging,

sprach: Ich werde nimmermehr wanken. Denn,

Herr, durch dein Wohlgefallen hattest du mich auf einen hohen Fels gestellt.

Psalm 30,7.8a

 

Vor dem Fall kommt der Hochmut. Geht’s uns schlecht, sind wir mit Klagen schnell dabei. Geht’s uns aber gut, werden wir leicht selbstgefällig und fahrlässig; Meinen sogar, die Gunst des Schicksals gepachtet zu haben. Halten wir uns für Lieblinge des Schicksals, sehen uns erhoben „über denen da unten“? Es gibt eine Arroganz, die Dank benutzt um sich den vermeintlichen Privatgott zu sichern, nach dem Motto: „Ich danke Gott, dass ich nicht so bin, wie die andern“(Lukas 18,11).

 

 

Aber als du dein Antlitz verbargst,

erschrak ich. Dann rief ich wieder zu dir und flehte: Herr, sei du mein Helfer!

Psalm30,8b.9.11

 

Es ist wohl so: „Des Lebens ungemischte Freude ward keinem Irdischen zuteil“ (Friedrich Schiller). Weil der Hunger und die Sehnsucht groß, aber die Ressourcen begrenzt sind, und alles seinen Preis hat, und die Welt voll Doppeldeutigem und Doppelbödigem ist. Und wo viel Licht ist, ist viel Schatten.

Ein tiefer Fall wird von uns verstanden als habe Gott nicht genug auf uns aufgepasst. Ja, wir unterstellen, Gott ließe uns mutwillig in Fallen tappen,

hänge uns Krankheiten an. Aber Gott ist gut. Was geschieht, geschieht ihm mit. Es kann sein, dass wir den Blickkontakt zu Gott verlieren,

auch weil wir ihn an falschen Orten, in falschen Kleidern suchen.

Gut, wenn wir dann zurückgehen zu biblischer Erfahrung und etwa an Jesu Geschichten die wahre Spur aufnehmen  zum Gott in den Mühen und im Teilen.

Erstaunlich ist ja immer wieder unsere Selbstgewissheit.

Kaum ist man aus einem Schlamassel raus, da strunzt man wieder: „Mir kann keener“ ,oder „es is noch immer jod jejange“; „Wanken? Nimmermehr!“.

 Hat Gott Wohlgefallen an einem mit so aufgeblasenen Backen,

der sich rühmt, ihn zum Schutzpatron zu haben?

Augenblicklich kann es sein, daß er sein Antlitz verbirgt.

Dann durchflutet  Kälte die Gedanken, die Wärme der Verlässlichkeit ist dahin. Man steht allein. Dann, gut für mich, wenn ich durch die Verzweiflung hindurch flehen kann. Und dann –so bezeugen die Heiligen von alters her- wird er die Klage verwandeln.

 

 

Du hast mir meine Klage verwandelt

in einen Reigen, du hast mir den Sack der Trauer ausgezogen

und mich mit Freuden gegürtet, dass ich dir lobsinge und nicht verstumme. Herr, mein Gott, ich will dir danken in Ewigkeit.

Psalm 30,12.13

 

Wenn das doch die Beute meines Erdendaseins wäre:

Das Leben, gekennzeichnet als Auftakt, als Weg zur Heilung, als Heimweg; auch als Erziehung zum Frieden- in den Abschnitten und im Ganzes: Von der Klage zum Reigen, von der Trauer zur Freude.                                           

Die Klage hat ihr Recht- bewahrt sie doch dem Gepeinigten die Würde,

nicht gut finden zu müssen, was ihm abgebrochen und entwunden ist.

Aber Gott als letzte Adresse für Klage und Dank fädelt uns wieder ein in den Reigen der Freude.

Trauerkleider haben ihre Zeit.

Wir Hinterbliebene sind  noch auf der Strecke, die von uns Genommenen dürfen wir wissen wir als zu Gott hingegangen.

Und weil der Reigen, den Gott mit seiner Schöpfung vorhat,

noch in Arbeit ist, darum sind wir auch noch mit beteiligt am Bau des Herrn

und legen die Hände noch nicht in den Schoß beim Loben.

Verheißen ist: Du wirst zurückblicken, deine Seele erstarkt, 

du bist wie zum Tanz geleitet in glücklicher Runde,

Klagelieder ade! Schamzeit, Schuldzeit - abgetan, Du strahlst vor Freude.

Gott will, dass du es so erlebst.

 

                                                        *

 

Gott, auf dich traue ich,

lass mich nimmermehr zuschanden werden,

errette mich durch deine Gerechtigkeit!

Denn du bist mein Fels und meine Burg,

und um deines Namens willen leite und führe mich.

Zieh mich aus dem Netze, Du meine Stärke.

In deine Hände befehle ich meinen Geist.

Du stellst meine Füße auf weiten Raum,

meine Zeit steht in deinen Händen.

Psalm 31,1,3,4,6,9b, 16

 

In dem Großen Ganzen  will ich mich morgens orten, abends in ihn münden.  Wir brauchen doch Orientierung.

Ein Schiff kann auch nicht Kurs nehmen an seiner Mastleuchte,

es braucht den Leuchtturm, den Peilpunkt von außerhalb.

Auch wir können uns nicht an uns ausrichten.

Mein Gewissen muß sich gebunden wissen an eine letzte Instanz, Verantwortung ist Antwort, mein Vertrauen sucht das Herz aller Dinge.

„Mein Fels“, „meine Burg“, „meine Stärke“

sind Ankerworte der Menschheit für den Ewiggültigen.

Der errettet mich, weil ich sein bin.

Nicht bin ich seiner besonders würdig, nicht gut und gerecht.

Sondern seine Liebe macht mich ihm recht.

Seine Güte deckt meine Schwächen;

Sein Verzeihen zieht mich aus den Verstrickungen,

mein Geist wird neu verständig durch Sprechen mit ihm.

Du stellst meine Füße auf weiten Raum,

ich kann wieder ausschreiten und sicher gehen.

Meine Zeit nehme ich aus deinen Armen,

meine Wege sind in deine Hände gezeichnet. Ich kann nicht verfallen.

Darum wird der Tag gut, und die Nacht lässt mich sicher ruhen.

 

                                                    * 

 

 

 

Hoffe auf Gott

und tu Gutes, habe deine Lust an Gott;

der wird dir geben, was dein Herz wünscht.

Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn,

er wird’s wohl machen.

Von Gott kommt es, wenn des Menschen Schritte fest werden.

Fällt er, so stürzt er doch nicht; denn Gott hält ihn an der Hand.

Lass ab vom Bösen und tu Gutes.

Bleibe fromm und halte dich recht;

So wird es dir letztlich gut gehen.

Psalm 37,3-5,23,24,27,37

 

 

Vor Gott meinen Weg bedenken, das ist es.-

Natürlich bin ich verpflichtet, Gutes zu tun, redlich zu handeln

und mich nicht blöde anzustellen.

Aber Lust an Gott haben, ist die größte Kunst.

Die Dinge mit ihm in Beziehung sehen,

mit ihm zu tun haben in allem und jedem, ihn mit betroffen sehen

in Katastrophen, ihn sprießen sehen im Glücken - das ist faszinierend.

Warum blühen die Blumen in so prächtigen Farben?

Nicht nur zur besseren Vermehrung sondern weil Gott  Farben liebt.

Warum bist du da? Nicht nur, weil die Eltern ein Kind wollten

sondern weil der Weltwille dich will und mit dir was Besonderes ausrichtet.

Den Zusammenhang glauben von allem und jedem mit Gott, dem Ganzen-

das ist gut. Ihm meine Wege anbefehlen,

das meint, ihm mein Schicksal anzuvertrauen:

Also beten um Geleit und Schutz vor allem vor eigenen Verrücktheiten. 

Es ist soviel Irrung und Wirrung möglich, unter jedem Dach ein „Ach“ –

doch mindestens eine Mühsal, ein Gebrechen, eine Schwäche, eine Unart.

Und wie damit zurechtkommen? Gott, gib mir Hirn und Mut und Einsicht und Chancen. Und Balance, Maß, Freude an Harmonie.

Hinfallen, aber noch aufstehen können, und wenn nicht, daß dann Hilfe komme von  Gott, „Schutz und Schirm vor allem Argen“- so weit wie möglich.

Bleib fromm- also vertrauensvoll in Gott. Wisse, daß du mit allem zurechtkommst, weil und solange du es mit Gott in Beziehung siehst. Gottes Hand kann drücken, aber es ist seine.

                                                         

                                                           *

 

                                                            

 

Was betrübst du dich, meine Seele?

Und bist so unruhig in mir? Verlass dich auf Gott. Du wirst ihm noch danken, daß er dich wieder aufrichtet und dein Gott ist.

Psalm 42,6

 

Darauf setzen- immer wieder wirst du Gutes ernten: Du wirst danken. Lass doch die Wege steinig sein, sie münden im Guten. Lass die Tränen rinnen, sie werden von der Sonne weggeküsst. Wenn auch Menschen dich enttäuschen, du wirst letztlich gerettet und heil werden. Keine Angst. Du wirst hindurchgetragen.

 

                                                         *

 

 

Ich will auf Gott hoffen

und mich nicht fürchten. Was können mir Menschen tun?

Psalm 56,5

 

 

Menschen können Menschen viel  antun, das weißt man von sich selber, man weißt von seinem Fiesseinkönnen, wenn man gekränkt ist.  Doch sag dir das täglich: Ich will mich nicht fürchten, was können mir Menschen tun? Die um dich sieh nicht als gefährlich an, aber suche auch nicht Gefahren. Räum Missverständnisse aus. Sieh dich nicht verfolgt, nicht ausgegrenzt, nicht umzingelt. Es ist keine Verschwörung gegen dich im Gange. Genieße unbefangen deine Welt. Nimm hin, was geschieht, es ist kein Vorwurf an dich, wohl aber Lockruf, mit zu spielen und das Beste für dich daraus zu machen. Denn es ist Gottes Geschichte, in der du mittust. Es soll dir gut gehen, das ist Gottes Projekt.

 

                                                        *

 

 

Gott, du bist mein Gott, den ich suche.

Es dürstet meine Seele nach dir,

mein ganzer Mensch verlangt nach dir.

Ich halte Ausschau nach dir und  deinem Heiligtum,

ich wollte so gerne sehen deine Macht und Herrlichkeit.

Denn deine Güte ist besser als Leben.

Das ist meines Herzens Freude und Wonne,

wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben kann;

wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an dich,

wenn ich wach liege, sinne ich über dich nach.

Denn du bist mein Helfer.

und unter dem Schatten deiner Flügel bin ich glücklich.

Meine Seele hängt an dir; deine rechte Hand hält mich.

Psalm 63, 1-9

 

Daß deine Seele nach Gott dürstet- merkst du an deiner inneren Unducht, deiner Mißgestimmtheit, deiner Lähmung, deinem wunschlosen Unglück; keine Gemeinde, kein Trost, keine Freude, kein Ruf. Du fühlst dich leer, unnötig, verlassen, verarmt, heute jedenfalls.

Aber wenn du noch deinen Mangel merkst, ist Hoffnung. Bitte, entdeck  deine Wünsche wieder. Wenn du dich nach Leuchten und Freude sehnst, hältst du nach Gott Ausschau.

Du hast ja von Gott gehört. Wenn die Welt sein Haus ist, dann hat er viel zu bieten. Seine Güte ist ja, daß er Macht und Herrlichkeit teilen will. Er will auch dich beglücken. Es ist seine Leidenschaft, dich des Lobes voll zu machen.

Darum sinne wieder über ihn nach, sinne dir nach im Gespann mit ihm. Unter dem Schatten seiner Flügel erspüre dir ein neues Lebensgefühl: Du- gehalten, getröstet, gebraucht, geliebt.

Freude und Wonne sollst du ausstrahlen, Gott wird nicht ruhen, bis Du soweit bist. Und wenn er dich erst durchs Sterben fädeln müsste, du wirst ihn finden.

 

                                                          * 

 

 

Singet Gott,

lobsinget seinem Namen! Freuet euch vor ihm!

Er ist Vater der Waisen und Mutter der Witwen; ein Gott, der die Einsamen nach Hause bringt, der die Gefangenen ins  Freie führt.

Als du vor deinem Volk herzogst in der Wüste, da bebte die Erde, und die Himmel troffen vor Gott - am Sinai. Gelobt sei der Herr täglich. Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch. Wir haben einen Gott, der da hilft, und den Herrn, der vom Tode errettet. Immer wieder gibt er den Menschen Macht und Kraft. Gelobt sei er!

Psalm 68, 5-9, 20, 21,36b

 

 

Ein Schatz an Lebenserfahrung in sieben Sätzen: Freude ist unser Auftrag. Darum hängt Gott vor allem an den Beschädigten und Verlassenen. Die am meisten entbehren, haben noch am meisten von ihm zu erwarten, damit auch sie Grund zu Freude und Dank haben.  

In jedem Leben soll es Zeiten geben, die von Gott „triefen“, von Glück, Fülle, Liebe, Verwöhntsein. Jeder Mensch soll zurückblicken können auf Heilszeit. Also denk nach, wie viel dir schon gelang. Gedenke der Bewahrungen, die dir geschahen.

Eine Heilszeit der Menschheit war wohl die Zeit Israels in der Wüste, als sie auf dem Weg waren aus der Knechtschaft Ägyptens ins Gelobte Land.- Da am Sinai troff der Himmel von Gott- Fülle um Fülle fällt uns immer noch zu in den Zehn Geboten- dem Masterplan für gutes Zusammenleben. 

Gott gibt. Er ist der Quell aller Güter, auch der Brunnen aller Güte- Gott betreibt das Lebenkönnen seiner Schöpfung mit dauernder Ausschüttung guter Gaben und Kräfte. –Aber es ist auch viel Mangel, Irrtum, Gier, Schuld, Schaden,Verbrechen. Ich möchte alle Last als von Gott auferlegt sehen können, will sie annehmen als nötig.-

In südlichen Gegenden sieht man die Äcker umfriedet mit Mauern aus Steinen. Diese Steine wurden in Generationen vom Boden gelesen, immer neue schienen von unten ans Tageslicht zu kommen. Sie mussten weggetragen werden, denn wo Steine, da keine Erde zum Wachsen. Und jetzt halten die Steinmauern den Wind auf, dass der die kostbare Ackerkrume nicht wegtrage.-   Nicht als Strafe oder  Prüfung sind die Steine gegeben, sondern als Mühen, die noch  abgetragen sein müssen. So ists auch mit den Strapazen.  Und das mir auferlegte Quantum soll ich übernehmen, weil an diesem Ort zu dieser Zeit ich da bin, und andere für andere Mühen gebraucht werden; ich aber für dieses, mein Leid. 

Schon zu wissen, daß nicht blöder Zufall Spott mit mir treibt, hilft. Und es stärkt, daß mit der geschulterten Mühe ich Gott beistehe. Er wird  mit dem jetzt Anstehenden fertig werden, auch mittels meines Tuns. In den Mühen wisse,  dass  dir  Kraft zuströmt von ihm, dem Liebhaber des Lebens.

 

                                                *  

 

 

Das große Dennoch

Dennoch bleibe ich stets an dir;

denn du hältst mich bei meiner rechten Hand,

du leitest mich nach deinem Rat

und nimmst mich endlich mit Ehren an.

Psalm 73, 23.24

 

Allen Katastrophen und Schmerzen begegnet der Beter mit seiner Dennoch-Posaune. Was auch an Fürchterlichem auf mich niederprasselt- ach könnt ich doch auch dieses „Dennoch“ anstimmen. Nicht weil ich so stark bin oder stur, so fromm oder beharrlich. Sondern das große Du hält mich. Auf unbeschreibliche Weise bin ich geborgen, gehalten, bin gebunden an dich, weil du, Gott, mich nicht lässt.

Mit dem Rücken zur Wand bleib ich an dich gelehnt, bleib in deine Hände gepresst, auch wenn sie hart sind, jetzt. Du leitest mich, ohne mir meinen Freiraum zu nehmen und ohne die Bosheiten des Lebens vor mir wegzuwischen.

Ich gehe im Gehege deines Willens, das ist mir wichtig, auch wenn die Räder des Schicksals und dein Rat für mich auseinanderdriften. Ich sehe mich auf einem langen Lebensweg, der in dir läuft und bei dir mündet. Tröstlich wunderbar ist: Du nimmst mich endlich mit Ehren an. Wenn dies das Ziel des Lebens mit dem Sterben am Ende ist, ist alles gut. Weil alles gut wird.

    Etty Hillesum, eine Holländerin, die in Auschwitz ermordet wurde, schrieb: “Es gibt in mir einen ganz tiefen Brunnen, und darin ist Gott. Manchmal ist er für mich erreichbar, aber oft liegen Steine und Geröll auf dem Brunnen, dann ist Gott begraben. Dann muss er wieder ausgegraben werden.”

 

 

Wenn ich nur dich habe,

so frage ich nichts nach Himmel und Erde.

Psalm 73,25

 

So kann ich es nicht sagen, Gott. Zu fest hast du mich an Erde und Stoff und Menschen gebunden. Aber alles, was ich liebe, ist mir doch Pfand geworden für dich. Noch habe ich dich nur in den von dir aufgegebenen Pflichten und Freuden, in den anvertrauten Nächsten, in den Sonnenstrahlen, im Liebesgeflüster. Gerade weil ich dich habe, und du mich hast, frage ich nach deinem Himmel und deiner Erde.  

 

 

Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet,

so bist du doch,

Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.

Psalm 73,26

Noch ist mir nicht Leib und Seele verschmachtet, aber ich war auch schon hart am Rande. Und ich hatte keine Sprache mehr zu dir hin, es wurde leer in mir. Da schenktest du mir Strahlen von Glaube, dämmernde Hoffnung, Rinnsale von Geliebtsein, Gedächtnisworte  der Vorigen mit dir. Du ängstigtest dich um mich. Auch wenn ich an dir zweifelte, du hieltest durch, du hieltest mich. Gott, du meines Herzens Trost, ich bleib mit dir verwickelt, bleibe an dich angedockt, bleib mit dir im Konvoi- wie Michelangelos Adam mit dir Finger an Finger schwebt.

 

 

Das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte

und meine Zuversicht setze auf Gott,  dass ich verkündige all dein Tun.

Psalm 73,28

 

 

Freude schöpfen aus der Zuversicht auf Gott- sie gibt jedenfalls langen Atem. Und Menschenbefreundung- wir sind doch einander zur Erfreuung gedacht. Was zählt da aller Ärger, was soll alles augenlose Aneinandervorbeihasten.

Ich will von dir aufgeweckt sein, will für dich eine gute Empfehlung sein. Dein Tun verkündigen heißt ja vor allem von deinem Tun eingenommen sein und  dein Tun mittun. Und das ist die reine Freude. Wenn wir das mitdenken, dass wir dein Tun mittun, mitleiden, mitgenießen, sind wir gerettet, sind wichtig, sind der Leere entronnen.

 

                                                     *

 

 

Wie lieblich

sind mir deine Wohnungen, mein Gott

Meine Seele verlangt nach den Vorhöfen des Herrn;

mein Leib und Seele freuen sich

in dem lebendigen Gott.

Der Vogel hat ein Haus gefunden

und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen -

deine Altäre, mein König und mein Gott sind mein Haus und mein Nest.

Psalm 84,2-5

 

Das uns Heimat sein lassen: Wir in Gott. Die Welt sein Haus- wir hier nicht fremd. Aber wir sind auch von Erde, wollen besitzen, wollen zu Einigem sagen können: „Meins“, „Meins und nicht Deins“. Und dann hängen wir an Haus und Grund, an Konten und Sachen, wie festgeklebt.- Würden wir doch uns leichter tun mit dem Irdischen, es nutzen und pflegen, es teilen und dann auch mal lassen können.

Manchmal das Glück, behaust zu sein und Gott Tür an Tür zu wissen. Es gibt Orte die sind gottvoll; Meere, Berge, Ebenen, Wälder, Kirchen - Vorhöfe des Herrn. Und deine Hand, die Brot teilt, baut die Wohnung des Herrn mit. 

Vielleicht sind die Kirchen und Altäre Zwischenräume- Irdisches, mit einigem himmlischen Anstrich; ausgegrenzte Orte, an denen sich Gott und Mensch gut treffen können. Einige Orte geben deiner Seele besonderes Heimatgefühl. Such sie wieder auf.    

 

 

Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten

und von Herzen dir nachleben!

Wenn sie durchs dürre Tal ziehen,

wird es ihnen zum Quellgrund,

und Frühregen hüllt es in Segen.

Sie gehen von einer Kraft zur andern

und schauen den wahren Gott.

Denn Gott der Herr ist Sonne und Schild.

Psalm 84,6-8,12

 

Gott für meine Stärke halten- das ist die Kunst. Mein zu Gott Gehören  hält mich. Mein Machen und Können sind Kräfte von seinem Energiestrom, noch im Dürren kann ich Brunnen bauen, noch im Dunklen Lichter des Mutes entzünden.

Sieh, wie du Kräfte nimmst, als gingest du von einer Blüte zur nächsten-

du bist ein Segen für dein Umfeld.

Lass dir Gott Sonne und Schild sein, die Kraft zu allem Guten, Schutz in allem Schweren. Er ist Sonne- alle Energie: er ist Schild, Schutz, Hilfe.  Gott –alle Energie, alle Liebe- was müssen wir mehr wissen?

 

                                                       * 

 

Gott, du bist unsre Zuflucht für und für.

Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden,

bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Der du die Menschen lässest leben- und dann auch sterben, sprichst dann: Kommt wieder, Menschenkinder!

Psalm 90,1-3

 

 

Einer der innigsten Namen für Gott ist „ Du Zuflucht“. Du Gott bist mir Zuflucht, Ziel, Halt, Schutz. Wenn es nicht weiter geht, bist du da; du bist die Mündung von allem. Wenn mir die Seele ausfließt, fließt sie in dich. Geh ich mir verloren, rufst du mich heim. Du bist schon immer da, wirst auch nach uns noch kommen. Du bist. Du bist das Meer, das uns wie Strudel bildet, die eine Weile bleiben. Dann rufst du uns aus unserer irdischen Gestalt zurück: kommt wieder, Menschenkinder. Dein Nennen macht uns einmalig; Wir sind deine Kinder. Du rufst uns –also bleiben wir vor Dir. Und bleiben also auch für uns wer. Wer, was bleiben wir? Wir bleiben Deine.

 

 

Tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist und wie eine Stunde in der Nacht. Du lässt uns dahinfahren wie einen Strom, wir sind wie ein Schlaf, wie ein Gras, das am Morgen noch sprosst; das am Morgen blüht und sprosst und des Abends welkt und verdorrt.

Das macht dein Wille, dass wir kommen, ein Stück bleiben und wieder gehen,

Uns ist es ein Schrecken, wenn wir plötzlich dahinmüssen.

Dann stehen wir vor dir- mit  Sünden. Aber stehen im Lichte deines liebenden Angesichtes.

Psalm 90,4-8 

 

Die Zeitmaße sind verschieden.  Schmerz dehnt die Zeit, Glück macht sie pfeilschnell. Unsere Lebenszeit fließt in Kindheit und Jugend erst mal wie  ein breiter Strom. Dann geht es wie im Schlaf- zügig, hindurchpreschend in Arbeit, Liebe, Kinder oder auch nicht, Standgewinnen, Hausbau, oder auch nicht. Im Nu sind wir alt, sind wie ein Gras, das die Kraft verliert. Je älter wir werden, desto schneller fließt die Zeit ab: dann ist es plötzlich zu spät, dann ist hier Schluss mit Wandel.  Doch wir verfallen nicht. Wir haben Aussicht: Du stellst uns vor dich. Das Licht deines Antlitzes wird uns schön machen.

 

 

Alle unsre Tage werden durch dich angetrieben. Dein Unwille gegen das Böse macht dich auch zornig, so müssen wir denken. Wir bringen unsre Jahre meistens zu wie ein Geschwätz.

Unser Leben, wenns gewährt ist, währet siebzig oder achtzig Jahre,

und wenns hoch kommt, noch etwas mehr. Wenn es  köstlich gewesen ist, ist es auch voll Mühe und Arbeit gewesen. Es fährt schnell dahin, als flögen wir davon.

Psalm 90,9.10

 

Der Treiber des Lebens ist Gott. Mittels der Zeit tätowiert er uns, wir werden geprägt vom Geschehen und gestalten dieses mit. Darum ist unser Gehen in der Zeit so wichtig, der Umgang mit Zeit so dramatisch entscheidend. Ob wir unsere Tage zubringen in freudloser Eile, geschwätzig- leer  oder in hemmungsloser Zärtlichkeit, liegt an uns. Lasst uns doch gern hier sein, auf dieser schönen armen Erde. Zuletzt wird uns alles zu kurz gewesen sein. Und wir wünschen uns davonzufliegen in das ewige Zuhause.

 

 

Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.

Psalm 90,12

Klug werden angesichts des Sterblichseins: Wir sind nur auf Zeit hier. Haben lauter letzte einmalige, wunderbare, teure, schützenswerte, bitte- gut zu nutzende Tage. Und Nächte. Also Lachen, Lieben, Beistehen, Nehmen, Geben, Probleme lösen, Schmerzen und Lasten tragen, Schuldigwerden und Verstehen. Und „Wenn du weißt, was du willst, musst du machen, daß du hinkommst“ (Die Mißfits). Und „Man muß die Notwenigkeiten lieben und pflegen lernen, muß das Starre und Unversöhnliche eben zu erweichen versuchen; und darf sich nie verstoßen vorkommen“(R. Walser). Wir können unsere Zeit nicht vermehren, können uns aber vervielfachen, indem wir uns ins vielfältige Lebendige und in seine Seele, Gott, vertiefen. Und ja, bei den Hinterbliebenen dann mal einen guten Nachgeschmack hinterlassen, das wäre gut.

 

 

Fülle uns frühe mit deiner Gnade, so wollen wir rühmen und fröhlich sein unser Leben lang. Nach Unglück erfreue uns wieder. Zeige uns deine Werke, deine Herrlichkeit deinen Kindern. Und der Herr, unser Gott, sei uns freundlich und fördere das Werk unsrer Hände bei uns.

Ja, das Werk unsrer Hände und Gedanken wollest du fördern!

Psalm 90,14-17

 

Was genau für dich Lebensklugheit ist, musst du selbst erfahren auf deinem Weg. Sicher hilft es, sich vor Gott auszusprechen und zu bitten: Fülle uns mit deiner Gnade, also mit Heiligem Geist, mit Begabungen, Menschenfreundlichkeit, Humor, Staunen, Dankbarkeit.

Freude ist sichtbares Zeichen von Gnade und Fröhlichkeit hilft. Eine starke Form göttlicher Freundlichkeit sind Hände und Gedanken, die ein Werk gestalten. Wir alle brauchen die Förderung von oben. Beten wir, daß wir heute brauchbar sind fürs Leben.

 

                                                      *

 

Und die Alten

Die gepflanzt sind im Haus des Herrn, blühen auch im Alter noch und bringen Früchte und sind frisch. Dass sie verkündigen, wie Gott es gut macht.

Psalm 92,15f

 

 

Auch aus den Alten bereitet sich Gott ein Lob. Auch sie können noch blühen und gedeihen, können noch Früchte der Lebensfreude und Schaffenskraft bringen. Manche Alte scheinen spät erst jung zu werden, manches Glück passiert ihnen wie zum ersten Mal. Oft ist Liebe das Geheimnis ihre Frischseins.

Es ist wohl so: „Du bist jung wie deine Zuversicht und so alt wie deine Zweifel; so jung wie dein Selbstvertrauen, so alt wie deine Furcht; so jung wie deine Hoffnung, so alt wie deine Verzagtheit“ (Albert Schweitzer). -Erst wenn die Flügel deiner Seele nach unten hängen und das Innere deines Herzens vom Schnee des Pessimismus und vom Eis des Zynismus bedeckt sind, erst „dann sind die bösen Tage gekommen und die Jahre nahen sich, von denen  du sagen wirst: „Sie gefallen mir nicht“(Prediger 12,1).

 

                                                            *

 

Lobe den Herrn, meine Seele,

und was in mir ist, seinen heiligen Namen!

Psalm 103,1

 

Es lobt sich also nicht selbstverständlich. Mein nachdenklicher Geist muss mein Ich anfeuern, muss meine Person, meine Seele antreiben, sich aufzuschwingen, Gott zu loben. Vielleicht sind wir ja wie Kinder, die meinen, ein Anrecht zu haben auf  Verwöhntwerden. Sind wir unleidlich, wissen wir schnell uns zu beschweren- und alles sich Beschweren zielt letztlich auf so was wie Gott.  Aber ihn loben? Ihn anerkennen als großen Künstler, ihn bewundern als Freund des Lebens? Ihm Dank sagen? Wir haben kein Recht auf den nächsten Atemzug und bekommen ihn doch eingeschenkt. Wie überirdisch fühlt sich das Lieben an? Wie grandios ist der Herrgott, der macht, daß wir bei der Schöpfung mitmachen. 

Danken und  Loben ist zuerst mal Staunen. Also lasst uns nicht durchs Leben stolpern wie Klötze sondern merken, wie wunderbar ist, was ist.

 

 

Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat und tun wird:

Psalm103,2

 

Nimm wahr  und merke, was dir Gutes geschieht. Allein ein schlichter Tag birgt eine Fülle von Glückserlebnissen, von Behagen, Wohlgefallen, Zufriedenheit, Genuss und Bewahrung, Einfällen, Lachen, Gesprächen. Ein einziger Tag ist in seiner Wunderbarkeit unausschöpfbar. Ich will von jedem Tag ein, zwei Eindrücke sichern, am besten schriftlich, auch um das Gute zu behalten. Und der Rückblick bekommt durch mehr Anhaltspunkte auch mehr Tiefe. Und der Dank mehr Gestalt. 

 

 

Der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöst und dich krönen wird mit Gnade und Barmherzigkeit, der deinen Mund fröhlich macht und du wieder jung wirst wie ein Adler.

Psalm103,3-5

 

Sünden vergeben bekommen- das beschafft Zukunft. Schwer lastet Schuld, begangene und erlittene. Begangene Schuld rumort in mir, bis sie beglichen ist. Erlittenes Unrecht  bleibt offene Wunde, bis Gespräch stattfindet, Eingeständnis gelingt und  ein Stück Wiedergutmachung getan ist.

Meine Schuld als von Gott vergeben glauben- das ist dramatisch wichtig. Er ist das Wesentliche aller Wesen. Was jeden trifft, trifft ihn erst recht- er muss alles aufnehmen und verdauen. Vergibt er, muß ich und kann ich auch vergeben und kann mir vergeben sein lassen und gutmachen.

Alle Gebrechen, Mühen, Leiden sind Stationen auf dem Weg zur Heilung, gegen keinen wird er sich entscheiden. Jedes Leben ist auf Fülle, Freude, Erlösung aus. Vor uns immer Krönung, vor uns Teilhabe an seiner Vollkommenheit. Darum sterben wir auch nicht ins Leere sondern werden abgekeimt vom Lebendigen, heimgetragen in Gott. Gegen das allmähliche Einsinken in den Tod will ich dies Lied singen je älter, je lieber: Gekrönt werden steht bevor. Und das macht fröhlich und jung, auch quer zu unsern Erfahrungen.

 

 

Der Herr schafft Gerechtigkeit und Recht allen, die Unrecht leiden.

Barmherzig und gnädig ist Gott, geduldig und von großer Güte.

Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat. So hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über uns. Wie sich Vater, Mutter  über Kinder erbarmen, so erbarmt sich der Herr über die Seinen.

Psalm 103,6.8.10.13

 

Gott schafft Recht. Wir ahnen dies, und wissen auch, was er von uns erwartet. Und seine Barmherzigkeit ist die Energie, die uns anschiebt zu gemeinsamem, heilsamem Tun. Aber er handelt nicht mit uns Auge um Auge, gleich gegen gleich, er ist großmütig, er weiß wie brüchig wir sind.

 

 

 

Er weiß, was für ein Gebilde wir sind; er gedenkt daran, dass wir von Erdenstaub genommen sind. Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie verweht, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr.

Die Gnade Gottes aber währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihm gehören. Lobe den Herrn, meine Seele!

Psalm 103,14,15,16,17,22

 

Der wahre Grund für Gottes Güte ist, daß wir ihm gehören und aus seinem Material genommen sind- Erde klingt nach Gegenteil von Himmel, ist sie aber nicht; sie ist Materie- „mater“- Mutter,  Materie, Gottes feines Stöffchen. Wenn trotzdem wir auch egoistische, kleinliche, raffige Menschen sind, ist es unsere einzige Chance, daß Gott zu uns hält. Wir sind vergänglich. Aber unser Loben hat langen Nachhall. Loben wir, so  feiern wir Gottes Großmut. Weil seine Gnade ewig währt, werden wir auch ewig währen; keinen will er missen, jeden wird er heilen.

 

                                                * 

 

Gott, mein Gott, du bist so herrlich.

Du bist schön und prächtig geschmückt. Licht ist dein Kleid, das du anhast.

Du breitest den Himmel aus wie ein Zelt; du baust deine Gemächer über den Wassern. Du fährst auf den Wolken wie auf einem Wagen und kommst daher auf den Fittichen des Windes. Du machst Winde zu deinen Boten und Feuerflammen zu deinen Dienern.

Psalm 104,1-4

 

So von Gott schwärmen: Er der wunderbare Liebhaber von Allem, die Schöpfung - sein Schmuck, so auch im griechischen Denken: kosmos =Schmuck Gottes). Licht als sein Kleid ist wohl die hintergründigste Bestimmung vom Wesen des Lichtes. –Eine andere Übersetzung: „Der das Licht sich umschlingt wie ein Tuch“-. Licht ist  Erleuchtung und Wärmung, die Gott in  die Welt setzt mittels all der Gase und Atomsonnen.

Der Himmel als Zelt, Wolken als Wagen, Winde als Flügel des Herrn, als Boten; Feuer als Diener- nichts ist mit seiner physikalischen Machart zufrieden.- Alles  ist sein Stoff, ist ihm untertan, steht ihm zur Verfügung- Alle Sachen haben einen Überschuss, haben Würde und Heiligkeit, nehmen davon ihre Bedeutung. Es gibt eine Verabredung zwischen Gott und seinem Werk: Alles ist zum Dienst für alles da, und in diesem Zusammenhang hat jede Sache ihre Selbstständigkeit.

 

 

Du hast das Erdreich gegründet auf festen Boden, dass es bleibt immer und ewiglich. Mit Fluten decktest du es, die Wasser standen bis über die Berge.

Aber vor deinem Machtwort wichen sie. Die Berge hoben sich, die Täler senkten sich herunter. Du hast den Wassern eine Grenze gesetzt, sie dürfen nicht wieder das Erdreich bedecken.

Aus Quellen lässt  du Bäche fließen, zwischen den Bergen eilen sie dahin,

Sie bieten Trank den Tieren des Feldes und das Lebendige löscht davon seinen Durst.

Du feuchtest die Berge von oben her, du machst das Land voll Früchte.

Auf den Bäumen sitzen die Vögel des Himmels und singen unter den Zweigen.

Psalm 104,5-13

 

Das Wasser kann Feind des Lebendigen werden. Aber erst recht erleben wir  es als den Urstoff, der Leben erst  möglich macht. Welch ein Glück, dass das Wasser von  Gottes Hand gedämmt ist. Wenn wir uns wissend in den Kenntnissen der Natur bewegen, können wir die Wasser gut nutzen. Aber wie tollkühn befahren wir die Ozeane und siedeln am äußersten Meer. Dann wegen der Orkane und Überschwemmungen Gott zu beschuldigen, ist nur hilflos. Aber Gott kann es verkraften.

 

 

Du lässt Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen. Brot bringst du aus der Erde hervor, daß es des Menschen Herz stärke und mit Wein erfreust du sein Herz, und  sein Antlitz wird schön vom Öl.

Psalm 104,14.15

 

Wir sind ja geneigt, die Natur zu personifizieren als die Macherin des Natürlichen. Aber die Natur ist das Angerichtete, nicht der Koch; ist Schöpfung und nicht Schöpfer.. So bringt Gott das Brot aus der Erde hervor mittels des Samens, der Feuchte, des Bodens, seiner Bauern und Bäcker. Und  die bekommen Lohn. Dank ist höheren Orts abzustatten; warum ja Erntedankfest als Markierung wichtig ist. Wein zur Freude, Öl und Kosmetik zur Schönheit- herrlich, daß wir einen Gott glauben dürfen, der Lust hat, uns zu erfreuen und schön zu machen.

 

 

Du hast den Mond gemacht, das Jahr danach zu teilen; die Sonne weiß ihren Niedergang. Du machst Finsternis, dass es Nacht wird; da regen sich alle wilden Tiere, die jungen Löwen, die da brüllen nach Raub und suchen ihre Speise auch von dir, Gott. Wenn aber die Sonne aufgeht, heben sie sich davon und legen sich in ihre Höhlen.

Dann  geht der Mensch an seine Arbeit und an sein Werk bis an den Abend.

Ach, wie sind deine Werke so groß und viel!

Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.

Da ist das weite Meer, da wimmelt es von  großen und kleinen Tieren.

Dort ziehen Schiffe dahin; da sind große Fische, die du gemacht hast, um mit ihnen zu spielen.

Psalm 104,19-26

 

Die Löwen suchen ihre Speise von Gott- ja jeden Morgen wacht der Löwe auf und macht sich auf die Jagd nach einem Zebra. Jeden morgen wacht das Zebra auf und muss schneller sein als der Löwe. Die meisten Zebras sterben an Altersschwäche und nicht am Löwen. Aber die Löwen  brauchen ihre tägliche Portion Zebra. Und das ist weise von Gott geordnet. Leben heißt auch, sein Leben lassen, ob als Zebra oder als Löwe oder als Mensch. Wir müssen uns ans Leben drangeben, und letztlich den Preis erbringen, müssen von hier gehen und Beute an Erfahrung mitbringen.          

Die Erdenzeit ist lesbar, wir haben einen gemeinsamen Kalender. So können wir uns verabreden. Zeit messen können, ermöglicht, Arbeitzeit gleich lang zu messen, Mühe gleichlang zuweisen zu können, was Voraussetzung ist für Gerechtigkeit.

Große Fische sind da, damit Gott was zum Spielen hat? Wer sie sich vergnügen sieht, die Buckelwale und Delfine, der kann wirklich meinen, daß auch Gott dran seine Freude hat.

 

 

Es warten alle auf dich, Gott,

dass du ihnen Speise gibst zur rechten Zeit. Wenn du deine Hand auftust,

so werden sie mit Gutem gesättigt. Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie; nimmst du weg ihren Odem, so vergehen sie. Sendest du aus deinen Odem, so werden sie geschaffen, und du machst neu die Gestalt der Erde. Ich will dem Herrn singen mein Leben lang und meinen Gott loben, solange ich bin.

Psalm 104,27-30,33

 

Letzten Endes ernährt Gott sie alle.  Alle Energie ist sein Atem. Auch unser Atmen ist eine heilige Handlung. Der Kuss der Liebenden und die Atemspende hat was vom Himmel. Irgendwann geht uns hier die Luft aus, weil wir nur auf Zeit hier sind. Aber wir bleiben ausgestreckt, daß die Gestalt der Erde neu geschaffen wird  und wir begeistert bei Gott bleiben. Wir werden es nicht lassen können, ihn zu feiern.

Ich will Gott loben, solange ich bin, weniger mit schönen Worten als mit Lebenslust, und mit Staunen, daß ich den Forderungen einigermaßen gewachsen bin.

 

                                                              *

 

Der treue Menschenhüter

Ich hebe meine Augen, woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.

Er wird auch deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht.

Gott behütet dich; Er  ist dir  nah wie dein Schatten neben dir.

Gott  behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele.

Er  behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit!

Psalm 121

 

Der dich behütet, schläft nicht- ein magisches Wort der Treue und des Schutzes. Diese Wachheit und Gegenwärtigkeit, Gottes flirrende geistige Präsenz in Allem ist glückhaft. Ich will mich darin sicher wissen: Gott behütet mich. Auch wenn ich stürze, fängt er mich auf. Auch wenn ich sterbe, geh ich ihm nicht verloren und mir damit auch nicht.

Leid soll vergehen, das ist versprochen.  Ja, wir sind zerbrechlich, verletzbar an Leib und Seele, sind nicht aus Stein, sind aus dem Herzen Gottes entworfen. Auch Gott leidet. Mit dem hungrigen Löwen und dem zum Fraß werdenden Zebra, mit dem roh gemachten Prügler und dem stummen Opfer. Glaub ihm, daß er dich behütet. Setz deine Hoffnung ganz auf Schutz von oben und biete du dem Himmel deine kleine Hand voll Fürsorge an.

 

                                                       *

 

Die mit Tränen säen

Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre Zunge voll Rühmens sein. Dann wird man sagen unter den Heiden: Der Herr hat Großes an ihnen getan!

Der Herr hat Großes an uns getan; des sind wir fröhlich.

Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Wir gehen hin und weinen und streuen Samen und kommen mit Freuden und bringen unsre Garben.

Psalm 126

 

Dies ist zuerst ein Gebet Israels, dann aber auch eins für uns alle. Israel bildet das Vorbild für alle Sehnsucht, nach Hause zu kommen und für den langen Weg hin zur Erlösung.

Auch wir werden sein wie Träumende, wenn uns der Himmel sich öffnet. Auch wir werden mit Gott die Vollendung seiner Schöpfung feiern.- Da wird alles Weinen in Freude verwandelt und alle Schuld geheilt.

Gefangen sind wir  in vielerlei Schlingen. Jeder weiß seinen Mangel und muss weinen, manchmal auch ohne Tränen. Dies ist schon rettend: Unter Tränen vollzieht sich auch Saat, Anfang, Wende, Rettung. Das dürfen wir erwarten: Wir werden mit Freuden ernten. Wie mühsam wir uns auch plagen mussten, das Ziel unserer Wege wird sein, Gott zu preisen, dass er Großes an uns getan hat. Träumen wir doch schon von unserm geheilten Ich. Sollen Menschen doch jetzt schon mal von uns sagen: Du Glückskind, du Gotteskind.

 

                                                  *  

 

 

An Gottes Segen ist alles gelegen

Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen.

Wenn Gott nicht die Gemeinschaft behütet, so wachen die Verantworter  umsonst. Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und hernach lange sitzt und esst euer Brot mit Sorgen; denn den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.

Vor allem Kinder sind die Gabe Gottes.

Psalm 127

 

Nicht wir machen, daß Gott unserer Dasein segnet. Aber sein Segen will mit uns zusammenwirken, wir müssen die guten Kräfte Gottes wollen, müssen sie heranbitten, sie freundlich aufnehmen, sie nutzen.  Beim Hausbau z.B. ist es hochwichtig, dass gutes Einvernehmen herrscht zwischen allen Gewerken. Und alle müssen wissen, dass sie einem Werk verpflichtet sind und gerechten Lohn erhalten. Die Gesellschaft  braucht Gottes Segen in Gestalt von Friedenswillen. Sähe jeder nur auf Seins, gäbe es nur Unordnung.  

Schon richtig, daß wir uns mühen. Aber Wachstum und Gedeihen sind auch Geschenk, auch Gnade. Geschick ist auch Begabung, Erfolg lässt sich nicht erzwingen. Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf-  Also nicht sich zersorgen sondern gut schlafen, Gott am Abend das Tagwerk in die Hände geben und Morgens früh aus seinen Händen wieder entgegennehmen, was heute ansteht.  Da findet Segen Gestalt.

Vor allem Kinder sind nur als Gabe Gottes zu denken. Wir „machen“ sie nicht, wir empfangen sie, sie kommen bei uns, mittels unserer zur Welt. Gott erdet sie durch uns mittelmäßige, hinreichend brauchbare Menschen. Kinder gibt’s genug, es gibt nicht genug mütterliche, väterliche Menschen- also, lass Kinder an dich ran, sei ihnen zum Segen. 

Nochmal: Den Seinen gibts der Herr im Schlaf -Kannst du das auf dich beziehen? Weißt du dich geborgen, einfach gut aufgehoben, bist du im Lot mit dir? Schlag einfach eben mal die Augen nieder, leg die Hände in den Schoß, und denk, fühl deinen Gedanken nach- du atmest auf, dann langsam aus. Und auf dem Grund deines Ausgeatmethabens bist du in Ruhe. So kann es bleiben.

Geht es dir so- dann erlebst du, wie Gott dir gibt- einfach so, ohne daß du strampeln musst. Und was du eben noch besorgtest, wen du in Gedanken oder Taten umsorgtest- es geht alles seinen Gang. Unermesslich, dein Beschenktsein, innen alles voll Dank. Und im Schlaf füllt sich dein Kraftreservoir wieder auf. Du bist nur zuständig im Rahmen deiner Kräfte. Vom Rest denke, Gott wird es schon richten.

 

                                                   *

 

 

Aus tiefer Not

Aus der Tiefe rufe ich, Gott, zu dir. Herr, höre meine Stimme!

Merke auf die Stimme meines Flehens!

Wenn du, Gott, Sünden anrechnetest, Herr, wer würde bestehen?

Bei dir ist die Vergebung, dass man dich liebe.

Ich harre des Herrn, ich hoffe auf sein Wort. Meine Seele wartet auf den Herrn

mehr als die Schlaflosen  auf den Morgen;

Hoffe auf Gott! Denn bei ihm ist die Gnade und viel Erlösung.

Er wird seine Menschheit erlösen aus allen ihren Sünden.

Psalm130

 

 

Manchmal zerreißt es uns aus eigener Schuld. Es zerreißt unsere Seele vor Scham, wie konnten wir so tief sinken? Dann taten wir etwas, das aller Vernunft und unserer Überzeugung Hohn spricht, das die Beziehung und die Ehrbarkeit und das Ansehen auf Jahre zerstört. Und wir schwanken zwischen Todessehnsucht und Lebenswillen, suchen uns vor uns selbst zu entschuldigen, suchen Ausflüchte für unsere Grausamkeit. Wir spüren die Macht des Unergründlichen- und beten, daß kein Satanisches uns vollends verschlinge.

Um der Schwärze zu entkommen müssen wir Gott anrufen. Wir haben  doch diesen  letzten Grund, der uns Halt gibt vor dem Versinken in Wahn. Wer soll die reißende Bestie in mir still bekommen, wenn nicht der Schöpfer des unerschöpfbaren Lichtes.

Also rufe ich, flehe zu ihm, will umkehren, bereuen und Buße tun.  Ich will Gott seine Erlösung glauben und ein besseres Leben erarbeiten.

 

                                                    *

 

 

Gott, du kennst mich

Ich sitze oder stehe- du weißt. Du verstehst meine Gedanken von ferne.

Psalm 139,1.2

 

Das ist das Gegenteil der Drohung: „Der liebe Gott sieht alles“. Gott weiß mich, dich- das ist Trost und Glück. Der Universale kennt mein Innerstes, weil es Teil seines Innersten ist. Ich bin seine Filiale, mein Denken geschieht auf seiner Frequenz. Mein Denken flimmert durch sein Gehirn. Ich habe einen Mitwisser, so bin ich nicht allein. Gott haftet für mich. Wenn auch ich mich nicht verstehe, und meine Mitmenschen nur Kopfschütteln für mich übrig hätten, so erschlägt mich das nicht. Weiß ich, dass Gott weiß, kann ich nicht verloren gehen, auch mir selbst nicht.

 

 

Ich gehe oder liege, so bist du um mich. Du gehst meine Wege mit. Alle Worte, die mir auf die Zunge kommen, weißt du schon vorher.

Psalm 139,3-4

 

Gottes Allgegenwart und Allwissen darf ich auf mich  persönlich beziehen. Sie stärken mein Selbstbewusstsein sehr, wüsste und  behielt ich’s nur. Ich bliebe auf leuchtendem Pfad, käme nicht unter die Räder. Wenn ich’s nur behalte, dass Gott mich behält! Worte des Verrates und der Kränkung müssen im letzten Augenblick sich bekehren, denn Gott weiß.  

 

Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir. Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch, ich kann sie nicht begreifen.

Psalm 139,5.6

 

Das Bild ist genommen vom Kind im Mutterleib, über das die Mutter noch ihre schützenden Hände breitet. Du, ich in Gott. Nicht so sehr ist Gott über uns oder in uns- sondern wir in ihm. Die Welt der Leib des Herrn- die Milchstraßen kreisen in seiner Blutbahn- nicht zu fassen das alles. 

Innig ist die Gebärde des Schutzes: In Gottes Hand sein - bildet auch das älteste christliche Symbol ab: Die rechte Hand Gottes.  Sie ist schöpferisch, schützend, führend- auch strafend? Die bei einer Wahl erhobene rechte Hand ist uns Menschen Kennzeichen unserer demokratischen Macht. 

 

 

Wohin soll ich gehen vor deinem Geist,

und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht?

Führe ich gen Himmel, so bist du da;

bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da.

Nähme ich Flügel der Morgenröte

und bliebe am äußersten Meer,

so würde auch dort deine Hand mich führen

und deine Rechte mich halten.

Spräche ich sogar: Finsternis möge mich decken

und Nacht statt Licht um mich sein -

so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir,

und die Nacht leuchtete wie der Tag. Finsternis ist dir wie das Licht.

Psalm 139,7-12

 

Dass ich in Gott bin, kann ich nicht fassen.  Ich kann auch vor ihm nicht fliehen. Er ist immer schon da. Auch meine Fluchten geschehen in ihm: Wenn ich mich von Gott abkehre, kehre ich mich von mir ab- Gott aber bleibt immer vor mir, um mich eben. Selbst Morgenlicht und Todsein geschehen in ihm. Wie tief ich auch falle, ich bin gehalten. Und was für mich schwarze Nacht ist- ich stehe doch im Licht seiner Liebe.

Wenn ein Mensch sich ans Leben geht, will er ja nur die Bedingungen hier verneinen, will aufbrechen, neue Kreatur zu werden in gottnaher Fülle. Und selbst, wenn er alle Vollendung verneinen sollte und sich nur in Finsternis einhüllen will, nur nicht mehr sein will- so ist dieser letzte Wille nur vorläufig. Denn auch das Nichts ist von Gott umhüllt und wird zur leuchtenden Fülle. Nicht, ob ich an Gott glaube, ist das wichtigste, sondern daß Gott an mich glaubt. Das lässt mich immer vor Ihm sein.

 

 

Denn du hast mir Herz und Nieren bereitet

und hast mich gebildet im Mutterleibe.

Ich danke dir dafür,

dass ich wunderbar gemacht bin;

wunderbar sind deine Werke;

das erkennt meine Seele wohl.

Deine Augen sahen mich,

als ich noch nicht bereitet war,

und alle Tage waren in dein Buch geschrieben,

die noch werden sollten und von denen keiner da war.

Aber wie schwer sind für mich, Gott, deine Gedanken!

Wie ist ihre Summe so groß!

Wollte ich sie zählen, so wären sie mehr als der Sand:

Am Ende bin ich noch immer bei dir.

Psalm 139,13.14.16.17.18

 

Der Anfang aller Wege zu und mit Gott ist das Staunen, das Einzigartige jeder Erscheinung, das Wunderbare jedes Wesens! Ach merkte ich doch auf! Die Vielfalt des Lebendigen lässt erzittern, wenn man sie nur mit erfrischten Augen wahrnimmt.

Abgründig einzigartig ist man selbst, mittels der Eltern einst ins Sein gehoben; schon die Daumenkuppe des Säuglings zeigt eine unverwechselbare Riffelung. Wie viel einzigartiger noch sind die Antlitze der Menschen und ihre Seelen.

Ich bin gewollt, bin ins Sein gerufen von Gott. Alle Tage, alle Chancen sind schon in Fülle da. Nicht zu fassen, wie viele Gedanken wert wären, bedacht zu werden- in wachsenden Ringen kreisen sie um den Guten Ganzen Einen. 

 

 

(Ach Gott, wolltest du doch die Gottlosen töten!

Dass doch die Blutgierigen von mir wichen!

Denn sie reden von dir lästerlich,

und deine Feinde erheben sich mit frechem Mut.

Sollte ich nicht hassen, Gott, die dich hassen,

und verabscheuen, die sich gegen dich erheben?

Ich hasse sie mit ganzem Ernst; sie sind mir zu Feinden geworden.)

Psalm 139,19-22

Gewaltdarstellungen und blutrünstigen Gebete im Alten Testament sind allermeist Wunschvorstellungen Ohnmächtiger. Verbale Härte und Grausamkeit waren die geballte Faust in der Tasche der politisch Überrollten. Sie war Aufschrei der Machtlosen, die durch Wort und Wunsch ihre Machtlosigkeit ausgleichen, und überdecken wollten. Um so ihre Gläubigkeit zu bewahren und ihre Machtlosigkeit zumindest gedanklich zu überwinden und so durchstehen zu können (Michael Wolffsohn).  

 

 

Gott, du kennst mich ja, du weißt, wie ich’s meine.

Achte darauf,  ob ich auf  bösem Wege bin,

und leite mich auf ewigem Wege.

Psalm 139,23f

 

 

Hier ist Gott ganz nah dem schwierigen Menschen, der von seiner Kompliziertheit weiß und sich in die Arme des Allwissenden und Allweisen wirft. Im Kern darf ich mich als Gottes Eigenes glauben und  mir sagen, daß er mich besser kennt, als ich mich selbst. Das ist Schutz und Schirm für mich. Bin ich auf bösem Weg, kann es nur Verirrung sein, Schlamassel, Jammer. „Hol mich da raus“ ist mein Ruf. 

 

Nochmal Psalm 139

Gott, du kennst mich. Ich sitze oder stehe- du weißt. Du verstehst meine Gedanken von ferne.

Ich gehe oder liege, so bist du um mich. Du gehst meine Wege mit. Alle Worte, die mir auf die Zunge kommen, weißt du schon vorher.

 

Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir. Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch, ich kann sie nicht begreifen. Wohin soll ich gehen vor deinem Geist?

 

Wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht?

Führe ich gen Himmel, so bist du da;

bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da.

Nähme ich Flügel der Morgenröte

und bliebe am äußersten Meer,

so würde auch dort deine Hand mich führen

und deine Rechte mich halten.

Spräche ich sogar: Finsternis möge mich decken

und Nacht statt Licht um mich sein -

so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir,

und die Nacht leuchtete wie der Tag. Finsternis ist dir wie das Licht.

 

Denn du hast mir Herz und Nieren bereitet,

Du hast mich gebildet im Mutterleibe.

Ich danke dir dafür,

dass ich wunderbar gemacht bin;

wunderbar sind deine Werke;

das erkennt meine Seele.

Deine Augen sahen mich,

als ich noch nicht bereitet war,

und alle Tage waren in dein Buch geschrieben,

die noch werden sollten und von denen keiner da war.

Aber wie schwer sind für mich, Gott, deine Gedanken!

Wie ist ihre Summe so groß!

Wollte ich sie zählen, so wären sie mehr als der Sand:

Am Ende bin ich noch immer bei dir.

Gott, du kennst mich ja, du weißt, wie ich’s meine.

Achte,  ob ich auf  bösem Wege bin, und leite mich richtig.

 

 

                                          *                   *

 

 

 

Sprüche Salomos

 

 

 

Die Achtung gegen Gott ist der Anfang der Erkenntnis.

Sprüche 1,7

 

Keinesfalls sollen wir uns vor Gott ängsten. Er schüchtert nicht ein, straft auch nicht, er ist nur Segen und Liebe. Früher hieß es: „Die Furcht vor Gott ist der Anfang der Weisheit“. Gemeint ist Ehrfurcht- sagen wir lieber:  Gott will Achtung, will geliebt werden. Mit Freuden Ihm entsprechen, das schafft eine leuchtende Existenz.

Der Anfang von Gottes- und Welterkenntnis ist das Staunen, wie wunderbar die Welt ist. Schon das Kind fühlt sich erhoben- es kann schreien und Mutter naht, es weint und schon kommt Hilfe. Dieses Geliebtsein ist der Anfang der Erkenntnis, und darin ist der Grund gelegt fürs Gewolltsein und fürs Gehaltensein vom Herzen der Welt.

 

                                                    *

 

Geh hin zur Ameise,

du Fauler, sieh an ihr Tun und lern von ihr. Obwohl  sie keinen Herrn über sich weiss, bereitet sie doch ihr Brot im Sommer und sammelt ihre Speise in der Ernte. Wie lange liegst du, Fauler! Wann willst du aufstehen von deinem Schlaf? Steh auf, sonst wird dich die Armut übereilen.

Sieben Dinge sind Gott ein Gräuel:

Stolze Augen, falsche Zunge, Hände, die unschuldiges Blut vergießen;

ein Herz, das Ränke schmiedet; Füße, die behände sind, Schaden zu tun;

ein falscher Zeuge, der freche Lügen redet und Hader anrichten zwischen Geschwistern.

Sprüche Salomo 6

 

 

Dauernde Faulheit ist unter unserer Würde. Es gehört zu unserm Wesen, unser Leben durch eigener Hände und Kopfes Arbeit zu  ernähren. Wir missbrauchen die Gaben des Schöpfers, wenn wir Sünde produzieren; Und damit Gott selbst reinreißen. Wären wir ameisenmäßig verfasst, täten wir automatisch das Richtige. Aber wir Menschen haben Spielraum für Wille und Erkenntnis und ja- für Faulheit. Gott leistet sich den hochriskanten, heiklen Menschen.

 

                                                     * 

 

 

Liebe deckt Übertretungen zu.

Sprüche Salomo 10,12

 

Liebe hält den geliebten Menschen hoch, traut ihm Besserung und Heilwerden zu. Liebe sucht zu verstehen, zu entschuldigen. Liebe tritt stellvertretend ein. Liebe zieht zunächst nicht zur Rechenschaft sondern geht erst mal von einem Irrtum aus, von „über die Stränge schlagen“. Liebe macht ernst mit Jesu Wort: „Sie wissen nicht was sie tun“( Lukas 23,34). Liebe ist geduldig, lässt sich nicht erbittern, deckt auch mal zu. Allerdings sollte Güte auch eine scharfe Kante haben, damit sie nicht mit Dummheit verwechselt wird.

 

                                                       *

 

Die bessere Rechenart

Einer teilt reichlich aus und hat immer mehr; ein andrer kargt, und wird doch ärmer. Und wer Korn zurückhält, dem fluchen die Leute; aber Segen kommt über den, der es verkauft. Wer reichlich gibt, wird in der Not gelabt.

Sprüche Salomo 11

 

Geschäfte muss man so machen, daß andere auch gut davon haben. Nützen wir einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat! Und wer reichlich empfangen hat, der hat auch reichlich zu verteilen. Wehe, bei ihm stockt der Wohlstand und die Güter häufen sich bei ihm. Er droht an ihnen zu ersticken; Letztlich wird er Diebe als Befreier feiern.

Es geht darum, die Begabungen und Waren wechselseitig zu nutzen. So gesehen ist übermäßiges Sparen Entzug von Energie und der wahre Luxus.  Besser ist, was man nicht selber braucht, loszugeben, dass andere damit was anfangen können. Andern fürs Überleben durch eigener Hände und Kopfarbeit das Startkapital geben, ist groß. Wer grünen lässt, gedeiht mit.

 

                                                         *

 

Kostbar das richtige Wort

Trage deine Sache mit deinem Nächsten aus, aber verrate nicht eines andern Geheimnis.

Ein Wort, geredet zu rechter Zeit, ist wie goldene Äpfel auf silbernen Schalen. Ein Weiser, der mahnt, und ein Ohr, das auf ihn hört, das ist wie ein goldener Ring und ein goldenes Halsband.

Sprüche Salomo 25

 

 

Wunderbar, daß wir Menschen Sprache haben, um uns differenziert verständigen zu können. Es können Worte gelingen, „erhaben wie eine Offenbarung, mächtig wie Donner, warm wie die Liebe, gnädig wie der Himmel, weit wie die Erde, fruchtbar wie der Acker, süß wie eine süße Frucht“ (Joseph Roth). Manchmal reden wir rau und abfertigend oder hängen fest in dumpfer Sprachlosigkeit. Aber wie herrlich, wenn Menschen ihren schmerzerfüllten Seelen Ausdruck verleihen und sie einander freisprechen.

Anderer Menschen Geheimnis verraten, das macht mitverantwortlich für die Folgen. „Alles zum besten kehren“- rät Martin Luther. Schweigen kann behüten. Lassen wir einander  Privatsphäre, auch durch Wegschauen. Prahlen wir vor allem nicht mit Wissen, das auszubreiten, andere schmerzt. Nehmen wir unsere Sensationslust in Zaum.

 

                                                  *

 

 

Armut und Reichtum gib mir nicht; Aber mein Teil Speise, das du mir beschieden hast, lass mir zukommen.

Sprüche Salomo 30,8

 

Reichtum kann mich des Mitleids entwöhnen, einfach dadurch, daß ich mich vor Begegnung mit Armut und ihren Forderungen schütze. Ich kann mir Privilegien beschaffen an Heilmitteln, an Rechtsbeistand, an besseren Konditionen bei der Bank. Aber auch Armut hat es schwer. Sie kann auf Hunger reduzieren, kann alle Kräfte binden für ein Dach überm Kopf, kann alle sonstige Phantasie austreiben.

Eine Mitte aus Zuviel und Zuwenig wäre gut. Aber mit welcher Mitte wäre ich zufrieden?

 

                                                       * 

 

 

Tu deinen Mund auf

für die Stummen und führe die Sache der Verlassenen.    

Sprüche 31,8

 

Die Gefahr ist groß, abfällig von Menschen zu denken und zu sprechen. Doch das Lied ist ja bekannt: “Die Menschen sind schlecht, sie denken an sich. Nur ich denk an mich.“ Was wir an anderen nicht leiden können, ist auch in uns.  Darum ist  Mitgefühl und Hilfsbereitschaft so wichtig. wir waren auch schon drauf angewiesen und werden es wieder sein.  „Wir müssen lernen, die Menschen weniger auf das hin anzusehen, was sie tun und unterlassen, als auf das, was sie erleiden“ Dietrich Bonhoeffer).

 

                                                

                                                    *                 *

 

 

Der Prediger Salomo

 

Alles Irdische sucht nach Sinn

Alles ist auf der Kippe zum Sinnlosen. Was hat der Mensch für Gewinn von all seiner Mühe, die er hat unter der Sonne? Generationen vergehen, Generationen kommen. Ja, die Erde ist standhaft. Die Sonne geht auf und geht unter und geht wieder auf. Der Wind dreht sich. Die  Wasser laufen ins Meer, eigenartig- das Meer wird nicht voller.

Reden ist so mühsam, es  kommt nicht zu Ende. Das Auge sieht sich nicht satt, das Ohr hört sich nicht voll. Was man getan hat, das tut man wieder. Es geschieht nichts Neues unter der Sonne.

Prediger Salomo 1,1-9

 

 

Einer der großen Klagetexte der Menschheit. Sanft klingt die Melancholie, bitter klagt die Depression. Doch dazwischen leuchten Sätze tiefer Poesie, ähnlich dem Trostwort der Mascha Kalèko „Die Nacht, in der der Kummer wohnt, hat auch die Sterne und den Mond.“

Viel ist die Mühe und klein die Beute. Aber die Freude am Gelingen könnte uns retten, bei aller Wiederholung. Und geschieht wirklich nichts Neues unter der Sonne? Ist nicht jedes Neugeborene, jeder Tag eine neue Schöpfung?

 

                                                *

 

 

Aus den Augen, aus dem Sinn?

Man gedenkt derer nicht, die früher gewesen sind, und derer, die hernach kommen-  ihrer wird man auch nicht gedenken.

Prediger Salomo 1,11

 

 

Ist das so? In den Versen kommt der Prediger doch wieder. In den Genen aufgehoben sind die Vorfahren, in jedem verfertigten Gegenstand steckt das Wissen der Generationen seit den ersten Werkzeugen. Sicher vergessen wir die Vorfahren. Die nach uns kommen, werden uns auch der Zeit überlassen. Aber ist das schlimm? Wenn wir nur als von Nachkommen Erinnerte Zukunft hätten, stände es schlecht um uns-  da hat der Prediger recht. Aber wir hoffen doch weit hinaus. Gott wird uns denken, also sind wir, immer.

 

                                                     *

 

 

Auch das Streben nach Weisheit ist eitel

Ich sah an alles Tun, das unter der Sonne geschieht, und alles ist doch fragwürdig, ist Haschen nach Wind. Ich richtete mein Herz darauf, dass ich Weisheit lerne und Torheit erkenne. Aber auch das sichert kein Glück. Denn wo viel Weisheit ist, da ist viel Grämen, und wer viel lernt, der muss viel leiden.

Aus Prediger Salomo 1,14 –20

 

 

Der tiefen Niedergeschlagenheit der Wissenden hält Gottfried Benn entgegen: „Dumm sein und Arbeit haben- das ist Glück.“ Aber das ist doch auch zynisch. Muss denn Weisheit und Gram zusammen fallen?  Weisheit sollte doch auch Mitleid bei sich haben, und Geschicktheit. Weisheit hilft, vor Schlimmerem bewahrt zu werden- das ist doch schon was.

 

                                                            * 

 

Sei lieber guter Dinge

Ist’s nun nicht besser für den Menschen, dass er esse und trinke und seine Seele guter Dinge sei bei seinem Mühen? Auch das kommt doch von Gottes Hand.

Denn wer kann fröhlich essen und genießen ohne ihn?

Prediger Salomo 2,24.25

 

Fröhlich sein und genießen können – nimm als Geschenk des Himmels- sieh doch, was Er dir Gutes getan hat. Dankbarkeit ist der Kern des Glaubens. Merk dein Überraschtsein, ja, staune immer neu über das, was dir glückt und dir beschert ist. Das in sich Reinstopfen von Essen und Eindrücken, das hirnlose Verbrauchen macht unzufrieden. Aber mit Bewusstheit die schönen Augenblicke und die Begünstigungen sich gefallen lassen als Geschenk, das erhebt dich.  Und: Wer genießt, ist schon mit ihm per Du. Die sich freuen sind nicht weit weg vom Himmel.

 

                                                   *

 

Gottes Zeit, alles

Alles hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde:

    geboren werden und sterben; pflanzen und ernten, töten und  heilen; abbrechen und aufbauen; weinen und lachen; klagen und  tanzen; Steine sammeln und Steine zerstreuen; herzen und ferne sein dem Herzen; suchen und verlieren; behalten und wegwerfen; zerreißen und  zunähen, schweigen und  reden;    lieben und  hassen; Streit und  Friede hat seine Zeit. Und  Gott gehört die Zeit.

Prediger Salomo 3,1-8

Das Leben besteht aus Auf und Ab, Ja und Nein, Voll und Leer, Kommen und Gehen. Und irgendwas ist immer. Es ist kein Stillstand, auch nicht ein Kreisen. Leben ist Geschichte mit Rhythmus. Der Rhythmus, die Zeit, ist Gottes Puls. Alles hat seine Zeit- das ist ein Trost. Leid bleibt nicht Leid, Glück aber auch nicht das Glück von gestern. Wir gehen. Und der Weg ist voller Möglichkeiten- Du Glücklicher mit deiner Fülle von Leben!

Ob die Phasen uns portionsweise zugeteilt sind, ist offen.- Eher nicht, denn Gott macht, daß sich die Dinge selber machen. Doch Hast ist eine geistige Störung.

 

                                                          *

 

Was uns antreibt

Gott hat alles schön gemacht. Auch hat er die Ewigkeit uns ins Herz gelegt; so ist es aushaltbar, dass wir nicht ergründen können das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.

Merk dir das: Es  gibt nichts Besseres als fröhlich sein und sichs gut sein lassen. Ein Mensch, der isst und trinkt und ist guten Mutes bei all seinem Mühen- das ist eine Gabe Gottes. Nichts ist besser, als dass ein Mensch fröhlich ist in seiner Arbeit.

Prediger Salomo 3,11-13,22

 

 

Es ist wohl so, daß uns zwei Kräfte antreiben: Das Schöne und das Ewige. Beides  soll mir  Wahrheit sein, beides will ich  mir wichtige Wirklichkeit sein lassen: Ich will das Schöne merken, schützen, freilegen. Und will die Sehnsucht, ewig zu lieben und geliebt zu sein, hegen.

Gut ist es, einen guten Mut zu haben bei aller Mühe ums Tagtägliche. Das Schöne und das Ewige erden sich in Kunst und in der Liebesumarmung. Und guten Mut, Essen und Trinken sich Gottesgeschenk sein lassen- auch das ist Vorgeschmack aufs Ewige. Und ins Gelingen verliebt sein, macht zufrieden in der Arbeit.

 

                                                 *

 

 

Schwarz sehen

Ich hab vor Augen alles Unrecht, das unter der Sonne geschieht, und die Tränen derer, die Unrecht leiden und keinen Tröster haben. Die ihnen Gewalt antun, sind zu mächtig.

Ich bin nah dran, die Toten zu preisen, mehr als die Lebendigen; Und noch besser dran ist, wer überhaupt nicht geboren ist. So braucht er des Bösen nicht inne zu werden, das unter der Sonne geschieht: Es ist doch nur Eifersucht des einen auf den andern. Besser eine Hand voll mit Ruhe als beide Fäuste voll mit Mühe und Haschen nach Wind.

Prediger Salomo 4, 1-6

Dieser schwarze Pessimismus grenzt an Gottesleugnung. Ja, es ist viel Leid.  Um so wichtiger, geboren zu sein zum Helfen und  Hinausschreien in die Welt, daß Rettung organisiert werde. Und es ist nicht nur Eifersucht da, nicht nur Nickeligkeit. Es ist auch Güte da und die Größe des Kleinen, Sinn für Gerechtigkeit und Courage und Freudefähigkeit.

                                                 

                                                          * 

 

Lob der Zweisamkeit

Zu zweit ists besser als allein; zwei teilen sich den Lohn für ihre Mühe. Wenn sie fallen, können sie sich aneinander aufrichten; liegen sie beieinander, wärmen sie sich. Einer allein wird überwältigt, aber zwei können widerstehen und eine dreifach geflochtene Schnur reißt nicht leicht entzwei.

Prediger 4,9-12

 

 

Ein herrlich nüchterner Lobgesang auf das Paar. Wir sind auf Ich-Du angelegt.  Einen nahbei haben, mit dem man eine Weltsicht erarbeitet, einen Lebensgesprächspartner, eine Schicksalspartnerin- es muss nicht Ehe sein- dieses einzigartige Bündnis, sich anzunehmen als Gabe und Aufgabe für immer- wenn es denn gelingt. Zu zweit sein- heißt sich immer wieder einig werden wollenn- also allein nicht Recht haben können. Aber es ist Gnade, Geschenk, Wunder, den, die Richtige zu finden. Erreichbar sollte man sich machen, wir müssen uns auf den Markt begeben, uns anbieten. Wer allein ist, lässt auch allein. 

 

                                                           *                 *

 

 

 

Aus dem HOHELIED SALOMOS

 

Meine Freundin, du bist schön; schön bist du. Deine Augen sind wie Taubenaugen. Wie eine Lilie unter den Dornen, so ist meine Freundin unter den Mädchen.

Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen, so ist mein Freund unter den Jünglingen. Unter seinem Schatten zu sitzen, begehre ich, und seine Frucht ist meinem Gaumen süß. Krank bin ich vor Liebe. Ich beschwöre euch, Töchter von Jerusalem, daß ihr die Liebe nicht aufweckt, bis es ihr selber gefällt.

Mein Freund ist mein und ich bin sein.

 

Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn, sodass auch viele Wasser die Liebe nicht auslöschen und Ströme sie nicht ertränken können.

Hohelied  1,15;2,2.3.5.7; 8,6.7

 

Acht Kapitel singt dies Liebeslied- eines der schönsten, die es gibt. Weil dies Gedicht als schwärmender Lobgesang der liebenden Seele  an Gott verstanden wurde, fand es in die Bibel. Ihm gebührt ein Ehrenplatz in der Schrift, denn es birgt die wohl gewaltigste Bestimmung dessen, was die Liebe ist. Sie ist nicht gemächliche Zuneigung, nicht wohliges Fühlen. Sie ist „Flamme  des Herrn“, also Gottes Lohe, Feuer, das uns verschmilzt. Die Liebe mit ihren rätselhaften Ansprüchen baut mit Religion, Geld/Arbeit und Tod das Haus des Lebens. Die Bibel hält das Versprechen Gottes fest: Der Sinn für einander soll den Liebenden nicht ausgelöscht werden. Den Druck des abwesenden  Körpers gegen den eigenen sollen wir spüren. Anverwandelt werden wir einander ewig. Wenn es sich fügt. 

 

                                                         *               *

 

Jesaja

Schwerter zu Pflugscharen

Dies ists, was Jesaja, der Sohn des Amoz, geschaut hat über Juda und Jerusalem:

Es wird zur letzten Zeit der Berg, da Gottes Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben. Und alle Heiden werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns gehen zum Hause Gottes, dass er uns lehre seine Wege. Von Zion wird Weisung ausgehen und er wird richten die Völker.

Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Kein Volk wird mehr gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.

Kommt nun, lasst uns wandeln im Licht Gottes!

Jesaja 2,1-5

 

 

Es ist wohl die gewaltigste Prophezeiung, die sich der Menschheit durch den sonst unbekannten „Jesaja“ auftun. Von Jerusalem aus wird Gott die Völker zurecht richten und sie leiten. Auch Die Vereinten Nationen beziehen aus dieser Vorschau ihre Versöhnungskraft. Vor dem UN-Gebäude in New York steht  die Skulptur „ Pflugscharen aus Schwerter“ mit der verknoteten Pistole. Der Auftrag bleibt, im Licht Gottes friedensstiftend den Lebensweg zu gehen.

 

                                                       * 

 

Der Tag der Tage

Der Tag des Herrn wird kommen über alles Hochmütige und Prominent-sich- wähnen und über alles Elitäre. Es soll erniedrigt werden. Beugen muss sich alle Großmannssucht, demütigen müssen sich die stolzen Menschen. Wir erkennen, daß allein einer groß ist, Gott allein. Darum muss der Tag aller Tage kommen.

Jesaja 2,12.17

 

 

Vielleicht könnten wir auch ohne Himmel und Jüngsten Tag auskommen, einfach unser kleines Leben fristen und dann geräuschlos von dieser Erde gehen. Allein schon hier gewesen sein und einmal ich gewesen sein ist in seiner Wunderbarkeit  grandios. Aber Gott hat Vollkommenheit vor und dazu gehören auch wir, seine Kinder- darum verfallen wir nicht sondern werden vollendet. Das wagt Jesaja so noch nicht zu glauben. Aber klargestellt werden muss, wer Gott ist.  Alles sich Aufwerfen der Menschen zu Diktatoren kann nur kurz sein. Hochmut wird zu Fall kommen. Sünde wird als Sünde und Heilstat als Heilstat vor Gottes Antlitz klargestellt.

Am  Tag der Tage wird klar: „Daß er uns sündigen ließ, war schon Strafe“ (Gotthold E. Lessing/ Erhard Kestner). Dass soll uns aufgehen in der Fülle der Freude vor Gott. Jedenfalls erwartet uns im eigenen Tod und in der Weltzukunft die Vollendung der Schöpfung, wie sie von immer her gemeint ist.

 

                                                   *

 

Jesajas Berufung zum Propheten

Ich sah Gott sitzen auf einem hohen, leuchtenden Thron und der Saum seines Mantels füllte den Tempel. Engel standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel: Mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße und mit zweien flogen sie. Und einer rief zum andern und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der Gott der himmlischen Heere, alle Lande sind seiner Ehre voll!

Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens.

Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen. Da flog einer der Engel auf mich zu und hatte eine glühende Kohle mit der Zange vom Altar genommen, und rührte meinen Mund an und sprach: Deine Schuld ist von dir genommen, deine Sünde gesühnt, dein Mund ist rein,  

Und ich hörte die Stimme Gottes: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich!

Jesaja 6,1-8

 

 

Dies ist eine der großen Visionen der Bibel: Der Prophet schaut Gott- aber die Augen sind gebannt vom Dekor: Allein der Saum des Gewandes füllt den Tempel; Engel, dreifach paarig mit Flügeln versehen, umwehen Gott und schützten den Schauenden, dass der Anblick ihn nicht versenge.

Was haben diese Engel mitzuteilen? Heilig, also doppelt heil ist Gott. Alle Lande seiner Ehre voll- meint: Die Wirklichkeit ist voll Gott, seine Schöpfung strahlt seine Würde, seine Liebe, seine Energie aus.         

Mit glühender Kohle vom Altar wird dem Menschen der Mund gereinigt- ein starkes Bild dafür, dass der Prophet sich nicht mehr selbst zur Geltung bringt sondern fortan Gottes Wort aus ihm spricht. Und doch ist er nicht willenloses Sprachrohr. Er wird gefragt, ob er der Berufung Folge leisten will. Und entscheidet sich für seine Sendung.

Gott kann uns aufleuchten von Innen her. Wir können aber auch belichtet werden von außen- so was wie Gott begegnet uns. Kennzeichen, dass wir es nicht uns einbilden sondern bekehrt werden, ist Beauftragung mit Befragung unseres Willens. Wenn Gott uns anspricht, ruft er uns an die Arbeit, die Welt mit heil zu machen.

Wir erleben es immer wieder, dass Ereignisse an uns appellieren. Wir müssen Stellung nehmen, retten, verteidigen, einstehen. Und all unser verkehrtes Wesen  fliegt dann fort- wir tun , was wir  müssen, wir stehen in der Pflicht, und sagen hinterher: Wir hatten keine Wahl. Gut so.

 

                                                  *

 

Der Friedefürst

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt.

Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Knüppel ihres Treibers zerbrochen. Jeder Stiefel, der mit Gedröhn daherkommt, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.

Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst. Seine Herrschaft soll groß werden und der Frieden soll kein Ende nehmen.

Jesaja 9, 1-6

 

Der Messias, der Sohn Gottes, wird auf Erden ein heiles Reich, eine vollkommene Gesellschaft errichten. Dann ist kein Diktator mehr da, kein Treiber, keine Stiefel dröhnen mehr, keine Schergen schießen mehr. Im Öffentlichen wie im Privaten sind wir geschwisterlich gleichwertig miteinander. – Ob diese Verheißung unter den Bedingungen knapper Mittel und gierigbleibender Menschen  von Gott verwirklicht werden kann? Es gab optimistische Zeiten, und Inseln des Glücks gibt es immer wieder. Aber das Gemenge aus Klimakatastrophe und Hungerelend und vielfältigem Egoismus  schreit nach ungeheurer Fülle von Heiligem Geist. Wo und wie das Reich Gottes kommt- lassen wir es offen und tun wir hier kleine Schritte zu geteilter Freude und mehr Gerechtigkeit.

Die Verheißung des Messias setzt einen starke Erwartung in Gang, die in der Wiederkunft des Christus Erfüllung findet, so sehen wir Christen es und bleiben mit den Jüdischen Brüdern und Schwestern in Erwartung des Messianischen Reiches.

 

                                                  * 

 

Der Messias und sein Friedensreich

Und es wird ein Zweig hervorgehen aus dem Stamm Isais. Auf ihm wird ruhen der Geist Gottes, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Ehrfurcht. Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und Treue der Gurt seiner Hüften.

Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben.

Kühe und Bären werden zusammen weiden, dass ihre Jungen beieinander liegen, und Löwen werden Stroh fressen wie die Rinder. Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein Kind wird seine Hand stecken in die Höhle der Natter.

Man wird nirgends Sünde tun noch freveln auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land wird voll Erkenntnis Gottes sein, wie Wasser das Meer bedeckt.

Aus Jesaja 11,1-9

 

 

Groß ist dies Gemälde einer befriedeten Natur. Die Wölfe wohnen bei den Lämmern - das meint auch eine geschwisterliche Welt, in der die Gegensätze freundschaftlich zueinander passen. Und wir Menschen Frieden machen miteinander- auch wenn die fleischfressenden Tiere nie zu Grasgenießern werden. Erkenntnis Gottes, viel wie das Meer, ist uns versprochen.

 

                                                   *

 

Der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und der Gerechtigkeit Nutzen wird

ewige Stille und Sicherheit sein.

Jesaja 32,17.

 

Dass wir Ungerechtigkeit jedenfalls mildern, also wir die Spanne zwischen arm und reich verringern - wir also per Gesetz Chancengleichheit beschaffen und inzwischen schon persönlich Not lindern und Lücken füllen- das muss sein.  Dem Nächsten gerecht werden, jedenfalls sein Anliegen versuchsweise aus seiner Sicht verstehen und ihm helfen, zu seinem Anteil zu kommen, das beschafft Frieden. Wenn wir den Hunger nach Gerechtigkeit stillen und gestillt bekommen, dann sind wir voreinander in Sicherheit; aller Jammer und Schlachtenlärm, alle Schnäppchenjagd ist abgeebbt; Stille- glückliches Ruhen herrscht.  

 

 

 

 

Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht Gott.

Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist.

Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet Gott den Weg, macht in der Steppe ebene Bahn! Täler sollen erhöht werden, Berge erniedrigt. Was uneben ist, soll gerade werden. Die Herrlichkeit Gottes soll aufgehen allen  Menschen.

Jesaja 40, 1-5

 

Israel war in Babylon im Exil, wurde aber durch Propheten und Priester, Gottesdienste und Verheißungen zusammengehalten. Nach drei, vier Generationen zeichnete sich die Aussicht auf Heimkehr ab. Ein uns nicht namentlich bekannter Prophet trat auf. (In der theologischen Fachsprache spricht man von Deutero- (Zweiter)-Jesaja.) Er ist der intensive Tröster der Bibel. Er stellt Gott dar als den großen Heiland, dessen Beruf es ist, zu heilen und zurechtzubringen. Er nimmt teil an den Leiden seiner Menschen, sucht mit ihnen und für sie Auswege.

Wenn ein ganzes Volk betroffen ist, muss  ein politischer Umbruch von langer Hand vorbereitet werden. Irgendwann hört ein Mensch einen Ruf vom Himmel her. Und er spricht den Menschen so ins Herz und unter die Haut, dass Fanfaren des Aufbruchs die Menschen aufschnellen lassen. Lassen wir uns treffen? Merken wir, daß auch wir gemeint sind?

Die Geschichte hat zwei Seiten. Einmal ist sie Zusammenwirken der Menschen, gesteuert durch ihre Interessen und Möglichkeiten. Sie ist aber auch geleitet durch Heiligen Geist, durch einen Sog in die Zukunft, durch Hoffnungen und Wunschpotenzial aus Träumen und Visionen. 

Das ist stärkster Antrieb überhaupt: Aus der Verzweiflung herausgerufen werden nach vorn. Die Zukunft erscheint als neuer Wurf. Jerusalem damals und wir alle werden freundlich von Gott angesprochen: Die Knechtschaft geht zu Ende.

Auch unsere Knechtung? Wissen wir überhaupt von ihr? Welchen  Zwang haben wir uns auferlegt, mit welcher Gier sind wir bestraft? Welches Mäuserad  aus Pflichten und Vergünstigungen treten wir immer schneller. Wieviel belanglose „News“ checken wir täglich, stündlich? Wie erfahren wir den Freispruch, auch enttäuschen zu dürfen und nein sagen zu können?

Der Prophet forderte das Volk auf, sich zu bekehren und den Weg für Gott freizumachen. Der wird dann Israel die freie Bahn der Rückkehr beschaffen.

In der Steppe schwieriger Verhältnisse den Weg frei machen für Gott- das ist unser Auftrag. Was an uns ist- die Ungerechtigkeiten einzuebnen; das brächte Gott mit uns und zu uns vorwärts.

 

                                                       *

 

Er gibt dem Müden Kraft

Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, gibt dem Müden Kraft, und Stärke dem Unvermögenden. Männer werden müde und matt, Junge straucheln und fallen; Aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie schreiten und nicht müde werden.

Jesaja 40,27-31

 

 

Dir gibt Gott Kraft. Aus Sonnenlicht und Schlaf, aus Liebe von einander, aus Zugehörwissen, aus Leistungsfähigkeit und Freude, aus Anerkennung und Dank, aus Überstehen von Mühe und Krankheit, aus jedem Bissen, jedem Trank, jedem Atemzug gibt er dir Kraft. Kraft kommt aus dem Harren auf Gott,  was geduldiges und sehnendes zu Gott Gehören ist. Ja, wisse, daß Gott mit dir beschäftigt ist, dir Lebensmut zuteilt, dich mit Heiligem Geist anhaucht- auf dass wir uns nicht aufgeben. Neue Kraft ist dir oft geschenkt worden, unverhofft und unerklärlich.

 

                                                     *   

 

Beim Namen gerufen

Gott, der dich Israel geschaffen hat, spricht: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen; und wenn du durch Feuer gehst, sollst du nicht verbrennen.

Denn ich bin dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Du bist in meinen Augen wert geachtet und auch herrlich. Ich habe dich lieb.

So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln, ich will sagen zum Norden: Gib her!, und zum Süden: Halte nicht zurück!  Und alle Heiden sollen zusammenkommen und die Völker sich versammeln. Vor ihnen seid ihr meine Zeugen, spricht der Herr, und mein Knecht, den ich erwählt habe.

Jesaja 43,1-10

 

 

Das ist zunächst Israel gesagt, den Verstreuten und Verschleppten  im Exil in Babylon. Teils hatten die sich in der dritten Generation schon an die Fremde gewöhnt; andere glühten vor Rückkehrsehnsucht. Ihnen sagt der Prophet als Gotteswort: Fürchte dich nicht! Ich bin dein Gott, da kannst mir nicht verloren gehen. Gott verspricht den aus der Heimat Weggesprengten die Rückkehr. Und noch mehr: Die Völker wird Gott sammeln um den Tempel in Jerusalem.

Von dem wird das Recht ausgehen für die Völkergemeinschaft. Und später wird dort Gott sich herablassen zu seinen Menschen für  die messianische Zeit.

Israel soll vor der Völkergemeinde Zeuge sein für die Bündnistreue Gottes. Und die Menschheit wird das Erstgeburtsrecht Israels anerkennen und Israel die Gleichwertigkeit der Menschengeschwister und ihrer Frömmigkeit.

Aber zunächst brauchen die im Exil den Hirten, der den Weg zur Heimkehr weiss. Gott verspricht sich ihnen. Die Schwachen wird er im Bausch seines Mantels tragen.

Unabhängig von der ersten Widmung an Israel in Babylon sind wir mit gemeint. Zu Recht ist das „Fürchte dich nicht“ beliebtester Taufspruch der Christenheit: „Fürchte dich nicht, Menschenkind: Gott hat dich erlöst, hat dich aus dem Nichtsein erlöst und dich ins Sein gezogen, hat dich bei deinem Namen genannt. Du bist vor ihm vorhanden und gemeint, einzigartig persönlich bist du Gottes. Und Gott ist der Deine.

 

                                                           *

 

Pass auf, vorn passiert es

So spricht Gott: Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige! Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?

Jesaja 43,18.19

 

 

Wir hängen am Gewordenen. Mühe, Schweiß und  Tränen stecken im Errungenen. Auch Gott - könnte er nicht schon stolz sein aufs Erreichte, die Weltwunder, die Weiterentwicklung der Schöpfung, und ließe die Welt langsam ausklingen? Aber Gott drängt nach vorn, ist mit Werden und Wachsen und neuen Ideen beschäftigt. Und will uns als Copartner, will uns als Projektentwickler- es ist noch so Vieles im Argen.

Du dachtest, du könntest dich zurücklehnen? Nichts damit. Der Hunger nach Gerechtigkeit werde dir drängender, die Lust auf Kunst und Schönheit wachse in dir. Genau dir ist schon Neues passiert. Warst du nicht fast neugeboren, als die Liebe dich traf oder du wieder gehen konntest? Oder als ein Mensch dich für eine Freude umarmte? Erkennst du es denn nicht, wie Gott mit dir gut zugange ist und noch so viel vorhat? Wach doch auf, Mensch.

Wir hängen schon arg am Hergebrachten, sichern uns, hüten Vorhandenes und wollen es mehren, freuen uns an Besitz. Da ist Gottes Verheißung, Neues zu schaffen, auch brenzlig. Doch wir sehnen uns auch nach mehr Liebe, mehr Frieden, mehr glückender Gemeinschaft, mehr Reich Gottes eben.

Ob Gott das Neue hinbekommt, mit uns  und auch gegen uns, jedenfalls auch für uns? Erkenne, daß Gottes Schatz in dir aufwächst. Achte darauf, daß dein Lieben großzügiger wird,  du durch Teilen mehr Frieden beschaffst. Glückt durch dich mehr Gemeinschaft?

Sieh hin, will merken, will es wissen.

 

                                                   *

 

Arbeit gemacht

Mit deinen Sünden hast du mir Mühe gemacht. Ich, ich tilge deine Übertretungen um meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht, spricht Gott.

Jesaja 43,24.25

Vergeben- das macht Gott nicht mit links, als wäre es  sein Metier. Wir sind so arrogant und so verzweifelt, daß wir ihn anschwärzen, mit dem, was wir verderben. „Wie kann Gott das zulassen?“ –so kreiden wir ihm unsere Untaten an. Die Grausamkeiten, die wir andern tun, die muss Gott mitleiden und muss noch letztlich für sie haften- es ist ja aus seinem Energieschatz genommen; wir  sind seine mörderischen Kinder.

Gott vergibt- er lässt uns nicht stecken im Pech unserer Schuld. Er bekehrt unser Gewissen, das wir um Vergebung bitten und wieder gut machen wollen, irgendwie. Er gibt neue Chancen, neue Begegnungen, neue Einsichten. Er hilft uns, neu anzufangen. Und das um seinetwillen. Nicht weil wir so fromm wären sondern weil Gott für seine Kinder einsteht.

 

                                                      * 

 

Licht und Finsternis ist des Herrn

Gott spricht- sagt der Prophet- Ich bin der Herr, und sonst keiner mehr; außer mir ist nichts. Ich mache das Licht und die Finsternis, ich gebe Frieden und Unheil. Ich bin der Gott, der dies alles tut.

Weh dem, der mit seinem Schöpfer hadert, eine Scherbe unter irdenen Scherben! Spricht denn der Ton zu seinem Töpfer: Was machst du?, und wirft sein Werk ihm vor: Du hast keine Hände!

Aus Jesaja 45,6-9

 

 

Alle Handlungen in der Welt denken als Handlungen des eines Gottes- was kann das bedeuten? Ich eine Filiale (filia, lat.=Tochter) des Einen, ein Glied an seinem Leib, ein Sensor seinerselbst. Er gibt mir keine Zahnschmerzen, aber die von ihm geschenkten  Zähne  sind nur begrenzt haltbar. Letztlich hat er uns sterblich gemacht; nein, er hat uns lebendig gemacht, aber diese Art von Menschenlebendigkeit „geht nur sterblich“.

Das Licht des Lebens geht uns auf. Das ist das Wunder.  Und wenn uns das Licht verlöscht, ist Finsternis da, sie ist Gottes Dunkel- das ist Tiefen-Glück in allem Unglück. Gut, daß keinem anderen als Gott das Leben und die Liebe und die Zeit gehören- und der Tod und der Hass und das Verfliegen der Zeit eben auch.

Gottes Sein besteht in Seingeben. Wir, die Kreatur, wir sind nichts anderes als Seinnehmende (Tauler). Darum - Gott zu verklagen ist nicht angemessen. Aber manchmal brauchen wir es, mit ihm zu hadern. Er hält das aus.  Er ist ja die letzte Adresse für Dank und Klage, wer sonst.

Gott ist das dynamische Zentrum des Universums. Gott ist sowohl im Unendlichen wie im Einzelnen. Er ist der eine Künstler, verteilt auf tausend Millionen Inkarnationen, „die leise knisternde Macht“ (Hanns.H.Jahnn).

 

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Der Gottesknecht

Er hatte keine Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Er schien uns der Allerverachtetste und Unwerteste, war voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; wir haben ihn verachtet.

Die Wahrheit aber ist: Er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Er ist um unsrer Missetat willen gequält und um unsrer Sünde willen zerschlagen worden. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.

Aus Jesaja 53,2-5 

 

 

Hier steht in Reinkultur die Theorie des Sühnopfers: Gott will ein Opfer haben. Stellvertretend fürs Volk muss sich einer hinhalten und zur Buße für die Sünden aller sein Leben geben.

Ja, das stellvertretende Leiden gehört zum Leben. Wie viel Mühen werden übernommen, wie oft wird für Kollegen eingesprungen, wie viel Gewalt wird geschluckt, wie viel Unrecht verschmerzt. Wie viel Hunger wird gelitten, wie viele Leben gehen verloren durch Not, die nicht geteilt wird und durch Hass, den niemand aufsaugt.

Aber muss Gott ein Opfer haben? Im griechischen Denken stand die Moira (Schicksal) noch über den Göttern, ein ehernes Gesetz, dem mit Gerechtigkeit genüge getan sein musste.  Aber Liebe ist höher als alle Vernunft und  Gerechtigkeit.

Es ist in die Natur eine Tendenz eingebaut, dass viel mehr Gutes als Schlechtes geschieht. Die Natur verdaut Schaden,  sie vergilt nicht Böses mit Bösem. Würde Mord -Auge für Auge, Zahn für Zahn- mit Mord bezahlt, wären wir an Blutrache längst ausgestorben. Güte hat Kraft zu heilen, und Liebe deckt der Sünden Menge- das  gehört zu den Energien, mit denen Gott die Schöpfung hoch hält.

In Israel kam der Gedanke auf, daß Gott sich selbst drangibt für seine Schöpfung, in Gestalt seines Knechtes. Paulus erkannte dann, daß in Jesus Gott selbst als Sohn (noch einmal) zur Welt kam. Und was der Sohn erleidet, trifft den Vater. So bürgt Gott für seine Menschen, wie Eltern für ihre Kinder einstehen.

Wir allerdings fragen strotzend vor Blödigkeit: das Leid, das wir produzieren- wie kann Gott es zulassen. Statt zu helfen und zu lindern, meinen wir, der Leidende werde bestraft. Und wenden uns ab. Dabei ist alles Leiden und auch stellvertretend getragen. Keiner ist allein an was  schuld.

Wir alle drücken uns gern und lassen gern andere die Lasten tragen. Aber der Gottesknecht, den Gott in Aussicht stellt durch den Propheten, der nimmt das Leid auf sich. Die ersten Christen sahen in Jesus den Verheißenen. Und ja,  Jesus nimmt die Last des schwachen Gottesbildes auf sich. Ein schwacher Gott, der nur vergibt nach Maß der guten Taten- das wäre ein Richter nur, kein Retter. Jesus aber steht für Gott ein, dass seine Liebe unendlich ist. Und darum schluckt sie auch unsere Sünden. Gott verdaut unsere Schuld- dafür steht Jesus gerade, dafür gibt er sich hin, um das uns zu  zeigen.

Mit der Auferstehung siegelt Gott diesen Jesus als seinen Gottesknecht- unbeschadet der anderen Erwartungen, die Israel noch hegt. Und wir wissen dem Jesus nach: Übernommenes Leid räumt den Weg frei für Heilung und Frieden.

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Gib frei, die du bedrückst

Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend, die ohne Obdach, führe ins Haus! Wenn du einen ohne Kleidung siehst, so gib ihm anzuziehen, und entzieh dich nicht deinem Fleisch!

Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit Gottes hinter dir her. Dann wirst du rufen und der Herr wird dir antworten: Siehe, hier bin ich.

Wenn du den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der helle Mittag.

Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt. Und du sollst heißen: „Du, der die Lücken füllt und die Wege ebnet.“

Aus Jesaja 58

 

 

Gott lieben heißt, den Nächsten lieben; das ist hier klargestellt. Der Bedürftige ist nicht irgendwer sondern ist Gottes Fleisch also auch „mein Fleisch“.

Weil wir mit der Nächstenliebe uns so schwer tun, haben all unsere Seelen einen Grauschleier. Wir in unserm Wohlstand haben alle ein schlechtes Gewissen- oder sind von Sinnen. Wir haben von Natur aus die Anlage mitbekommen, einander zu ergänzen und zusammenzuwirken. Darum können wir auch Nächste werden dem, der nicht in barer Münze uns bezahlen kann. Es gibt auch Herzenswährung, „compassion“, Mitfühlen.  Es tut gut, gut zu tun. 

Wir werden dann Leuchtende, es wird uns hell im Inneren. Wir könnten dann und wann überirdische Freude ausstrahlen.

Wir können lernen, dem in Not gut zu sein- ein Stück weit. Es heilt uns, es macht mich mit mir einverstanden. Beim Geben entspringen für mich selbst Kräfte. Ich lebe lieber, wenn ich einem helfe, zu überleben. Mein Titel dann: Überbrücker oder Retter.- Mehr geht nicht, mehr kann man nicht werden.

 

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Sein Suchen findet uns

Gott spricht: Ich lasse mich suchen von denen, die nicht nach mir fragen, ich lasse mich finden von denen, die mich nicht suchen. Zu einem Volk, das meinen Namen nicht anruft, sage ich: Hier bin ich, dein bin ich!

Jesaja 65,1

 

 

Viele  religiöse Übungen leiten an, Gott zu finden. Askese und gute Werke sollen auf den richtigen Weg bringen, Kaskaden von Gebeten unsere Seele erweichen. Aber Gott kennt uns, seine Brut. Er hütet uns zusammen, er geht uns mütterlich, väterlich nach, er zeigt sich uns. Wenn wir gegen ihn verrammelt sind, tut er die Schritte auf uns zu. Und manchmal leidet er still mit uns und an uns. Dann fragen wir: Wo ist Gott? Und er fragt: Mensch, wo bist du?

Gott ist mit uns in einer lieben Berührung, einer unerwarteten Hilfe. Ein stärkendes Wort kommt angeflogen, ein wahrnehmender Blick, und schon öffnet sich heiliger Raum vor uns. Wir sind ausgerichtet auf Empfang der schönsten Würden: Wir taugen doch, sind  Gottes Kinder. Und werden ohne unser Zutun geheilt. Wie von selbst tun wir Gutes, wenn wir uns von Gott geliebt wissen. Nur, die Reihenfolge ist klar: In allem bleiben wir Empfangende.

 

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Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde

Gott spricht, sagt der Prophet: Ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.

Und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens.

Es sollen keine Kinder mehr da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen - als jung  werden Hundertjährige gelten.

 

(Denn von Zion wird Weisung ausgehen. Und er wird richten die Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Kein Volk wird mehr gegen ein anderes das Schwert erheben und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu machen (Jesaja 2, 3.4)).

Wenn der Messias kommt, dann werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen, ein Kind wird Vieh und Bären miteinander  weiden. Und Löwen werden Stroh fressen, ein Säugling wird unbeschadet spielen am Loch der Otter. Man wird keine Sünde mehr tun, denn das ganze Land wird voll Erkenntnis des Herrn sein (aus Jesaja 11,1-9)). Sie werden Häuser bauen und bewohnen, sie werden Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen. Denn sie sind das Geschlecht der Gesegneten des Herrn.

(Er wird unter großen Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen (Micha 4,3).

Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Die Menschen werden nicht mehr  Bosheit noch Schaden tun auf meiner ganzen heiligen Erde, spricht Gott.  

Aus Jesaja 65, 17-25

 

 

Hier steht die Utopie einer friedlichen Welt geschrieben. Gott will aus der alten Menschheit eine neue entwickeln. Auch in der Natur soll nicht mehr Fressen und Gefressen gelten. Die Menschen werden nicht mehr sündigen. Ja, dann ist der Himmel auf die Erde gekommen oder die Erde ist im Himmel. Wenn das Reich Gottes vollkommen bei uns ist, dann ist Friede. 

Bis dahin möge der Traum von der Verwandlung uns wenigstens einige Schritte auf einander hin  beibringen. „Dein Reich komme“ zu beten, das bleibt uns immer noch aufgetragen. Gott ist noch auf dem Weg, seine Schöpfung heil zu machen. In der Zwischenzeit haben wir viel zu tun, mit Abrüsten und  Befreunden. Schwerter umschmieden zu Pflugscharen- statt Militärhaushalte: Brot für die Welt. Aus dem Glauben an Gottes Friedensarbeit lasst uns  immer neue Kräfte der Versöhnung schöpfen.

 

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Jeremia

 

Jeremias Berufung

Und des Herrn Wort geschah zu mir: Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und bestellte dich zum Propheten für die Völker.

Ich aber sprach: Ach, Gott, ich tauge nicht zu predigen; ich bin zu jung.

Gott  aber sagte zu mir: Sage nicht: »Ich bin zu jung«, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen, was ich dir gebiete.“

Und Gott streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund. Und fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir.

Jeremia 1,4-9

 

 

Erleben wir auch Berufung? Zu einem Auftrag, zur Ehe, zu Kindern, zu einem Beruf, zu einer bestimmten Verantwortung? Sicher ist der Auftrag zum Prophetenamt ein besonderer: Er soll Gottes Wort ausrichten. Aber jede Sache, wenn sie gut werden soll, muss von uns mit Leidenschaft getan werden- in  Begeisterung- aus einer Berufung: Ich bin dazu bestimmt, ich soll das bringen, ich, genau ich.

Kein Pastor, keine Pastorin, ist immer auf der Höhe ihres Auftrages.  Gottes Wort muss ja durch unsere wenig hellhörigen Ohren, durch die Begriffsmuster unseres Geistes, muss von mir verstanden und angenommen sein als (auch) mich betreffend. Und dann muss es noch in die Sprache von heute finden, muss so klingen, als wäre es genau richtig für dich und dich und dich.

Manches, was von den Kanzeln kommt, ist Wortspreu. Dann hat kein Engel den Mund des Predigers mit glühender Kohle gereinigt (Jesaja 6,7). Und die Predigt war keine Brücke vom alten Wort zum neuen Leben. Aber nächsten Sonntag kann ein Wunder geschehen, und du wirst sein Wort hören und du weißt deine Berufung wieder.

 

                                                     * 

 

 

Werben um Glaube

Jeremia, sprich zu ihnen: So spricht Gott: Wo ist jemand, wenn er fällt, der nicht gern wieder aufstünde? Wo ist jemand, wenn er irregeht, der nicht gern wieder zurechtkäme?

Und warum will denn dies Volk zu Jerusalem irregehen wieder und wieder? Sie halten so fest am falschen Gottesdienst, dass sie nicht umkehren wollen.

Ich sehe und höre, dass sie nicht die Wahrheit reden. Es gibt niemanden, dem seine Bosheit leid wäre und der spräche: Was hab ich doch getan! Sie laufen alle ihren Lauf wie ein fliehendes Pferd.

Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, Turteltaube, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen; aber mein Volk will das Recht Gottes nicht wissen.

Jeremia 8, 4-7

 

 

Jeremia ist ein begnadeter Gottesflüsterer- aus ihm spricht der liebende und der um die Zuneigung der Menschen kämpfende Gott. Jeremia predigt denen in Jerusalem, daß es widernatürlich wäre, von Gott Abstand zu nehmen; es wäre ein Unding, wie wenn einer gern liegen bliebe nach einem Sturz. Nur Pferde, wenn sie durchgehen, sind nicht zur Vernunft zu bringen- die andern Tiere halten ihre Zeiten ein.

Also  selbstverständlich muss es sein, daß wir an Gott hängen und unser Leben geistvoll erleuchtet  ist. Aber der Ewige hat uns Raum gelassen, meinen zu können, auch ohne ihn auszukommen. Doch er lässt uns nicht laufen. Er wirbt um uns, redet auf uns ein wie auf ein störrisches Kind.

Bitte, Gott behalte dein Interesse an uns, rühre unsere Seele, fülle uns wieder mit Ahnung von dir. Dass wir uns nicht verloren vorkommen und leer. Fülle uns wieder mit Geist und Lust am Guten.

Ob dem Jeremia diese Predigt eingegeben war? Wenn Jeremias Predigt uns anspricht; wenn wir uns von ihr rufen lassen, dann ist sie uns Gottes Wort geworden.

 

                                                  *

 

Gedanken des Friedens

Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe, was ihr braucht.

Jeremia 29, 11

 

 

Bei allen Schwierigkeiten, allem Unrecht und Unglück sollen wir doch wissen, dass Gott gut zu uns hindenkt. Und welches Leid uns auch trifft, Gott erleidet es eher mit, als daß er es schickt. Geben will er uns, was wir brauchen. Brauchen wir, was wir jetzt haben? Statt zu klagen will ich nachdenken, wie ich zum Besten nutzen kann, was ist.- Es soll doch Friede draus werden.

 

                                                        * 

 

Gott kann nicht nicht lieben

Ist nicht Ephraim mein teurer Sohn und mein liebes Kind? Sooft ich ihm auch drohe, muss ich doch meiner Zusage an ihn gedenken; darum bricht mir mein Herz, dass ich mich seiner erbarmen muss, spricht Gott.

Jeremia 31,20

Ephraim – ein Stamm Israels, hier für Israel überhaupt - Gottes geliebtes Kind. Und es bringt Schmerzen, Kinder zu haben: sie bocken und sind undankbar, sie lügen auch und nutzen die Eltern aus. Ähnliches erfährt Gott mit seinen Menschen. Er zürnt und kann doch nicht strafen. Zu sehr sind sie ihm ans Herz gewachsen. Er entzieht sich ihren Blicken nicht, kündigt nicht die Nähe auf.  Aber Hochmut oder Gier verdunkeln uns Gott, wir verdecken ihn uns mit unserem kleinen Geist.

 

                                                  *                   *

 

 

 

Hesekiel

 

Zukunft auch für Bedrohliche

Gott spricht: Ich habe kein Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern will, dass der Gottlose umkehre von seinem Wege und lebe. So kehrt nun um von euren bösen Wegen.

Hesekiel 33,11

Wir begrübeln doch, welchen Stand die Gottlosen bei Gott haben, schon weil wir selbst nicht wissen, wie weit unsere Gotteshaftung hält. Jedenfalls gibt es keine Verdammten, keine, die Gott von sich abschüttelt und zu Nichts auflöst.

Gott hat Interesse an jedem. Wer ihm am fernsten steht, den sehnt er  am meisten heran. Das verpflichtet dazu, keinen aufzugeben. Auch die in Irrsinn Verstrickten bleiben Menschenbrüder, Menschenschwestern.

Uns gemeinsam auf guten Weg bringen, daran arbeitet Gott. Am heutigen Tag will er mit mir, mit dir weiterkommen.

 

                                                  * 

 

Ich selbst will meine Schafe weiden. spricht Gott.

Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen, das Verwundete verbinden und das Schwache aufrichten.  Und was stark ist, will ich behüten, indem ich es in die Pflicht nehme. Ich will sie alle weiden, wie es recht ist. 

Hesekiel 34,15.16

 

 

Die sich verloren vorkommen, sie werden gefunden. Die sich im Irrgarten der Moderne verstricken, erfahren Entwirrung; denen dies Wirtschaftsgefüge Wunden schlug, die sollen wieder kreditwürdig sein. Die nicht mehr können, denen soll ein neuer Stand beschafft werden. Dazu braucht und nutzt Gott die Starken.

Geradezu behütet vor Absturz wirst du, indem du auf Notleidende gestoßen wirst. Wenn du hilfst, tust du es auch dir zur Rettung. Du siehst dich eingespannt in Gottes Team. Hochmut und Leere weichen von dir. Du wirst glücklich, du wirst es sehen.

 

                                                   *

 

Wandel

Und ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist geben und will das steinerne Herz aus euch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben.

(Hesekiel 36,26)

 

 

Müssen wir so radikal verwandelt werden? Immerhin sind wir schon seine Geschöpfe und werden es nicht erst. In welcher Schicht meines Ichs will ich denn gefühlvoller werden, empfindsamer, hilfsbereiter, angerührter vom Lebendigen? Will ich denn bereiter für die Anliegen Bedrängter werden? Will ich denn breitere Schultern für Verantwortung? Ich spüre doch meine Abwehr wachsen gegen Forderungen. Auch mein Kraftverschleiß nimmt zu. Gottes Geist, heißt es, ist in den Schwachen mächtig: Also nicht triumphieren, nicht zwingen und bedrängen- weniger fordernd auftreten. Aber beherzt das Dringende, das dich Drängende auch tun. Gott verspricht, daß er dich hinkriegt wie er will. Das lass dein Glück sein.

 

                                                        *

 

Eine gewaltig schreckliche, schöne Vision.

Der Geist Gottes stellte mich auf ein weites Feld. Das lag voller Totengebeine. Sie waren ganz verdorrt. Und er führte mich hindurch und sprach zu mir: Du Menschenkind! Weissage über sie: Ihr vertrocknetes Gebein, höret des Herrn Wort! Ich Schöpfer, will euch beatmen mit meinem Atem, auf dass ihr wieder lebendig werdet. Ich will euch Sehnen geben und lasse Fleisch über euch wachsen und überziehe euch mit Haut und will euch Odem geben, dass ihr aufersteht zu neuem Lebendigsein. Ihr sollt Zeuge sein, daß ich Gott bin.

Und ich weissagte, wie mir befohlen war.

 Da rauschte es, und  die Gebeine rückten zusammen und fügten sich zueinander. Und Lebensatem kam herzu von den vier Winden und die Körper  wurden wieder lebendig und stellten sich auf ihre Füße, ein überaus großes Heer.

Und Gott sprach zu mir: Du Menschenkind, diese Gebeine stehen für das ganze Haus Israel. Noch sprecht ihr: Unsere Gebeine sind verdorrt und unsere Hoffnung ist verloren und es ist aus mit uns. Aber, spricht Gott: Ich will eure Gräber auftun und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf und bringe euch ins Land Israel. Ihr sollt erfahren, dass ich der Herr bin. Ich rede es und tue es.

Hesekiel 37,1-15

 

 

Was erst gesagt ist dem zerstreuten Israel, ist eine der grandiosen Visionen für die ganze Menschheit. Der Prophet sieht sein Volk so tot wie  ein Feld, bedeckt mit Skeletten. Der Prophet sieht Israel  nur noch als Ansammlung von Knochen- ausgelaugt, ohne Körper, ohne Seele. Doch dies Verlorensein ist eine Schmach für Gott. Er darf sich mit der Vernichtung Israels nicht abfinden, “um seines Namens willen“.   Was sollte sonst  die Menschheit sagen?

Die Christen haben mit diesem Bild den Tod neu qualifiziert - letztlich durch das Sterben Jesu. Wäre dieser wunderbare Mensch, dieser liebevolle, gottvolle Zeuge für Gott einfach gestorben und begraben und aus und vorbei- hätte Gott sich doch letztlich als Lebensverächter erwiesen und der Tod wäre Sieger, das Leben wäre immer noch nur Weg zum Tod.

Nach Jesu Auferstehung aber ist der Tod als ganzer entmachtet, er ist nur noch Heimbringer zu Gott. Diese neue Qualität des Todes – nicht mehr Strafe sondern Heimbringung- wird einzigartig vorausgemalt in der Wiederherstellung der Leiber, wie sie der Prophet Hesekiel schaut.

Lange hat man eine Auferstehung des Fleisches erwartet, entsprechend der Vision des Propheten. Darum galt auch die Feuerbestattung lange als unchristlich. Aber nicht die Wiederherstellung des alten Körpers brauchen wir für ein zukünftiges Leben, sondern den Glauben an den Gott, der ewig unser Gott sein will. Und der uns jetzt schon lebendigst macht in der Liebe.

 

                                                           *                  *

 

 

Daniel

 

Der Traum von den vier Reichen

König Nebukadnezar hatte einen  Traum: Der beunruhigte ihn sehr und er bot alle seine Gelehrten auf- doch keiner konnte den Traum deuten. Daniel, ein frommer jüdischer Mann am Hof stellte dem König die Deutung seines Traumes in Aussicht. Und dieser erzählte den Traum. Da sagte Daniel:

Ein großes, hell glänzendes Bild stand vor dir, das war schrecklich anzusehen.

Das Haupt dieses Bildes war von feinem Gold, seine Brust und seine Arme waren von Silber, sein Bauch und seine Lenden waren von Kupfer, seine Schenkel waren von Eisen, seine Füße waren teils von Eisen und teils von Ton.

Das sahst du, bis ein Stein herunterkam, ohne Zutun von Menschenhänden; der traf das Bild an seinen Füßen, die von Eisen und Ton waren, und zermalmte sie.

Da wurden miteinander zermalmt Eisen, Ton, Kupfer, Silber und Gold und wurden wie Spreu die  der Wind verweht. Der Stein aber, der das Bild zerschlug, wurde zu einem großen Berg, sodass er die ganze Welt füllte.

Das ist der Traum.

Nun wollen wir die Deutung vor dem König sagen.

Dir  König, hat  der Gott des Himmels Königreich, Macht, Stärke und Ehre gegeben. Und über alles hat er dir Gewalt verliehen. Du bist das goldene Haupt.

Nach dir wird ein anderes Königreich aufkommen, geringer als deines, danach das dritte Königreich, das aus Kupfer ist. Und das vierte wird hart sein wie Eisen; ja, wie Eisen alles zerbricht, so wird es auch alles zermalmen und zerbrechen. Das Reich aber, dessen  Füße teils von Eisen und teils von Ton sind, bedeutet: Zum Teil wird’s ein starkes und zum Teil ein schwaches Reich sein. Aber zur Zeit dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird -es wird ewig bleiben,

So hat der große Gott dem König kundgetan, was dereinst geschehen wird.

Und der König erhöhte Daniel und gab ihm große und viele Geschenke und machte ihn zum Fürsten über das ganze Land Babel und setzte ihn zum Obersten über alle Weisen.

Daniel 2

 

 

Ursprünglich ist die Geschichte erzählt zum Trost der jüdischen Gemeinde (im 2. Jahrhundert vor Ch.): Wenn auch jetzt alles durcheinander ist- es ist der Anfang des Reiches Gottes. Die ganze Weltgeschichte läuft auf diesen Punkt zu: Erst war es ein goldenes Zeitalter, dann folgte ein silbernes, dann im kupfernen und eisernen Zeitalter nahm die Gewalt überhand, dann kommt das Reich, das nur noch „auf tönernen Füßen“ steht- damit kommt der große Fall der Weltgeschichte. Und dann richtet Gott mit seinem Messias die neue Welt auf. –

Gewaltig war die Wirkung dieser Vision: Bis heute gibt es Denkschulen, die den Niedergang der Geschichte bis hin zur  Verbrennung des Erdballs vorherbestimmt sehen. Und dann sei Schluss, aus, vorbei.  Christen glauben, daß Gott sein Reich kommen lässt. Die Geschichte wird sich wohl nicht gradlinig zu einer Vollendung entwickeln- dieser Optimismus ist durch Auschwitz und Pol Pot und Hiroshima vergangen. Aber unsere Zeit ist Gottes Zeit und es wird einmal sehr gut. Das hoffen wir.

Die Geschichte des Daniel soll zunächst nur den bedrängten Gemeinden damals Mut machen, den Glauben an die Heilung der Welt durch Gott durchzuhalten.  Doch mit Jesu Auferweckung ist der Geschichte eine Tendenz zur Heilung eingeimpft.  „Und wenn die Welt voll Teufel wär“.. so singt es auch Luther: Was kommt ist der Herr. Darum ist vor uns immer seine Zukunft!

                                                  

                                                  *

 

Belsazars Mahl

König Belsazar machte ein Festmahl für seine tausend Mächtigen, seine Frauen und Nebenfrauen und soff sich voll mit ihnen. Und als er betrunken war, ließ er die goldenen und silbernen Gefäße herbringen, die sein Vater Nebukadnezar aus dem Tempel zu Jerusalem geraubt hatte, und sie tranken daraus und  ließen hochleben die goldenen und  steinernen Götter.

Da gingen hervor Finger wie von einer Menschenhand, die schrieben auf die getünchte Wand in dem königlichen Saal. Und der König erblickte die Hand, die da schrieb. Da wurde sein Gesicht aschfahl und er erschrak wie von Sinnen. Und er rief nach den Wahrsagern aber die konnten die Schrift nicht lesen.

Da erinnerte man sich an Daniel. Er konnte die Schrift lesen und deuten und sprach: Du, Belsazar, obwohl du den Niedergang deines hochmütig gewordenen Vaters mit ansahst, hast du dein Herz nicht gedemütigt. Du  hast dich gegen den Herrn des Himmels erhoben. Den Gott, der deinen Odem und alle deine Wege in seiner Hand hat, den hast du verspottet.

Darum wurde von ihm diese Hand gesandt und diese Schrift geschrieben.

Sie lautet: Mene, tekel, u-parsin: Mene, das ist, Gott hat dein Königtum gezählt; tekel, das ist: man hat dich gewogen und als zu leicht befunden; u-parsin: das ist: Dein Reich ist zerteilt und den Medern und Persern gegeben.

Noch  in derselben Nacht wurde Belsazar, der König der Chaldäer, getötet.

Daniel 5

 

Belsazars Nachtmahl ist eins der großen Bilder der Menschheit von Größenwahn und Scheitern. Der König lässt sich feiern von seinen Günstlingen. „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“- ist die  Regel, nach der Warner und Infragesteller des schändlichen Treibens ausgeschaltet sind. Die Bosheit des einen wird verstärkt und erst möglich gemacht durch Mitläufer und Nutznießer.

Missbrauch des Heiligen ist ein Mittel, sich aufzublasen. Die Kelche und Leuchter sind vom Altar gerissen und  schmücken das Sauffest des Königs. Was dem Lobe Gottes galt, muss herhalten zum Dekor für einen Bösewicht.

Aber Hochmut und Vermessenheit bringen zu Fall. „Gemessen, gewogen, für zu leicht befunden“ ist das „Menetekel“, das Alarmzeichen für  eine Großmannssucht, die dem Untergang entgegengeht.

 

                                                         *

 

 

Daniel in der Löwengrube

 

Daniel übertraf alle Fürsten und Statthalter an Geisteskraft. Der König erwog, ihn zum Kanzler seines Königreiches zu machen. Das wollten die andern  Statthalter nicht und suchten an Daniel etwas zu finden, was gegen das Königreich gerichtet wäre. Aber sie fanden nichts. Da sprachen die Männer: Es bleibt nur, ihm aus seinem Gottesglauben einen Strick zu drehen.

Sie veranlassten den König, ein Gebot zu erlassen, dass jeder, der etwas bitten wird von irgendeinem Gott oder Menschen außer vom  König allein, zu den Löwen in die Grube geworfen werden soll.

Daniel aber betete im Obergemach seines Hauses am offene Fenster in Richtung Jerusalem; dreimal am Tag fiel er auf seine Knie, lobte und dankte seinem Gott; wie er es immer zu tun pflegte, so tat er es weiter.

Da zeigten die Männer ihn an und der König bedauerte: Das Gesetz der Meder und Perser kann niemand aufheben. Und er ließ Daniel vor die  Löwen in der Grube zu werfen, sandte  ihm aber den Wunsch nach: Dein Gott, dem du ohne Unterlass dienst, er helfe dir!

Früh am Morgen des nächsten Tages stand der König auf und ging eilends zur Löwen-Grube. Und er sah Daniel, lebend und betend. Und Daniel gab Zeugnis:

Gott hat seine Engel gesandt, die den Löwen den Rachen zugehalten haben, sodass sie mir kein Leid antun konnten; denn vor ihm bin ich unschuldig, und auch gegen dich, mein König, habe ich nichts Böses getan.

Da wurde der König sehr froh und ließ Daniel aus der Grube herausziehen. Und gab den Befehl: Künftig ist der Gott Daniels zu ehren, er ist der lebendige Gott.

Daniel 6

 

 

Die Erzählung von Daniel in der Löwengrube ist eine der großen Rettungsgeschichten der Menschheit. Gott kann Bestien den Rachen verschließen. Wenn auch Menschen einen umbringen wollen, können sie noch bekehrt werden vom Heiligen Geist. Und es kann auch anders kommen als es in der Natur der Sache liegt. Gewehrkugeln können stecken bleiben in Schutzwesten, Mutige können vor Schlägern schützen. Unfälle können gelindert werden mittels Sicherheitsgurten, Löwen können abgelenkt werden durch   interessantere Gaben.

Eigentlich steht hinter der Geschichte viel Verfolgungs- Erfahrung Israels. Schon damals wurden sie um ihres Glaubens willens vertrieben und oftmals umgebracht. Da lag die Versuchung nahe, vom Gauben abzufallen. Doch diese und ähnliche Geschichten erzählen, daß Gott seine Frommen bewahrt.

Aber bete und fahre fort, ans andere Ufer zu rudern!  Das heißt: Hilf Gott, daß er mit dem Bösen fertig wird, bete um Gottes Beistand, aber steh Gott bei mit deiner Kraft.

Dietrich Bonhoeffer hat uns neu gelehrt, daß wir auch in den Händen von Schergen und Mördern in Gottes Hand bleiben. Auch Jesus hat sich auf dem Weg mit Gott gewusst, auch wenn er durch die Hölle musste.

Die zugehaltenen  Löwenmäuler sind auch ein  Bild dafür, daß die Ängste uns nicht verschlingen werden.

 

                                                    *                *

 

 

Joel

 

Ausgießung des Heiligen Geistes

Gott spricht: Nach diesen Tagen will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Jünglinge sollen Gesichte sehen und eure Alten sollen Träume haben. Und es soll geschehen: Wer des Herrn Namen anrufen wird, der soll errettet werden.

Aus Joel 3

 

Die Ausgießung des Heiligen Geistes über alles Fleisch soll geschehen. Also ist die natürliche Beschaffenheit alles Lebendigen noch nicht so geistvoll, wie Gott es vorhat. Die Jungen, die doch so beschäftigt sind mit der Gegenwart, sie sollen auch weise reden vom Zukünftigen. Und die Alten, die so gern dem hinterher sinnen, was war, die sollen Träume haben und von ihnen mit auf große Fahrt genommen werden. Nach vorn reißt der Heilige Geist mit: Vor uns Entwicklung, Wandel, Reife, Frieden, spannende Zeit mit Gott.

 

                                                       *              *

 

 

Amos

Hunger nach dem Herzenswort

Siehe, es kommt die Zeit, spricht Gott, dass ich einen Hunger ins Land schicken werde, nicht einen Hunger nach Brot oder Durst nach Wasser, sondern nach dem Wort des Herrn, es zu hören.

Amos 8,11

 

Ist das nicht jetzt? Hungern wir nicht nach haltbaren Worten, nach klarer Widmung, nach Weisung wie Hammerschläge eines Zimmermannes- jeder trifft den Nagel präzise?

Der Hunger nach klarer Predigt ist da. Abschälen die falschen Versprechungen und mit kräftigen, unverzierten Sätzen Leben eröffnen, Gott in heutigem Deutsch zur Sprache bringen, kurz, direkt und  wahr- es muss immer neu versucht werden. Und Gemeinde berät, ergänzt, widerspricht. Das Wort Gottes für heute erschließt sich der Gemeinde, es fällt nicht einem einzelnen ein.   

Jetzt ist die Zeit da. Wir lauschen doch hinter die Gespräche, die wir so mitmachen, ob da ein Hauch Trost und Erkenntnis, Freude und Ermutigung steckt. Wir schauen die Strecke der Filme ab nach einem heiligen Bild, das uns erreicht. Wir suchen doch in uns Merkstoff für Heil.

Einen ganzen Tag hast du durchfahren und war da ein Krümel Heiliger Geist drin gewesen? Hast du heute geliebt? Befriedet? Beschenkt? Gott wollte dich heute treffen. Hast du ihm beigestanden? Hast du sein  Wort gehört in der Bitte eines Nächsten, hast Du sein Wort weitergesagt im freisprechenden Gedanken?  Hast du dich mit einem angelegt für das Wort Gottes, das heute dran ist?

 

                                            *                  *

 

 

Jona

 

Gott nicht entkommen  - Eine große kurze Geschichte

Gott sprach zu Jona: Geh nach  Ninive und predige ihr zugut gegen sie: Ihre Bosheit ist vor mich gekommen.

Aber Jona floh; er nahm  ein Schiff, das in entgegengesetzter  Richtung- nach Tarsis fahren wollte, und hoffte so, dem Herrn aus den Augen zu kommen. Da ließ Gott einen großen Wind aufs Meer kommen, und es erhob sich ein großes Ungewitter dass sie meinten, ihr Schiff zerbräche.

Die Schiffsleute fürchteten sich und schrien ein jeder zu seinem Gott. Ladung warfen sie über Bord, damit das Schiff leichter würde. Jona war derweil hinunter in das Schiff gestiegen und schlief.

Da trat der Schiffsherr zu ihm und brüllte ihn wach: Was schläfst du? Steh auf, rufe deinen Gott an! Ob vielleicht dieser Gott unser gedenken will, dass wir nicht verderben.

Und einer sprach zum andern: Kommt, wir wollen losen, dass wir erfahren, um wessentwillen es uns so übel geht. Und als sie losten, traf es Jona.

Un der Und der  Und der sprach er zu den andern im Schiff: Nehmt mich und werft mich ins Meer, so wird das Meer still werden und von euch ablassen. Denn ich weiß, dass um meinetwillen dies große Ungewitter über euch gekommen ist.

Jona 1,1-12

 

Warum Jona sich so sträubte, Ninive die Bußpredigt zu halten, wird nicht gesagt. Jeder Zuhörer und Leser dieser Geschichte soll sich selbst eintragen und sich befragen. Warum weiche ich dem Auftrag des Herrn aus, ich weiß doch was ich aufhabe.

Es ist schon eine ausgefallene Berufung, einer Stadt den Untergang anzusagen. Müssen wir auch unserer Zivilisation den Untergang ansagen? Jedenfalls „die Augen zu“ und die Zeit verschlafen geht nicht. 

Eindrücklich ist, wie die Vorfahren ihr Wohlergehen und ihre Not mit Gott verbunden sahen. Wir sehen den Zusammenhang von Sturm und persönlicher Schuld nicht mehr- aber in  der Umweltkatastrophe schwant uns doch  neu der Zusammenhang von Lebensart und (Klima-) Schicksal.

Das Los zu werfen, war früher die Methode, den Willen der Götter zu erforschen. Es war der erste Menschheits-Versuch, nicht blind dem Schicksal ausgeliefert zu sein. Man hoffte, durch Loswurf  die Untat des Einen zu ermitteln, so konnte man die Strafe auf ihn ableiten. Und hoffte so, die Schicksalsmächte gnädig zu stimmen. Jona gab sich zu erkennen als der, der Zorn auf sie alle geladen hat. Er war bereit, die Strafe an sich vollziehen zu lassen.

 

Jona weiß

Doch die Leute ruderten, dass sie wieder ans Land kämen; aber sie konnten nicht, denn das Meer ging immer ungestümer gegen sie an. Da riefen sie zu dem Herrn und sprachen: Ach, lass uns nicht verderben um des Lebens dieses Mannes willen und rechne uns nicht unschuldiges Blut zu; Und sie nahmen Jona und warfen ihn ins Meer. Da wurde das Meer still und ließ ab von seinem Wüten.

Jona 1,13-20

 

 

Bis jetzt ist es eine ganz altertümliche Geschichte: Der Mensch kann Gott, kann seinem Schicksal nicht entrinnen. Und: Gott lässt sich nicht spotten; man darf ihn nicht behandeln als sei er gütig- vergesslich. Dann lässt er das Meer toben. Und uns bleibt nur der Untergang- oder  Vollzug der verdienten Strafe.

Doch diese Ausgangslage ist ja nur der erste Akt. Gott zeigt sich von seiner schönsten Seite, wie sie eigentlich erst von Jesus ganz dargestellt wird.

Das Jona- Büchlein ist voll Evangelium. Es fängt an mit einem Wal.

 

                                                     

Im Schlund der Verlassenheit

Als sie ihn über Bord geworfen hatten, ließ Gott einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte. Und Jona betete zu Gott, im Leibe des Fisches. Und Gott sprach zu dem Fisch und der spie Jona an Land.

Jona 1,15; 2,1.11

Jona hatte mit seinem Leben abgeschlossen. Vielleicht war er auch all des Treibens müde, und ihm schien der Geldschein des Lebens zu groß, er hat ihn nicht wechseln können; vielleicht ging er jetzt gern in den Tod, zumal er damit andern das Leben retten konnte; wenigstens eine gute Tat zum Schluss- so mag er gedacht haben.

Aber so leicht kommt Jona nicht von hier weg. Ein Wal verschluckt ihn und spuckt ihn an Land. Jesus hat später diese Unterweltsfahrt als Bild genommen für seine drei Tage Todeserfahrung bis zur Auferstehung (Matthäus 12,39). Der Tod, das ist wie von einem Untier verschluckt zu sein- aber es geschieht, um hinübergerettet zu werden ins neue Leben.

 

                                                   

Gott setzt nach

Und es geschah das Wort des Herrn zum zweiten Mal zu Jona: Mach dich auf, geh in die große Stadt Ninive und predige ihr. Da machte sich Jona auf und ging hin nach Ninive und verkündete: In vierzig Tagen wird Ninive untergehen.

Da glaubten die Leute von Ninive an Gott und ließen ein Fasten ausrufen und zogen alle, Groß und Klein, den Sack der Buße an. Und der König gebot: Ein jeder bekehre sich von seinem bösen Wege und vom Frevel seiner Hände! Wer weiß? Vielleicht lässt Gott es sich gereuen, dass wir nicht verderben.

Jona 3,1-6.9

 

 

Ob Jona die „Vernichtung ohne wenn und aber“ als Wort des Herrn gehört hat? Es ist nicht die Art Gottes, keinen Ausweg zu lassen. Sollte Jona das „Wenn ihr euch nicht bekehrt“ einfach weggelassen haben? Weil er die Stadt für so verdorben hält, daß sie Gott ein Gräuel sein muß?- So dachte ja El-Kaida beim Angriff auf die Twin-Towers von New-York auch. Und viele andere Fundamentalisten bieten sich dem Höchsten als scharfe Gerichtsvollzieher an.

Doch Ninive  besinnt sich und stellt sich um auf  bescheidene und gerechtere Lebensart; sicher auch, um das angesagte Unheil abzuwenden.

Wir haben Schwierigkeiten mit der Vorstellung, Gott könne etwas gereuen. Es ist eine menschliche und menschenfreundliche Idee. Sie meint: Im Gespräch mit seinen Menschen bewegt sich auch innerhalb von Gott etwas. Sicher ist nicht auszuschließen, daß in Gott auch noch „unerwachte Träume“ (Rainer M. Rilke) sind. Aber Gott weiß, was wir für eine Mischpoke, was für ein Verein wir sind. Wir überraschen ihn wohl nicht, Er aber uns.

 

                                               

Jonas Unmut und Gottes Antwort

Als aber Gott ihr Tun sah, wie sie sich bekehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat’s nicht.

Gottes Güte aber verdross Jona sehr und er wurde zornig und sprach zu Gott: Das ist’s ja, was ich dachte, als ich noch in meinem Lande war, weshalb ich auch eilends nach Tarsis fliehen wollte; denn ich wusste, dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist und stehst nicht zu deinem Strafwort. So nimm nun, Herr, meine Seele von mir; denn ich möchte lieber tot sein als leben. Aber Gott sprach: Meinst du, dass du mit Recht zürnst?

Jona 3,10; 4,1-4

Wie kann einen die Güte Gottes sauer machen? Es ist eine unserer Unarten, daß wir den Anderen gern seiner gerechten Strafe überlassen. Wir aber sind dankbar für Verzeihen. Ja, wir meinen, ein Stück Großmut stehe uns schon zu. Es ist dies oft eine Untugend der Frommen-  sie sind „päpstlicher als der Papst“, wollen Gott nicht gütig sondern streng. Weil sie ja meinen, wegen ihrer Verzichte gut bei ihm angesehen zu sein. Ja, sie denken oft, daß sich Gehorsam nicht lohne, wenn er sich nicht im Himmel auszahle. Wenn dann das Strafgericht ausbleibt, finden sie Gott und das Leben so unfair, daß sie lieber sterben. Ist der prophezeite Weltuntergangstermin verstrichen, haben so manche glühend Gläubige sich das Leben genommen.

Die Rettung kommt von Gott, der mit uns das Gespräch fortsetzt.

 

                                                        

Jona lernt die Güte

Und Jona ging zur Stadt hinaus und ließ sich östlich der Stadt nieder und machte sich dort eine Hütte; darunter setzte er sich in den Schatten, dass er sähe, was der Stadt widerfahren würde.

Gott aber ließ eine Staude wachsen; die wuchs über Jona, dass sie Schatten gäbe seinem Haupt und ihm seinem Unmut vertreibe. Und Jona freute sich sehr über die Staude.

Aber am Morgen, als die Morgenröte anbrach, ließ Gott einen Wurm kommen; der stach die Staude, dass sie verdorrte. Dann  ließ Gott einen heißen Ostwind kommen, und die Sonne stach Jona auf den Kopf, dass er matt wurde.

Da wünschte er sich erst recht den Tod. Doch Gott sprach zu Jona: Meinst du, dass du mit Recht zürnst um der Staude willen? Dich jammert die Staude, um die du dich nicht gemüht hast, hast sie auch nicht aufgezogen, die in einer Nacht wurde und in einer Nacht verdarb, und mich sollte nicht jammern Ninive, eine so große Stadt, in der mehr als hundertundzwanzigtausend Menschen sind, die nicht wissen, was rechts oder links ist, dazu auch viele Tiere?

Jona 4, 5-11

 

 

Gott erteilt dem Jona eine Lektion: Er beschenkt ihn, dann entzieht er das Geschenk. Und was ist Jona darüber fuchsig! Dann führt ihn Gott zur Einsicht: Jona hing an der Staude, weil sie ihm wohl tat. Gott hängt an Ninive, weil er ihr wohl tat. Jona hat nichts dafür getan, daß die Staude heranwuchs. Aber Ninive ist Gottes Schöpfung.

Wenn Jona schon um die Pflanze greint, für die er nichts getan hat, um wieviel mehr hat Gott ein Recht, sich Ninives zu erbarmen, die voll ist von seinen Menschen und  Tieren- jedes  eine Gestalt seiner Mühe.

Und die, die nicht wissen, was recht und unrecht ist, die tun recht, nämlich Buße und bitten um Erbarmen- aber der Prophet pocht auf  Recht und Gesetz, als brauche er keine Gnade, es ist lächerlich

Dies köstlich kleine Büchlein ist ein Schatz  der Menschheit.

 

                                                                     *            *

 

 

Micha

 

Es ist dir gesagt Mensch,

was gut ist und was der Herr von dir will: Halt dich an sein Wort, liebe und sei einfach vor deinem Gott.

Micha 6,8

 

Was ist gut? Große ethische Programme erstrahlen, riesige Paragraphenwerke grenzen das Gute, das Gebotene vom Schlechten ab. Eigentlich reicht: Vertraue Gott, liebe, sei schlicht.

 

                                           *           *            *

 

 

Weisheit

 

Die Weisheit ist strahlend

und unvergänglich und lässt sich gern erkennen von denen, die sie lieb haben, und lässt sich von denen finden, die sie suchen. Sie kommt denen entgegen, die sie begehren, und gibt sich ihnen zu erkennen.

Wer sich früh zu ihr aufmacht, braucht nicht viel Mühe; denn er findet sie vor seiner Tür sitzen. Über sie nachdenken, ist vollkommene Klugheit, und wer ihretwegen sich wach hält, wird bald ohne Sorge sein. Denn sie geht umher und sucht, wer ihrer wert ist, und erscheint ihm freundlich auf seinen Wegen.

Die Weisheit hat alles kunstvoll gebildet.  Sie ist ein Hauch der göttlichen Kraft und ein Bild seiner Güte. Sie geht in heilige Seelen ein und macht zu Gottes Freunden.

Weisheit 6, 13-17, 21.25.27

 

 

Nichts  macht uns menschlicher, nichts brauchen wir dringender als Weisheit. Sie macht zu Freunden Gottes. Sie ist die Klugheit des Herzens und der Mut des Glaubens. Sie liegt bereit. Sie lässt sich finden von denen, die sie suchen. Sie ist in der Gegenwart da, sie zieht auch der Liebe Grenzen, sie ist kristallisierter Schmerz, schützt vor Hochmut. „Klugheit ist der Jäger der Probleme, Weisheit der Hirte der Geheimnisse“ (Jörg Zink).  Wage, weise zu werden.  Und Weisheit ist kein Kristall, den man in die Tasche steckt, sondern eine unendliche Flüssigkeit, in die man hineinfällt (nach Robert Musil).

 

                                                              *

 

 

Die Weisheit ist  herrlicher als die Sonne

Und sie übertrifft alle Sternbilder. Verglichen mit dem Licht hat sie den Vorrang. Denn das Licht muss der Nacht weichen, aber die Bosheit kann die Weisheit nicht überwältigen. Kraftvoll erstreckt sie sich von einem Ende zum andern und regiert das All vortrefflich.

Gott, gib mir ab von der Weisheit, die bei dir auf deinem Thron sitzt. Schick sie herab von deinem heiligen Himmel, damit sie mir tätig zur Seite stehe, sodass ich erkenne, was dir wohlgefällt. Denn die Gedanken der sterblichen Menschen sind armselig und unsre Vorsätze sind hinfällig.

Weisheit 7,29. 30; 8,1; 9,4.10. 14

 

An den Rändern des alten Testamentes tut sich eine Kraft auf, die im Neuen Testament „Heiliger Geist“ heißt. Auch die Weisheit ist eine Erscheinung Gottes selbst. Sie bescheint die Schöpfung. Sie hilft uns Menschen, das Leben zu bestehen. Sie lässt  sich von unserer Bosheit nicht zermalmen- das ist unsere Hoffnung. Die Weisheit regiert das All- daran kann unsere Dummheit höchstens kratzen. Das ist unsere Rettung.

 

                                                          *  

 

Ist es das?

Womit jemand sündigt, damit wird er auch bestraft.

Weisheit 11,16

 

Wer lügt, muss damit rechnen, selber oft belogen zu werden. Wer seine Eltern nicht achtet, wird sich hüten, Eltern zu werden. Wer Gewalt sät, wird Gewalt ernten. Wer allein lässt, bleibt allein. Wer geizt, hat furchtbare Angst, zu verarmen. Wer nichts abgibt, verstopft und erstickt. Das Leben ist so eingerichtet, über kurz oder lang schallt es aus dem Wald heraus, wie man reingerufen hat.

Und was heißt da Vergebung?  Es ist eine ungeheure Liebesenergie in der Welt- die wird ausgeschüttet über Böse und Gute. Allein, wie viel Fahrfelher wurden “vergeben“ durch Achtsamkeit anderer, durch Plastik-Knautschzonen, Leitplanken, fehlerfreundliche Technik. Viel Güte ist unter den Menschen, wenn man nur artig bittet. Gott ist ein Liebhaber des Lebens, wohl wahr.   

Das Jüngste Gericht wird noch mal zur Sprache bringen, was wir angerichtet haben. Ob dann unser Verschulden, Versagen, Versäumen, unser Weggeschauthaben überwiegt? Das letzte Wort hat nicht unser Tun sondern Gott, das ist unsere einzige Chance.

 

                                                                 *

 

 

Gott liebt alles, was ist

Gott, Du hast alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet. Deine Kraft gewaltig zu erweisen ist dir allezeit möglich. Die ganze Welt ist vor dir wie ein Stäublein an der Waage und wie ein Tropfen des Morgentaus, der auf die Erde fällt.

Aber du erbarmst dich über alle; Du kannst alles. Und du übersiehst die Sünden der Menschen, damit sie sich bessern sollen. Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von dem, was du gemacht hast; denn du hast ja nichts bereitet, gegen das du Hass gehabt hättest. Wie könnte etwas bleiben, wenn du nicht wolltest? Oder wie könnte erhalten werden, was du nicht gerufen hättest?

Du schonst aber alles; denn es gehört dir, Gott, du Liebhaber des Lebens. Dein unvergänglicher Geist ist in allem.

Weisheit 11, 21-26; 12,1

 

Hier unter den „Apokryphen“, dem Anhang des Alten Testamentes, der traurigerweise in den meisten Bibeln fehlt, hier ist dies Goldstück des Glaubens versteckt. Kein Text preist den Großmut Gottes schöner. Alle Energie ist Gottes Energie. Was sind wir dagegen? Ein Hauch, ein Stäublein. Aber groß gemacht sind wir durch sein Lieben.

Sein Erbarmen lässt uns blühen. Und soviel Heilkraft ist uns mitgegeben, dass unsere Sünden mit der Zeit schon sich bessern. Sünden also Kinderkrankheiten, die sich verwachsen? Zu schön denkt Gott von uns. Mancher hat seine Zeit nur zur „Verbösung“ genutzt. Und dann leidet Gott mit, er saugt den Hass auf in all den Abeln dieser Erde. Jesus ist wohl der deutlichste Leidträger und Freudenbote der Menschheit. Von ihm handelt das Neue Testament.

 

                        

                                              *                    *                  *

 

 

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Neues Testament

 

Die Texte des Neuen Testamentes sind gruppiert um

A  Jesus Christus

1 Jesu Geburt und Taufe

2 Jesu Worte und Taten

3 Jesu Passion – Kreuzigung – Auferstehung- Pfingsten

 

B  Apostelgeschichte, Briefe, Offenbarung

 

                                                               *

 

 

A  Jesus Christus 

 

 

Vorspann:

 

 

In allen vier Evangelien nehmen die Passionsgeschichten breiten Raum ein, das älteste Evangelium nach Markus nannte man sogar „eine Passionsgeschichte mit ausführlicher Einleitung“ (Martin Kähler). Im Sterben kommt Jesu Leben als Opfergang zum Ziel. Er stand für Gott, den gnädigen Gott ein, bis zum letzten Atemzug.

Diesen Zeugen und Propheten bestätigte Gott als seinen liebsten Menschen. In ihm sah sich Gott am besten geerdet, Jesus hatte ihn am echtesten verkörpert- in ihm glaubten viele Gott persönlich am Werk. Mit der Auferstehung, glauben Christen, ist die Gottesqualität des Jesus besiegelt. Seitdem ist er der „Christus“, der zum ersten Sohn Gottes Gesalbte und hat teil an Gottes Allmacht.
         

Die Gottessohnschaft -Energie des Jesus war schon zu Lebzeiten des irdischen Jesus  kraftvoll. Nach überwundenem Tod bekam das Zurückliegende noch mehr Heiligenschein, der Auferstandene leuchtete im Gedächtnis, die Taten und Worte glühten auf.   Die schlichten  historischen Ereignisse wurden in ihrem Zeichencharakter erkannt und geschmückt und auch ergänzt.

Klar ist, daß die Erfahrung mit dem historischen Jesus schnell verloren zu gehen drohte, als die Jünger und Nächsten sich alle vor Todesschreck zerstreuten. Hätte der auferstandene Christus sie nicht gesammelt, erleuchtet, geheiligt und losgeschickt, das Leben gottvoll zu bestehen, so wären Jesu Spuren schnell vom Winde verweht.

Am Anfang der Berichterstattung über Jesus stand die mündliche Überlieferung. Man erwartete in allernächster Zeit den Weltuntergang mit Aufgang des Reiches Gottes.  Eine Spruchsammlung kann schon  kurz nach Jesu Tod und Auferstehen angefangen worden sein, die später den ersten drei Evangelisten zur Verfügung stand. Erst als die ersten Zeugen des historischen Jesus starben, wuchs die Angst,  das Gedächtnis an Jesu Leben könne verblassen. Markus schrieb die Passionsgeschichte mit kurzer Auferstehungsfanfare, dazu die wichtigsten Taten und Worte des Jesus. Die nächsten Evangelisten hatten Sondergut einzubringen und eigene Theologien, je für ihre Leserschaft.  Markus weiß nur von der  Taufe, Lukas und Matthäus dann auch von Geburt und Stammbaum.  Wohl 100 Jahre nach Jesu Geburt, wagte man  Christus als aus Gottes Ratschluß vor aller Zeit gezeugt zu denken- so der Evangelist Johannes. 

 

 

Aus allen vier Evangelien werden hier die Sternstunden und die Goldworte des Jesus Christus aufgeführt.


 

 

 

 

 

A 1 Jesu Geburt und Taufe

 

 

Die Prophezeiungen

Es wird nicht dunkel bleiben über denen, die in Angst sind. Gott selbst wird euch ein Zeichen geben: Eine junge Frau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie „Immanuel“ nennen- „Gott mit uns“.

Das Volk, das in Finsternis lebt, sieht ein großes Licht, und über denen im Dunklen scheint es hell.

Du weckst Jubel, du bereitest große Freude, wie man fröhlich ist, wenn man die Ernte teilt.

Denn du hast die Jochstange auf ihrer Schulter und den Knüppel ihres Treibers zerbrochen. Jeder Stiefel, der noch mit Gedröhn auftritt, und jeder durch Blut geschleifte Mantel wird verbrannt.

Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, er ist der Weltenherrscher; und er heißt Wunder, Großer Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst.

Groß soll seine Herrschaft werden auf Davids Thron und der Frieden soll nicht enden in seinem Königreich. Er stärke es durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit.

Jesaja 8,23; 7,14; 9,1-6

 

 

Die Zeitenwende, die Christus mit sich bringt, ist lange schon erahnt, erhofft und prophezeit. Zur Zeit des Propheten Jesaja um 730 v. Chr. ging es Israel schlecht- es war kurz vor dem Ende des Reiches Israel. Da, mitten im tiefsten Elend, sagt der Prophet Heilung und Frieden an. Kommen soll der Messias- der Erwählte, der das Reich Gottes auf Erden aufrichtet. Glück und Gerechtigkeit werden herrschen für immer. 

Als beglaubigendes Zeichen hat Jesaja allerdings nur ein Allerweltsereignis: Eine junge Frau wird ein Kind gebären und es „Gott mit uns„ nennen.

Erst die junge Christengemeinde las das hebräische Wort für „junge Frau“ als „Jungfrau“- vorgeformt war das im griechischen „partenon“ – was beide Bedeutungen hatte. Damit war die Sensation des auferstanden Christus gedoppelt: nicht nur geht er in den Himmel sondern ist auch vom Himmel her. Der Siegeszug des Jesus Christus im griechisch-römischen Denkraum war mit jungfräulich-göttlicher Herkunft gebahnt.

Uns Heutigen bleibt die ehrwürdige Verheißung ein Hinweis, dass die Heilsgeschichte Gottes von langer Hand geplant ihren Lauf nimmt.

 

                                                           *

 

 (Siehe auch Psalm 24 - ein anderer wunderbarer Adventstext )

 

                                                         *                                                                          

 

Auch ein Adventstext

Halten wir fest am Bekenntnis der Hoffnung und wanken nicht; denn Er ist treu, der sie verheißen hat. Lasst uns aufeinander Acht geben; locken wir einander zur Liebe und zu guten Taten. An den Gottesdiensten lasst uns Freude haben. 

Wir leben in der letzten Zeit; es ist höchste Zeit. „Der Tag“  naht.

Hebräer 10, 23-25

 

Advent  heißt: Der Sonnenkönig unserer Seele kommt. In uns ist das Leuchtbild „Krippenkind“. Das erweckt dich, dass du aufblühst  in Liebe zu Allem. Advent  ist Ruf zu neuen Ufern der Hoffnung. „Leinen los!“ aus allem Festgefahrenen, hin zu Mut und Energie und Gemeinschaft. Die Gemeinde hat viel Kraft. Sie bewahrt das Grundvertrauen der Christenheit. Wir sollten uns an ihr stärken und wir sollten sie stärken.

„Advent“  hilft auch der Zeit auf die Sprünge- Die Zeit ist kein Brei, keine ewige Wiederkehr des Gleichen. Sondern die Zeit ist zielgerichtet. Wie unsere Lebenszeit aufs Sterben zueilt, so eilt die Weltzeit, zum Ziel zu kommen. Der letzte Tag mündet in Gottes Fülle- „wovon die Sonne nur ein Schatten ist“ (Arthur Schopenhauer). 

 

                                                      *

 

Engel sind nötig

Der Engel Gabriel wurde von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer jungen Frau, die verlobt war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria. Und der Engel sprach zu ihr: Heil dir, Begnadete! Gott ist mit dir!

Maria erschrak über die Maßen und dachte: Was ist das für ein Gruß!

Der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria, Gott liebt dich und braucht dich. Du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen „Jesus“ (Gott rettet) geben. Der wird Sohn des Höchsten genannt werden  und sein Reich wird kein Ende haben.

Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das angehen, kein Mann ist mir nah gekommen. Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Bei Gott ist kein Ding unmöglich.

Maria sagte: Ich bin Gottes Dienerin; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.

Lukas 1,26-38

 

 

Lukas verkündigt die Geburt Jesu als das größte Wunder nach der Schöpfung; ja, die Geburt Christi  ist Vervollkommnung der Schöpfung. Gott erdet sich in diesem Jesus, nimmt irdische Geschichte als eigene Biographie an. „So sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen Sohn sandte“ (Johannes 3,16), letztlich, damit wir uns als Mitkinder Gottes wissen können.

Die Auferstehung wurde als Gütesiegel auf das Wesen des Jesus verstanden. Seitdem ist er für den Glauben als Sohn Gottes qualifiziert. Seine vorher getanen Wunder hatten diese Beweiskraft noch nicht.

Die Umstände von Jesu Geburt liegen vollständig im Dunklen. Erst lange nach Tod und Auferstehen Jesu fragte man nach der Herkunft- und klar: Es müssen wirklich Engel, also außerordentliche Boten Gottes, überirdische Fanfaren angesetzt haben. Die aber hörten nur die kleinen Leute. Zum Kommen Gottes in niedrigen Hüllen würde passen, daß er normal gezeugt und geboren ist.

Aber wenn Jesus durch  die Auferstehung als Sohn Gottes erwiesen ist, dann- sagt die gläubige Logik- ist er es auch schon bei der Geburt, wenn bei der Geburt, dann auch bei der Zeugung. Johannes steigert das dann bis an den Anfang der Schöpfung: „Am Anfang war das Wort. Und das Wort wurde Fleisch  und wohnte unter uns“ (Johannes 1,1.14).

Natürlich sind Maria und Josef die irdischen Eltern des Jesus, mit noch weiteren Kindern. Aber es gibt eine Zeugung im höheren Sinn. Wenn schon der Kaiser von Rom seinen leiblichen Erzeuger verbannte und den Gott Jupiter als seinen Vater ausgab, dann war es nach Meinung des Missionars Lukas klar, daß dem Jesus das Jungfrauengeburts-Muster auch zustand.

Lukas, der für Römer schreibt, hat dieses Symbol auf Jesus übertragen- Und sagt damit:  Die Wahrheit der Jungfrauengeburt ist im Kern: In Jesus kommt Gott selbst - eben in Gestalt des Sohnes.  

 Natürlich muss diese Sensation von Engeln verkündet werden:  Das Wort Heiligen Geistes zeugt  den Sohn mittels Maria und  Josef. Diese sind Dienerin und Diener Gottes.

Aber sind Eltern je in anderer Rolle gewesen? Unsere Eltern liebten sich, aber daß wir daraus wurden, ist doch Wille Gottes.

Darum nimm doch das Bild von der Jungfrau Maria  nicht als biologische Anormalität sondern als Zeichen für Erschaffung durch den Willen Gottes. Und nimm diese Abstammung auch für dich in Anspruch.

 

                                                  *

 

Die schönste Geschichte der Menschheit

Es begab sich aber zu der Zeit des Kaisers Augustus, dass er ein Gebot erließ, alle Menschen im Land zu registrieren. Und diese Erhebung war die allererste und geschah zu der Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und alle gingen, sich zählen zu lassen, ein jeder in seine Geburtsstadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem- er stammte ja aus dem Hause und Geschlechte Davids- und ließ sich erfassen mit Maria, seiner Verlobten, die war schwanger.

Lukas 2,1-5 

 

 

So beginnt die Weihnachtsgeschichte- wohl die am innigsten zu Herzen gehende Erzählung der Menschheit. Aus der Tiefe des Geschichtsraumes stürzt die Zeit  auf die Geburt Gottes bei den Menschen zu. Es ist wie eine Zoomaufnahme- erst unendlich langsam, dann immer schneller, dann in einem Nu auf uns Menschen zu.

Spätere Jahrhunderte wurden im christlichen Raum nicht mehr nach den Römischen Kaisern gezählt sondern die Geburt Christi nahm man zur  Wendemarke von vorher und nachher. 

Es war unter Kaiser Augustus, daß die Menschen im jüdischen Land wegen einer Volkszählung an ihren Geburtsort mussten. Das brachte Josef mit der schwangeren Maria in seinen Geburtsort Bethlehem, der auch Geburtsort des Königs Davids war, seines fernen Vorfahren.

Es ist ja auch von langer Hand vorbereitet, daß Gott in einen Menschen besonders sich einläßt, um die Erde sich noch mehr anzueignen und sich seiner Schöpfung anzuverwandeln.

Das Schicksal der Schöpfung ist Gottes Schicksal. Das hat die Menschheit mittels verschiedener Religionen geahnt, aber dem Volk Israel wurde zuerst der eine Gute Ganze entdeckt, aufgetan durch Träume und Seher und Propheten. In Israel war klar, daß der endgültige Retter, der Messias, der Gesalbte als neuer König in Jerusalem einziehen wird, und dann bricht der Himmel auf die Erde, und es wird ewige Freude sein. Und die Völker kommen, anzubeten in Jerusalem. –

Das fängt für die Christen mit Jesus Kommen an- nur, daß das „Reich Gottes  mitten unter uns (erst) im Anbruch ist“ (Lukas 17,21). Wie fängt das Reich Gottes unter uns an?  Ein Paar macht sich auf den Weg, den Heiland zu gebären am richtigen Ort. 

 

Obdachlos

Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte.

Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe in einem Stall; Raum hatten sie nicht in der Herberge.

Lukas 2,6

 

 

Stall und Trog - ein karger Anfang für den Herrn über und in Himmel und Erde. Aber das hat Offenbarungsqualität: Unser Gott kommt zu Fuß, ist Diener aller. Er nimmt das Mühselige auf sich, er leidet mit das Leid der Welt und heiligt das Normale. Kein Raum in der Herberge- die  Flüchtlinge dieser Erde bitten um Essen und Dach und Arbeit.  

 

Am Anfang der Stall

In der Nähe waren Hirten auf dem Felde bei ihrer Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn erleuchtete sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allen Menschen widerfahren wird; euch ist heute der Heiland geboren, Christus, der Herr in der Stadt Davids.

Und das nehmt zum Zeichen: Ihr werdet finden ein Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.

Lukas 2,8-12 

 

 

Die Hirten, arme Leute merken auf: Ein Kind ist geboren. Das ist Engelmusik: Es geht weiter, Zukunft liegt vor aller Augen. Die Welt geht noch nicht unter. Jedes Kind garantiert: Gott ist noch am Schaffen. Jedes Kind  ist Bürge: Vor uns: Nennenswertes. Aber dass dort „das Herz aller Dinge ins Fleisch kriecht“, muß einem gesagt werden, da müssen uns schon die Ohren des Herzens aufgetan werden. Nehmt das als Zeichen: im Kleinen das Große, Im Stroh das Gold. Im Jesus-Menschen Gott greifbar. 

 

Frieden

Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und ein Wohlgefallen den Menschen aneinander.

Lukas 2, 13.14 

 

 

Das ist die Mitteilung des Jesus Christus: Gott legt seine Ehre ein in den Frieden auf Erden. Der beginnt damit, daß wir Wohlgefallen aneinander hegen, uns leiden mögen, auch wenn wir aneinander oftmals leiden. Es ist eine Friedenenergie in der Welt, die kehrt uns zueinander. Allein schon die Liebesfreude, die uns Menschen eins werden lässt, strahlt  Befreundekraft weit in die Gesellschaft aus. Elternliebe und Kollegialität und Kameradschaft und Fairness und die Tauschlust machen, daß Schranken und Grenzen schrumpfen - Gott lässt auf viele Arten Sympathie in das Geschehen strömen. Er wir uns zum Frieden bringen.

 

Zeuge sein wollen

Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns jetzt gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die uns der Herr mitgeteilt hat.

Lukas 2,15    

 

 

In den Krippenspielen und Weihnachtsoratorien kommt an dieser Stelle Aufbruch und die Lust zu sehen ins Spiel. Auch will man was mitbringen, wenn ein Kind begrüßt wird; will dem neuen Erdenbürger ein Herzlich Willkommen sagen.  Eigentlich ist jedes Neugeborene ja Kind Gottes, in dem der Himmel alle Gaben noch mal neu und einmalig mischt.  Jedes Kind ist ein neuer Versuch Gottes, sich selbst hier unterzubringen.

 

Nur wer aufbricht, kann finden.

Und sie eilten und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe. Dann breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, die das hörten, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten.

Lukas 2, 16-18

 

 

Gut, über einem Neugeborenen ein Wort zu sagen, das man vom Himmel her gehört hat. Dem Jesus ist bestimmt, die Liebe Gottes zu leben, allen Widersprüchen zum trotz. Und letztlich ist es das, was genau  jedes  Menschenkind realisieren soll: In den Mühen doch die Perlen des Reiches Gottes finden,  Freundlichkeit  leben mit der eigenen kleinen Kraft, unermüdlich.

Ob uns auch der Heiland geboren ist? Ob wir uns auch aufmachen, die Welt zu sehen, wie er es tat? Ob uns die Welt als christuserfüllt aufgeht?  Weihnachten ist immer, wenn uns der Jesus Christ aufgeht als Pfand für die Liebe Gottes. 

 

Wir sind, was uns bewegt

Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie es zu ihnen gesagt war.

Lukas 2, 19. 20 

 

 

Die Widmung  behalten, die Worte der Zuversicht im Herzen bewegen, das ist die Weihnachtskunst. Sich selbst als lichten Menschen glauben, die Mitmenschen zum Leuchten bringen, einen Schimmer Gottes auf die Stirnen legen denen, die dir begegnen. Und wieder an die Arbeit gehen, preisend, dankbar, mutig, tatkräftig.

 

                                            *

 

Die Weisen aus dem Morgenland

Es kamen weise Männer aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Osten und sind gekommen, ihn anzubeten.

Als das der König Herodes hörte, erschrak er und er ließ alle Hohenpriester und Schriftgelehrten zusammenkommen und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte.

Und sie sagten ihm: In Bethlehem - so steht es geschrieben beim  Propheten (Micha 5,1):

»Und du, Bethlehem im jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.«

Da rief Herodes die Weisen zu sich und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kind; und wenn ihr’s findet, so sagt mir’s wieder, dass auch ich komme und es anbete.

Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war.

Als sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut und gingen in das Haus und fanden das Kind mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Und Gott befahl ihnen im Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren; und sie zogen auf einem andern Weg in ihr Land.

Matthäus 2,1-12

 

 

Bei Markus, dem ältesten Evangelisten, taucht Jesus wie aus dem Nichts auf  bei Johannes dem Täufer. Matthäus und Lukas schrieben eine Generation später. Ihre Gemeinden wollten wissen, „wie sich das alles begab“. Beide Evangelisten setzten Stammbäume vor die Geburt, Matthäus lässt ihn beginnen bei Abraham, Lukas lässt ihn entspringen bei Gott und Adam. Jedenfalls wurzelt Jesus tief in der Geschichte der Menschheit und des Volkes Israel.

Lukas erzählt die Geburt, wie sie idealerweise hat geschehen können, und  müssen. Matthäus widmet sich der Bedeutung des Neugeborenen: Der ist ein König -wenn auch der Herzen, nicht des irdischen Regimentes. Repräsentanten der Völker kommen, die mit Hingabe und Gaben dem künftigen Weltenretter huldigten.

Im Kontrast zur Weisheit der Heidenwelt steht die Infamie des jüdischen Königs, der gar nicht anbeten sondern vernichten will. Dem Herodes werden Züge des Pharaos von einst angedichtet- wie damals in Ägypten die jüdischen Neugeborenen umgebracht wurden, so ruft jetzt Herodes den Kindermord von Bethlehem aus. Matthäus unterstreicht so, daß Jesus der neue, der wahre Mose ist. Auch die Flucht nach Ägypten (Matthäus 2,13-23) ist ein Bild für  die heilsgeschichtliche Doppelung: Wie Mose kommt der Retter aus Ägypten.

Diese Parallelen wurden von den Zeitgenossen sofort verstanden. Matthäus und Lukas predigen die große Bedeutung des Jesus  mit

Bildern der alttestamentlichen Verheißungen.

Die Anbetung der drei Weisen, Magier oder Könige aus dem sagenhaften “Osten“ ist eines der meistdargestellten Motive der Malerei. In den Krippenspielen unserer Kindheit waren die Rollen der festlich gekleideten Männer sehr begehrt.  Die Gaben boten Anlass zu tiefgründiger Auslegung: Was dem Christus dargebracht war, gebührt ihm: Unser Gold, also Geld ist nur anvertrautes Gut. Weihrauch steht für Anbetung, Myrrhe – das wohlriechende Öl deutet auf Tod und Auferstehen hin.

 

                                                              *

   

Das Wort wurde Fleisch

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.

Johannes 1,1-3

 

 

Das Johannesevangelium bietet keine Geburtsgeschichte des Jesus sondern hoch konzentrierte Theologie. - Der Ursprung, der Samen von allem, der Keim der auch im Wachsenden bleibt- ja, das alles Betreibende war und ist „logos“: Das Wort, der Wille, der Geist, die Weisheit- alle diese Energieformen  schwingen mit im griechischen Wort dieser Stelle. „Logos“,  „das Wort“  am Anfang ist so dramatisch stark, weil damit klargestellt ist:  Am Anfang von Allem steht der Wille Gottes, sich zu äußern und verstanden zu werden.

Der Wille, sich zu äußern und verstanden zu werden, ist Gottes inneres Wesen. Das „Alles auf Einmal, aus dem wir kommen“ (B. Strauß), die Seinskraft äußert sich, teilt sich mit in empfänglichem Anderen, erfindet überhaupt erst Leben, und davor die Materie als Träger. Sein Wille, sich zu äußern, schafft die Welt und  ist der Grund aus dem ein Jeder entsteht.

Alles, was ist, ist Mitteilung von Gott. Darum ruhte Gott auch nicht, bis er ein Wesen entwickelt hat, das auf Wort, Geist, Verstehen anspricht.

Auch die Natur hört Gott, sie gehorcht ihm, indem sie alles als Material für weitere Entfaltung zu nutzen sucht. Und Gott  ist damit beschäftigt, die Verständigung zwischen ihm und seiner Schöpfung und seinem Spitzenprojekt Mensch noch zu verbessern.

 

In ihm ist das Leben, und das Leben ist das Licht der Menschen.

Johannes 1,4

 

Gottes Wort und Wille, sich mitzuteilen, ist das Innerste des Lebens. Im Lebendigen  mit Schmerz und Abbrüchen gibt sich Gott aus (Gott ist das Lebendige in allem Fleisch- 4. Mose 16,22). Alles Lebendige ist provisorisch, ist Ausriß und auf den Tod zu, aber Gottes Geisteinhauchung macht alles Bruchstückhafte geistvoll und zueinandergehörig. Die Lebenswollust ist Gottes Begeisterung, mit Lebenswillen steckt er uns an.

Die Freude zu leben ist das Licht der Menschen. Darum nimm keinem die Freude an sich und schau mit Freuden, wie auch Natur ihr Wachstum zeigen will. 

 

Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis begreifts nicht.

Johannes 1,5

 

 

Das Licht der Liebe scheint. Das macht, dass wir uns als Teile eines Puzzles erkennen. Wir sind geneigt, zu ergänzen, uns ergänzen zu lassen. Im Licht der Erkenntnis dämmert uns: Unser Lebenswerk ist  Arbeit der Liebe. Gottes Sein besteht in Seingeben; wir, die aufs Licht der Liebe Angewiesenen, wir sind ganz Seinnehmen (Johannes Tauler).

Der Herd des Seins befeuert uns, lieben und handeln zu wollen.

Aber es bleibt oftmals finster in unsern Seelen. Zwar strahlt uns die Liebe an, aber wir leuchten nicht oder nur matt von innen. Da muss ein Offenbarer kommen, der uns innen ganz neu tapeziert. Uns gefrorene Seelen wird der Leuchtfeuermensch Christus noch einheizen und zum Lieben überreden.

 

 

Es war ein Mensch, von Gott gesandt, der hieß Johannes.

Der kam als Fackelträger, um Licht auf den zu werfen, der der Glaubwürdige ist. Johannes war nicht das Licht, sondern er sollte zeugen von dem Licht, das alle Menschen erleuchtet.

Johannes 1, 6-9

 

 

Johannes, der Täufer war wohl der letzte Prophet der Zeit des Alten Testamentes. Er entlarvte  den Menschen ihr  Sündersein, ängstete vor dem kommenden Gericht; aber er konnte selbst nicht retten. Er machte hungrig auf den Erlöser der Gewissen. Der erleuchtet alle, erinnert an die ewige Zugehörigkeit zum GutenGanzen.

 

 

Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum; aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.

Johannes 1,10.11

 

 

Jesus Christus ist die Hauptgestalt des Wortes und Willens Gottes. – Er war hier als historischer Mensch, als wahrer Mensch und insgeheim wahrer Gott. Dass durch ihn die Welt geschaffen ist, kann heißen: Jesus ist Auftischer und Vorkoster und Kundschafter und Heilender.  Die Welt erkannte ihn nicht, merkte auch  nicht seine Besonderheit neben Gott.  Dass er damals anfassbar irdisch als Sohn Gottes hier war, erkannte man erst im nachhinein.

Aber das Grundstürzende ist: Weil er „von Gottes Art“ ist, ist die Welt auch seine Schöpfung, sein Eigentum. Er ist in der Welt  als Geistkraft, als Denklust, als Verbündefreude, als  Liebe. Wenn  wir meinen, Liebe sei chemische Reaktion, sozialer Klebstoff, irgendetwas Machbares, dann  nehmen wir das geistige Abenteuer „Christus“ nicht auf.

 

Die  ihn aber aufnehmen, die an seinen Namen glauben, denen gibt er Macht, sich als Gottes Kinder zu erkennen. Die wissen, sie sind nicht von Menschenwillen  sondern von Gott gewollt; und darum sind wir hier.

Johannes 1,12,13

 

 

Jesus Christus annehmen, heißt, sich selbst als Kind Gottes annehmen. Das schiebt die Macht  irdische Elternschaft nach hinten. Wichtiger ist, daß wir von Gott gewollt, entworfen, geschaffen sind mittels der Eltern. Auch und erst recht ist die Zeugung des Jesus  gottgewollt, mittels seiner irdischen Eltern. Eltern sind die Instrumente, die Helfer; Gott ist der Grund eines jeden von uns.

Es ist eine ungeheure Macht, sich als Kind Gottes zu erkennen. Es rüstet uns mit Unverletzbarkeit aus, mit einem Selbstbewusstsein, das nicht von schlechten Eltern ist.

 

Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit des einziggeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

Johannes 1,14

 

 

Die Materie hat große Würde. Sie ist nicht nur Pflanzboden für die Himmelsfrucht. Sondern Gott, Geist, Schöpferwillen. Lebenswort verwandeln sich in Natur, Leib, Erde. Gott schafft nicht nur und hält dann die Schöpfung weit von sich. Sondern er zieht sich die Schöpfung an, macht das Leben zu Seinem. Nicht nur ein schöner Gedanke Gottes blüht auf als Mensch. Sondern im Bild von VaterMutter und Sohn kommt Gott zur Welt und unterzieht sich einem Lebenslauf- letztlich um uns wissen zu lassen, daß er unser aller Leben mitlebt.

 

Johannes gibt Zeugnis von ihm und sagt: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich. Das Gesetz ist durch Moses gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden. Niemand hat Gott je gesehen; der Erstgeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, hat ihn uns verkündigt.

Johannes 1,15.17.18

 

 

Grandios verkündet Johannes die Einzigartigkeit des Christus. Er bezeugt seine Herkunft aus der Ewigkeit und sein zukünftiges Sein in Ewigkeit. Von Gott, zu Gott, bei Gott. Weit greifen die Erinnerungen zurück an diesen leuchtenden irdischen Jesus.

Der Evangelist schreibt aus einem Abstand von mehreren Generationen.  Er gibt sich aus als Lieblingsjünger Johannes, er schreibt unter dem Namen des berühmten Zeugen des historischen Jesus, wahrt literarisch den Schein, dass er noch immer außer Atem sei.

Als Prediger seiner alexandrinischen Gemeinde weiß er den Christus des Glaubens gegenwärtig. Er sieht sich nehmen Gnade um Gnade, damals wie heute: Durch Moses lernen wir das richtige Tun, aber  Jesus Christus bringt uns in das wahre Sein: Wir sind Kinder Gottes, dem Jesus Christus nach, der Erstgeborener ist. Er ist Gott so nah, daß er Gott selber ist, sitzt aber auch in seinem (oder ihrem)  Schoß, was das Zusammensein Gottes und Christus abbildet.  Es bleibt Geheimnis, wie er  Gott selbst ist  und gleichzeitig ihm auch gegenüber ist, so daß er ihn gesehen hat und ihn uns darbietet in Reden und Tun.

 

 

Und von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.

 Johannes 1,16

Das kann nicht jeder sagen und nicht zu jederzeit. Aber du, ich? Im Lied „Lobe den Herrn„ heißt es: „Der dich erhält, wie es dir selber gefällt, hast du nicht dieses verspüret“? Doch; immer wieder und letztlich- du hast erlebt:

Viel Bewahrung, Wunder, Güte, Vergebung, heilsame Fügung; Gut gegangen- so viele Male. Ja, Gnade um Gnade, „ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß“ (Lukas 6,38). Nur, unsere kleine Denkkraft kann all die Fülle von Beschenktsein nicht fassen. Leicht werden wir mürrisch, wir nörgeln, sind verstimmt. Oft hilft dann schon ein Gang im Freien oder ein Gespräch oder eine Freundlichkeit; schon ein tiefes, bewusstes Atmen kann einem den Staub von der Seele nehmen. 

 

 

 

 

 

                                                       *                                          

Simeon und Hanna

Sie brachten den Säugling Jesus nach Jerusalem in den Tempel. Ein Mann mit Namen Simeon, der auf den Messias wartete, hatte die Weisung  vom Heiligen Geist empfangen, er werde erst sterben, wenn er den Herrn Christus gesehen habe.

Als nun die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist, da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach: Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; meine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern- ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel. Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was von ihm gesagt wurde. Und Simeon segnete sie. Es war da auch eine Prophetin Hanna, die war hochbetagt, die segnete sie auch. Das Kind aber wuchs und wurde stark, voller Weisheit, und Gottes Gnade war bei ihm.

Aus Lukas 2, 22-40                                                                                

 

 

Jesus war dem jüdischen Gebot zufolge im Tempel beschnitten worden am siebten Tage; war damit gekennzeichnet als Nachkomme Abrahams und Glied der Gemeinde. -Wie befreiend wirkt später die Ablösung der Beschneidung durch die Taufe, die ja endlich für beide Geschlechter gleichwertige Gotteskindschaft besiegelt.

Verheißungen begleiten jedes Neugeborene. Jesus empfängt von den Repräsentanten der Vergangenheit, Simeon und Hanna Segen und Widmung: Er werde „Licht, zu erleuchten die Heiden“. Eindrucksvoll die Szene, wie der Alte meint, nun sterben zu können, da seine Mission erfüllt ist.

 

                                              *

 

Der zwölfjährige Jesus im Tempel

Jesu Eltern gingen alle Jahre nach Jerusalem zum Passafest.

Und als er zwölf Jahre alt war, ging er mit.

 Als dann die Tage vorüber waren und sie wieder nach Hause gingen, blieb der Knabe Jesus in Jerusalem und seine Eltern wussten es nicht.

Sie meinten, er wäre mit den Gefährten vorausgegangen. Am Abend aber suchten sie ihn unter den Verwandten und Bekannten.

Und da sie ihn nicht fanden, kehrten sie wieder um nach Jerusalem und suchten ihn dort.

Und sie fanden ihn im Tempel sitzen, mitten unter den Schriftgelehrten, wie er ihnen zuhörte und sie fragte. Und alle, die ihn hörten, verwunderten sich über seinen Verstand und seine Antworten.

Seine Mutter aber sprach zu ihm: Mein Sohn, warum hast du uns das angetan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht.

Und er sprach zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in meines Vaters Haus?

Und sie verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen sagte.

Er aber ging mit ihnen  nach Hause und war ihnen untertan. Und Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen.

Lukas 2, 41-52

 

Eine Legende vom jungen Jesus: Ideal und wahr, wenn auch nicht historisch.

Jesus geht mit den Eltern zum Tempel- ein Tage langer Weg von Nazareth. Auf dem Rückweg bemerken die Eltern: Ihr Sohn ist im Gotteshaus zurückgeblieben. Es ist so, als wenn ein Kind, überfließend vor Musikalität, zum ersten Mal ein Orchester hört. Und wer religiös so erfüllt ist, der kommt zum ersten Mal nach Hause, wenn er im Tempel ist. Jesus entdeckt im Lauschen auf die Schrift seine Muttersprache, Gottes Wort. Jesus ist hingerissen dorthin, wo der Wille Gottes ausgelegt wird: Vielleicht erlauscht Jesus schon die Stimme, die nicht in Stein und Papier geschrieben ist, sondern die in ihm Person wird. –Aber er bleibt den Eltern untertan, bis seine Zeit gekommen war.

Auch Jesus muss die Reise durch Kindheit und Jugend gehen, die Lehrjahre in Gesetz und Ordnung, bis dann die richtigen Worte zu ihm kamen. Auch Jesus brauchte Zeit, zu wachsen in Gottes- und Menschenweisheit.

Mit Mit Mit etwa dreißig ist er dann in die Öffentlichkeit getreten. Ein oder drei Jahre hat er gewirkt und den Himmel uns auf die Erde geholt.  

 

                                                          *

 

Die Taufe Jesu

Jesus kam zu Johannes dem Täufer. Der predigte in der Wüste von Judäa und sprach: Bereitet dem Herrn den Weg (Jesaja 40,3),

tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!

Johannes hatte ein Kamelfell um, zusammengehalten von einem ledernen Gürtel; er nährte sich von Früchten des Feldes. Die Menschen strömten zu ihm, bekannten ihre Sünden und ließen sich taufen im Jordan. Und er herrschte sie an: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?

Matthäus 3,1-7

 

Johannes war wohl eine verwegene Erscheinung in dramatischer Zeit: Einer der vielen Bußprediger, die das Jüngste Gericht als unmittelbar bevorstehend ansagten. Er zog die Menschen an, weil er das Heilmittel zu haben schien: Er zerknirschte die Seelen mit Donnerworten, als „ Otterngezücht“ beschimpfte er sie, zwang sie auf die Knie, daß sie sich als schäbig erkannten unter ihrer Sündenlast. Durch Untertauchen im Jordan  sollten sie ihre Sünden abgewaschen bekommen und das Auftauchen als Augenblick der neuen Geburt nehmen. Aber die Vergebung des Johannes  fordert ein andauerndes in die Buße Kriechen. Richtig froh werden wir erst, wenn wir uns als Sünder und Gerettete zugleich wissen, dem Jesus nach.

 

                                                             * 

 

Tut Buße

Und weiter predigte Johannes: Denkt nur nicht, ihr könntet sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Ich sage euch: Gott vermag dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken.

Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Ich taufe euch mit Wasser zur Buße; der aber nach mir kommt, ist stärker als ich- ich bin nicht wert, ihm die Schuhe zu schnüren; der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.

Matthäus 3, 9-11

 

 

Der Täufer Johannes schlug den Zeitgenossen ihre frommen Gewissheiten aus dem Kopf: Es nützt keine Tradition, die ihren blassen Heiligenschein über die Gegenwart verströmt; Keine Verwandtschaft mit dem Vater Abraham adelt, keine Volkszugehörigkeit zu Israel oder heute keine Kirchzugehörigkeit macht uns Liebkind bei Gott. Die Axt am Baum ist ein starkes Bild, dass alles zu einem Ende kommt und dann gewichtet wird im Gericht.

Johannes ist der letzte Bote des Alten Testamentes. Der Bund, der die Menschen für das vor Gott Bestehen selbst verantwortlich macht, ist kraftlos geworden. Letztlich vergeblich sind all die Appelle zu Gehorsam und Buße- jedenfalls darf man davon nicht das Seelenheil abhängig machen, das ahnt auch schon Johannes; Er wartet auf den Messias.

Aber welche neue Qualität bringt Christus? Wird seine Taufe mit feurigem Geist die Menschheit zu neuen Ufern leiten? Wischt  er unser schwaches Tun hinweg und schmückt uns als die leuchtenden Kinder Gottes?

 

                                                   *

 

Jesu Berufung zum Sohn

Jesus kam aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. Aber Johannes sagte: Ich brauche es, von dir getauft zu werden. Jesus antwortete: Lass es jetzt geschehen! Es ist gerecht. Da ließ er’s geschehen.

Und als Jesus getauft wird, da tut sich ihm der Himmel auf, und er sieht den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. Und eine Stimme vom Himmel herab spricht: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Freude habe.                                              Matthäus 3,13-16

 

Jesus unterzieht sich der Taufe zur Buße durch Johannes. Der zögert erst: Der Sohn Gottes braucht keine Vergebung und Buße. Aber Jesus will die Taufe, die alle nötig haben. Er weiß sich als Kind Gottes, weiß sich erwählt zum Amt des ersten Sohn Gottes unter vielen Brüdern und Schwerstern. Sein Auftrag wird sein, uns das Gottgehören beizubringen.

Die Taufe ist uraltes heiliges Symbol - Untertauchen als alter Mensch, einen Augenblick wie tot sein, dann auferweckt, ja, neu geboren werden zum Kind Gottes. Jesus hört über sich die Widmung, in der die  Adoptionsformel für  die Könige Israels mitklingt: „Gott spricht: Du bist mein lieber Sohn, heute habe ich dich gezeugt“ (Psalm 2,7).

Gut, auch heute unsere Kinder zu taufen, zum Zeichen: Du gehörst nicht nur zu Vater und Mutter. Sondern du wirst –nimm die Taufe als symbolischen Geburtsvorgang- von Gott aus dem Nichtsein ins Leben gerufen. Du gehörst zu christlicher Gemeinde, und sie zu dir.

 

                                                    *

 

Jesu Versuchung

Nach der Taufe wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt. Nach Tagen und Nächsten  des Fastens hungerte ihn. Da trat der Versucher zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so mach aus diesen Steinen Brot. Da sagte er: Es steht geschrieben (5.Mose 8,3): »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von Worten von Gott lebt der Mensch.«

Matthäus 4,1-4

 

 

Was bedeutet für Jesus die Gottessohnschaft? Mit dieser Geschichte erklärt sich die urchristliche Gemeinde, daß Jesus sich über seine Bestimmung erst selbst klar werden musste. Der Sohn Gottes, der Messias, war ja eine klar fixierte Figur im großen Welttheater der jüdischen Erwartung. Im Volksglauben erwartete man den wiederkommenden, endgültigen König David. Der wird die Besatzung aus dem Land werfen und Jerusalem zum  Nabel  der Welt machen. Dorthin sollen die Völker ziehen, um ewiges Gebot und Rechtsprechung Gottes zu empfangen.

Es war anzunehmen, daß der Auserwählte Gottes nicht hungern muss. Doch Jesus leidet Hunger. Da scheint er angegangen zu sein von einer Idee: Ist das vielleicht der rechte Messias- Weg, den Hunger der ganzen Welt und auch den eigenen zu beseitigen durch einfachen Gebetsbefehl?

Aber Jesus  ist sich klar, wird sich klar: Ich darf nicht Gottes Kräfte hinter Gottes Rücken einspannen, darf nicht wider die Natur handeln. Was wären gewonnene Kalorien bei  verlorener Bindung an Gott und Sinn? „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“- weist uns auf Kultur, Freude, Sehnsucht, Liebe hin- vor allem aufs Wort Gottes, das mich über den Wassern der Angst hält. 

Für abwegige Gedanken bietet sich  im Bilderbuch unserer Seele der Teufel, der Versucher an. Der ist kein Gegengott. Der Geist ist es ja, der Jesus in die Wüste führt. Der Diabolos, der „Durcheinanderwerfer“ ist  ein Souffleur fürs Böse, das an den Rändern unserer Seele immer mitschwingt, uns aber nicht überschwemmen möge. 

Beschaffte Jesus Brot aus dem Nichts, würde er geradezu die Menschen verführen, ihn  anzubeten. Er würde den Menschen ihre Freiheit, an Gott zu glauben, nehmen. - Jesus hätte uns böse gemacht, das hätte dem Teufel- im Bild gesprochen- gut gefallen.

Immer wieder lassen wir uns unsere Seele abkaufen für Essen, Wohlstand, Sicherheit. Jesus blieb stark. Seien wir nicht allzu schwach. 

 

 

Dann führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und spricht zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so spring hinab; denn es steht geschrieben (Psalm 91,11-12): »Er wird seinen Engeln befehlen,  dich auf Händen zu tragen- dein Fuß wird an keinen Stein stoßen.“

Da entgegnete Jesus ihm: Wiederum steht auch geschrieben (5.Mose 6,16): »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.«

Matthäus 4,5-7

 

 

Dem Volk Wunder vorspielen- kann das einen Augenblick reale Versuchung für Jesus gewesen sein?  Die Menschen wären gezwungen, ihm zu glauben; sie wären ihm hörig geworden. Auch kann ein Gotteswort missbraucht werden. Im falschen Geist gebraucht, kann der Beter Gott benutzen und meinen, er  verfüge über göttliche Kräfte. Aber Jesus weist diese Idee ab. Ein einfaches „nein“ genügt in den meisten Fällen gegen Teufelei. Du sollst Gott nicht einspannen zu deinen Gunsten; fertig.

 

Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg. Er zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeiten und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben. Fall nieder und bete mich an. Da sprach Jesus zu ihm: Fort mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5.Mose 6,13): »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.« Da ließ der Teufel von ihm. Und die Engel dienten ihm.  

Matthäus 4,8-11

 

 

Jesus könnte auch  versucht gewesen sein, das Böse einzuspannen für gute Zwecke. Das Böse ausrotten, indem man sich des Bösen bedient? Aber so dient man doch dem Bösen Versucherisch sind alle Einflüsterungen, daß der Zweck die Mittel heilige. Da sind wir oft auf der Kippe: Mit einem Machtwort den Familienfrieden erzwingen; mit kleinem Ideendiebstahl die Stellung festigen; mit dem Teufel Beelzebub austreiben (Matthäus 12,24)- Doch Jesus bleibt stark. Er beugt sich nur Gott. Hat sich Jesus einmal durchgerungen, den mühsamen Weg der ehrlichen Normalität zu gehen, dienen ihm die Engel. Ihm gelingt es, Gott und die Menschen und die Normalität nicht zu verraten.

Daß ihm die Engel dienten, sieht man an den guten Kräften, die ihm zu Gebote stehen. Auch wir verfügen über heilendes Können, Engel sind bei uns- wir werden uns keiner Teufelei bedienen.

 

                                                             *

 

 

 

A2 Jesu Worte und Taten

 

 

Der Beginn des Wirkens Jesu

Der Prophet Johannes sagte dem König Herodes dessen Sünden auf den Kopf zu. Da wurde er gefangen gesetzt. Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!

Matthäus 4,12.17

 

 

Dieser Satz  bildet die Mitte aller Predigten Jesu: Das Himmelreich ist nahe. Gott will mit uns innig zusammen sein, will mit uns ein Glück haben; die Menschheit ist dann eine Familie, die ganze Schöpfung  findet ihre Vollendung. Gleich werden alle Streite beendet, aller Hunger gestillt sein. Alle geschundene Liebe, die entbehrte, die verratene, die nur achtlos gepflegte, wird geheilt.

Darum sollten wir jetzt schon Großmut walten lassen, sollten mit Freuden teilen, sollen abkommen von  Ichsucht und Geiz. Sehen wir also  nicht mehr schwarze Zukunft vor uns, als schaute man  in eine Geschützmündung. Mit dem Feuervogel Jesus soll  die neue Zeit herbeikommen. Bei uns soll sich der Vorhang des Himmelreiches schon heben.  

 

                                             *

 

Die Berufung der ersten Jünger

Jesus ging am See Genezareth entlang, da sah er zwei Männer, Simon, der später Petrus genannt wird, und Andreas, seinen Bruder; die warfen ihre Netze aus. Und er sprach zu ihnen: Kommt mit mir; ich will euch zu Menschenfischern machen!

Sogleich verließen sie ihre Netze und folgten ihm nach.

Und er sah zwei andere Brüder, Jakobus und Johannes im Boot mit ihrem Vater Zebedäus die Netze flicken. Und er rief sie. Sogleich verließen sie ihren Vater und folgten ihm nach.

Matthäus 4,18-22

 

Die Jünger und Jüngerinnen Jesu sind eine sagenhafte Gruppe; einfache Menschen, die ganz Ohr für diesen Jesus waren und jedes seiner Worte aufsaugten. Sie zogen mit ihm von Ort zu Ort und bildeten einen Freundeskreis, der wurde Kern der späteren Urgemeinde. Die „zwölf“ Jünger, sind vielleicht erst später entsprechend den zwölf Stämmen des Alten Israels stilisiert zu einem heiligen Gral der Männer-Gefolgschaft.

„Sogleich“ folgten sie dem Ruf Jesu. Sie ließen ab von  ihren Geschäften, ließen ihre Alltagsbindungen fahren und hinter dem Jesus her erfanden sie sich neu. Die alten Bindungen abbrechen, das schafft noch kein Finden des Jesus. Jesus finden, das kann geradezu verpflichten, den alten Bindungen  neues Leben einzuflößen.

 

                                                              *

 

Der mitreißende Jesus

Jesus zog umher in ganz Galiläa, er lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium vom Reich Gottes. Alle hörte seine gute Nachricht. Und sie brachten zu ihm Kranke, mit Leiden und Plagen behaftet, Besessene, Mondsüchtige und Gelähmte; und er machte sie gesund. Und es folgte ihm viele Menschen.

Matthäus 4,23-25

 

 

An verschiedenen Stellen in den Evangelien tauchen solche Zusammenstellungen auf, vielleicht zur Konzentration: Gott schafft schon immer an seinem Reich- aber jetzt hat er den richtigen Frontmann für sein Projekt vom ewigen Frieden. Der sagt, was ansteht und tut, was möglich ist. Besonders nimmt er sich der Kranken an, er will die Leiden aus dem Weg räumen, sie sind noch Reste des Tohuwabohus vom Anfang.- Krankheiten sollen nicht sein. Gott hat gegen die Schwärze der Nacht die Gestirne erschaffen und  erschafft noch die richtigen Mittel gegen die Leiden.

Jesus gibt die ersten Kostproben vom Gelingen. Doch Jesus weiß, dass er nur Mutmacher ist und Schrittmacher- nur Einzelne kann er heilen. Er macht uns damit aber Druck, unsere Heilkraft auch zu nutzen und auch Wissenschaft zu betreiben im Wissen, daß dies im Labor des Schöpfers geschieht.

 

                                                           *

 

Hochzeit zu Kana - Zeichen, nicht Zauber

Jesus und seine Jünger waren zu einer Hochzeit geladen und die Mutter Jesu auch. Der Wein ging aus. Da wendet sich  Maria an Jesus:  Du, sie haben keinen Wein mehr. Da fährt Jesus hoch: Was geht’s dich an, Frau, was ich tue?

Seine Mutter spricht zu den Dienern: Tut, was er euch sagt.

Johannes 2,1-5

 

Eine herrliche Geschichte, ja ein Glücksfall- denn sie zeigt Jesus als „Freudenmeister“ und Gönner und als einen, der aus der Patsche hilft. Wenn im Orient bei einer Hochzeit der Wein ausgeht ist, ist das eine Tragödie: Die Sippe der Braut kann mangelndes Essen und Trinken als Beleidigung, ja als Kriegserklärung deuten. Aber Jesus hilft.

Was die Einmischung der Mutter dabei zu suchen hat ist unklar. Vielleicht will Johannes mit einem Seitenhieb die Maria-Partei in der Gemeinde stutzen- die Herbheit des Sohnes ist nur „politisch“ zu verstehen- sie soll bei der (um 100 n. Chr,) schon ausufernden  Maria-Verehrung die Rangfolge klarstellen.

 

 

 

Es standen aber im Festhaus sechs Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte. Jesus erteilte die Weisung: Füllt die Krüge mit Wasser! Und sie füllten sie. Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringts dem Speisemeister! Und sie brachten es ihm.

Als aber der Speisemeister den Wein kostete- er wusste nicht, woher er kam- ruft er den Bräutigam und spricht zu ihm: Jeder bietet zuerst den guten Wein; und wenn sie trunken werden, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten.

Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat und er offenbarte seine Herrlichkeit.

Johannes 2,6-11

 

 

Jesus tut der Festgesellschaft gut. Trauen wir dem Jesus doch zu, das Freudenfeuer der Liebe und der Freude geschürt zu haben- und wenn Wein nötig war, dann hat der Menschenfreund Jesus Wein besorgt.  Wie das funktionierte- lassen wir es offen.- Wichtig ist doch, daß auch die frühe christliche Gemeinde Jesu erste herrliche Tat geschehen ließ anlässlich einer Hochzeit, dem schönsten Fest der Menschheit- das Fest zur Feier zweier Menschen,  die sich aus Gottes Hand immer wieder annehmen wollen, die im Frieden  für einander da sein und miteinander alt werden wollen.

Es hat keinen Sinn auf einer chemischen Verwandlung des Wassers zu bestehen- Jesus tat nur, was im Grundsatz seine Jünger auch vermögen- auch wir können das Wasser der Not in Wein der  Freude verwandeln.

 

                                                           *

 

Die Tempelreinigung

Jesus ging in den Tempel. Der Vorhof war voll von Händlern und Käufern. Man stand nach Opfertieren an, Wechsler hielten die Tempelwährung bereit. Jesus machte aus Stricken eine Geißel und trieb sie alle zum Tempelbezirk hinaus samt den Schafen und Rindern und stieß den Wechslern die Tische um und sprach:  Was macht ihr in meines Vaters Haus Geschäfte!

Johannes 2,13-16

 

 

Jesus kommt um den Gott der Freude bekannt zu machen. Bisher schien es ratsam, mit  dem Herrn der Himmel rechtlich korrekt zu verkehren: Fürs Befolgen der Gebote gibt es Zuwendungen des Gelingens. Sollte Buße nötig sein, müssen Opfer erstattet werden.- Israel entwickelte ein ausgeklügeltes System der Ehrerbietung und Wiedergutmachung. 

Es ist Israels religiöse Großtat, wegzukommen vom herrischen, willkürlichen Himmelsdespoten. Gott bindet sich vertraglich, der Menschen wird zum Bündnispartner - das erhebt den Menschen fast auf Augenhöhe zu Gott (Psalm 2,8 heißt es vom Menschen: „Wenig niedriger gemacht als Gott selbst“).

Opfer bringen war eine Tat der Ehre. Es ging um Wiedergutmachung einer Kränkung. Das Bereithalten der  Opfertiere, gewichtig und teuer je nach Schwere der Schuld, war eine Dienstleistung und Einnahmequelle des Tempels. Der Handel war schwunghaft. Und jetzt kommt Jesus und geht einen entscheidenden Schritt weiter: Gott vergibt ohne Bezahlung. So kippt er ein ganzes ausgeklügeltes System.  

Wie Jesus dem Hochzeitspaar den Wein besorgt, einfach, weil sie in Not sind- so vergibt Gott, weil wir mit unserm Versagen in Not sind.

Darum auch darf Kirche als Vaterhaus keinen Eintritt kosten.

Wie Kirche an das nötige Geld kommt, dafür braucht es viel Phantasie und Information. Aber glasklar vorbei sind die Zeiten, da Kirchenleute an der Reichen Tische sitzen und Gutscheine auf die Güte Gottes an die Zahlungskräftigen ausgeben. Jesus schlägt noch immer auf den Tisch derer, die an der Vergebung Gottes verdienen.

 

                                                           *

                                                                                                           

Jesus und Nikodemus

Ein Oberer  der Juden kam zu Jesus bei Nacht und sprach zu ihm: Meister, wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn, Gott ist mit ihm. Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Nur wer aufs Neue geboren wird, kann in das Reich Gottes kommen. Aus Wasser und Geist  muss er geboren werden.

Wunder dich nicht- der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist.

Johannes 3,1-8

 

 

Nicht alle Schriftgelehrten verwarfen Jesus. Manche kamen ins Grübeln, weil ja schon die alten Schriften Schimmer des gnädigen Gottes bewahrten. Nikodemus ahnt, dass Jesus nah an der Wahrheit von Gott und Welt ist und will Anteil haben. Jesus sagt, dass dies nicht einfach zu machen sei, sondern dass der Geist einem zugefügt wird. „Wasser und Geist“  also Taufe und Berufung, kann meinen: Deinen, bzw. deiner Eltern Beschluß, zu Christus gehören zu wollen, bringst du ein; ob das formal bleibt oder lebendige Inbrunst dich beatmet- bete und kämpfe, setz darauf, daß der Geist der Liebe dich treibt.  Und du wirst Taten der Liebe tun, eine glückhafte Lebensart wird sich dir erschließen.

 

 

Und, so spricht Jesus weiter, wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.

Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen erstgeborenen Sohn gab, auf dass alle , die an ihn glauben , nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.

Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, daß er die Welt richte, sondern dass durch ihn die Welt gerettet werde. Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet. Wer nicht an ihn glaubt, der ist schon gerichtet.

Johannes 3,14-18

 

Die Liebe Gottes zeigt sich in der Art, wie Gott sich  mit seiner Schöpfung verwickelt.  Er guckt seiner Welt nicht nur zu, sondern nimmt an ihr teil, wird Mensch, um Freude und Leid mitzuerleben. Jesus ist der erstgeborene, der in nächster Nähe zu Gott existierende Mensch. Ihm nach dürfen wir uns alle als Kinder Gottes wissen, bestimmt dazu, ewig mit Gott zusammen zu sein.

Mose errichtete einst eine goldene Schlange an einem Pfahl über dem Lager der Kinder Israel. Wer von den zur Strafe geschickten Schlangen gebissen war, konnte durch Blick auf die Heils-Schlange gerettet werden (4. Mose 21). Dies Bild gebraucht der Prediger Johannes, um die Kreuzigung des Jesus Christus in seiner Heilsbedeutung zu klären. Gott lässt zu, dass Jesus den Opfertod  stirbt, damit ein für alle mal wir glauben: Gott straft nicht mehr sondern rettet. Wer dem Jesus diese Bedeutung nicht abnimmt, der muss an seinem Schuldigwerden ersticken, und zwar schon zu Lebzeiten. 

„Sohn“ steht  in alter Zeit für innigste Nähe zweier Personen, fast für Identität. Wenn der Sohn in die Welt kommt, kommt Gott selbst. Retten, nicht Hinrichten ist sein Metier; Heilen, nicht Vernichten seine Leidenschaft. Geh davon aus, dass Gott liebevoll mit dir beschäftigt ist. Denk gut von dir und den Mitmenschen; meine niemals, die Welt habe sich gegen dich verschworen. Glaub dich in ein gutes Werden verwoben. Wer nur Verfall vor sich sieht, betreibt den Verfall und ist dem Scheitern ausgeliefert.

 

                                                  *

 

Jesus und die Samariterin

Jesus kam in die Stadt Sychar. Müde vom Weg, setzte er sich am Brunnen nieder, der „Jakobs Brunnen“ heißt.

Eine Frau kommt, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Bitte, gib mir zu trinken! Da spricht die Frau zu ihm: Was bittest du mich, der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau? Die Juden haben doch keine Gemeinschaft mit den Samaritern. -

Jesus sprach zu ihr: Wenn du erkennen würdest, wer der ist, der dich um Wasser bittet, dann bätest du ihn und er gäbe dir lebendigstes Wasser.

Spricht zu ihm die Frau: Herr, du hast nicht mal was zum Schöpfen, und der Brunnen ist tief; bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, der ist ewig gestillt. Das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers ewigen Lebens werden. (Von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen 7,38) Spricht die Frau zu ihm: Herr, gib mir solches Wasser!

Jesus spricht zu ihr: Geh, ruf deinen Mann und kommt wieder her!

Die Frau antwortete und sprach zu ihm: Ich habe keinen Mann. Jesus spricht zu ihr: Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann; das hast du recht gesagt.

Die Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. Sag mir, was richtig ist: Unsere Väter und Mütter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll. Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, da werden  die wahren Beter Gott anbeten im Geist und in der Wahrheit; wo auch immer.

Und die Frau ließ ihren Krug stehen und ging in die Stadt und spricht zu den Leuten: Kommt, seht einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe, ob er nicht der Christus ist!

Da gingen sie aus der Stadt heraus und kamen zu ihm und  baten ihn, bei ihnen zu bleiben. Zu der  Frau aber sprachen sie: Erst glaubten wir um deiner Rede willen. Nun aber haben wir selber gehört und erkannt: Dieser ist wahrlich der Welt Heiland.

Aus Johannes 3

 

Eine große Geschichte, Jesus lässt sich gern mit Frauen in Gespräche ein, sie geben sich mit ihrer Person rein, während Männer eher nur Sachverhalte klären wollen. Jesus gibt sich der Frau zu erkennen als Heilender. Er sagt ihr, daß sie ihren Durst nach Liebe nicht mit einer Vielzahl von Beziehungen stillen kann. Nur im Dreieck des Lebens: Geist, Wahrheit, Liebe ist Gott und Friede zu finden.

Weißt Du dich getränkt von Liebe- das ist Einssein mit Christus- dann wirst du selbst zum Quell der Liebe.

Die Frau fühlt sich von Jesus verstanden und ernst genommen als Gesprächspartnerin. So wird sie erste Zeugin des Christus.

 

                                                      *

 

Nimm deine Couch und geh!

Jesus kam nach Kapernaum und sagte ihnen das lebendige Wort. Das kleine Haus war übervoll. Einige trugen einen Gelähmten herbei. Sie kamen nicht ins Haus. Da deckten sie das Dach auf und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag.

Als Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Sohn und Bruder, deine Sünden sind dir vergeben.

Die anwesenden  Schriftgelehrten dachten in ihren Herzen: Er lästert Gott! Keiner kann Sünden vergeben als Gott allein.

Jesus erkannte, was sie dachten, und sprach zu ihnen: Damit ihr wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben - sage ich zu dem Gelähmten: Steh auf, nimm dein Bett und geh heim!

Und der stand auf, nahm sein Bett und ging. Die meisten aber erschraken und priesen Gott.

Markus 2,1-12

 

 

Wegen des Gedränges kamen die Männer mit ihrem gelähmten Freund nicht an Jesus ran. Da deckten sie das Lehmdach auf- das machte einen großen Staub und Wirbel- aber Jesus spürte den Einsatz der Freunde.

Beglückend, diese Geschichte vom stellvertretenden Glauben. „Da Jesus ihren Glauben sah“- heißt doch, er begeisterte sich an der Liebe, die alles auf eine Karte setzt, dem Nächsten zu Gut; Und er fackelt nicht lange, fragt nicht nach Glaubensätzen sondern heilt. Allerdings verblüfft er alle, uns eingeschlossen: Er sieht die Krankheit als Sumpfblüte am Stamm der Sünde. Also muss erst die Seele geheilt werden, dann kommt der Leib schon in Ordnung-

Sicher hat Kirche oft schnell das Kreuz der Vergebung geschlagen ohne den Sünder in einen Heilprozess mitzunehmen. Jesus macht den Raum frei, daß der Mensch sich wieder neu findet. Der Mensch springt los, stemmt  das Lager seiner Leiden triumphierend in die Höhe- er wird das  Evangelium aufnehmen wie eine Nahrung, wird Vergebung leben- Jesus vertraut ihm und heilt vorauseilend.

 

                                                           *

 

Der Fischzug des Petrus

Jesus predigte der Menge am See. Zwei Boote lagen am Ufer; die Fischer waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze.

Jesus stieg in eins der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus.

Und als er mit seiner Rede fertig war, sprach er zu Simon: Fahrt hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!

Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gefischt und nichts gefangen; aber auf dein Wort wollen wir die Netze noch mal auswerfen.

Und sie fingen eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen. Sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, sodass sie fast sanken.

Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.

Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen. Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.

Lukas 5,1-11

 

Die ganze Nacht hatten sie nichts gefangen. Aber Jesus schickt sie morgens noch einmal los. Und sie machen Beute die Fülle. Das war ein Versprechen erfolgreicher Mission: Soviel Fische ihnen ins Netz gingen, mit soviel Menschen werdet ihr Kirche bauen. Aber es ist auch ein starkes Bild für uns.

Wir resignieren auch oft.  Dann soll uns ein Ruck durchfahren, dass wir noch einmal loslegen, wieder noch einmal. Und das passt dann.

Petrus nimmt die reiche Beute als unverdient. Er ist beschämt. Auch wir haben Augenblicke, da werden wir umgekrempelt, können das Wunder nicht fassen. Und können es lassen, Geld oder Ansehen zu sammeln und werden fortan Jesu Menschenfischer- helfen einfach Menschen zum Glück.

Geh noch einmal raus, mach dir Mühe, trag Schuld oder Schulden ab, geh noch einmal, biete deine Arbeit noch mal an. Gib nicht auf vor dem Tod. Jesus ist als Energiebringer mit dir. Du wirst gebraucht.   

 

                                                        *

 

Die Berufung der Zwölf

Und Jesus ging auf einen Berg und wählte aus Vielen „Die Zwölf“aus.

Er setzte sie als Apostel ein, „die zum Predigen Ausgesandten“. Und er gab ihnen Vollmacht, zu vergeben, zu heilen und böse Geister auszutreiben.

Zu den Zwölfen gehört Simon,  den er auch Petrus nannte;

dann: Jakobus und Johannes, Söhne des Zebedäus; Andreas und Philippus, Bartholomäus und Matthäus, Thomas und Jakobus, den Sohn des Alphäus, dazu Thaddäus und Simon Kananäus;

und Judas Iskariot, der ihn dann verriet.

Markus 3,13-19

 

Viel Volks folgte ihm nach, heißt es öfter in den Evangelien. Lukas 10,1 berichtet, Jesus habe Zweiundsiebzig ausgesandt „wie Schafe unter die Wölfe“. „Die Zwölf „ bilden von früh an eine feste Größe, ergänzt von einigen Frauen, die Jesus geheilt hatte und „die ihnen dienten mit ihrer Habe“ (Lukas 8,2). Die heilige Zahl betont auch das neue Volk Gottes, wie ja auch Israel aus zwölf Stämmen bestand. Außer von Simon Petrus und Judas ist uns nichts Persönliches bekannt, erst die Heiligenlegenden der späteren Kirche schmückten die Jünger üppig. Die Jüngerschaft ohne Judas aber mit dem nachgewählten Matthias und natürlich Paulus und Maria mit einigen Frauen bildeten den Kern der Urgemeinde.

Jünger wird man durch Erwählung, wir müssen uns berufen wissen, den Weg Jesu  jetzt mitzugehen. Er traut uns zu, seine Taten zu tun, seine Wahrheit zu leben.

 

                                                                   *

Die Seligpreisungen

Christus spricht: Selig sind, die geistlich arm sind. Selig sind, die Leid tragen. Denn sie sollen getröstet werden. Selig die Sanften. Sie werden bestehen.

Selig, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit; Sie sollen satt werden.

Selig sind die Barmherzigen; sie werden Barmherzigkeit erlangen.

Selig die reines Herzens sind; sie werden Gott schauen.

Glückselig die Friedvollen, denn sie werden als Kinder Gottes erkannt werden.

                                                                  *

Christus spricht: Selig sind, die geistlich arm sind.

Matthäus 5,3

Das ist ein Lobgesang auf die bescheidenen Menschen, die mit nichts angeben, die schlicht und recht sind, die viel lachen und weinen, die sich einfach vor Gott „da“ wissen und das ist ihnen genug. Die das Gute mit Freuden tun und dankbar es sich gut sein lassen. Die nicht  großspurig sich aufführen, nicht sich ins Licht stellen und anderen den Schatten lassen; die sich mit den Mitmenschen ebenbürtig wissen, und darum ohne sich was zu vergeben anderen auch den Vortritt lassen können. Und die sich bedürftig wissen vor Gott- die also wissen: alles ist Gnade, alles Gelingen ist Geschenk. Vielleicht meint diese erste Glückseligpreisung die, die nicht sich vor Gott und Menschen hervortun.

Von den Seligpreisungen gilt besonders, was Peter Handke sagt: „Am klarsten- unvergleichlich klar- lese ich die Bedingungen, Gesetzlichkeiten, offenbaren Geheimnisse des Erdendaseins aus den Evangelien.“

 

 

Selig sind, die Leid tragen. Denn sie sollen getröstet werden.

Matthäus 5,4

 

Jesus ermutigt uns zu trauern. Schmerz der Trennung soll gefühlt sein, Abschied soll ich spüren. Enttäuschung, Wehmut, Leid sollen gelitten sein. Ich soll merken, was mir angetan wird und genommen wird; auch, was ich anrichte. Ich soll kein Stein sein.

 

Aber wüssten wir, daß wir durch die Schmerzen hindurchgetragen werden zu neuen Ufern, dann könnten wir uns besser der Trauer stellen.  Wüssten wir doch, daß im Schicksal die Fügung verborgen ist! Trau doch Gott, daß er dich in Arbeit hat. Er hat Heilung, Frieden, leuchtende Augen mit dir vor. Leid ist nie das Ende sondern ist Station auf dem Weg. Am Ziel wird Freude sein.

Gut, mich dreinzuschicken; das Leid, das ich nicht ändern kann, zu tragen und es nicht auf andere abzuwälzen. Und das Leid von Kränkung loswerden durch Rache? Jesus nimmt mit auf den anderen Weg.

 

 

Selig die Sanften. Sie werden bestehen.

Matthäus 5,5

 

Das ist Jesu Geistprogramm gegen  Darwins Naturprogamm: „Survival of the Fittest“. In der Natur siegt das Stärkere, das weniger fühlt. Aber sozial begabt zu sein, ist in menschlicher Gemeinschaft lebenswichtig. Geist dahin tragen, wo Macht- und Geldinstinkt herrschen, das rettet die Welt. Versteinerung aufbrechen mit Gespräch, Türen öffnen statt abzuschließen, trauen der Bereitschaft zur Eigenverantwortung, anständige Ware liefern statt überlistende Werbung, den Anfänger fördern. Nicht  bevormunden, nicht unterwerfen sondern  den andern mitnehmen, ihn einfädeln (auch im Verkehr ihm die Lücke lassen); ihn sein Gesicht wahren lassen, ihm Chancen einräumen, daß er seine Begabung zu Markte tragen kann.

Sanftmut ist die  Kraft des Handgebens statt der Gewalt des Fingerhakelns. Sanftmut will keine auf Furcht gegründete Achtung, sie demütigt nicht, sie lernt, ist auch Großzügigkeit in bar.  Sie weiß: „Kein Mensch ist gut genug, um der Herr eines anderen zu sein“ (Bernard Shaw).

Letztlich ist „ein Geduldiger besser als ein Starker“ (Sprüche 16,32). Und lieber sich selber bücken als dass andere sich krumm machen für mich.

Doch Güte braucht auch eine scharfe Kante, damit sie nicht mit Dummheit verwechselt wird. Auch Sanftheit soll Klarheit bei sich haben. Und soll nicht mit Resignation paktieren, soll Gewalt nicht durch Weggucken mästen. Jesus sagt den Sieg der Liebe voraus. „Die im Herzen barfuß“ (Jan Skàcel) sind die Wegbereiter.

Dazu passt auch Laotses Wort: „Die Welt erobern und behandeln wollen, das misslingt. Die Welt ist ein geistiges Ding, das man nicht behandeln darf. Wer sie behandelt, verdirbt sie; wer sie festhalten will, verliert sie. Die Dinge gehen bald voran, bald folgen sie, bald hauchen sie, bald blasen sie kalt, bald sind sie stark, bald sind sie dünn, bald schwimmen sie oben, bald stürzen sie ein. Darum meidet der Berufene das Zusehr, das Zuviel, das Zugroß. Sanftmut sucht Entscheidung fern von Gewalt.“

 

 

Selig sind, die hungert und dürstet nach Gerechtigkeit; sie sollen satt werden

Matthäus 5,6

 

 

Es geht um den fairen Anteil, den wir bereitwillig dem Anderen einräumen. Wohl dem also, der sich stark macht für das Recht des Nächsten. Vor deinem inneren Gericht weißt du, was du musst- die Ego-Gier in Zaum nehmen, den Mitbewerber im Spiel halten, den Nächsten  entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum Besten kehren (Martin Luther). Die Schwachheit des Anderen nicht ausnutzen, stattdessen ihn ergänzen- das ist Nachfolge Jesu, in die Tat umgesetzt.

Aber der Weltmarkt, dessen Nutznießer ich  auch bin, macht, dass ich auf Kosten der Schwachen Wohlstand genieße. Ich müsste, wenn einer für mich eine Stunde arbeitet mit seinen Begabungen, für ihn eine Stunde arbeiten mit meinen Begabungen.  Ich müsste auf Privilegien verzichten. Ich weiß es. Denn wenn  Gott auch Verschiedenheit und Ungleichheit will, so keine Ungerechtigkeit.

 

 

 

Selig sind die Barmherzigen; sie werden Barmherzigkeit erlangen.

Matthäus 5,7

Wie kann ich den Blick dafür gewinnen, daß ich auch Barmherzigkeit brauche? Ich müsste mein Angewiesensein auf die Güte anderer mir eingestehen. Stattdessen verdecke ich meine Schwächen. Will gar nicht richtig gewahr werden, wenn mich einer im Verkehr rettet oder ein Kollege mein Schnippischsein  übergeht oder mein Partner wieder unter meinem Renommieren zuckt. Es ist so, dass ich das mir angetane Unrecht kaum vergesse, das von mir getane Unrecht aber sehr. Ich sollte mein Fiessein mir besser ins Bewusstsein lassen; dann werde ich auch  mehr Güte geben, und bitte auch um Barmherzigkeit. Und werde mit großem Herzen geben. Ich hab noch Chancen. Erbarmen macht schön, Härte versteinert.   

 

 

Selig die reines Herzens sind; sie werden Gott schauen.

Matthäus 5,8

Es tut gut, innerlich „clean“ zu sein, festen Sinnes, gut gepolt zwischen Himmel und Erde. „Reines Herz“ meint: Gern ich selbst sein, eins mit Allem, keinem Feind, auch nicht mir selber. Gegen nichts aufgebracht sein sondern  geduldig und dankbar mitschwingen mit allem Lebendigen. Dann fühl ich Gott nicht fern sondern er ist die Atmosphäre, die mich in sich hat. Schaue ich ihn auch (noch) nicht, sehe ich mich doch von ihm geschaut, gemeint, gewusst.

Ich will aus Gottes Widmung „Du, Kind Gottes“ leben. Das macht mich reines Herzens.  Ich bin dann nah dran,  ohne Arg zu sein, „klug und ohne falsch“ (Matth.10,16). Ich will mir zu schade sein für zerstörerische Gedanken. „Und für den, der reines Herzens ist, wird alles klar wie Wasser sein“ (Henry Miller).

In einem alten Pommerschen Gesangbuch heißt es:„Unser Kerker, da wir saßen und mit Sorgen ohne Maßen uns das Herze selbst abfraßen, ist entzwei, und wir sind frei!“

 

 

Glückselig die Friedvollen, denn sie werden als Kinder Gottes erkannt werden.

Matthäus 5,9

 

 

Glücklich nicht die Trägen, die Schläfrigen, die nur Gelassenen, deren Toleranz der Gleichgültigkeit ähnelt. Glücklich die, die mehr als friedlich sind, die nämlich Frieden beschaffen. Sie schätzen auch die Lage realitätsnah ein; lernen weiter, wie man den Wölfen und Füchsen aus dem Weg geht und wie man  das Böse sich totlaufen lässt.  Und sie erarbeiten Frieden,  tun versöhnende Schritte; helfen, miteinander auszukommen. Sie verlangen keine Garantien sondern gehen unbewaffnet, stecken auch Beleidigung ein, geben Vorschuss an Verständnis. Sie rechtfertigen sich nicht, sie lassen Gott Zeit. „Der Heilige findet kein Segen enthaltendes Gefäß außer dem Frieden“ (Talmud).

Die also werden als Kinder Gottes empfunden. Wenn sie gegangen sind, ist ein Windhauch von Engeln durch den Raum geweht, und man redet anders weiter.

Wenn glücklich sein heißt, ohne Schrecken seiner selbst innewerden zu können (Walter Benjamin), dann sind die Seligpreisungen die Bauformeln für gelingendes Leben.

                                                           *

 

Salz und Licht

Ihr seid das Salz der Erde. Verdirbt Salz, womit soll man salzen? Ihr seid das Licht der Welt. Ist das Licht verdeckt, was leuchtet? Ihr- lasset euer Licht leuchten vor den Leuten. Leuchtende Taten lasst sehen, und sie werden Gott und euch preisen.

Matthäus 5,13-17

 

Jesus spricht den Seinen eine hohe Verantwortung für die Gesellschaft zu- sie sind begabt mit Heiligem Geist, sie machen das Zusammenleben genießbar und haltbar. Sie leisten friedensstiftende Arbeit. Gegen das Fade und Düstere lassen sie Freude und Gemeinschaft aufscheinen. Die Suppe der Freude versalzen sie nicht.  Wirklich ein Glück, wenn lebendige Christen da sind. Von ihnen sagt Martin Luther King: „Christen sind absolut furchtlos, immer in Schwierigkeiten und unsagbar glücklich“.

Sie sollen auch Sauerteig sein; aber nicht die Bäcker, die  anteigen  und zuteilen und bestimmen.

Licht der Welt sind Christen mit ihrem Lebensmut, geschöpft aus dem Jesus- Wissen: Gut ist es, hier zu sein auf dieser schönen Erde.  

 

                                                      *

Mehr als das Gesetz verlangt

Jesus sprich: Ich aber sage euch: Meint nicht, ich sei gekommen, das Gesetz aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen. Eine bessere Gerechtigkeit ist nötig; etwa beim fünften Gebot: Zu den Vorfahren  ist gesagt: „Du sollst nicht töten; wer aber tötet, der soll des Gerichts schuldig sein“. Ich aber sage euch: Schon wer mit seinem Geschwister zürnt, ist schuldig.

Matthäus 5,17.21.

 

Wenn zwei Menschen nur noch juristisch mit einander umgehen, dann herrscht Krieg zwischen ihnen. Gesetze können zu Waffen werden, zu Fallen. Man kann kalt behaupten, dass unterlassene Hilfeleistung und Verhungernlassen  noch kein Töten sei. Jesus lockt, von der Liebe her zu denken: Dann ist schon Verachten ein Töten; schon ein kalter Blick ein Vernichten. Jesu will uns für den Geist des Gesetzes gewinnen.

Jesus will uns nicht  gesetzlos machen sondern einander so liebevoll zueinander rücken, dass wir mehr für einander tun als uns das Gesetz abverlangt. Jesu Wort ist auch eine Warnung vor Anarchie- also vor Freiheit ohne Recht. 

 

                                                        *

 

Eile zu lieben

Wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst und dort kommt dir in den Sinn, dass dein Geschwister was gegen dich hat, so lass dort vor dem Altar deine Gabe und geh zuerst hin und versöhne dich, und dann komm und opfere.

Matthäus 5,23.24

 

Das geschieht uns ja oft: Man tut gerade was Wichtiges, aber das Wesentliche, den Streit mit dem Nächsten lässt man schmoren. Du kannst gerade eine namhafte Stiftung machen, aber mit Bruder, Schwester, Eltern oder Kindern liegst du im Streit. Und bereinigst es nicht. Jesus sagt: Geh hin, sofort, selbst wenn gar nicht du sauer bist sondern der andere. Wenn was zwischen euch steht, ist es deine Sache, hinzugehen, sagt Jesus. Denn du scheinst soziales Gewissen zu haben. Hilf, den Streit auszuräumen; geh hin, redet endlich. Zeig ihm dein Interesse an ihm. Und stell dich entgegen all den pessimistischen Behauptungen wie z. B.: „Außer den Kräften der Ausbeutung und Angst scheinen nur noch die der Nachlässigkeit und des Desinteresses die Verhältnisse der Menschen untereinander zu regeln. Und nimmt man den Leuten das tiefe Desinteresse aneinander, so vermehrt man wohl bloß ihre Angriffslust“ (Botho Strauss).

Das darf nicht wahr sein, nicht wahr werden.

Wir können uns und Gott letztlich nicht auf  Kosten des Nächsten erfreuen.

 

                                                         *

 

Noch auf dem Wege!

Vertrage dich mit deinem Gegner. Und bist du schon mit ihm auf dem Weg zum Gericht, vertrage dich noch, bevor ihr bei Gericht ankommt.

Matthäus 5,25

 

Jesus rät, gerichtliche Auseinandersetzungen  möglichst zu vermeiden. Was fährst du das Geschütz der Justiz auf? Selbst wenn du haushoch gewinnen würdest- ein Kompromiss ist besser als ein beschämter Gegner, Einvernehmen  besser als hier ein Sieger und da ein Verlierer in seiner ohnmächtigen Wut. Man sieht sich doch immer zweimal.  Und wenn du schuld bist, gestehe, bitte um Verzeihung, biete Ausgleich an. Versuch, an seine Gütefähigkeit zu glauben und an deine Fähigkeit, zu bereuen. Überhaupt – Streit schaukelt sich schnell hoch. Du aber hilf zum Frieden. 

 

                                                       *

 

Vom Ehebrechen

Ihr habt gehört, dass gesagt ist (2.Mose 20,14): »Du sollst nicht ehebrechen.« Ich aber sage euch: Wer einen nur lüstern  ansieht, hat schon die Ehe gebrochen in seinem Herzen.

Matthäus 5, 27. 28

 

Jesus kennzeichnet uns alle als „ehebrecherisches Geschlecht“ (Matthäus 16,4), damit all uns Selbstgerechten der Mund gestopft werde und alle Welt sich vor Gott seiner Güte bedürftig weiß (so Römerbrief 3,19). Wir sollen solidarisch werden und großmütig.

Wir bauen doch alle nah an Schuld: Wenn wir Jemanden wollen, überlegen wir schon, wie wir ihn auf unsere Seite ziehen. Vielleicht sind wir vergleichsweise unschuldig, schuldlos sind wir nie.

Jesus kennzeichnet die Ehe als Bündnis, das gerade  die Liebe nicht in Ketten legt; ja, Ehe als Gefängnis gar nicht will. Einander in Freud und Leid nicht zu verlassen, weil und insofern man sich einander anvertraut und zugemutet glaubt, das hat eine große Würde. Aber es ist Wunsch und Wille und Hoffnung, es ist kein Eid.  Ehe ist eine Schutzhütte vor Vereinsamung. Auch in der Ehe sind wir täglich mehrmals lieblos und bleiben auf  Vergebung angewiesen.

 

                                                   *

 

Vom Schwören

Es ist gesagt: »Du sollst keinen falschen Eid schwören und sollst dem Herrn deinen Eid halten.« Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt. Eure Rede sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.

Matthäus 5, 33.34.37

 

Einzelne Aussagen durch Schwur veredeln, das wertet alles andere Reden ab; das denunziert alle nicht beeideten Sätze als halbe Lügen.

Der Staat benutzt den Schwur, den Diensteid, um Menschen in besondere Weise an sich zu binden. Viele Morde unter Hitler geschahen aus Dienstverpflichtung. Man meinte, den Eid, vor Gott gegeben, nicht brechen zu dürfen. Auch die Kirche nimmt den jungen Pastoren ein schwurähnliches Gelübde ab und hält sich da nicht an das Wort Jesu. Auch nicht mit Ehrenwort sollen wir unserm Wahrhaftig- sein einen scheinbar festen Grund untermauern. Menschen müssen einander vertrauen lernen. Dazu hilft ein gesundes Misstrauen gegen sich selbst, denn wir halten oft für Wahrheit, was uns nützt. Auch ist „den Lügen Glauben schenken“ mehr in der Wahrheit, als mit Ehrlichkeit hinzurichten. „Wo nicht Liebe ist, ist keine Wahrheit“ (L.Feuerbach).

Der Satz :Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser- sollte sich nur auf Zählbares und Messbares beziehen, wo Verzählen und Vermessen einfach passieren und einer nachzählen sollte. Im Ganzen lehrt aber Kontrolle nur, noch geschickter die Kontrollen zu umgehen.

 

                                                     *

Vom Vergelten

Ihr habt gehört, dass gesagt ist (2.Mose 21,24)»Auge um Auge, Zahn um Zahn.«

Matthäus 5,38-42

 

Gerechtigkeit  ist im Alten Testament verlangt, nach dem Maß „wie du mir so ich dir“.

Aber Jesus hält uns für fähig, großmütig zu sein. Er rät zur Güte, zur Geduld, zum Stillhalten, noch einen Augenblick. Kann sein, er schlägt nicht zweimal- kann sein, er braucht wirklich mehr als nur den Mantel- was rechnest du, wo du ihn in Not siehst. Auch Wut und Rache ist Not. Vielleicht kannst du ihn begütigen, ehe er noch mehr Unrecht auf sich lädt. Und vielleicht steht er so unter Druck, daß er mehr verlangen muß. Denk kurz nach- kannst du noch was zusetzen? Kannst du noch einen Schlag einstecken, noch eine Beleidigung wegstecken, noch dein gutes Gesicht bewahren?

 

                                                   *

 

Ich sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen.

Ihr seid doch Kinder eures Vaters im Himmel. Der lässt seine Sonne scheinen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.

Wenn ihr nur liebt, die euch lieben, was tut ihr Besonderes? Das tun doch alle.

Matthäus 5,44-48

 

Feindesliebe ist unsere höchste Begabung.

Es gibt soviel Anlass zu Streit und Hass, aber du bist  zum Befrieden geboren. Du hast ein Gottes-Gen mitbekommen. Du kannst gut von einem denken, auch wenn er garstig daherkommt und Worte wie Geschosse  loslässt. Du musst nicht sofort böse werden. Du verstehst, daß es bösgemachte und gutgeliebte Menschen gibt. Halt mit dem  Schwierigen noch einmal  aus.   Du musst nicht sofort rot zu sehen. Du kannst dir von Gottes Geduld etwas abgucken. Die Schwäche der Kraft besteht darin, nur an die Kraft zu glauben (Paul Valéry).

Du hast es leichter, ganzheitlich zu denken. Du zerfällst nicht aus Gier und Neid. Du hast Lust auf Güte, dem Jesus nach.  Du hast es auch nicht immer leicht mit dir. Aber der Andere, er kann es beinah nicht aushalten in seiner Haut. Er ist auch Kind Gottes, kann es aber nicht glauben. Ihm Ahnung davon zu geben, ist  Jesu Projekt mit dir.

 

                                                     *

 

Ihr, ihr sollt vollkommen ganz sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ganz ist.
Matthäus 5,48

Vorangegangen ist Jesu Forderung, auch unsere Feinde zu lieben. Und auch das an uns zu akzeptieren, was uns mangelhaft scheint. Jesus zieht uns in ein Projekt, das die feindlichen Linien überwindet und auch mit dem uns Entgegenstehenden ein Ganzes bildet. Die Power dazu sollen wir nehmen aus einem Bewusstsein, dass Gott auch umschließt, was ihm widersteht und Finsternis nicht finster bei ihm bleibt, sondern ihm die Nacht leuchtet wie der Tag (Psalm 139,12).
So sollen wir auch aufs gute Ganze ausgestreckt sein, sollen uns wissen als Kinder dessen, der alle Gegensätze vereint und uns schon als versöhnende, verschwesternde Friedenstiftende braucht. Dass wir unser Quantum Miesheit hier nicht loswerden, ist wohl so. Aber wir brauchen ja nicht immer wieder das gleiche Unheil anzetteln.
                                                   

 

                                                                        *

                                             

Nichts hermachen mit Frömmigkeit

Habt acht, dass ihr nicht fromm tut vor den Leuten. Auch dein Spenden posaune  nicht aus. Wenn du gibst, gib gern und lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut.

Matthäus 6,1-3

 

 

Heute geht man selten zur Kirche und schon gar nicht “wegen de Leut.“ Eher scheut man sich, als kirchlich zu gelten. Mach Deins. Mach nichts, um Eindruck zu schinden. Vielleicht sollte man bei übertrieben Frommen auf religiöse Sprache bewußt verzichten; dagegen kann man religionsferne Menschen  neugierig machen durch das Einfließenlassen christlicher Bilder.

Anderen helfen in Not, tut vor allem einem selber gut. Man merkt, daß man großzügig vom Leben bedacht ist. Die Kollekte ist immer eine neue Herausforderung, gegen das natürliche Festhalten anzugehen. Zu trostlos, wenn wir im Portemonnaie rumstochern nach der noch kleineren Münze. Bleib auch in Sachen Güte nicht unter deinem Niveau.

 

                                               *

 

Wir brauchen Gott nicht zu informieren                                           Euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.

(Matthäus 6,8)

 

 

Betend atmet unser Innerstes. Wir breiten uns aus vor dem Ganzen, „Gott“ genannt , „Vaterunser“, oder“ Väterlich-mütterlicher Grund“. Er ist „der eine Künstler, verteilt auf Tausend Millionen Inkarnationen“ ( C. Nooteboom), die göttliche Mutter der Dinge, „die leise knisternde Macht“(H. H. Jahnn). Wir beten uns vor Gott hin- er ist der letzte Grund  für Dank und Klage.

Seufzen oder Jauchzen ist schon Gebet. Vor „Ihm“ die Sachen bedenken, das beschafft uns die richtige Einstellung zu den  Problemen; in Beziehung zu „Ihm“ wird groß das Große und klein das Kleine. Vor Ihm kommen die Dinge ins Lot, ich lasse in die rechte Nähe und gehe auf die rechte Distanz. Wichtig ist, dass ich mich mit meinem Drumrum vor dem, in dem, bei dem  wissenden GutenGanzen weiß.

 

Betet so

Unser Vater im Himmel!

Matthäus 6,9

 

 

Ich spreche dich an; aus deiner Hand will ich hinnehmen was ist, als Gabe und Aufgabe. Vor dir, unserem Glück, will ich mich ins Gebet nehmen. Du bist wirkmächtig. Darum ist auch mein Sprechen zu dir, mit dir, wirksam. Du, unser Vater, wir deine Menschheitsfamilie– das tut gut. „Im Himmel“ - ja auch; noch wichtiger: Wo Du bist, ist Himmel. In den Sinnoasen des Daseins leuchtest du auf.

 

 

Geheiligt werde dein Name

Matthäus 6,9b

 

 

Durch mich soll dein Name nicht missbraucht werden. Ich will ihn nicht vergiften, will ihn nicht  meiner Bosheit anheften,  will meine Interessen nicht mit frommen oder moralischen Sprüchen verbrämen. Dein Name ist: „Ich bin für dich da“, “Ich mit dir“, „Herz aller Dinge“, „Geheimnis der Welt“ - vielleicht auch „Abba“- „Väterchen“- wie Jesus dich mal nannte ( Markus 14,36) . Ich will dich bei deinem Namen nehmen, „du Freund des Lebens“ (Weisheit 12,1).

 

 

Dein Reich komme

Matthäus 6,10

 

 

Auch durch mich komme dein Wesen zur Welt. Du reichst schon überall hin, dein Reich ist schon „mitten unter uns im Anbruch“ (Lukas 17,10). - Wüssten wirs, wir wären glücklich, teilten begeistert, bauten den Frieden. Du hast Vollendung vor mit deiner Schöpfung, wir sind in einem guten Spiel, nach uns wird kommen: Nennenswertes. Erweck in uns die Lust, Schrittmacher des Künftigen zu sein und der „noch nicht erwachten Absichten Gottes“ (Robert Musil). 

 

 

 

Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.

Matthäus 6,10a

 

 

Noch geschieht viel gegen deinen Willen; aber alles mittels deiner  Energie. Keine Kraft ist aus sich selbst, auch die missbrauchende Kraft stammt aus deinem Haushalt, auch der zum Mord an Abel genutzte Stein ist deiner. Ach, dass doch immer mehr dein Wille geschehe - auch durch mich! Es ist da eine Chance, ein Sog: „Wir wären so gern Egoisten und können es doch nicht sein“ (Simone Weil). Auch durch meine Irrungen hindurch geschehe dein Wille, guter Gott.

 

 

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Matthäus 6,11

 

 

Ein Stück Brot in deiner Hand, und du merkst, dass du  im Wesentlichen Bittender und Empfangender bist. Wir sind auf guten Boden, gute Ernte, fleißige Bauern, geschickte Bäcker, frühaufstehfreudige Verkäuferinnen angewiesen. Und brauchen Begabung, Fleiß, Geschicklichkeit, Ausdauer, Chancen, Gesundheit, Freundschaft, Liebe. Brauchen Zeit und Geld. Nichts ist selbstverständlich einfach da. Alles ist Gnade, jeder nächste Atemzug ist ein Geschenk. Und mein „Brot für die Welt“ ist eine Frage der Ehre.  Was noch zum Täglich-Brot gehört, sind getreue Nachbarn  (Martin Luther), freie Medien, Demokratie, Freiheit und Recht, Arbeit, hinreichende Gesundheit. Und dass einem die Würde des Menschseins erhalten bleibt, auch, wenn man auf fremde Hilfe angewiesen ist.  Und bitte auch die tägliche Portion Freude, ja bitte.

 

 

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Matthäus 6,12

 

 

Alles Leid, das wir antun, ist letztlich dem Herzen der Welt, Gott, angetan. Wenn er uns nicht freispricht, ist es aus mit uns. Wir müssten ersticken an unseren ungeweinten Tränen. So aber, weil Gott weiß, was für kleinmütige, eigensüchtige  Menschlein wir sind, trägt er uns zu neuem Anfang und bekehrt uns zu einander. Und nicht möge es heißen: “wie wir“.  „Auf daß auch wir vergeben unsern Schuldigern“- hat Jesus sicher gesagt; nie hätte er Gottes Liebe von unserm Lieben abhängig gemacht.   

 

 

Und führe uns nicht in Versuchung,

Matthäus 6,13 

 

 

Was wäre, wenn Eva und Adam  nicht versucht worden wären? Und was für ein Jammer, wenn wir uns Jesus von Versuchung unantastbar vorstellen müssten. Die zwei zentralen Bilder des Heils zu diesem Thema  sind der Sündenfall und Jesu Versuchung:

Eva lotet die Gottestochterschaft aus: Sie argwöhnt, Gottvater behalte sich Schätze vor, die er mit seiner geliebten Tochter nicht teilen wolle. Sie ist  nicht geborgen im Ring des Vertrauens, dass das Gebot zu ihren Gunsten gesprochen ist. Sie will erproben, sie will erfahren. - So lernen die Menschen, was gut und böse ist. Statt Paradies eröffnet Gott die Geschichte, die Geschichte um Gut und Böse - und die zieht sich immer noch mit uns dahin.

Und Jesus? Er ermittelt bei sich, also in Zwiesprache mit seinem Schatten die Möglichkeiten der Gottessohnschaft: Jesus ringt sich durch zu dreimal Nein: Der Zweck heiligt nicht die Mittel; Gott darf ich nicht herbeizitieren. Die Natur darf ich nicht zwingen zum Unnatürlichen. Teuflische, gewaltsame  Kräfte darf ich nicht nutzen.

Gut, daß das erste Menschenpaar  und Jesus von Gott in Situationen geführt wurden, in denen sie gefragt wurden, ob sie auf Gottes Wort hören oder nicht. Wenn es an der Zeit ist, werden wir auch in Situationen geschickt (von wem denn sonst als von Gott?), da müssen wir uns bewähren, da  müssen wir uns kenntlich machen, da erweist sich, wer man ist. Da ruft es in der Situation mich an: Mensch, mach dich gerade.

Eine Welt ohne Verlockungen wäre ein Totenreich.  Rau oder süß kann der Lockvogel singen. Der Verbrecher sagte, die Vögel des  Bösen seien  nicht von ihm ausgegangen (wie der Staatsanwalt es behauptet) sondern wären auf ihn zugeflogen und hätten von ihm Besitz  ergriffen (nach Robert Musil).

Ich danke für die vielen Überredungskünste des Lebendigen, aber danke erst recht für Geleit in den Versuchungen; danke, daß ich nicht zuviel Chaos angerichtet habe, in Erziehung, in Ehe, in Befreundung, in der Arbeit.  Beten wir also: Und führe uns in den Versuchungen. Nur in einer Hinsicht bete ich: Führe mich nicht in Versuchung- an dir irre zu werden, du guter Gott.

 

 

Sondern erlöse uns von dem Bösen.

Matthäus 6,13 a

 

 

Das ist die dringlichste aller sieben Bitten. Sie kennzeichnet  mein und unser aller Böses als der Empörung und der Tränen und des Flehens um Erlösung wert.  Das Böse ist Störung, ja Katastrophe der Schöpfung. Und Gott ist letztlich der dafür Zuständige. Gott liegt mit seiner Schöpfung in den Wehen. Flehen wir um Heilung bei uns und überhaupt.  

 

 

 

Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Matthäus 6,13 b

 

 

Das beschreibt den Grund, warum wir Gott anrufen, siebenfach und mehr. Sein ist das Zeit-Reich und das Ziel aller Wege, das Gottesreich. Sein ist alle Energie, auch die der Liebe. Sein ist die Ehre, der Sinn, das Glücken des Ganzen, ewig. Amen heißt: So ist es. 

 

                                                              *

 

Vom Fasten

Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer dreinsehen.  Wenn du fastest, so  mach dich schön, damit du nicht Eindruck schindest mit deinem Verzicht. Gott weiß. Das genügt.

Matthäus 6,16-18

 

 

Was du tust, das tue ganz, ohne Seitenblick auf etwaiges Publikum. Sei echt in dem, was du tust. Tu nichts „wegen der Leut“, aber führ sie auch nicht hinters Licht. Willst du Verzicht üben, tu das. Willst du es nicht, lass es. Aber tu nicht, als ob.

                                                                    

                                                     *

 

Vom Schätzesammeln und Sorgen

Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und die Diebe stehlen. Sammelt euch Schätze im Himmel. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz. Niemand kann zwei Herren dienen.- Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.

Matthäus 6,19-21.24

 

 

Gegen vernünftige Vorsorge hat Jesus nichts, das geht schon aus dem Lob des klugen Bauherrn  hervor, der auf Fels baut, damit sein Haus Bestand habe (Matthäus 7,25). Aber Geld horten, um vor der  Zukunft  sicher zu sein, verhindert geradezu, dass das Zukünftige seinen Schatz geben kann. Zukunft ist voller guter Gelegenheiten, die wir von uns fernhalten, wenn wir mit Geld verhindern wollen, uns einzugeben. Schätze im Himmel sammeln meint nicht, Punkte zu sammeln durch gute Werke. Die Schätze des Himmels sind gemeint, die wir jetzt zur Welt bringen sollen: Freundschaft, Dank, Mitfühlen. Liebe ist d e r Himmelsschatz auf Erden. Jesus lockt, Abstand zu nehmen von dem ewigen Bemühen, aus allem Vorteile ziehen zu wollen. Lasst uns doch Respekt haben nicht vor dem Geld (Mammon) sondern vor den Mitmenschen.  Unser Herz sei bei den Menschen, nicht bei den Sachen.

Wo dein Schatz, da dein Herz: Worum du dich mühst, da bist du selbst, das ist dein Selbst. Ein Bild: Ein Mensch putzt seine Wohnung, kein Stäublein, kein blinder Fleck soll sein- oder sein Auto, sein Oldtimer, wie aus dem Ei gepellt soll er glänzen und Glanz verbreiten. Oder geschickt vorweg erahnen die Bewegungen an der Börse und entsprechend  Anteile abstoßen oder erwerben, bevor die Meute Wind bekommt.  – Mensch, warum dies Sachenstreicheln, Wertehäufen- Du mühst dich so- aber  macht es dein Herz fröhlich? Mehrt es dein Selbst? Dann doch lieber einer Bewegung angehören, große Ideen teilen, der Glaube an die Geschwisterlichkeit der Welt- dann weiß man doch, wozu man gehört, man ist Glied an einem Leib.

Sammeln wir uns Himmelsschätze, Säen wir Himmel ein hier unter uns. Vermehren wir Freude, Lebens- Chancen, leben wir Liebe in vielen Variationen. Untergehende Menschen rette, Vereinsamte lade hinzu. Du vermehrst ihnen ihr Selbst, sie sind, sie werden wieder gern sie Selbst und du mit.   

Schreib hier weiter deine Gedanken. Schwärm mal von Dir.

 

                                              *

 

 

Zersorgt euch nicht

Jesus spricht: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht, was ihr anziehen werdet. Seht die Vögel unter dem Himmel: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Und schaut die Lilien auf dem Feld, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in all seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so schmückt, das doch heute steht und morgen vergeht- sollte er das nicht viel mehr für euch auch tun, ihr Kleingläubigen?

Matthäus 6,25.26-28.30

 

Es ist nicht daran gedacht, daß uns das Nötige zufalle ohne unser Zutun. An den Fluß setzen mit der Angel ohne Köder und sagen: „Wenn Gott will, wird schon was anbeißen“, geht nicht.  Wir sollen uns mühen. Gott müht sich auch. Gott hat uns seine Natur anvertraut und einen Werkzugkasten voller Fähigkeiten.-

Wir sollen Brot beschaffen, uns und anderen, sollen uns mühen.  Aber nicht zersorgen.  Auch die Vögel picken und jagen den ganzen Tag. Und wenn man bedenkt, wieviel Gras ein Schaf vom Boden rupfen muss, bis es seine Kalorien zusammen hat! Und die muss es ja auch erst herausfiltern aus vielen Kilogramm Zellulose. Noch im Schlaf käuen diese Tiere wieder und die chemische Fabrik ihres vierteiligen Magens arbeitet die ganze Nacht. Und auch die Lilien auf dem Felde strecken sich nach Licht und Wind. Aber sie ernten nicht, sie spinnen nicht. Sie sorgen sich nicht um den nächsten Tag. Das allerdings ist uns aufgegeben. Der Bauer muss von der Ernte das Teil Saatgut zurückhalten, der Mensch muss fürs Alter mit  der Rente vorsorgen. Aber zersorgen, das  sollen wir uns nicht.

Auch Jesus hat hart gearbeitet, Menschen bekehren ist harte Arbeit. Aber uns verrückt machen für immer Mehr, das sollen wir nicht. Es kommt alles zurecht, unsere und anderer Menschen Arbeit bringt Frucht. 

Und wenn der Ernstfall da ist, grübeln und sorgen wir erst recht nicht mehr sondern- handeln.

 

                                                     *

 

First things first

Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles andere zufallen. Sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.

Matthäus 6,33.34

 

 

Trachten, drängen  nach dem Reich Gottes, heißt scharf sein darauf, mit Gott Schritt zu halten. Aus Liebe gemacht ist Gottes Gelingen; Also ablassen vom Raffen und Eindruckmachen, hinkommen zum Teilen. Und mehr auf  Privilegien verzichten, weil sie auf  kosten anderer gehen.

Doch wie kommen wir von unserm Zersorgen los? Wie „die kalten Wickel der Sorge zurücklassen“ (Horaz)? Glaub Gott mit dir beschäftigt, als wärst du seine einzige Sorge.  Und die von Gott durchwirkte Wirklichkeit und dein Mühen bringen das heute Nötige zustande.

                    

                                                   *

 

Was für ein Balken

NMitM Mit welchem Maß ihr verurteilt, werdet ihr gerichtet werden. Was also siehst du den Splitter in deines Bruders Auge und merkst nicht den Balken in deinem Auge? Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach sieh zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge entfernst.

Matthäus 7,1-5

 

 

Wer richtet, zensiert, beurteilt, teilt Lob und Tadel, Lohn und Strafe zu; er hat zu sagen. Neutral des andern Tat zu bewerten, das geht kaum. Ich bin in seinen Schuhen nicht gegangen.

Es ist Es istE unterschwellig eine Lust in uns, Punkte zu machen mittels der Fehler anderer. Jesus lockt, wegzukommen von Kritisierlust und Besserwisserei –lasst uns lieber entschuldigen, Gutes vom Nächsten reden und alles zum Besten kehren (Martin Luther).

Das Maß „wie du richtest, so wirst du gerichtet“- gilt unter uns Menschen. Lassen wir Gnade walten, werden wir mehr Gnade erfahren als wenn wir den Harten geben. Bei Gott wird es dann noch mal ganz anders sein. 

 

                                                   *

 

Bittet, so wird euch gegeben;

suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.

Matthäus 7,7

 

 

Liebe ist in Fülle da. Die Welt  ist  ja aus Liebe geschaffen. Wir treffen sie  in verschiedenster Gestalt: als Verwandlung von Stickstoff  zu  Sauerstoff durch die Bäume, als Genießbarkeit des Korns, als Gerinnbarkeit des Blutes, als Fürsorge der Eltern, als wissenschaftliche Begeisterung, neue Medikamente zu entwickeln, als Freude, die wir einander machen, als Umarmung, Güte, Geduld. Wir mühen uns und räumen Chancen ein. Wir tun viel mehr Gutes als Schädigendes. Man kann das Sein als Gestalt der Liebe sehen.

Gehen wir mit dem Sein freundschaftlich um. Geben wir dem Leben, was es braucht, dass es uns geben kann, was wir brauchen. Gehen wir davon aus, daß jeder Mensch der Liebe fähig und bedürftig ist. Und jeder braucht einen, der ihm die Angst abnimmt, wie  man von schwerer Rüstung befreit. Die andern sind mindestens so anständig, so hilfsbereit, so fair wie du selbst. Aber wir müssen in Not Wohltaten locker machen. Wie gut, wenn wir nicht für uns sondern für andere bitten können. 

 

                                                  *

 

Steine statt Brot?

Wer unter euch, wenn  sein Kind ihn um Essen bittet, gibt ihm einen Stein? Oder eine Schlange, wenn es ihn um etwas  zu Trinken bittet?

 Wenn nun ihr, die ihr doch arg schwierig seid, dennoch euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird euer Vater im Himmel Gutes geben denen, die ihn bitten!

Matthäus 7,9-11

 

 

Es kann nicht angehen, daß wir unsere Kinder vergiften. Und doch ist soviel Wahnsinn in der Welt, daß Kinder geschunden und gequält werden, abgerichtet werden zu Kindersoldaten und Sexspielzeug. Gott im Himmel, heile deine bösgemachten Menschen, pump Heiligen Geist in die mit Dumpfheit geschlagenen Gehirne, stoß uns Fenster auf  in eine bessere Welt.

Wir arg Schwierigen können auch Gutes tun. Fast alle haben wir doch hinreichend gute Eltern gehabt, und sind unsern Kindern ausreichend gute.       Es ist dies ein herrlicher Trost des Jesus: Ihr, die ihr doch arg seid, böse, zickig, ungeduldig, mit ziemlich viel Aggression in den Genen - ihr könnt Gutes geben.

Setzen wir drauf, dass wir brauchbar sind fürs Leben. Und wenn wir schon oft helfen, um wieviel mehr ist unser Schöpfer hilfreich. Trau dir was zu- Trau andern was zu. Trau Gott was zu, dem Grundgütigen. Dann kommst du richtig durchs Leben.  

 

                                                  *

 

Die ganze Ethik in einem Satz

Alles, was  euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! Das ist das ganze Gesetz.

Matthäus 7,12

 

 

Im Zweifel tu das Richtige. Wir wissen doch, was dran ist, was nötig ist, was fällig ist. Willst du angebrüllt werden? Also lass es auch. Es regnet, einer eilt die Straße lang. Du im Trockenen, solltest dein Auto anhalten, du weißt es- der Durchnässte kann ein Stück mitfahren. An der Kasse einer in Not. Du schenkst ihm den fehlenden Euro. Einer belügt dich. Du siehst es als Notwehr an und bohrst nicht. Du läßt dich täuschen, das ist das hohe Lied der Liebe.

Die Übersetzung: „Was du nicht willst, dass mans dir tu, das füg auch keinem andern zu“- schwächt ab. Stärker ist die positive Wendung: Gib, was du dir wünschst. Jesus traut uns zu, den Hunger des Andern zu fühlen. Ihn sättigen tut letztlich auch mir selber gut. 

 

                                              *

 

An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.

Matthäus 7,20

 

 

Das Ende von Heucheln und Frömmelei ist nahe, wenn nur die Tat zählt. Was wir zustande bringen, kommt auf die Waage. Also erfreuen wir, stärken wir, stehen wir bei. Und achten mit Vorsicht und Nachsicht darauf, was bei unsern Bemühungen raus kommt. Und was daraus werden kann. Ich wollte nur das Beste- ist nicht genug. Sei ins Gelingen verliebt. Bring gute Frucht.

 

                                                  *

 

Vom festen Grund

Wer meine Rede hört und tut sie, sagt Jesus, der gleicht einem klugen Menschen, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein großer Regen fiel und die Wasser kamen und die Winde stürmten, schlugen sie an das Haus, doch es stürzte nicht ein; denn es war auf Fels gegründet.

Matthäus 7,24f

 

 

Wie Leben gelingt- das hat Ähnlichkeit mit einem  Hausbau. Die Finanzen, die Genehmigungen sind wichtig, vor allem das Fundament. Jesu Rede hören und tun, das beschafft Halt und Sinn und Mut und lehrt uns, vernünftig zu sein.  Auch weiß man, wem man gehört; weiß, was man soll und bekommt Kraft. Gott gehören, das beschafft große Freiheit, und ihm in die Hände arbeiten, das macht einen zum Teilhaber seiner Werke. Gut, daß du da bist, du bist, hier und jetzt. Das macht dich stabil.

 

                                                   *

 

Der römische Hauptmann

Jesus kam nach Kapernaum, da trat ein römischer Hauptmann auf ihn zu und bat ihn um Hilfe  für seinen Knecht.  

Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen.

Der Hauptmann antwortete: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach trittst- sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.-  Du bist Obrigkeit, ich bin Obrigkeit. Auch ich habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er.

Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm folgten: Solchen Glauben habe ich in Israel noch bei keinem gefunden! Ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen.

Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund.

Matthäus 8,5-11.13

 

Der römische Hauptmann ist Chef und hält auch Jesus für einen Chef- für die Autorität im geistlichen Revier. Jesus steht zu der Vollmacht, die ihm zugetraut wird. Er spricht dem krank daniederliegenden Knecht aus der Ferne Heilung zu.

„Dir geschehe, wie du glaubst“- ist ein großes Wort über die Kraft unserer inneren Überzeugung. Wir haben es mit in der Hand, gesund zu werden, gesund zu machen. Jedenfalls haben wir Spielraum, in gewisser Weise uns die Dinge zurecht zu glauben, sie uns anzupassen. Welche Bedeutung wir den Fakten zumessen, das wirkt auch auf  die Fakten ein. Also, glaub dich gut, Mensch; halt viel von dir.

 

                                                    *

 

 Der junge Mann von Nain

Jesus kam in eine Stadt mit Namen Nain. Da trug man einen Toten heraus, der der einzige Sohn seiner Mutter war, und sie war eine Witwe; und eine große Menge aus der Stadt ging mit ihr.

Und Jesus erfasste Mitleid um sie  und er sprach zu ihr: Weine nicht! Er ließ die Träger anhalten, berührte den Sarg und sprach: Mensch, steh auf. Und der eben noch Tote richtete sich auf und fing an zu reden, und Jesus führte ihn zu seiner Mutter.

Furcht ergriff sie alle, und sie priesen Gott und sprachen: Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden, Gott hat sein Volk besucht.

Lukas 7,11-17

 

Mitleid erweckt in Jesus göttliche Kräfte. Jesus als die intensivste irdische Verkörperung Gottes konnte wohl auch von den Toten auferwecken. Wir können das nicht, aber wir haben ja genug damit zu tun, unser Mitleid umzumünzen in Taten für Leidende.

Wir waren auch schon so gut wie tot. Wenn wir dann ins Leben zurückfanden, waren wir voll Sonnenaufgang, waren wie neugeboren, wollten alles besser machen.

Ja, es ist dir Verwandlung geschehen. Du hast wieder Sprache gefunden, Freude geht von dir aus. Jesu Auferstehungsenergie leuchtet in dir. 

Nimm das Bild vom auferweckten Jungen  als Versprechen, daß auch du auferstehen kannst zu neuem Lebendigsein. Auch du bist in deinen besten Augenblicken mit Energie aufgeladen. Durch dich können Segenskräfte fließen, die auch  zu körperlicher Genesung führen.   

 

                                                        *

 

Stillung des Sturms

Jesus  war am See Genezareth mit seinen Jüngern. Sie  stiegen in ein Boot um ans andere Ufer zu fahren. Da erhob sich ein gewaltiger Sturm - das Boot wurde von den Wellen fast zugedeckt. Er aber schlief.

Und sie traten zu ihm, weckten ihn auf und sprachen: Herr, hilf, wir kommen um! Da sagt er zu ihnen: Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Und er stand auf und bedrohte den Wind und das Meer. Da wurde es ganz stille.

Die Jünger erschraken: Was ist das für ein Mensch, dass ihm Wind und Meer gehorchen?

Matthäus 8, 23-27

 

 

Diese Geschichte liefert das Ur-Bild von Kirche: Ein Schiff, das mühsam duch die Wellen seine Fahrt macht. Aber es hat ja den Herrn an Bord- dann kann dem Schiff  und den Leuten nichts passieren- denn „fahrn wir durch die Höll- wir sind ja sein Gesell.“

Groß ist der Satz: “Aber er schlief.“ Das ist dies herrliche Gottvertrauen des Jesus: Der Sturm stürmt, das Boot trägt, die Mannschaft müht sich, er kann schlafen. Gott kommt zurecht mit der Lage.

Aber die Menschen zittern vor Angst. Jesus erbarmt sich. Er spricht

   mit dem Wind- da trollt der sich. Jedenfalls haben seine Jünger eine bedrohliche Sturmfahrt erlebt und haben sie behalten als Schutzbild, dass mit Jesus die Schrecken gut ausgehen.  „Gottes sind Wogen und Wind, aber Segel und Steuer, daß ihr den Hafen gewinnt, sind euer“ (Gorch Fock)!

Es geht auch darum, auf dem Meer der Sehnsucht, das ich in meinem Inneren befahre, die Stürme und die Flauten bestehe.

 

                                                      *

 

Die Auferweckung der Tochter des Jaïrus

Es kam ein Synagogen-Vorsteher mit Namen Jaïrus zu Jesus, fiel ihm zu Füßen und bat ihn: Meine Tochter liegt im Sterben; komm doch und lege ihr die Hände auf, damit sie gesund werde und lebe.

Und Jesus ging mit ihm. Als sie noch unterwegs waren, kamen einige vom Hause des Vorstehers gelaufen und  sprachen: Deine Tochter ist gestorben; bemüh den Meister nicht weiter! Jesus aber sprach zu dem Vorsteher: Fürchte dich nicht, glaube nur!

Markus 5,22-24,35.36

 

 

Fürchte dich nicht- vertraue nur. Es gibt nichts Besseres als diesen Rat, diese Weisung. Natürlich sollen wir auch arbeiten, planen, ordnen, bedenken. Aber wenn all das Handwerkliche des Lebens getan ist, besser: dabei- also während wir arbeiten -sollen wir beten, sollen vertrauen, dass zurechtkommt, was gerade uns bewegt.                                                                                                       Jesus macht dem Vater des Jairus Mut, auf Heilung zu setzen. Immer setz auf Gelingen, auf Besserung, auf Lernfähigkeit. Du bist auf dem Weg, du bist in einem großen  Heilwerdeprozess. Auch wenn der Weg durch Finsternis geht, fürchte dich nicht; auch wenn du zögerst, bist du doch eingebettet in Gottes Geschichte, die auf das Reich Gottes zuläuft. Auch was stirbt ist ins Werden mitgenommen. Das ist dem Jesus abzulesen, der das Mädchen auferstehen lässt. Wir sollten nicht fragen, wie gestorben das Mädchen wirklich war. Die Auferweckung ins richtige Leben ist Wunder genug. „Tot in den Sünden“ (Kolosser 2,13) kann auch gemeint sein- und wir werden herausgeschält zu neuem Sein.

 

Und sie kamen in das Haus des Vorstehers, und es war ein Getümmel, sie weinten und heulten. Und Jesus ging hinein und sprach zu ihnen: Was weint ihr? Das Mädchen ist nicht tot, sondern es schläft.

Und sie verlachten ihn. Er aber trieb sie alle hinaus und nahm mit sich die Eltern und ging hinein zum Kind. Und er griff das Kind bei der Hand und sprach zu ihm: Talita kumi! - das heißt übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf! Und sogleich stand das Mädchen auf und ging umher; es war aber zwölf Jahre alt. Und sie entsetzten sich über die Maßen.

Markus 5,38-42

 

 

Jesus ruft das Mädchen aus dem Tiefschlaf  und stellt es auf die Beine. Der Hinweis auf das Alter des Mädchens kann auf eine Ohnmachts-Phase der Pubertät deuten. In dieser Lebensstrecke ist der Mensch oft überfordert, wird ohnmächtig oder will auch sterben. Es gibt Augenblicke in unserm Leben, da sind wir so gut wie tot. Wohl uns, wenn wir dann nicht aufgegeben werden, sondern ein rettender Mensch uns ins Leben zurückholt. Jedenfalls traut uns Jesus zu, dass wir einander ins Leben ziehen. Irgendwann dürfen wir auch sterben, aber wir sollen nicht drängeln, erst sollen wir die von Gott in uns gelegten Energien ausgeben. 

 

                                                    *

 

 

Die Heilung einer Frau

Es folgte Jesus  eine große Menge und sie umdrängten ihn. Da war eine Frau, die hatte Blutungen seit Jahren und hatte viel erlitten mit vielen Ärzten und all ihr Geld an sie verloren; und es hatte ihr nichts geholfen, sondern es war nur schlimmer mit ihr geworden.

Als sie von Jesus hörte, sagte sich: Wenn ich nur seine Kleider berühren könnte, so würde ich gesund. Und in der Menge trat sie von hinten heran und berührte sein Gewand. Und sogleich versiegte die Blutung, und sie spürte, dass sie von ihrer Plage geheilt war.

Markus 5,24-29

 

Hoffnung auf Heilung steht jedem Kranken zu. Es drängt in uns etwas auf Wohlbefinden hin. Wir haben einen Trieb, richtig zu ticken und nicht matt zu sein. Das schickt uns zu Ärzten, die sollen es richten. Jesus war ein energetisches Kraftfeld, sodass er Kranke aller Art anzog. Sie wussten, seine Nähe strömt Heilung aus. Es gibt Menschen mit besonderen Gaben. Und Jesus war ein ganz besonderer Mensch. - Er war mit Gott eines Herzens, konnte darum auch Menschen an Gott anschließen. Und dann wird es besser mit ihnen. Auch wir haben Heilkraft. Wenden wir sie zuerst für uns an, indem wir uns nicht schaden.

 

 

Und Jesus spürte, dass  Kraft von ihm abgeflossen war, und wandte sich um in der Menge und sprach: Wer hat mich angefaßt? Und er sah die, die es getan hatte. Da kam die Frau und fiel vor ihm nieder und sagte ihm ihre Wahrheit. Er aber sprach zu ihr: Tochter Gottes, dein Glaube hat dich gesund gemacht; geh hin in Frieden.

Markus 5,32-34

 

 

Sind wir für einen Menschen intensiv da, dann kostet das Kraft. Es fließt von uns zu ihm Geist, Wärme, Lebenswille- oder auch Geld- was ja gemünzte Wirkmächtigkeit ist. Energien der Liebe wollen sprühen. Muttermilch will nähren. Nützenkönnen ist ein Segen- auch wenn es erschöpft.

Gut zu wissen, dass es auch an Jesus nagte, wenn er heilte. Er wirkte nicht pauschal. Er wollte den Menschen sehen, der von ihm Kraft nahm.

Erhellend, wie Jesus die Frau stärkt in ihrem Selbstbewusstsein - ja, sie hat gut daran getan, Gutes sich zu holen. Ihr Glaube, ihr Vertrauen, ihr Wille, ihr Ärger-riskieren, ihr- soll man sagen- Stehlen, wird von Jesus geadelt. Die Tochter Gottes hat sich nur genommen, was ihr zusteht. Alle Gaben Gottes gehören uns als Geschwistern zusammen.

 

                                                *

 

Die Ernte ist groß

Jesus sah die vielen Menschen in Not. Sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben. Da sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.

Bittet also den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende.

Matthäus 9,36-38

 

Schafe ohne Hirten- das ist ein trauriges Bild auch für uns Moderne: Viele kämpfen für sich allein, auch Paare sind bedroht, einen Egoismus zu Zweit zu leben. Wo ist Zusammenhalt und Füreinandereinstehen? Der Hunger nach Befreundung ist groß, wo aber ist gelebtes Gott- und Menschenvertrauen anfassbar? Wo sind die Arbeiter des Friedens? Bitten wir Gott um nächstenliebende Mitmenschen, bitten wir zugleich um eigene Verwandlung. Der gute Hirte Jesus will als gute Energie durch unsere Wünsche und Hände gehen.

 

                                                       *

 

 Berufen zu Jüngern

Jesus sandte seine Jünger aus und  gebot ihnen: Geht hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.

Macht Kranke gesund, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt böse Geister aus. Umsonst habt ihr's empfangen, umsonst gebt es weiter. Ihr sollt kein Geld bei euch haben, keine Taschen, nicht zwei Hemden, keine zwei Paar Schuhe, auch keinen Stock. Verlasst euch drauf: ein Arbeiter ist seinen Lohn wert.

Wenn ihr in ein Haus geht, so grüßt es; und wenn es das Haus verdient, wird euer Friede auf sie kommen. Wenn euch jemand nicht aufnehmen und eure Rede nicht hören will, so geht weg von diesem Hause oder von dieser Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen.

Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.

Matthäus 10,5-16

 

Ob das Auftrag an alle Christen ist? Jedenfalls fühlte sich die erste Jüngerschaft zur Wandermission in klarer Armut bestimmt. Die Jünger hatten was zu bieten. Sie hatten den Stoff der Glückseligkeit zu geben- wenn er denn gefragt war. Sie lehrten zu leben aus vollem Vertrauen in die Großzügigkeit Gottes. Man sollte meinen, Boten mit dieser Nachricht seien überall herzlich willkommen. Aber fast wir alle haben nahe am Misstrauen gebaut und sind skeptisch gegen Glücksversprechen, außerdem fürchten wir nichts mehr als die Armut.

Franz von Assisi, der auch den Vögeln predigte, muss ein durch und durch argloser, engelhafter Mensch gewesen sein. Er muss sich vorgekommen sein, wie ein Schaf unter Wölfen. Wir Normalmenschen sind wohl mehr mal Schaf, mal Wolf.  Klug und ohne Falsch zu sein, ist schon nah am Glück.

                                                                                                                                                       

   

Wenn ihr Rede und Antwort stehen sollt, dann sorgt nicht, was und wie ihr reden sollt. Gott ist es, der durch euch redet.

Matthäus 10,19.20

 

Das ist keine Anweisung an Prediger, unvorbereitet von der Kanzel strömen zu lassen, was eben ihnen einkommt. Gerade, wenn Menschen wissen, dass Gott sich ihrer bedient, sind sie zu besonderer Achtsamkeit verpflichtet. Auch Busfahrer fahren im Auftrag des Herrn und gerade darum hellwach. Prediger sollen „das Leben freischneiden“ (W. Benjamin), statt ausgiebig unsere Sackgassen zu beleuchten. „Aufgabe des Priesters ist es, daß er die Leute zu Gott bringe“ (M. Luther), nicht sie erbaulich zu unterhalten.

Nur, wenn wir von innen erleuchtet sind, wir also von Gott bespielt uns wissen, kann auch aus uns was schallen, das gottvoll ist. Aber Inspiration braucht eine Menge Transpiration. Dem alten Wort zu neuem Leben verhelfen - das ist aller Mühe wert.

 

                                                       *

 

Gott mehr gehorchen

Meint ihr, spricht Christus, ich sei gekommen, Frieden zu bringen auf Erden? Ich sage euch: Nein, sondern ich bringe Zwietracht. Eltern und Kinder entzweien sich, Hausgenossen werden einander Feinde.

Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich, hat mich nicht verstanden. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert.

Matthäus 10, 34-39

 

Was alles ist uns wichtig? Erfolg, Wirkung, Aufmerksamkeit, Anerkennung, Macht, Attraktivsein, Geld? Das alles ist Jesus zweitrangig. Liebe, Freude, Teilen, Trösten, Einstehen für den Nächsten- das sind die Jesus-Werte. Damit  ist Streit programmiert: In Ehen, wenn einer mehr „Brot für die Welt„ geben will als der andere; in der Politik, ob Flüchtlinge aus Nordafrika aufgenommen oder abgewiesen werden; in der Familie, wenn die Pflege der alt gewordenen Eltern nicht in gutem Einvernehmen gelingt. Wer den Eltern, dem Erfolg, der Karriere, dem Partner  mehr gehorcht als seinem auf Christus ausgerichtetem Gewissen, der ist arm dran. 

Jeder muss sein Kreuz auf sich nehmen, seinem Wesen entsprechen, seine ihm zustehende Last tragen und darf sie nicht abschieben. Jeder kommt in seinem Leben an Kreuzwege, da muss er verzichten, um Verzeihung bitten, eine nicht gelingen könnende Liebe aufgeben.

Nur Schwache treffen brutale und unvernünftig endgültige Entscheidungen. Jesus verlangt von keinem, Lebendiges abzuhacken.

„Der Weg der Gottesgefolgschaft sieht häufig so aus, daß man andere Menschen ernährt, ärztlich versorgt und kleidet, daß man Leid und Tod fernhält und somit menschliches Gedeihen ermöglicht. Am Leben Christi ist das klar zu erkennen“(Charles Taylor).

                                             

                                                *

 

Die große Einladung

Christus spricht: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.

Matthäus 11,28

 

 Jesu Ruf gilt besonders dem, der an seine Grenzen gekommen ist. In jungen Jahren müssen wir kämpfen und Beute machen, müssen Erfolg erwirken und was Eigenes erobern. Aber irgendwann schwinden unsere Kräfte. Dann offene Arme wissen, Freundesland, Friedensreich, Aufgerichtetwerden, Mitgenommenwerden zu neuen Ufern der Freude, der Liebe- das ist das Glück des Jesus. Er wird dich erquicken. Du wirst wieder angeschlossen an den Lebensstrom. Wisse dich in seiner Nähe, in seiner Aura, in seinem Schutzmantel. Du bist bei ihm geborgen, dem  Heiland deiner  Seele. Er ist dir nah, auch wenn du ihn abwehren solltest. Er schwingt  in deinem Denkgebäude mit, auch wenn oberflächlich Zahlen und Termine den Gedankenraum füllen. Such die Menschen, in denen Christus dir sich nähern könnte.

 

                                                       *                        

                                                                

Christus spricht:

Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, sanft und demütig zu sein- so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen; mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Matthäus 11,29.30

 

 

Lasten haben wir alle, aber welche sind es wert, sie zu stemmen? Wir sind in Pflichten gespannt, aber wer hilft zu sortieren? Von Jesus lernen, heißt defensiv werden, sanft denken, Lücken lassen für die in Druck. Nicht siegen müssen  aber auch nicht den Schluffen geben,  nicht Held sein müssen aber auch nicht das Leben verschlafen. Getrosten Gewissens sein, klug und ohne falsch (Matthäus 10,16), Frieden bei sich haben und ausstrahlen.- Jesus konnte das. Wir müssen ihn uns als glücklichen Menschen vorstellen (Dorothee Sölle). 

 

                                                       *

 

Das Gesetz ist für die Menschen da

Einmal ging Jesus mit den Jüngern am Sabbat durch ein Kornfeld, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren zu pflücken und die Körner auszupulen und sie zu essen. Gesetzestreue sahen das und sprachen zu ihm: Deine Jünger tun Arbeit am Sabbat. Warum tun sie, was nicht erlaubt ist?

Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist für den Menschen gemacht und nicht der Mensch für den Sabbat.

Markus  2,23.24.27

Die Sabbatruhe (Sonntagsruhe) wurde und wird bei Gesetzestreuen streng beachtet.  Nichts darf man tun, was entfernt nach Arbeit aussieht.  Eigentlich ist dies Gebot ja ein Freispruch, am siebten Tag der Woche feiern zu dürfen und  in schönen Gedanken mit Gott verknüpft zu sein. Die Feiertagsruhe ist eine der ersten sozialen Gesetze der Menschheit. Dies Geschenk an die Menschen wurde aber in der Handhabung  durch  geistliche Aufseher zum  eingezäunten Raum mit vielen geistlichen Pflichten. Jesus stellte die Verhältnisse vom Kopf wieder auf die Füße: Der schöne Sabbat und alle anderen Gebote sind für die Menschen gemacht, nicht der Mensch ist fürs Gehorchen  gemacht. „Man darf am Sabbat Gutes tun“ (Matthäus12,12).  Chatwin in „ Traumpfade“ erinnert daran, daß das Wesen der Gebote rettender Natur ist: „Nomos“- (das griechische Wort für Gebot)  bedeutet auch „Weideland“ im Griechischen. Ein Nomade zieht von Weideland zu Weideland. Auch der Staat ist dienender Natur- die Gemeinschaftsmacht hilft hoffentlich zum größtmöglichen Glück der größtmöglichen Zahl, aber ist nichts von sich aus Heiliges.

 

                                                *

                                                 

Das ganze Evangelium in einer Geschichte

 

 

Ein Gesetzeskundiger hatte Jesus zu Tisch geladen. Es gab aber im Ort  eine Frau, die war als Hure verschrien. Sie vernahm, dass er dort war und  sie ging hin mit einem Glas Salböl. Sie trat von hinten zu seinen Füßen, kniete nieder, weinte und fing an, seine Füße mit Tränen zu netzen und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen und küsste seine Füße und salbte sie mit Öl.

Lukas 7,36-38

 

Eine Männerrunde- das geistliche Oberhaupt des Städtchens hatte seine Freunde zum Mahl gerufen. Und den Wanderprediger, der gerade großen Zulauf hat, lädt er hinzu, höflich, herablassend, neugierig. Eine Frau drängt sich von hinten an Jesus, der mit den andern wie üblich halb sitzend zu Tische lag. Oft gemalt ist diese Szene völliger Hellhörigkeit. Jesus ist in zwei Gespräche getaucht: Vorn ist er mit den Männern beschäftigt in gelehrtem und lautem Reden. Und hinter seinem Rücken lässt er die Frau gewähren, lässt sie sich ausweinen über seinen Füßen und ihr Werk der Liebe an ihm tun.

 

Als das der Hausherr sah, sprach er zu sich selbst: Wenn dieser ein Prophet wäre, wüsste er, was für eine Frau das ist, die ihn anrührt. Jesus sprach zu ihm: Simon, ich habe dir etwas zu sagen.

Lukas 7,39.40

 

 

Auch an einer dritten Front ist Jesus geistesgegenwärtig: Er hört das innere Gespräch des Gastgebers mit: Das ist doch ein Skandal, dass Jesus die Frau nicht abwimmelt. Er müsste doch wissen... Weiss er es, und distanziert sich nicht, ist sein Ruf  als Meister der Schrift beschmutzt. Weiss er aber nicht, wer sie ist, dann hat er sich entlarvt als Irrläufer. Und in beiden Fällen würde Simon blamiert sein, und hätte den Spott, wen er sich da  denn eingeladen habe. Jesus hat wohl auf Simons Stirn dessen Argwohn geschrieben gesehen. Er spricht ihn direkt an.

 

Simon, ich will dir was erzählen. Ein Gläubiger hatte zwei Schuldner. einer war fünfhundert Silberstücke schuldig, der andere fünfzig. Da sie aber nicht bezahlen konnten, erließ er es beiden. Sag, wer von ihnen wird ihn am meisten lieben. Simon antwortete: Ich denke der, der am meisten erlassen bekam. Und Jesus: Recht hast du geurteilt. Und nun:

Sieh diese Frau. Ich bin in dein Haus gekommen; du hast mir kein Wasser für meine Füße gegeben; diese aber hat meine Füße mit Tränen benetzt und mit ihren Haaren getrocknet. Du hast mir keinen Kuss gegeben; diese aber hat, seit ich hereingekommen bin, nicht abgelassen, meine Füße zu küssen. Du hast mein Haupt nicht gesalbt; sie aber konnte mit Salben gar nicht aufhören.

Lukas 7, 41-47

 

 

Höchst geschickt geht Jesus mit diesem Rechtschaffenen um, er führt ihn zur Erkenntnis seiner selbst. Simon sieht sich bei Gott und Mitmenschen wohl angesehen, er lebt ordentlich und geachtet. Er zensiert Menschen, sagt ihnen, wo es langgeht und was sich gehört. Und erhöht sich mit durch deren Herabstufung oder Belobigung.

Er meint, keinem was schuldig zu bleiben und keinem was schuldig zu sein. Jeder bekommt, was er verdient- meint Simon; er bekommt ja auch genug Achtung und Privilegien- und dazu noch das Diplom, er sei im Himmel gut angeschrieben.

Ganz anders dran ist die Frau. Sie ist  bei den Ordentlichen verachtet. Sie wird ausgenutzt, wird irgendwie auch gebraucht, aber keiner will bei Licht ihre Gesellschaft. Doch sie spürt, da ist einer, der sie als Person wertschätzt. Sie nimmt Jesus Achtung an als Zeichen, dass ihr vergeben ist bei Gott.

Ja, sie liebt Jesus, da hat Simon recht, und im „ehrenwerten Haus“ mag ihre Zuneigung ungehörig scheinen. Aber Jesus sieht die Bedürftigkeit dieser Frau; sie hungert nach Würde, sie will als Person bejaht  sein.

Klar, dass in der Beispielgeschichte der Schuldenerlasser mehr geliebt wird von dem, dem mehr Schulden erlassen sind. Dann ist es nur ein kurzer, steiler Erkenntnisschritt für Simon, sich selbst als wenig Liebenden zu erkennen. Simon braucht ja auch wenig Vergebung; er will  Gottes Achtung, und ist sich der Anerkennung seiner Leistungen vor Gott gewiss. Während die Frau die Achtung als Zuschuss, als Geschenk braucht. Sie weiß sich vielgeliebt von Gott; Simon weiß sich geachtet, bestenfalls. Aber das reicht ihm.  Simon weiß sich auf Augenhöhe mit Gott. Die Frau sieht sich als geliebte Tochter. Und aus Dankbarkeit liebt sie viele. Simon misst sich und vergleicht sich, Simon ist immer im Wettstreit  mit anderen, muss immer der Erste sein- er führt  ein anstrengendes Leben; eins, das auf den Herzinfarkt zutreibt. Es sei denn, er lernt von der Frau.

 

Dein Glaube hat dir geholfen; geh hin in den Frieden!

Lukas 7,50

 

 

Die Frau dieser Geschichte hat keinen Namen. Doch unsere Phantasie wünscht sie an Jesu Seite. Eine Maria aus Magdala hatte Jesus von Besessenheit geheilt, die ist auch bei Jesu Tod und Begräbnis anwesend, ihr wird auch die anrührendste Begegnung mit dem Auferstandenen zugeschrieben ( bist du der Gärtner? Wo hast du meinen Jesus hingetan? Johannes 19,15). Jedenfalls hat diese unbekannte Frau den Jesus zärtlich geliebt- und man sollte ihr dankbar sein bei all dem barschen Umgang, dem Jesus oft ausgesetzt war.

Romane und Filme dichten unserm Jesus eine Liebesgeschichte an,  vielleicht mit heimlicher Ehe und Kind. Aber so gut wie sicher hat Jesus die einzige echte Alternative zur Ehe gelebt:  er war mit vielen befreundet- und Ehe ist nun mal das exklusive Ja zu einem Menschen, das das Nein zu  vielen anderen einschließt. 

In Frieden leben kann, wer liebt. Dazu muß er wissen, daß er geliebt ist, auch wenn er versagt und schuldig wird. Jesus sagt uns das auf den Kopf zu, massiert es uns in Herz und Sinn: „Du geliebt, gebraucht, geliebt, gebraucht:“ Unser Lieben ist immer nur Antwort, Echo, Reaktion auf Gottes großes Bejahen. Und die Frau hat Jesus als eine Verkörperung der Liebe Gottes genommen; sie hat dem Jesus die Vergebung abgeglaubt, sie glaubt sich geliebt, und liebt ihn zurück.

Gutestun ist Folge und Wirkung von  Beschenktsein und Begabtsein. Darum hat Jesus sicher nicht gesagt: “Ihr ist viel vergeben, weil sie viel geliebt hat“- so Lukas, der es falsch verstanden haben muß. Jesus hat sicher, entsprechend der Geschichte von den zwei Schuldnern, es andersrum gesagt: Weil ihr viel vergeben ist, hat sie viel geliebt- entsprechend dem mehr verschuldeten Schuldner, der den Gläubiger mehr liebte, weil  ihm mehr erlassen war.   

Und warum schreibt Lukas diese Geschichte so moralisierend um- oder hat sie aus der Gemeinde schon so verdreht aufgefangen? Für den Gesetzesglauben, dass Gott uns nach unsern Werken richten  würde, hätte Jesus nicht zu kommen brauchen. Aber das Evangelium von der Liebe Gottes musste erst erblühen- und Paulus war der erste, der es auf den Punkt gebracht hat: Gott macht die Gottlosen gerecht (Römer 4,5).

Doch  schon bald schwang auch die Kirche wieder die Keule von Leistung und Moral, bis Martin Luther die Rechtmachung aus Gnade wiederentdeckte. Und sie muss immer wieder frisch gesagt werden, weil uns allen die Selbstgerechtigkeit im Blut liegt.

Auch das kann man fragen: Warum steht der Satz des Lukas, der Jesu Botschaft auf den Kopf stellt, noch immer  so in der Bibel?, Allermeist ohne eine Bemerkung. Es ist darum, weil das  Moralisieren noch kein Ende hat.

 

                                                     *

 

Die Aussendung der Zwölf

Jesus sandte seine Jünger aus und  gebot ihnen: Geht hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel und predigt: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.

Macht Kranke gesund, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt böse Geister aus, vergebt Sünden. Umsonst habt ihr's empfangen, umsonst gebt es auch weiter.

Ihr braucht kein Geld unterwegs, keine Taschen. Ein Arbeiter ist seines Lohnes wert. Wenn ihr aber in ein Haus geht, so grüßt es; und wenn es das Haus wert ist, wird euer Friede auf sie kommen. Und wenn euch jemand nicht aufnehmen und eure Rede nicht hören will, so geht heraus aus diesem Hause oder dieser Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen.

Siehe, ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe. Darum seid klug (wie die Schlangen) und ohne Falsch (wie die Tauben).

Aus Matthäus 10,1-16

 

Sicher schickte Jesus die Jünger schon mal während seiner irdischen Zeit los. Wahrscheinlich aber ist hier einer der Missionsbefehle des Auferstandenen wiedergegeben-  und zwar ein früher an die Jerusalemer Urgemeinde, der zunächst nur Israel im Blick hatte. Jedenfalls betraut Jesus die Jünger mit jener Vollmacht, wie sie ihm auch zu Gebote stand. Und auch wir sollen Segen ausrichten und heilen, so gut wir können.

Die ersten christlichen Missionare waren tatsächlich arm, doch ihre Sorgelosigkeit sprach für ihren Glauben.  „Klug und ohne Falsch“ – ist ein starkes ethisches Programm; damit ist man voll beschäftigt. Es gibt z.B. auf, selektiv authentisch zu sein- also echt und wahrhaftig, aber nicht zu jeder Zeit muss alles auf den Tisch.

 

Und wenn sie euch vor Gericht ziehen, zersorgt euch  nicht, was ihr reden sollt-

eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet.

Matthäus 10,18f

 

Jesus sieht seine Jünger und uns so innig an Gott angeschlossen, daß wir nicht alleine sind, wenn wir Rede und Antwort stehen über unsern Glauben.  Gott redet durch uns. Das fordert starke Verantwortung, Wachheit, auch sorgfältige Vorbereitung (z. B. von Predigern), und im Kern die Zuversicht, daß, wo du dein Herz zerfetzt, kein leeres Stroh bei rauskommt.

 

                                                          *

                                                  

Frauen versorgten Jesus

Es gingen mit ihm die Zwölf, dazu einige Frauen, die er gesund gemacht hatte von bösen Geistern und Krankheiten, und viele andere, die ihnen dienten mit ihrer Habe.

Lukas 8,1-3

 

 

Es gibt eine wehmütige Mitteilung des Jesus: „Die Füchse haben Gruben, aber der Menschensohn hat nichts Eigenes, wohin er sein Haupt legen könnte“ (Matthäus 8,20). Jesu Heimat ist das Reich-Gottes-Projekt- die befreundete Menschheit in einer befriedeten Umwelt. Das schließt Riesenreichtum und nackte Armut aus: Jeder gebe so viel er kann und nehme, soviel er braucht– und  dies aus freien Stücken. Eigenliebe und Nächstenliebe sind die zwei Seiten einer Medaille. ( Dieser christliche Liebeskommunismus gelang wohl kurze Zeit in der Urkirche- Apostelgeschichte 2,45 erzählt davon)

Aber noch sichern sich die Stämmigen mehr; die Friedfertigen und Wehrlosen müssen mit Geringem auskommen. Arm dran sind die, die auf der Straße hausen müssen - sie sollten nicht verherrlicht werden. Auch Jesus preist die Mittellosigkeit nicht. Aber er kommt zurecht mit dem, was sich bietet. Er arbeitet auch und zwar intensiv- Menschen Hoffnung machen und ihnen Selbstbewusstsein unter die Flügel geben, das ist harte Arbeit. Und die findet ihren Lohn. Jesus mit seinen zwölf nächsten Freunden - sie müssen nicht darben.

Einige wohlhabende Frauen kümmern sich um deren  leibliches Wohl. Gut, daß die junge Kirche dieses Detail verwahrt: Es ehrt die Frauen und wehrt dem Bild vom großen Verzichtenden. Jesus lebt gern und isst auch gern. Er fordert keine Askese. Er gönnt von Herzen.

 

                                               *

                                              

Geschlossene Gesellschaft oder offenes Haus?

Christus spricht: Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.

Matthäus 12,30 

An anderer Stelle sagt Christus: Wer nicht gegen uns ist, ist für uns.

Markus 9,40 

 

 

Hier sind die Überschriften zweier Sorten Kirche: Die exklusive, elitäre, rigorose, fundamentalistische, dogmatische Sorte, und die einladende, freundschaftliche, großmütige. Die eine Sorte Kirche schließt viele aus, die andere lädt viele ein. Die eine  macht die Zugehörigkeit abhängig von Gehorsam, Unterwerfung und Glauben an die besonderen Amtsgnaden der Kirchen- Hierarchie. Die andere freiheitliche Sorte setzt auf  Gottesnähe jeder Menschenseele, auf  Liebenwollen und  Eigenverantwortung. Die eine setzt auf großen Glauben, die andere auf den großen Gott.

Noch ist Kirche durchwachsen. Auch die liebevolle Kirche braucht Grenzen; auch die Kirche voller Ordnung hat liebenswerte Züge. Hauptsache, beide Kirchenstränge bleiben zusammen.Noch sind die

 

                                                *

 

Wir auch gutes Land

Jesus sprach: Stellt euch  einen Sämann vor, der säte.

Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg; da kamen die Vögel und fraßen es. Einiges fiel auf felsigen Boden, wo es nicht genug Erde hatte und es verdorrte. Einiges fiel unter die Dornen; und die Dornen erstickten es.

Aber ein Teil  fiel auf gutes Land und trug Frucht, einiges dreißigfach; einiges sechzigfach; einiges hundertfach. Wer Ohren hat, der höre!

Matthäus 13,1-9

 

 

Wir selber sind viererlei Acker. Das Saatgut, das in uns Frucht bringen soll, ist das Wissen: Gott liebt dich und braucht dich. Bleibt es oberflächlich, fressen es die Sorgenvögel weg. Oder die Unruhe, zu versäumen, verbrennt das Hinfühlen zu Gott; oder die Dornen der Ichsucht kippen die innere Balance von Geben und Nehmen. 

Aber wenn das Wissen „Gott liebt mich und braucht mich“  in mir aufgeht, dann wächst ein herrliches Selbstbewusstsein: Gefühlsmäßig kann ich widerstandsfähig werden,  ich gewinne bessere Selbstkontrolle und meine Zuversicht wächst, dass es gut wird, auch durch mich.

Erstaunlich, daß der Sämann (Gott) soviel daneben sät.  Aber auch wir Schwierigen, in denen viel missrät, können uns noch eines Besseren belehren. Auch die Dornen der Sorge können noch Rosen bringen, Auch durch den Asphalt kann das Korn des guten Wortes durchbrechen. Und noch die Vögel der Ichsucht sollen leben; werden sie doch durch die Ichsucht der Konkurrenz in Schach gehalten.

Gott hat genug gute Nachricht, und sie vervielfältigt sich üppig- auch durch dich.  Im Ganzen gelingt viel mehr Evangelium als Horrormeldungen, gelingen auch wir Menschen Ihm mehr als es scheint, im Ganzen gelingt viel mehr Gutes als Schlechtes.  

 

                                                *

 

Vom Gelingen des Lebens

Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft, und schläft und steht auf und geht seiner Arbeit nach. Unterdes geht der Same auf und wächst - der Mensch weiß nicht wie. Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. Dann ist die Ernte da.

Markus 4,26-29

 

 

Der Samen wird zur Frucht und geht den Weg zur Ernte, weil in den Samen die Fähigkeit, Frucht zu bringen, gelegt ist. Auch unser Leben gelingt, wenn wir nur das Selbstverständliche, das in uns Gelegte, geschehen lassen: annehmen, lernen, arbeiten, teilen, geschickt einem Werk dienen. Es gehört zu uns, dass wir einmal geerntet werden und die Garben, die Beute unseres Ichs, Gott bringen. Wir tun „von selbst“ das Richtige, wenn wir säen, schlafen, aufstehen und  uns geschehen, uns wachsen lassen. Dabei -das Korn wächst nicht schneller, wenn man es zupft. „Mit Sorgen und mit Grämen und mit selbsteigner Pein, lässt Gott sich gar nichts nehmen“ (EG 361,2) - Tu das Nötige und danke Gott für den Tag, und morgen, wenn dir ein neuer zuwächst, nimm ihn lustvoll an.

 

                                                *

 

Bös und gut

Jesu sprach: Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. Als nun die Saat wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut.

Da traten die Knechte zum Herrn und sprachen: Hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er dann das Unkraut?

Er sprach zu ihnen: Das hat ein Feind getan. Da sprachen die Knechte: Willst du, dass wir es ausjäten? Er sprach: Nein! Damit ihr nicht zugleich den Weizen mit ausreißt, wartet bis zur Ernte.

Matthäus 13,24-29a.

 

 

Dies unscheinbar klingenden Gleichnis stellt Weichen: Gut und Böse sollen jetzt beieinander bleiben. Wenn wir können, sollen wir Gutes tun und zwar möglichst viel, um so das Böse einzudämmen. Aber die Übeltäter ausrotten- das geht nicht. Auch Gefangensetzen ist Gewalt der Mehrheit, ist bittere, hilflose Notwehr derer, die mehr vom Recht haben als die, die es brechen.

Statt das Böse auszugrenzen, sollen wir mit ihm zurechtkommen. Denn wohl keiner ist gern bös. Und sind nicht alle Bösen bösgemacht? Und brauchen so viel Liebe. Keiner hat sich selbst erschaffen. Keiner ist fertig, so wie er ist.

    In Matthäus 13,28 sagt Jesus: Das hat ein „Feind-Mensch“ getan. Warum schon Luther das griechische Wort anthropos (Mensch) unübersetzt fortlässt, ist nicht klar. Vielleicht ließ er in dem geheimnisumwitterten Feind des Hausherrn noch Platz für die teuflische Phantasiegestalt. Doch Jesus sagt: Das hat ein Feind-Mensch getan. Gemeint ist doch die böse Kraft im Menschen, die gott- und lebensfeindlich ist. Die aufspringt, wenn wir nicht wachsam sind und Böses sät, das erst wie gut aussieht. Wir sind gut- bös, bös-gut, und sollen aufpassen, dass uns das Böse nicht überflutet, sondern wir es beherrschen (1. Mose 4,7). Ausrotten können wir es nicht. Das wird einmal Gott selber machen.

 

                                                      *

 

Aus klein wird groß

  Das Himmelreich gleicht einem Senfkorn, das einer auf seinen Acker säte; es ist das kleinste unter allen Samenkörnern; wenn es aber gewachsen ist, so ist es größer als alle Kräuter und wird ein Baum, sodass die Vögel unter dem Himmel kommen und wohnen in seinen Zweigen.

Das Himmelreich gleicht einem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter das Mehl mengte, bis es ganz durchsäuert war.

Matthäus 13,31-33

 

 

Jesus ging immer wieder gegen den Pessimismus der Mitmenschen an. Schon wahr: Noch ist nicht genug Glück, Freude, Liebe unter den Menschen. Aber es ist doch ein Anfang. Und jedes neugeborene Kind ist ein Ruck nach vorn, weil es so viel Hoffnung mitbringt und mobilisiert.  Es kommt auf den Glauben, auf die Sichtweise an: geht alles den Bach runter oder ist alles im Werden?

   Jesus setzt auf eine Werdewelt. Sind die Anfänge noch so brüchig, Gott betreibt sein Reich. Und weil Gott der Betreiber ist, wird das Werden vollendet. Es ist wie bei einem Baum- später wird er riesig. Und es ist wie mit dem Mehl. Ein kleiner Zipfel Sauerteig macht das ganze Brot wunderbar geschmackvoll. Also setzen wir auf Heilwerden des Lebens und wirken daran mit.

 

                                                       *

 

Alles auf eine Karte

Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.

Das Himmelreich gleicht einem Kaufmann, der gute Perlen suchte,

und als er die kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.

Matthäus 13,44-46

 

 

Gott liebt dich und braucht dich- das sei dein Heilswort. Da setz alles drauf. Das nimm als Basis deines Denkens. Dafür lass alles fahren dahin. Dafür geh jede Wette ein: Du, Himmelreichbauer, du zukunftssüchtiges Glückskind,  was auch geschieht, du in Gottes Hand. Das hilft dir sortieren. Nicht Geldmachen sondern Freudemachen, nicht Machtvermehrung sondern mehr Verstehen ist dein Anliegen. Man muss sich den mit dem Schatz, den mit der Perle als glücklichen Menschen vorstellen.

 

                                                  *

 

Die Heilung eines Kranken am Teich Betesda

In Jerusalem ist ein Teich, der heißt Betesda. Dort liegen in fünf Hallen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte. Und ein Mensch lag schon achtunddreißig Jahre krank.

Als Jesus ihn sah, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden? Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein.

Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! Und sogleich wurde der Mensch gesund.

Aus Johannes 5,1-9

 

 

Dass man 38 Jahre lang nicht das rettende Wasser erreicht, könnte auch daran liegen, daß man nicht gierig gesund werden will. Es gibt auch einen „Krankheitsgewinn“, man kann seine Krankheit auch einsetzen als Hebel zur Macht.

Diesem Kranken mutet Jesus gut was zu: Nimm dein Bett und lauf! Jesus geht mit dem Kranken um, als wäre er schon gesund  und als hätte er nur zufällig vergessen, aufzustehen. Der Kranke steht  und geht und packt sich sein Bett auf. Manche Krankheit ist ja auch Ausdrucksmittel für einen seelischen Schaden.  Was mir fehlt, ich muss es finden, damit Kraft und Gesundheit zurückkehren können.

 

                                              *

 

Die Speisung der Fünftausend

Viel Volk war Jesus aus den Städten gefolgt. Und er litt mit unter ihren Leiden und manche  konnte er heilen. Am Abend traten seine Jünger zu ihm und sagten: Die Gegend ist öde und die Nacht bricht herein, schick das Volk nach Hause, damit sie an Essen kommen.

Aber Jesus sprach zu ihnen: Es ist nicht nötig, dass sie fortgehen; gebt ihr ihnen zu essen. Sie sprachen zu ihm: Wie das? Wir haben zusammen nichts als fünf Brote und zwei Fische.

Und er sprach: Bringt sie her! Und er ließ das Volk sich lagern und nahm die fünf Brote und die zwei Fische, sah auf zum Himmel, dankte und brach das Brot  und gab es den Jüngern, und die Jünger gaben das Brot dem Volk. Und sie aßen alle und wurden satt und sammelten noch körbeweise auf,  was übrig blieb. Die aber gegessen hatten, waren etwa fünftausend Menschen.

Matthäus 14,13-21

 

 

Die Speisung der Fünftausend ist ein leuchtendes Bild des menschenfreundlichen Gottes in Gestalt des Jesus. Gott gibt nicht nur gute Gedanken sondern auch gutes Materielles in Fülle. Jesus lehnt es zwar ab, „Brotkönig“ zu werden; er heilt und speist nicht am laufenden Band.  Er will vor allem die göttlichen Kräfte in uns freilegen und anfeuern. Wenn wir zusammenlegen, ist genug für alle da. Es kommt auf den Herzenswillen an, Gott beizustehen.

Sicher konnte Jesus auch Brot vermehren. Wenn er schon unser Lieben vermehren kann, ist doch Brot vervielfältigen, ein Klacks. Ob es so viel auf einmal war, ist offen. Aber Menschen sollen nicht hungrig bleiben- es kommt die Zeit der Fülle für alle. Diese Fülle fängt mit Jesu Hiersein schon an. Das Reich Gottes ist im Kommen- dafür sind Jesu Wunder und unsere heilsamen Taten Wegmarken.

Die Liebe wird mehr, wenn wir sie teilen. Auch wenn zwei sich lieben, mehrt das den Energiehaushalt, die beiden werden gütiger und freundlicher, ja auch frömmer. Hoffentlich erleben wir sie noch, die wunderbare Liebesvermehrung. 

 

                                                      *

 

Jesus geht auf dem Meer

Jesus  blieb wieder mal allein auf einem Berg und  betete. Am Abend waren die Jünger schon mit dem Boot vorgefahren, sie waren schon weit von Land. Da, gegen Morgen, kam Jesus ihnen auf dem See entgegen.

Und als ihn die Jünger auf dem See gehen sahen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht. Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bins; fürchtet euch nicht!

Matthäus 14,22-27

 

 

Vom Meer, das Planken hat für Jesus, gibt es viele Legenden. Der Kern ist, dass nichts uns scheiden kann von der Liebe Gottes, nichts die Jünger scheiden kann von ihrem Jesus, außer der Angst, sie seien geschieden.

Wenn Gott den Jesus von den Toten auferwecken kann, dann kann er auch eine Welt erschaffen und kann auch Jesus über Wasser halten- wenn’s denn sein muß,  keine Frage. Dazu braucht er nicht physikalische Gesetze außer Kraft zu setzen. Darum taugt die Geschichte auch nicht, um Jesu Himmelskräfte zu beweisen.

Aus dem Erschreckenden heraus spricht Jesus uns an: „Fürchte dich nicht. Ich bins.“ Das wäre die Rettung- das Grauen als Anfang der Erlösung zu sehen. In die Zukunft sehen, nicht wie in eine Geschützmündung sondern in Jesu Antlitz sehen- das zieht nach vorn.

 

                                                 

Petrus aber antwortete Jesus und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, hilf mir!

Jesus streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? Und sie traten in das Boot und der Wind legte sich.

Matthäus 14,28-32

 

 

Petrus hat das leuchtende Antlitz des Christus vor sich.  Hol mich zu Dir- sagt er. Jesus sagt: Komm. Und Petrus tritt aus dem Schiff, dem halbwegs sicheren  Boden, tritt ins Leere, betritt die Angst- wissend: er ist gehalten. Es ist ein Vertrauenswissen, nicht ein Beweiswissen. Aber als er den Blickkontakt mit dem leuchtenden Christus verliert, weil die Wellen ihn bannen, da trägt der Glaube nicht mehr.

Die  Macht, geschätzt zu werden und gehalten zu sein, muss innen blühen. Deine   Engelskräfte musst du wissen.  Du hast es schon erlebt, dass Frieden dich trug.

 

                                                                        *

Von Frauen lernen

Und eine kanaanäische Frau schrie Jesus an: Ach Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Meine Tochter wird von einem bösen Geist übel geplagt.

Und er antwortete ihr kein Wort. Da traten seine Jünger zu ihm und drängten ihn: Fertige sie ab, sie schreit uns nur nach.

Er antwortete aber und sprach: Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.

Sie aber fiel vor ihm nieder und sprach: Herr, hilf mir! Aber er antwortete: Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde.

Sie sprach: Ja, Herr; aber doch fressen die Hunde von den Brosamen, die von ihrer Herren Tisch fallen.

Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst! Und ihre Tochter wurde gesund zu derselben Stunde.

Matthäus 15,21-28

 

 

Möglich, daß Jesus zunächst exklusiv und eng zugunsten von Israel gedacht hat. Vielleicht sah er sich erst nur zu Israel gesandt. Die Heilsausstrahlung für die ganze Menschheit hat wohl erst Paulus erkannt und damit die Menschheit bis heute erleuchtet. Und doch ist auch Jesu Verständnis von der Liebe Gottes schon allumfassend. Mag sein, die kanaanäische Frau half ihm auf die Sprünge. Drei Anläufe, drei Bittanstrengungen bringt sie vor. Jesu barsch klingender Verweis- das Brot wirft man auch nicht vor die Hunde- nimmt sie hellsichtig und demütig zugleich auf. „Einige Bröcklein fallen doch ab, Herr… „. Jesus freut sich am Zutrauen und der Klugheit dieser Frau. Er lernt von ihr und gibt ihr Recht. Das Bedürftigsein- hier die  Seelenkrankheit der Tochter- lässt der Frau ja gar keine andere Wahl, als sich an Gott, bzw. den greifbaren Gotteszeugen zu wenden. Die Jünger wollten sie nur los sein.

Es sind fast immer Frauen, mit denen Jesus in tiefe Gespräche taucht.

 

                                                           *   

 

Jesus macht lebendig

Jesus Christus spricht: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.

Johannes 6,35

 

 

Für den Bauch sind Kalorien nötig, für den Geist ist Würde nötig. Jesus nährt uns mit Selbstbewusstsein. Er flößt uns Ichstärke ein. Er verteilt die intensivste Lebenskraft- sie  kommt vom Himmel her: Wir sind Brüder und Schwestern des Gottessohnes, also auch Gottes Kinder, sind Mit- teilhaber seiner Vollmacht.  Wir sind Mitschöpfer, etwa als Eltern; sind Freudenanfacher, etwa als Liebende, sind Freisprecher als Vergebende, sind Mitheilende als Fürbittende, sind Versöhnende in Gottes Namen als Friedenstiftende, sind Engel als Teilende. Und das alles, weil wir von Jesus Christus Gottesbewusstsein übernehmen und uns von seinem Gottvertrauen mit tragen  lassen. 

 

                                                *

 

Christus spricht:

Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Wenn ihr mich erkannt habt, so werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Philippus spricht zu ihm: Zeig  uns den Vater. Jesus spricht: Wer mich sieht, der sieht den Vater. Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue und noch größere.

Aus Johannes 14,6-12

 

Wie ist Gott als Vater zu erkennen?  In Natur und Geschichte begegnet uns eine gigantische Macht. Die Sonne und die Erdbeben, das Zurweltkommen der Kreaturen und das Fressen und Gefressenwerden, Kriege und Sterben- sind alles Wirkungen der Schöpfungsmacht.  Aber worin offenbart er sich als „Liebhaber des Lebens“ (Weisheit11,28)? Wie zeigt er sich mir als liebevoll,  wie erwählt er mich zu seinem Eigenen, wie geht er mit mir durchs finstere Tal? Christus sagt, Sieh mich an, glaub dich von mir erwählt, sieh mich an deiner Seite in den Mühen. Und halt zusammen mit denen, die ihr Leben mir nach leben. Nimm das Lieben der Mitmenschen als meine Wahrheit, nimm auch dein Lieben als Mitfühlen des ganzen Schöpfungsleibes. In deiner Barmherzigkeit  schaff der Welt ein kleines Atemschöpfen. Jesus lebt mit dir, in dir,  die Gerechtigkeit und die Unsterblichkeit, die Gott mit der Welt im Ganzen vorhat. 

                                                                        *

 

 

Der verdorrte Feigenbaum.

Und es  hungerte Jesus. Er sah einen Feigenbaum und  schaute, ob er etwas darauf fände. Er fand aber nichts als Blätter; denn es war nicht die Zeit für Feigen. Da sprach Jesus zu dem Baum zornig: Nie mehr esse auch nur einer  von dir in Ewigkeit! Und seine Jünger hörten das.

Markus 11, 12-15

Eigenartig: Unser Herr im Jähzorn. Das passt gut zu seinem Wort: Niemand ist gut außer Gott (Markus 10,18). Zum Unbeherrschtsein kommt noch Unwissenheit hinzu. Einsilbig dann auch der Tadel: Es war keine Erntezeit. Selbst die Jünger konnten seiner Verfluchung keinen Sinn abgewinnen. Sie hörten das, kopfschüttelnd wohl. Manches muß man stehen lassen.

Das konnten die Christen der nächsten Generation nicht. Matthäus baut aus der Geschichte ein Paradebeispiel für Gebet- und Verfluch-Erhörung. Betet, so geschiehts!

 Kann das gehen- ohne den Filter: „Dein Wille geschehe“. Oder das herrliche : „Zersorgt euch nicht. Gott weiß, was ihr braucht!“ Eigentlich braucht ihr nicht zu beten. aber macht ruhig (Matthäus 6,8). Jesus wagt so zu sein, wie er gerade ist. Er weiß: Gott wird damit fertig, er kennt seine(n)…und jetzt setz  deinen Namen ein.

                                                                              *

 

Vom unehrlichen Verwalter

Jesus sagte ihnen ein Gleichnis: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter. Über ihn wurde dem Herrn hinterbracht, er verschleudere seinen Besitz. Der Herr ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; deine Tage in meinen Diensten sind gezählt.

Der Verwalter sprach bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, zu betteln schäme ich mich.

Ich muss etwas tun,  was sie mir verpflichtet, auch wenn ich das Amt nicht mehr habe.

Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und fragte den ersten: Wie viel bist du schuldig? Er sprach: fünfzig Fässer Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, und schreib schnell fünfzig. Dann fragte er den zweiten: Wie viel bist du schuldig? Er sprach: Hundert Sack Weizen. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig. Und so ähnlich machte er es mit einer ganzen Reihe von den Schuldnern seines Herrn.

Und Jesus lobte den ungetreuen Verwalter, weil er klug gehandelt hatte. Denn, sagte Jesus, die Kinder dieser Welt sind unter ihres gleichen klüger als die Kinder des Lichts.

Und zu anderer Gelegenheit sagte Jesus: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewige Heimat.

Lukas 16,1-9

 

 

Wir sollen Klugheit lernen von den Lebensgeschickten: Sie nutzen die Gelegenheiten, sie wahren ihre Vorteile. Sie achten auf die Zeit; sie wissen, was dran ist. Sie können ihre Chancen abmessen. Und wenn sie wissen, das Geschäft geht den Bach runter, dann buchen sie um, transferieren auf andere Konten, machen sogar Schulden zugunsten einer sonnigen Zukunft.

Sind wir nicht alle geschickt, und achten darauf, dass was übrig bleibt für uns? Jesus, beurteilt das nicht- er will uns nur sagen: Um euren Vorteil zu sichern  seid ihr scharfsichtig- und für das Ganze seid ihr so blind. Denkt doch wirklich mal an eure wahren Interessen. Ihr wollt doch Gott gefallen, wollt mal genug Gutes getan haben. Euer Hiersein soll sich doch gelohnt haben- also investiert in eure Zukunft. Legt euer Geld in gute Taten an.  Macht euch Freunde mit dem blöden Geld-  es ist zum Glücklichmachen da. Und „ungerecht“ bleibt es immer, wenn es nicht unterwegs ist, Gutes zu tun. Mit wieviel Leid ist jeder Euro in meiner Tasche versehen, solang ich ihn für mich behalte.

Jesus lobt nicht den Betrug sondern die Hellsichtigkeit des Gauners.

 

 

                                                            *

 

Drängt die Trägen

Er sagte ihnen ein Gleichnis. Es war ein ungerechter Richter, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen.

Es kam aber eine Witwe zu ihm und bedrängte ihn: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher!

Und er wollte lange nicht. Dann aber dachte er bei sich selbst: Ich will ihr Recht schaffen, damit sie nicht noch komme und mir ins Gesicht schlage.

Und Jesus weiter: Wenn der ungerechte Richter sich schon belehren läßt, sollte Gott da nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen?  Sollte er’s bei ihnen lange hinziehen? Ich sage euch: Er wird euch  Recht schaffen in Kürze.

Lukas 18,1-8

 

 

Wenn schon eine resolute alte Dame einen faulen Richter dazu bringen kann, sich ihres Falles anzunehmen- und wenn er nur den Skandal scheut, daß eine wütende Frau  mit der Handtasche auf ihn einschlägt- also wenn er sie erhört, nur um  bald wieder seine Ruhe zu haben - um wieviel schneller wird Gott euch erhören; Er, der euch beisteht, weil er euch liebt!

Also betet, nicht um zu bedrängen, sondern um euch im Gespräch mit Gott zu wissen. Ihr habt ihn als euren ständigen Begleiter bei euch. Und nehmt jede  Lage als Bitte und Antwort zugleich. Es kann nicht sein, daß Gott schläft oder sich die Ohren verstopft vor euch Drängenden. Er ist mit euch auf der Höhe eurer Situation. Und  ist schon dabei, die missliche Lage zu wenden, weil er Heiler aller Gebrechen ist. Aber manches müssen wir dulden, weil Gott es auch dulden muss und dabei es austrägt.

Jesu Geschichte lehrt auch, daß wir bitten und drängen und auf die Nerven gehen sollen wenn Not ist. Manch einer muss erst wachgerüttelt werden.“ Um ihres unverschämten Geilens willen“(Martin Luther) bequemte sich der Richter, an die Arbeit zu gehen. Wir sollen uns mühen um Gehör, wenn es um unser und anderer Glück geht. Dies Drängen hilft ja auch Gott, ein Leid zu wenden mit Hilfe der Helfer. Also Gott bitten und Menschen.

 

                                                                *

Der talentierte junge Mann

Einer trat zu Jesus und fragte: Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben habe? Er sagte: Was fragst du - halte die Gebote. Der junge Mann darauf: Die hab ich gehalten von Jugend auf.

Und Jesus: Willst du vollkommen sein, willst du ganz sein, so verkaufe, was du hast, und gibs den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach!

Als der Mann das hörte, ging er traurig davon; denn er hatte viele Güter.

Matthäus 19,16-22

 

 

Hätte der Kerl doch geschwiegen. Die Zehn Gebote halten inklusive „Liebe  deinen Nächsten wie dich“, heißt doch, ein intensives Leben führen in Richtung ewiges Leben.  Da hebt schon mitten im Tun Ewiggütiges an, nicht erst dermaleinst. Sondern Hiersein ist voller blühender Anfänge.

Und man ist völlig damit beschäftigt, sich dem Irdischen zu widmen, ohne dessen Knecht zu werden;  Heiliges nicht missbrauchen und Eltern ehren als die ersten Mitarbeiter Gottes und nicht töten sondern Lebendigkeit fördern und: Liebe! Und schütze Ehen; und die Ehre eines jeden Wesens fördere und das Eigene betreibe ohne dem Andern etwas zu entwenden.- Das ist doch unerschöpflich. Wie kann der Mensch müde abwinken? Als wären die Gebote nebenbei zu erledigen.

Da aber macht Jesus mächtig Dampf: Willst du ganz mit dir im Reinen sein, dann lass alles los. Und überlass dich ganz der Gnade und Forderung des Augenblicks.

Aber so ausgeliefert an den Tag sein- das bringen nur wenige zustande. Viele sind notgedrungen dicht an dicht mit dem Verzicht. Aber dies freiwillig auf sich zu nehmen, dazu muss einen der Ruf treffen. Sonst soll man dem Herrn dienen mit den Gaben, die man empfangen hat. Da hat die Welt meist mehr von, als sich arm zu machen.

 

                                                               *

 

Jesus spricht: Ich lebe und ihr sollt auch leben.

Johannes 14,19

 

 

Dies  Wort des Jesus Christus rührt ans Herz der Welt.  Gott war in diesem Jesus in Fleisch und Blut. Damit ist uns ein Bild gegeben vom wahren Menschsein: Wach, liebevoll, lustvoll ausgestreckt nach Glücklichwerden und -machen, kämpferisch die falschen Bauformeln an Lebensentwürfen bloßlegend und das gute Gesicht Gottes zeigend- so war er, so sollen wir sein, annähernd.
Wir werden uns dann als lebendig erkennen. Das ist versprochen. Manchmal stehen wir  schon zur Auferstehung auf- spüren einen Frühling in unserer Seele, sind gern wir. Diese Verwandtschaft mit Jesus soll uns oft gelingen. Und nie bleiben wir tot, höchstens drei Tage. Warum? Weil Gott nicht ohne dich sein will. Darum wirst du ewig leben. Und es wird Freude sein, Freude sein.
Dass wir noch irdisch sind, lasst uns nutzen- noch ist Zeit zu werden, noch ist Zeit zu lieben. Hilf, daß ein Mensch aufatmet, wegen dir. Glückliche Tage dir und durch dich!  

 

                                                               *

 

Liebet!

Christus spricht: Das ist mein Gebot: Ihr sollt einander lieben- wie ich euch auch liebe. Wer liebt, setzt sein Leben ein für seine Freunde. Ihr seid meine Freunde- ihr befolgt mein Gebot. Und bedenkt: Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, Frucht zu bringen.

Johannes 15,12-16

 

 

Liebe, und tu, was du willst! -sagte Kirchenvater Augustin. Gemeint ist wohl: tu, was du liebend wollen kannst.  Mit dem Meinen mich einsetzen für Nächste- das ist eine Lebensberufung. Es sei mir Dauerauftrag, menschenfreundlich zu werden.  Das ist die Frucht, die wir bringen sollen, wir von der Liebe Erwählten.

 

                                                              *

 

Eine kluge Frau

Jesus war mit seinen Jüngern auf dem Weg. Da trat eine  Frau aus Kanaan auf ihn zu und rief: Herr erbarme dich meiner! Meine Tochter wird von einem bösen Geist geplagt.

Er antwortete aber: Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. Sie aber kam und fiel vor ihm nieder und sprach: Herr, hilf mir trotzdem!

Er antwortete: Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde. Sie sprach: Ja, Herr; und doch fressen die Hunde von den Krümeln, die von ihrer Herren Tische fallen.

Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: Frau: dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst! Und ihre Tochter wurde gesund zu derselben Stunde.

Matthäus 15,21-28

 

 

Unfassbar, daß Jesus die Frau so hart abwies. Aber vielleicht musste auch er lernen. Er meinte wohl tatsächlich er sei zuerst zu Israel gesandt; und wenn Israel mit Gott im reinen ist, dann bekehrt Israel die ganze Menschheit.  Und doch geht es nicht, die andern mit Hunden zu vergleichen. Der Glaube der Frau beschämt ihn dann auch. Sie denkt größer von Gott als er.

Er lässt sich von ihr ins Gebet nehmen. Er lässt sich von ihr abverlangen, was ihm zum Austeilen anvertraut ist. Das Bedürftigsein wiegt mehr als Vorrechte aus alter Zeit. Das lernt Jesus von einer unbekannten weisen Frau.

 

                                                       *

Simon wird Fels

Jesus  fragte seine Jünger: Für wen halten mich die Leute?

Sie sprachen: Einige halten dich für den Täufer Johannes, andere für den Propheten Elia, wieder andere meinen, du seist einer der anderen Propheten. Dann fragte er: Und was meint ihr, wer ich bin?

Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!

Da sprach Jesus zu ihm: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; Fleisch und Blut haben dir das nicht eingegeben, sondern mein Vater im Himmel.

Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.

Matthäus 16,13-19

 

 

Sicher besprach sich Jesus oft mit seinen Jüngern über seine Wirkung auf die Menschen. Die von ihm Begeisterten sahen ihn als großen Lehrer, Zeugen, Propheten; einige hielten ihn auch für den im feurigen Wagen entrückten Elia, mit dessen Wiederkunft  ja der Vorhang aufgehen sollte zum Reich Gottes am Jüngsten Tag.

Einen Quantensprung weiter machte Petrus. Er fiel vor Jesus nieder, sieht ihn als Gott auf Erden; im Bild von damals: als Sohn Gottes. Das aber ist nicht Erkenntnis von Simon sondern ist ihm eingegeben, sagt Jesus: Also keine Kalkulation bringt uns zum Glauben sondern Heiliger Geist  nimmt uns die Schuppen von den Augen. Dann kann uns aufgehen: Christus ist Gott bei uns.

Dem Simon nachglauben, heißt, mit allen Schwächen dich doch als Fels von Kirche mit wissen, und mit Simon und in seiner Nachfolge Gemeinde bauen, die schon Anfang und Eingang von Himmelreich ist.

Das sogenannte Petrusbekenntnis ist Schlüsselstelle für ein hochgetrimmtes Papstverständnis. Aber ganz abgesehen davon, daß auch eine solch großartige Erhebung des Petrus noch keine grandiose Nachfolge (Succession) begründet- es ist unwahrscheinlich, daß der historische Jesus eine  Kirche, wie sie im Laufe der Jahrhunderte geworden ist, gegründet hat. Wohl hat er nach der Auferstehung die Jünger losgesandt, die gute Nachricht vom Reich Gottes auszustreuen- aber eine „Verbeamtung“ des Simon als Grundstein der Kirche scheint erst nach einem Jahrhundert gewachsener Kirche in Rom nachformuliert. Erst später ist der (in Rom aufbewahrte) Matthäus-Text um diese Passage erweitert.

Gar nicht passt es zu  Jesus, seine Jünger so zu erheben, dass sie Mitmenschen ihre Sünden ewig behalten können. Dann wären Menschen auf immer  mit ihrer Schuld verschweißt und auch Gott könnte nicht mehr ihnen vergeben. Mag sein, daß triumphale Kirchenobere sich  solche Vollmacht, solche Schlüsselgewalt  erträumen -  im Sinne des grundgütigen Gottes ist sie nicht; und Jesus hat sie sicher nicht erteilt.

 

                                                                          *

 

Sein Kreuz auf sich nehmen

Jesus sprach zu seinen Jüngern: Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir.

Matthäus 16,24

 

 

Den Maßstäben des Jesus nachleben, bringt mich zu mir. Ich komme zu mir, wenn ich mich liebe und den Nächsten; Ich komme zu mir, wenn ich nicht kämpferisch auf meinem Recht beharre sondern mit dem Gegenüber Einvernehmen suche. Ich finde mich, wenn ich mich nicht drücke vor dem, was mir aufgegeben ist. Dazu gehört Mühsal und Freude – beide soll ich leben.

Dem Jesus glaube ich nach, daß Gott mich lieb hat und mich braucht. Dazu muss ich meine kleine aber zähe Ichsucht des Öfteren zurückstellen. Aber ich muss mich nicht verleugnen, eher ist es doch verheißungsvoll gemeint: Dem Jesus nach werde ich mehr ich.

 

                                                                         *

Mehr Leben ins Leben

Wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren; wer aber sein Leben weggibt um meinetwillen, der wird’s finden.

Matthäus 16,25

 

 

Leben muss sich erhalten, dieser Trieb ist allem Lebendigen eingestiftet. Nur der Mensch kann sich umbringen. Aber er soll doch sein Leben nutzen und gestalten und dankbar genießen. Versteh Jesu Wort doch so: Wer nur um sich selbst kreist, muss verrückt werden. Wir können unser Glück nicht direkt ansteuern, wir müssen das Glücken des Ganzen im Auge behalten. Wer sich selbst genug ist, verhungert.

Investieren wir uns ins Leben. Bringen wir unsere Begabungen auf den Markt der Möglichkeiten. Bitte, will nützen. Statt mit dem Leben im Streit zu liegen, will dem Leben geben, was es braucht, damit es dich mag und weiterhin erhält. Damit betreiben wir Christi Sache.  

 

                                                              *

 

Verkauf dich nicht

Was würde  es dem Menschen helfen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?

 

 

Matthäus 16, 26

Gewinnen ohne was zu geben, was hat das für Sinn? Ich lasse andere bluten. Ich muß mich doch vor mir  selber ekeln, wenn (mit nur wenig anderen) mir es immer besser geht, und die andern, die meisten Mitmenschen darben. Der Schaden an meinem Ich wäre monströs, ich wäre ein Zombie, nur wert, bestohlen zu werden. Wenn ich viel mehr habe als ich brauche, aber eine  Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, dann lebe ich in Sünden und kann nicht glücklich sein. Darum will ich noch mal nachdenken, was jetzt dran ist für mich.

 

                                                                *

 

Die Verklärung Jesu

Jesus nahm Petrus und Jakobus und Johannes mit sich auf einen hohen Berg.

Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. Und es  erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm.

Petrus aber sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so wollen wir drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.

Da überschattete sie eine lichte Wolke. Und eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!

Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr. Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht! Und sie sahen niemand als Jesus allein.

Sie stiegen wieder vom Berg hinab zu den anderen.

Matthäus 17,1-9

 

 

Die Jünger konnten Jahre mit Jesus durchs Land ziehen, aber daß sie mal den Himmel offen sahen, war ein seltener Glücksfall. Auch Jesus  war wohl  nicht ständig voller Gottes- und Selbsterkenntnis. Die Verklärung auf dem Berg zählt wohl zu den Sternstunden der Menschheit. 
Völlige Stille, nur Sonne, Wind, Felsen. Den Alltag ließen sie unten im Tal. Nur die drei allernächsten Freunde erleben Jesus mit einem Antlitz, das von einer glühenden Gotteserfahrung gezeichnet ist. Sie sehen Jesus, ihm zur Seite die höchsten Gottesgaranten- und wollen diesen Augenblick bannen, wollen ihm Dauer verleihen, wollen den drei Gottesfreunden Hütten bauen, damit sie im dauernden Zwiegespräch bleiben können, von der alten Erde ungestört. Und die drei Jünger würden ihnen zu gerne dienen, dem Üblichen enthoben.

Doch Jesus  wischt ihnen übers Gesicht: wir müssen zurück an die Arbeit. Die anderen brauchen uns. Die uns zustehenden Körnchen Glück liegen im Acker des Alltags, bergen wir sie, mühen wir uns. Und die Beute der Glückseligkeit „oben auf dem Berg“ ist: Fürchtet euch nicht.

 

                                                                         *

 

Kindlich, nicht kindisch

Die Jünger fragten Jesus: Wer ist wohl der Größte im Himmelreich?

Jesus rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie und sprach: Wahrlich,

ich sage euch: Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins

Himmelreich kommen. Es läuft darauf hinaus, von neuem geboren zu werden.

Matthäus 18,1-3; Johannes 3,3

 

 

Kind bleiben geht nicht. Wir müssen erwachsen werden, Verantwortung übernehmen, Leben gestalten, Leid tragen. Kinder haben alles noch vor sich. Erwachsen geworden haben wir unsere Zukunft hier irgendwann gelebt und müssen sterben. Was das Himmlische am Kindsein ist?  Doch zu leben aus vollem Vertrauen, unverstellt zu bitten, mit Überschwang zu genießen, zu teilen von Natur aus und zu nehmen ohne Berechnung- dankbar, ohne es extra zu sagen. Wieder so werden nach den Zeiten des Vernünftelns und Berechnens- das wäre Glück. Und auch dies gilt. „Dass sie das Erstmalige als Einmaliges zu bestaunen und zu verherrlichen vermag, ist das große Wunder der Jugend. Dass sie das Einmalige jeder Wiederholung zu erkennen und zu verehren vermag, ist das größte Wunder der Reife“ (Ludwig Strauss).

 

                                                      *

 

Wo ist Christus?

Christus spricht: Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.

Matthäus 18,20

 

Sicher ist Christus auch bei dir, wenn du für dich bist. Aber Gemeinde ist wichtig, um mit andern von und mit Christus zu reden. Lieben, das macht den Liebenden des Lebens, Christus, gegenwärtig. In seinem Geiste denken und handeln, macht  zu Christi Leib. Liebend lebt er uns, leben wir ihn. Jede Umarmung, jedes Brotteilen ist Gott, Christus leibhaftig. So ist Lieben nicht Hobby sondern Welterschaffung.

 

                                                   *

 

Nächstenliebe beschafft Leben                                                             

Ein Schriftgelehrter fragte: Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?

Jesus sprach zu ihm: Was sagen die Gebote?

Er antwortete und sprach: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst« (5.Mose 6,5; 3.Mose 19,18).

Jesus sprach zu ihm: Du weißt es. Tu es, so wirst du leben.

Er aber wollte sich selbst rechtfertigen und sprach zu Jesus: Wer ist denn mein Nächster?

Lukas 10,25-29

 

Wir wissen, was gut ist und was also Gott von uns fordert. Ja, im Gewissen sind wir zum Guten aufgefordert (das ist fast ein Gottesbeweis: wir wissen uns vor einer letzten Instanz verantwortlich).  Auch die abwehrende Frage, wer denn mein Nächster sei, spricht nicht frei. Wie auch die Frage: Was ist denn Wahrheit? (Johannes 18,38) nicht einlädt zum Lügen.                                  Gott lieben, den Nächsten, dich selbst- der dreifach gezwirnte Faden hält uns fest. Wer fragt „wer ist denn mein Nächster?“-will nicht helfen. Aber irgendwann wird er in Not sein und wird darum bitten, daß ihm einer zum Nächsten wird.

                                                                               

                                                 *

 

Der barmherzige Samariter

Jesus erzählt:

Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber; die zogen ihn aus und schlugen ihn, machten sich davon und ließen ihn halb tot liegen.

Es traf sich aber, dass ein Priester dieselbe Straße hinabzog; und als er ihn sah, ging er vorüber. Desgleichen auch ein Lehrer: Als er zu der Stelle kam und ihn sah, ging er vorüber.

Ein Samaritaner aber, ein Ausländer, der auf der Reise war, kam auch dahin; und als er ihn sah, erfasste ihn Mitleid. Er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn.

Am nächsten Tag gab er dem Wirt zwei Silbermünzen und sprach: Pflege ihn weiter; und wenn du mehr ausgibst, will ich dirs bezahlen, wenn ich wiederkomme.

Und Jesus fragt: Wer von diesen dreien, meinst du, ist der Nächste gewesen dem, der unter die Räuber gefallen war? Er sprach: Der die Barmherzigkeit an ihm tat. Da sprach Jesus zu ihm: So geh hin und tue desgleichen!

Lukas 10,30-37

 

Wenn uns nur diese Geschichte des Jesus überliefert wäre, hätten wir damit eine Quelle immer frischen Wassers. Es ist die reine Wahrheit: Wer ist mein Nächster? Dem ich Nächster werde, wenn er mich braucht.

Typisch, dass der Priester seinen Dienstplan als Brett vorm Kopf hat und der Lehrer muß erst im Beamtenrecht nachschlagen. Beide meinten, sich rituell zu verunreinigen. Aber der Fremdling, der mit anderer Religion, tut das Mitmenschliche.

An den aufgezählten Aktionen kann man den ganzen sozialen Dienst aufschlüsseln:  Sehen, also merken, wahrnehmen; hingehen, Wunden säubern und desinfizieren, verbinden, abtransportieren zu einer Versorgungsstation, bei ihm bleiben, Pflege sicherstellen, dann Menschen zuständig machen durch Verpflichtung und Bezahlung.

Heute käme noch Vorsorge dazu, Ausstattung der Straße mit Beleuchtung und Notrufsäule, vielleicht auch Überwachungskameras? Jedenfalls verbesserte Sozialarbeit in dieser Gegend. Auch ADAC,  Feuerwehr und Rotes Kreuz haben beim Samariter, bzw. bei Jesus gelernt.

Es mag so scheinen, daß in den Kirchen kein  Feuer mehr brennt. Aber sie heizen das soziale Gewissen an, die Glut unter der Asche, das Evangelium, ist noch heiß. 

 

                                                    *

 

Was wichtiger ist

Jesus kam in ein Dorf und besuchte dort die Schwestern  Maria und Marta. Maria aber setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu.

Marta jedoch war ganz davon in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen. Irgendwann ging sie zu Jesus und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!

Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.

Lukas 10,38-42

 

Immer noch ist Streit zwischen Denken und Handeln, Beten und Arbeiten, Diakonie und Theologie, Glauben und Lieben.

Jesus ist zu Gast, die eine Schwester führt den Haushalt, bringt feine Sachen auf den Tisch, die andere Schwester genießt den Jesus, sitzt zu seinen Füßen, hängt an seinen Lippen. Marta sieht die beiden im Gespräch versunken, sieht auch Marias glänzende Augen. Und Marta sieht sich in die Küche verbannt. Wenigstens aufdecken könnte die andere mal eben… Da hält es Marta nicht mehr aus, sie herrscht den Gast an, er solle Maria mal Beine machen. Da ergreift Jesus Partei für die Hörende, die ihn Genießende.

Sicher ist Jesus nach dem guten Mahl mit Marta in den Garten gegangen und hat sie gelobt für alle Mühe und hat ihr Mut gemacht, auch mal zu ruhen. Und als sie wieder reinkamen, hatte Maria abgedeckt und die Küche war sauber. Schön wärs.

 

                                                  *   

 

Der reiche Mann

 Jesus sagte: Auf den Feldern eines reichen Mannes stand gute Ernte. Da überlegte er: Was soll ich tun? Wo soll ich die Ernte unterbringen? Schließlich wußte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dann kann ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen. Und  kann zu mir sagen: Liebe Seele, nun hast du einen großen Vorrat für viele Jahre. Ruh dich aus, iss und trink und freu dich des Lebens!

     Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann all das gehören, was du angehäuft hast?

So geht es jedem, der nur hier Schätze sammelt, aber nicht reich ist bei Gott.

Lukas12,13-21

 

Der reiche Kornbauer, der rafft und sichert und Vorsorge trifft für viele Jahre, dann einfach umkippt und nur geschuftet hat für die lachenden Erben- das ist zu recht ein Horrorbild, dem jeder entgehen will.

Vorsorge ist ja für uns Normale geboten. Mit Rentenversicherung und vernünftigem Sparverhalten beschaffen wir, daß wir nicht der Armenpflege oder den Kindern anheim fallen müssen.

Doch wir sind im Rahmen unseres Vermögens auch verpflichtet, Hunger und Leid zu mildern. Ekelhaft, wenn wir zu den wenigen gehören, denen es finanziell immer besser geht.

 

                                                 *

 

Wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz

Lukas 12,34

 

Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott, sagt Luther. Wofür du dich begeisterst, das macht dich aus. Wir müssen geben können, also brauchen wir Geld. Nicht das Geld ist böse oder gut; es liegt an dem, ders brauchen tut.

 

                                                          *

 

Das Unglück von Siloah

Jesus sprach: Als  der Turm von Siloah umstürzte  und achtzehn Menschen erschlug – meint ihr, die seien schuldiger gewesen als all die andern Menschen ringsum, die überlebten? Ich sage euch: Nein; sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen.

Lukas 13,4.5

 

 

Warum gerade die und nicht andere? Warum andere und nicht ich? Es ist die ewige Frage, ob Unglück gezielt trifft. Dann müssten die Opfer besonders viel Schuld auf sich gehäuft haben und wie zu einer Hinrichtung von langer Hand an diesen Ort zu dieser Zeit geführt worden sein. Dieser Gedanke ist absurd. Gar nicht auszudenken ist doch, Gott sortiere per Unglück die Bösen aus.

Also keine Erklärung, warum gerade die starben. Und keine Erklärung warum du, ich, noch am Leben sind.  Und auch heiligmäßiges Handeln gibt keine Sicherheit. Es ist Leid in der Welt und muss getragen werden. „Selig die Leid tragen“ sagt Jesus (Matthäus 5,4) und hat sich vor seinem Quantum nicht gedrückt.

Als Jesus bittet: Lass diesen Leidenskelch an mir vorübergehen (Matthäus 26,39), weiß er sich in Gottes Hand, weiß Gott als die Geschichtsmacht. „Warum lässt Gott das Leid in der Welt zu „- wir dürfen es fragen als Leidende, aber nicht als Zuschauer die sich vor dem Helfen drücken. Gott ist letzte Adresse für Dank und Klage - das ist keine Erklärung aber unsere letzte Rettung. 

Auf viele Arten können wir unter die Räder kommen, unser Leben vertun, seelisch verhungern, geistig ersticken. „Tut Buße“ heißt: halt inne, mach Bilanz, sieh zu, wovon du wegkommen musst, wovon weg du umkehren willst zu einem Menschsein voll heiligem Geist? Wieviel Erschütterung müssen wir zusammen durchmachen, daß die Erde eine Zukunft hat?

 

                                                        *

Der Feigenbaum

Jesus sagte ihnen dies Gleichnis: Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberg, und er kam und suchte Frucht darauf und fand keine.

Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang gekommen und habe Frucht gesucht an diesem Feigenbaum und finde keine. So hau ihn ab! Was nimmt er dem Boden die Kraft?

Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr, lass ihn noch dies Jahr, ich will um ihn graben und ihn düngen; vielleicht bringt er doch noch Frucht; wenn aber nicht, so hau du ihn dann ab.

Lukas 13, 6-9

 

Manchmal haben wir die Nase voll von einer Freundschaft, die enttäuscht; von einem Team, das mobbt. Dann schmeißen wir hin, schmeißen raus. Auch Ehen können fruchtlos scheinen und wir hauen den Stamm ab. Aber Halt!

Wieviel Gründe hat Gott, dich und mich aufzugeben. Und doch hält er zu uns Schwierigen. Wieviel ganz Andere könnte er pflanzen und uns Vorhandene ausrotten. Aber er müht sich noch einmal und wieder noch einmal, beschafft uns Lebensmut, gibt neuen Glauben, wir gehen noch einmal ans Werk.

Herrlich, wenn einer für uns eintritt, uns „entschuldigt, Gutes von uns redet und alles zum besten kehrt“ (M.Luther), uns einen anderen Standort gibt, eine neue Chance; wenn sich einer für uns verbürgt und wir noch ein Jahr Zeit bekommen.

 

                                                          *

 

Gottes Sammelleidenschaft

Gott spricht: Jerusalem, Gemeinde, wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt.

Lukas 13, 34

 

Jesus schenkt uns den glückhaften Vergleich. So voll Hingabe sorgt sich Gott um uns wie eine Henne um ihre Kleinen. Sieh dich auch behütet unter dem Schatten seiner Flügel. Wenn du auch Mühe hast mit dem Leben, gehst du nicht verloren, auch dir selbst nicht. Es ist eine Schutzmantelenergie um dich, immer.                                                                                                                        

 

                                                           *

 

Das große Abendmahl

Jesu saß mit einigen zu Tisch, da rief einer entzückt: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes!

Da sprach Jesus: Hört mal, es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit!

   Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu beutachten; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen.

Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein.

Bald sprach der Knecht: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da.

Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, auf dass mein Haus voll werde. Denn ich sage euch, dass keiner derer, die eingeladen waren, noch mitfeiern wird.

Lukas 14,15-24

 

Der Einstieg ist wichtig:  Jesus speist mit einigen und da lobt jemand die schönen himmlischen Aussichten. Und Jesus sagt, das Fest beginnt jetzt und hier. Und wer hier nicht mitfeiert, hat da nichts mitzulachen.

Wir lassen uns ja alle gern den Himmel schenken. Aber ihn hier mitzubauen, ihn hier anfangen lassen, indem wir hier  schon zur Christengemeinde gehören und sie stärken, muss das denn sein?  Die Lust am Privaten und Individuellen ist ja heute stark. Man will sich nicht verpflichten.  Man will kommen, wenn’s einem passt. Auch bei Gott schaut man gern mal rein, wenn einem danach ist. Und wenn die Geschäfte gemacht sind.

Ob wir wirklich ausgeschlossen werden von der Vollendung, weil wir auf Erden so egoistisch waren- (es gibt ja auch einen Egoismus zu Zweit)? Das ist nicht Jesu Wille. Aber das Wichtige sollen wir nicht aufschieben-  das Fest der Liebe und der Freundschaft ist jetzt schon im Gange- es kann nicht auf uns warten.

 

                                                          *

 

Vom verlorenen Schaf

Es kamen viele Verachteten und Ausgestoßene zu Jesus. Rechtschaffende murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen.

Jesus  sagte ihnen:

Welcher Mensch, der hundert Schafe hat und, wenn er eins von ihnen verliert, lässt nicht die neunundneunzig zurück und geht dem verlorenen nach, bis er’s findet? Und wenn er’s gefunden hat, so legt er sich’s auf die Schultern voller Freude und bringt es nach Hause und die im Hause freuen sich mit?

Ich sage euch: Genau so wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut- mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.

Lukas 15,1-5.7

 

 

„Zöllner und Sünder“ - das ist zu Jesus Zeiten ein stehender Begriff für die Verachteten, die für unrein Gehaltenen, die die Speise-und Waschgebote nicht  einhielten, ob aus Unwissenheit oder Unvermögen; die Zolleintreiber der römischen Besatzung und alle anderen mit schlechtem Ruf. Sie waren  zum Ausschuss erklärt von den „Pharisäern und Schriftgelehrten“,  den „Mullahs“ von damals. Jesus sucht die Nähe derer mit dem schlechten Ruf. Die öffentlich als Sünder dastehen, die Versager, die Ehrlosen, die, „mit denen man nichts zu tun haben will“, für die steht Jesus ein, oft isst er mit ihnen, sagt ihnen, zeigt ihnen: Gott liebt euch auch und braucht euch auch.

Jesus ist der Hirte, der den Verlorenen und Abgeschriebenen wieder Platz einräumt in der Familie Gottes.  Christliche Gemeinde als Familie Gottes auf Erden muss der „Leib Christi“ sein, der den Verachteten  ehrerbietig begegnet und eher Ärgernis  riskiert als zu verstoßen.

Stellvertretend für Gott hegt Jesus die „Heruntergekommenen“ wie die Bürger ihren Besitz hegen. Jesus nimmt die Schiefblickenden bei ihrer besten Seite: Ihr geht doch eurem verlorenen Schaf auch nach, sei es aus Eigennutz oder aus Mitleid.

 

                                                          *

 

Offene Frage

Wird der Christus, wenn er kommt, Glauben finden auf Erden?

Lukas 18,8

 

 

Findet er dich verliebt in Gott und das Leben? Sieht er dich den Teig der Umstände kneten? Dass daraus Brot wachse, gerechtere Verhältnisse, Verstehen?  Bist du bereit für den unteren Weg? Willst du dein Opfer bringen, wenn es sein muss?  Sollen Menschen durch dich Mut gewinnen und  Freude?

Der Christus kommt ja inkognito- er ist mitten unter uns, sonst hätten wir uns längst totgeschlagen. In jedem tröstenden, aufbauenden, friedenschaffenden Wort wirkt er. Christus ist das Heilmittel –in Mutterliebe und Feindesliebe; in Körperfreude und Gelingelust ist er mitten unter uns. Ob er in uns einen Kumpan findet? (Cum pane –mit einem das Brot teilen; das  Abendmahl bildet dies Zusammengehören ab).

 

                                                           *

 

Vierhundertneunzig mal

Petrus fragte Jesus: Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben? Genügt siebenmal? Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: nicht siebenmal, sondern siebzig mal siebenmal.

Matthäus 18,21f

 

 

Also einfach endlos vergeben soll ich meinem Nächsten.  Warum? Weil uns nichts scheiden kann von der Liebe Christi (Römer 8,35), und er zu vergeben und zurechtzubringen nicht aufhört. Darum  soll uns auch keine Schuld von irgendeinem abweisend machen gegen diesen. Je mehr einer gegen uns schuldig wird, umso mehr braucht er unsere Vergebung. Wie auch wir ja Vergebung brauchen. –Traurig, wenn wir uns zurückziehen, nichts mehr zu tun haben wollen, nicht mehr verletzt werden wollen.  Wir sollen nicht aufhören, Nähe anzubieten, egal was einer versäumt hat. Wir haben noch viel zu lernen.

 

                                                             *

 

Jesus, das Brot

Amen, ich sage euch: Ich bin das Brot des Lebens, das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird leben in Ewigkeit.

Johannes 6, 48.51

 

Das Lebensmittel überhaupt ist (neben Reis) Brot. Jesus als Brot- das meint: Christus sei dir Geistesnahrung, Lebensenergie, Quelle für Sinn:

Er sei dir Inbild der Bewahrung. So findest du dich ins richtige Verhältnis zu Gott gesetzt: du Sohn oder Tochter. Alles ist dir anvertraut, du Mitarbeiter, Mitfeiernder, Mitleidender- alles auch dir zugemutet, alles auf  dich hin erschaffen.

Mit Jesus-Energie gespeist, bestehst du das Leben.

Jesus hat Gottes Nähe beim Menschen  und die Gottgehörigkeit des Menschen  mit seinem Leben dokumentiert und mit seinem hoffnungsgetränktem Sterben verbürgt. Er ist auch das Treibmittel für die Phantasie: Alles ist dir erlaubt, was aufbaut;  es lässt gütiger werden und treibt die Kräfte des Herzens an.

Glaub dem Jesus seinen Gott, dass er dich liebt und braucht, dich ernährt und von deiner Verzweiflung, deiner Oberflächlichkeit abkehrt.

 Er ist das größte Ausstrahlungsereignis der Geistesgeschichte.

                                        

                                                         *

 

Jesus und die Ehebrecherin

Jesus lehrte beim Tempel, und alles Volk kam zu ihm. Da brachten

Schriftgelehrte eine Frau, beim Ehebruch ergriffen, zu ihm und stellten sie in die Mitte und sprachen: Meister, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. Mose hat uns im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du?

Das sagten sie aber, ihn zu versuchen, damit sie ihn verklagen könnten. Aber Jesus bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde.

Dann richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. Als sie das hörten, gingen sie weg, einer nach dem andern, die Ältesten zuerst; und Jesus blieb allein mit der Frau, die in der Mitte stand.

Jesus aber richtete sich auf und fragte sie: Wo sind sie, Frau? Hat dich niemand verdammt? Sie antwortete: Niemand, Herr. Und Jesus sprach: So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr.

Johannes 8,1-11

 

 

Eine  Urszene: Verdammende Männer. Und der männliche Teil des Ehebruchs kommt irgendwie davon. Alle wollen sie sich zu Richtern aufwerfen, wollen sich empören, wollen strafen und damit auf der guten Seite sein.

Jesus ist gefordert, aber er tut als hätte er ewig Zeit und  auch der Schuldsache schaffe er  Aufschub. Die mit Steinen bewaffneten Kerle sind zum Strafvollzug bereit, je eher, desto besser- dann ist die Ordnung wieder hergestellt: Und die Männer können weiter sicher sein, daß ihre Frau ihr Besitz bleibt. Und sie ein Recht auf Totschlagen haben, wenn die Frau sich einem andern zuwendet. Doch wer wendet denn Frau von ihrem Gemahl ab?  Sind nicht die begehrenden Männer mindestens zur Hälfte mit schuld?

Jesus sagt den wohl hellsichtigsten Satz der Menschheit, um dessen willen man diesen leuchtenden Menschen schon lieben müsste von ganzem Herzen. Und Mann für Mann läßt seinen Stein fallen und hebt sich davon. Sie erkennen ihre geheime Mitschuld an. Wir Lesende auch?

Die Frau  mit Jesus allein- wahrscheinlich hat er sie nicht mehr ermahnt, sie wusste selbst. 

 

                                                            *

Jesus- das Licht

Jesus  spricht: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.

Johannes 8,12

 

 

Dem Jesus nach sich und jeden kostbar und geliebt von Gott wissen. Das macht ein herrliches Bewusstsein von Würde und Ehre. Man geht einen aufrechten Gang, nicht aus Vielwissen oder aus Zahlungsfähigkeit- das alles sind Gaben, in denen immer ein anderer noch besser ist. Sich  als Sohn/Tochter Gottes glauben, dem Jesus nach- das heißt: das Licht des Lebens und also die Wirklichkeit erleuchtet sehen.

 

                                                         *

 

Wahre Freiheit

Jesus sprach: Wenn ihr in meinem Wort bleibt, so seid ihr wahrhaft meine Jünger; und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.

Johannes 8,31f

In Jesu Wort bleiben macht das Jüngersein aus; es macht die Wahrheit erkennen und lässt frei werden. Große Worte, weiter Horizont. An, in Jesu Wort bleiben heißt, ihm nach Söhne, Töchter Gottes zu sein. Die wollen hellsichtig leben, unzerstreut, gesammelt, strebend nach den richtigen Begriffen von unseren wesentlichen Bedürfnissen nach dem Guten, dem Schönen, dem Wahren. Liebe und Wahrheit sollen siegen über Lüge und Gewalt (Vaclav Havel). Und das müssen wir wissen: „Wer mit einem Scheißdreck rammelt, er gewinne oder verliere, er geht beschissen davon“ (M. Luther).

 

                                                             *

Jesus-  Licht, Tür, Hirte

Jesus  spricht: Ich bin das Licht der Welt. (Johannes 8,12)

 Ich bin die Tür.(Johannes 10,9)

Ich bin der gute Hirte. (Johannes 10,11)

 

Die ewigen Bilder für das Erhellende, Öffnende, Behütende von Jesus-Gott.

Wer Jesu Worte hört, dem geht die Welt als geliebte Schöpfung auf.  Sein Tun und Sagen öffnet mein Herz für die Schöpfung, für alle Kreatur, den Nächsten und mich selbst. Alle Verachtung und Verneinung fällt ab. Ich werde offen, Angst löst sich auf. Der Menschenhirte geht mir zur Seite. Ich kann loslassen und annehmen, Frieden geben, Liebe nehmen. Dunkel wird hell.  Ich werde brauchbar fürs Leben.

 

                                                                *

 

 

Ehe ist ein Segen

Die Lehrer fragten Jesus: Ist’s erlaubt, dass sich ein Mann von seiner Frau scheidet?

Jesus antwortete: Habt ihr nicht gelesen: Der im Anfang den Menschen geschaffen hat, schuf sie als Mann und Frau und sprach (1.Mose 2,24): »Darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und an seinem Gefährten hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein«? So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Ganzes. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden!

Da fragten sie: Warum hat dann Mose erlaubt, mit einem Scheidebrief  sich doch trennen zu können? Er sprach zu ihnen: Um eurer Herzenshärte willen hat er es gesagt; im Grunde  ist’s nicht so gemeint.

Und er sagte auch: Die Ehe ist nicht jedes Menschen Sache.

Matthäus 19,2-8.12

 

 

In der Schöpfungsgeschichte klingt es so, dass der Mensch paarweise gedacht ist. Tatsächlich sind wir von Grund auf aufs Du angelegt. Aber nicht jeder Mensch ist für eine lebenslange Zweieinigkeit gemacht, nicht für eine gänzliche soziale Einheit, ein Wohnen, eine Familie, ein Konto, ein Altwerden, eine Lebensgesprächspartnerschaft. 

Auch Jesus war nicht verheiratet, er lebte die wohl einzig echte Alternative zur Ehe: die Befreundung mit vielen.

Ehe ist das Immer- wieder- einig- werden -Wollen, das „in Freud und Leid sich nicht verlassen“ -Wollen, das Liebenwollen, bis dass der Tod uns scheidet- wenn es gewährt ist. Heiratet man, dann müssen die beiden glauben, daß Gott sie für einander meint für immer. Das ist das Wesentliche der Ehe. Aber es kann sein, dass sie einmal das Füreinanderbestimmtsein  nicht mehr glauben können. Dann, wenn auch das soziale Füreinander nicht mehr geht, ist Scheidung ein schmerzlicher Notausgang, voll Wehmut und Verwundung. Und Schuld, Herzensverhärtung, Jammer ist immer dabei. Aber auch Geschiedene gehen mit Gott und haben ein Recht auf eine neue Liebe.

Das Trauversprechen „Ich will dich annehmen aus Gottes Hand, dich lieben und ehren, in Freude und Leid nicht verlassen und die Ehe halten, bis dass der Tod uns scheidet“- ist kein Eid sondern eine Willensbekundung. Nicht: “Ich werde dich annehmen bis zum Tod“ sondern: „Ich will dich annehmen“. Ohne diesen innigen Willen sollte niemand heiraten.  Aber Liebe ist Gottes Kraft –von der gilt, was vom Wind gilt: Er weht, wo er will (Johannes 3,8).

Absurd ist die Meinung, Gott habe uns die geschlechtliche Freude nur gegeben um Kinder zu zeugen. Aber dass wir Kinder empfangen können, wenn wir uns aneinander hingeben, dass wir als  Liebende Mitschaffende werden können, ist wunderbar.  

 

                                                               *

 

Die wiedergefundenen Söhne

Jesus  sprach: Es waren zwei Brüder. Und der jüngere von ihnen sprach zu seinen Eltern: Gebt mir das Erbteil, das mir zusteht. Und sie teilten das Gut unter die Beiden. Bald darauf packte  der jüngere Sohn seine Sachen und zog in ein fernes Land; und dort verprasste er sein Geld in kurzer Zeit.

Als er all das Seine durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er fing an zu darben und hängte sich an einen Großbauern; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten.

Lukas 15,11-16

 

 

Hinreißend die Geschichte, die bekannt ist als „Das Gleichnis vom verlorenen Sohn“.  Man kann sie lesen als Familientragödie, die durch Güte geheilt wird. Sie kann aber auch Gleichnis für verschiedenen Umgang mit Religion sein. Vor allem aber ist sie eine Geschichte der Liebe Gottes zu seinen sehr verschiedenen Menschen.

Typisch, die Geschwisterrollen: Der Ältere, der Verlässliche, bleibt in der elterlichen Ordnung. Der Jüngere, kühner, vielleicht genialer,  bricht aus, bricht auf, will die Welt erobern. Er geht die Eltern ums Erbe an-  ziemlich frech behandelt er sie schon wie tot. Die Eltern sind großmütig, sie geben von dem Ihren dem Ausreißer viel mit.

Der feiert die Freiheit, macht sich Freunde mit dem Erbe, das sorglos ausgegeben wird und unter den Händen zerfließt. Dann sind die Freunde weg, klar, er landet bei den Schweinen.

Das ist auch ein Bild für den modernen Menschen, der die Schätze der Religion mitnimmt in seine weltliche Welt: Vertrauen, Lebensmut, Gestaltungswille, Lust am Leben. Aber diese Begabungen verwildern, wenn sie die Anbindung an Gott verlieren;  der Junge ist großmannssüchtig und stürzt ab. Bei den Schweinen sein, heißt „jenseits von Eden“ sein. Er hat sein Zugottgehören vergessen.     

 

Und bei den Schweinen hatte der Junge nichts anderes als deren Fraß.

Da ging er in sich und sprach: Wie viele Arbeiter haben bei meinem Vater ihr gutes Auskommen, und ich verderbe hier im Hunger! Ich will mich aufmachen und nach Hause gehen.

Lukas 15,16-18

 

 

Hat der Zeitgenosse heutzutage noch gute Erinnerung mitbekommen an Gott? Wir kamen alle zur Welt mit dem Seelenschatz: Ich bin vom Himmel her, bin Kind Gottes. Der erste Schrei ist doch auch ein Ruf: Hej Leute, da bin ich, ich soll euch schön grüßen von „Vatermutter- Lebensgrund“; was ist das für ein Empfang hier, kalt und grell?

Wir kommen mit Segen im Gedächtnis, kommen mit  viel Urvertrauen- das sollte gestärkt und ausgebildet werden durch Elternliebe und dam Freundschaft und Liebe überhaupt. Doch das Leben ist hart. Und der Lebensmut kann ausgehen. Dann ist Erinnerung wichtig: Du, geliebt, gebraucht, von weit her. Dein Zuhause geht immer mit dir, nur nimm es wieder Besitz, lass dich nicht mehr abspeisen mit seichter Unterhaltung und Sätzen aus fünf Wörtern, lass deine Seele wieder weit werden.

 

Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn.

Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße.

Aber der Vater sprach zu seinen Leuten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße und schlachtet das gemästete Kalb; lasst uns essen und fröhlich sein!

Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden Und sie fingen an zu feiern.

Lukas 15,20-24

 

 

Der Vater, also der mütterliche Gott, hält Ausschau nach uns- kommt uns entgegen, fällt uns um den Hals. Während wir uns noch gottfern und verloren vorkommen, sucht Gott uns schon und hilft uns, ihn zu finden. Im Märchen von Hänsel und Gretel streuen die Kinder im Finsteren Brotkrümel aus, um sich später an ihnen zurückzutasten. Welche Spuren hat Gott in unserm Leben gelegt, an denen wir uns heimtasten können? „In wieviel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet?“ Übermäßig viel Bewahrung und Befreundung und stellvertretende Achtsamkeit im Verkehr ist dir schon zuteil geworden.

Uns wird vergeben, das Leben spielt uns neue Chancen zu. Eine neue Liebe oder ein Auferstehen alten Zugehörens, eine neue Berufung, ein Kredit, das Angebot einer neuen Beziehung- Manchmal müssen wir tief unten sein, aller Irrsein muss uns ausgetrieben sein, wir müssen um Verzeihung bitten und wieder gutmachen wollen. Dann können Gott und Menschen wieder mit uns feiern. 

 

Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er Singen und Tanzen und rief einen der Knechte und fragte, was das wäre. Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wieder hat.

Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn.

Lukas 15,24-28

 

 

Was Ehre ausmacht und verletzter Stolz- das Leben ist voll Achtung und Verachtung. Vor Freude über die Heimkehr des Jüngsten denken die Eltern erst mal nicht an den Ältesten. Verständlich, aber bei ihm reißt dies Wunden von einst auf.  Die Ältesten haben allermeist das Empfinden, der Jüngere würde vorgezogen. Das liegt daran, daß der Ältere miterlebte, wie der Jüngere beschmust  und geschont wurde. Der Älteste wurde früher auch mal so verwöhnt, er war mal allein das Objekt der elterlichen Liebe. Das weiß er nicht mehr; wohl aber weiß er, daß er immer eingespannt war, daß dem Jüngsten kein Leid geschah.

Der Jüngere, vom Bruder längst abgeschrieben , taucht auf einmal wieder auf und Jahre seines Fleißes und Gehorsams sind wie weggewischt. Verbittert bleibt er draußen vor der Tür. Da kommt der Vater zu ihm, bittet ihn; befiehlt nicht sondern demütigt sich.

 

Der Ältere antwortete aber seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden mal hätte feiern können. Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Gut verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet.

Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein. Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war verloren und ist wiedergefunden.

Lukas 15,29-32

 

 

Als hätten die beiden sich auch verloren und suchen sich jetzt mühsam. Der Sohn hat den Vater  für hart  und geizig gehalten. Jetzt bekommt es der Vater um die Ohren: Richtig, wenn der Junge nie mal ein Fest bekam für all die Verlässlichkeit und Mühe, ist das  gemästete Kalb für den Heimkehrer ziemlich üppig. Aber Junge, sagt der Vater, wie kannst du nur so verquer denken, all die Jahre. Was mein ist, ist doch dein. Einen Bock nach dem andern hättest du verfeiern können. Wir habens doch, auch dank deines Fleißes-

Doch der Vater konnte wohl den Älteren, den Pflichtbewussten und Gerechten nicht auch zur Leichtigkeit gewinnen. Übertragen: Es ist eine dauernde Anfrage, warum viele Fromme so gesetzlich sind und  so unerlöst wirken. Deren Sünde wiegt schwerer, schmerzt Gott wohl noch mehr als die Lässigkeit des Leichtfußes. Der Jüngere hat die Eltern, hat Gott nur ausgebeutet, der Ältere hat sie, hat Gott verkannt. –Doch es gibt gute Nachricht für beide- Der Vater führt die Brüder wieder zueinander. Und die Brüder haben die Chance, daß einer im andern seine ungelebte Seite erkennt und annimmt. 

In der Eremitage in Petersburg hängt ein großes Bild von Rembrand: Die Heimkehr des verlorenen Sohnes- Da segnet der Vater den Jungen mit zwei verschieden geformten Händen: eine ist  männlich-streng, eine ist mütterlich, zärtlich. Rembrand gibt zu verstehen: Der väterlich-mütterliche Lebensgrund heilt uns.- Mit der Strenge der Wirklichkeit- alles hat seinen Preis- ist eine Scheibe der Realität; Und mit Gnade und Liebe: ..“der dich erhält, wie es dir selber gefällt“ (Lobe den Herrn, 2. Strophe) ist doch auch dein Lied.

 

                                                          *

 

Das Gleichnis vom unehrlichen Verwalter

Jesus erzählt:  Es war ein reicher Mann. Er hatte einen Verwalter; der bei ihm beschuldigt wurde, er verschleudere seinen Besitz. Er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da über dich? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; du kannst hinfort nicht mehr Verwalter sein. Der aber  sprach bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. Ich weiß, was ich tun will, damit sie mir Dank erweisen, auch wenn ich das Amt verloren habe. Und er rief die Schuldner seines Herrn zu sich, einen jeden einzeln, und halbierte jedem seine Schulden.

Und Jesus lobte den ungetreuen Verwalter, weil er klug gehandelt habe. Und schloss noch den Gedanken an: Die Kinder dieser Welt sind in weltlichen Dingen  klüger als die Kinder des Lichts.

Lukas 16,1-8

 

 

Leicht mißzuverstehen ist da Jesus. Gemeint ist doch dies: In Zwecksachen sind wir so scharfsichtig, aber fürs Ganze so blind. Weitsichtig für das Ganze werden und eben auch irdisch geschickt sein, ist wichtig.  Da hat einer eben noch Macht, kann Vorteile einräumen und daran mitverdienen.  Etwas von diesem Geschicktsein müssten wir auch in Himmlischen Angelegenheiten haben. Bald ist hier unsere Zeit abgelaufen. Und dann? „Wir bauen hier so feste und sind doch fremde Gäste. Und wo wir sollten ewig sein, da bauen wir so wenig ein,“ heißt ein kluges Wort. Wie halbieren wir unsere Schuld? Wie werden wir großmütig? Und sollten wir nicht langsam so leben, wie wir mal wünschen werden, gelebt zu haben?

Jesus billigt sicher nicht den Betrug.  Aber er hält uns für so wach, daß wir den ungetreuen Prokuristen verstehen, wenn er kurz vor Toresschluss noch Geschäfte macht, die sich für ihn auszahlen, auch wenn er längst gefeuert ist. Und wir, die wir im Geschäftlichen solche Cleverness verstehen oder sogar selbst an den Tag legen, wir sollten um so mehr  vorbauen für Dermaleinst und klug werden in den „letzten Dingen“.

 

                                                            *

 

Jesus spricht:  Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon

Lukas 16,9

 

 

Wenig höflich denkt Jesus vom Geld. Meist hatte er auch keins. Aber er hatte Freunde und Freundinnen mit Geld. So musste Jesus nicht schuften, um sein täglich Brot zu erlangen. Er konnte sich ganz dem widmen, was er gern tat. Wohl dem, der nichts tun muss wegen Geld- weder malochen, um an das Geld anderer Leute zu kommen; noch, daß man unruhig sein Geld hin und her zappt von einer günstig scheinenden Anlage zur nächsten.

Arbeiten hat seine Würde. Gerechter Lohn  gehört zur Ehre. Hat einer mehr Geld als er seinen Ansprüchen nach zum Leben braucht, soll er es verschenken, besser noch: er soll Menschen  damit in Arbeit bringen. Ungerecht ist alles Geld, das nicht Hunger stillt und das nur zur eigenen Sicherheit still liegt.

 

                                                         *

 

Vom reichen Mann und dem armen Lazarus

Es war ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und er lebte alle Tage herrlich und in Freuden.  Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voll von Geschwüren und begehrte sich zu sättigen mit dem, was von des Reichen Tisch fiel; und Hunde und leckten seine Geschwüre.

Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln gen Himmel getragen. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben und kam in die Hölle. Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah im Himmel Abraham und Lazarus in seinem Schoß.

Und er rief: Vater Abraham, erbarme dich meiner. Abraham aber sprach: Gedenke, Sohn, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet und du wirst gepeinigt.

Lukas 16,19-25

 

 

Diese Geschichte ist eine jüdische Legende zur Warnung der  Reichen. Schon die pauschale Gleichsetzung von wohlhabend mit gottverhasst und arm mit gottgeliebt ist Jesu Sache nicht. Jesus glaubt an den liebenden Gott, der nur Himmel, nur Reich Gottes mit uns allen vor hat.

Von  Jesus könnte eher die andere jüdische Legende stammen: Als der himmlische Tanzsaal zu wenig Platz hatte, ließ Gott die Wände zur Hölle abbrechen und lud sie alle ein, damit wir alle eins seien.

Trotzdem ist „Hölle“ nicht einfach abgetan. Schon im Leben gibt es Tage, „die sind die Hölle“, gibt es Anlässe, da gilt: „die Hölle, das sind die anderen“ (J.P. Satre). Wir sind einander auch Teufel. Höllenfeuer kann in uns brennen, wenn wir gegen unser Gewissen gehandelt haben, Bilder infamen Unrechts  bleiben uns eingebrannt.

Auch sehnen wir uns nach einer ausgleichenden Gerechtigkeit, vor allem wenn wir uns selbst im Unglück sehen. Und der Gott der Liebe hat so viel Kränkung erfahren, daß er und mit ihm alle Gekränkten dieser Erde, vielleicht auch die geschundenen Tiere mit- wenigstens Kniefall und Reue von den übelsten Übeltätern erfahren sollen.

Daß noch mal alles zur Sprache kommt, ist wohl eine Frage der Ehre  für Gott und die Geschundenen. Das ist dann „Hölle“, vor den Opfern der eigenen Schuld zu stehen und Abbitte tun. Wolle Gott dann die Herzen der Geschundenen zu den Tätern bekehren. Und die Opfer bitten, Gott möge ihnen vergeben.

Wer heute noch Hölle predigt, der meint wohl, er hätte den Himmel parat zu seinen Bedingungen.  Alle Alarmglocken sollten läuten,  wenn einer meint, er könne uns freikaufen, er wisse einen irdischen  „pontifex“ (Brückenbauer), oder in seiner Kirche, seiner Gemeinschaft sei man auf der sicheren Seite. Mit „Hölle“ Angst machen, verdient so was wie  Hölle.

Ein Schimmer von Hoffnung ist auch in der harten jüdischen Legende: Abraham nennt das Höllenopfer: Sohn. So ist auch in dieser harten Geschichte noch nicht aller Tage Abend.  

 

                                                               *

 

Von der Kraft des Glaubens

Jesus spricht: Wenn ihr Glauben hättet, groß wie ein Senfkorn, dann könntet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und versetze dich ins Meer! Und er würde euch gehorchen.

(Lukas 17,6)

 

 

Bärenstark ist deine  Zuversicht, wenn sie übereinstimmt mit dem Herzen der Welt. Du kannst, was du willst, wenn es im Einklang der Dinge ist. Also leb und schöpfe aus, was dir an Leben zugedacht ist. Und  geh nicht schlampig um mit deinen Begabungen;  achte dich, mach dich gerade- in dem Sinne, daß du aufhörst, dich durchzulavieren. „Und wenn es anders kommt als wirs erbitten, kommt es besser“(Martin Luther).- Die meisten Bäume sollen da stehen, wo sie stehen und eignen sich nicht für  fromme Kraftakte. 

 

                                                            *

 

Die zehn Aussätzigen

Einmal begegneten  Jesus zehn aussätzigen Männer; die standen von ferne

und erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser!

Und als er sie sah, sprach er zu ihnen: Geht und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, als sie hin gingen, da wurden sie rein.

Einer aber kehrte um und pries Gott mit lauter Stimme und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm. Jesus aber sagte: Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben?

Und er sprach zu ihm: Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen.

Lukas 17,11-19

 

 

Jesus schickt sie zu den Ärzte-Priestern. Und auf dem Weg genesen sie- während sie gehen, also während sie vertrauen, während sie Gesundung mit ihren Beinen sich ergehen. Doch nur einer sagt dem Himmel dank vor dem konkreten Jesus. 

In Not bitten wir Gott unbewusst oder wortstark. Geht es dann wieder gut, führen wir es auf unsern Fleiß zurück oder auf die tüchtigen Ärzte oder auf unsere Gene. Oder danken ins Blaue ohne Folgen. Einer von zehn Genesenen kehrt um, dankt bewusst  und geht an ein anderes Leben. Dem hat sein Glaube geholfen.   

 

                                                           *

 

Vom Kommen des Gottesreiches

Jesus wurde von den Pharisäern gefragt: Wann kommt das Reich Gottes? Er antwortete ihnen: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man’s beobachten kann; man wird nicht sagen: Sieh, hier ist es!, oder: da ist es! Sondern so ist es: Das Reich Gottes ist mitten unter euch im Anbruch.  

Lukas 17,20f

 

 

Also nicht Ausschau halten nach Zeichen von Weltuntergang und Himmelfahrt aller Dinge. Sondern hier das Reich Gottes Fuß fassen sehen, hier Frieden ausbreiten, jetzt Versöhnung anrichten, Armut mindern, auf  Privilegien verzichten. Jetzt ist schon Himmel auf Erden, wenigstens eine Spanne weit, wenn wir Liebe als Himmelsgeschenk genießen uns sie mehren, Schranken abbauen, Streit schlichten. Jetzt sind schon Jesu Heilkräfte wirkmächtig- oft unerkannt, und anonym. Engel sind unterwegs, steh ihnen bei.  

 

                                                       *

Gut ist nur der Eine

Einer fragte Jesus: Guter Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben erlange? Jesus sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut, als Gott allein.

Markus 10,17f

 

 

Hier haben wir es schriftlich: Jesus rückt sich nicht ab von uns. Er hat auch sein Quantum Sünde,  ist menschlich, ist uns nah. Er weiß, wie es uns geht, darum sind seine Lebensvorschläge so brauchbar. Gott ist gut, ist vollkommen ganz, er kann nichts Böses tun auch nicht durch Helfershelfer. Er schlägt auch nicht mit Gewalt das Böses nieder. Er leidet es mit. Vielleicht kann man auch wie mit Thomas Mann sagen: Gott ist mehr als der Gute- er ist der Ganze, Sagen wir doch: Er ist der GuteGanze.

 

Er fragte, was richtig gutes Leben wäre. Jesus sagt: Wenn du  hinauswillst in das richtige, gute Leben, dann halte  die Gebote: »Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht lügen; ehre Vater und Mutter«  und: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst (3.Mose 19,18) (Matthäus 19,16-19).

Da sprach der junge Mann zu ihm: Das habe ich alles gehalten von Jugend auf. Da antwortete Jesus, der ihn liebgewonnen hatte: Willst du vollkommen ganz sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gibs den Armen, und komm und folge mir nach!

Als der Jüngling das hörte, ging er betrübt davon; denn er hatte viele Güter.

Markus 10,19-22

 

 

Hätte der junge Mann doch den Mund gehalten. Mit den Geboten wird doch niemand fertig. Die sind doch Lebensarbeit. (Dazu Goethe: „Schwerer Dienste tägliche Bewahrung/sonst bedarf es keiner Offenbarung“.) Wie kann er nur müde abwinken, als hätte er die Gebote  alles schon vollbrach und abgehakt.

Jesus macht den Härtetest: Wie kann man reich bleiben (im Sinne von immer mehr haben), wenn man Nächstenliebe wirklich lebt. Wie kann man reich sein ohne zu stehlen ( im Sinne von: mehr nehmen als man braucht, nur weil man stärker ist und die Konkurrenz schwach)? Wie kann man zu vielen Gütern kommen, ohne zu lügen( im Sinne von Nachteile verschweigen)? Wie kann man zu vielen Gütern kommen, ohne möglichst wenig zu zahlen und die  Arbeitskraft der andern auszunutzen? Der Reichtum geht immer auf Kosten anderer. Ja, es kann sein, daß der gemeinsame Kuchen wächst und damit auch die Armen weniger hungrig bleiben; aber der Reichtum der einen  ist mit Armut anderer bezahlt; die reichen Industrienationen kaufen den armen Ländern ihre Schätze ab, keine Frage.

Jesus rät zu freiwilliger Armut. Alle „Anhaftungen“ machen unfrei. Je mehr er hat, desto mehr er will- nie schweigen seine Sorgen still- es ist doch so. Andrerseits sieht Jesus den Wohlstand auch als Begabung an, Jesus lässt sich Fürsorge gefallen: Auch Frauen folgten ihm nach und dienten den Jüngern mit ihrer Habe (Lukas 8,3). Gern ließ er sich einladen. Er verpflichtet uns geradezu dazu, den Besitz als anvertrautes Gut verantwortlich zu nutzen (Matthäus 25,15ff).

Jesus möchte, die er lieb hat, freisprechen von dem ewigen Bemühen, zu rechnen und aus allem für sich Vorteile zu  ziehen.

 

                                                        *

 

Jesus spricht:

Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.

Matthäus 19,24

 

 

Auch wenn das „Nadelöhr“ ein schmales Stadttor in Jerusalem war, durch das sich die Kamele zwängen mussten- die Idee ist klar: Wir Reichen sind gefährdet. Wir sind vor Bittenmüssen geschützt; wir können uns abgrenzen von der Außenwelt, können Mühen, Schmutz, Beengtheit, Hunger abwehren und die Armen von uns fern halten. Statt Freude zu machen, uns und anderen, horten wir eher.  Man sehe nur die oft leuchtenden Gesichter der Armen, dagegen schauen wir doch oft  besorgt und miesepitrig drein. Außerdem kann viel Geld den Charakter  verderben, weil man immer Menschen findet, die sich ein Vergnügen daraus machen, uns gefällig zu sein. Sie müssen sich zu Markte tragen, während andere, (wir?) nur Geld springen lassen brauchen. Im Reich Gottes jedenfalls herrscht geteilte Freude. In dieser Hinsicht sind wir wohl noch Anfänger.                                                                 

 

                                                           *

 

Der Lohn der Nachfolge

Als mal vom Lohn für Verzichten die Rede war, sagte Petrus zu Jesus: Wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt.

Jesus sprach: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker verlässt um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der nicht hundertfach empfange: jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker mitten unter Verfolgungen - und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.

Markus 10,28-30

 

 

Stellen wir uns Jesus als glücklichen Menschen vor! Und er leitet zum Glück, an. Verzicht hier für Fülle dermaleinst- ist Jesu Sache nicht. Als Petrus mal in diese Richtung fragte- vielleicht in Hoffnung auf Zusage bester himmlischer Plätze- da stellte Jesus den Anbruch von Himmel hier in Aussicht. Wer Friede und Freude hier betreibt, auch wenn es auf Kosten des Eigenen geht, der bekommt Vielfaches wieder. Hier bleiben Hände nicht leer, wenn wir viel verschenken. Wenn aus Gewissensentscheid wir uns lossagen von  angestammten Familienbanden, finden wir Wahlverwandtschaft. Die Erde ist voller Brüder und Schwestern, wenn wir dem Jesus nach, also brüderlich, geschwisterlich leben. Ja auch ewiges Leben steht an.  Aber Himmel soll uns hier anfangen, wenn auch mit Schmerzen, hundertfältiges Glück unter Mühen.

 

                                                         *

 

Wehe den Siegern

Die Letzten werden die Ersten sein, und Erste die Letzten.

Markus 10,21

 

 

Die Reihenfolge im Himmelreich wird wohl die irdischen Verhältnisse auf den Kopf stellen. Wer hier viel Ehre bekam, wird lernen, wie er damit auch andere in den Schatten stellte – und wird anderen den Vortritt zu lassen. Wer hier viel bitten musste, wird noch mal viel Dank erfahren. Die hier dienten, denen wird gedient. Wer hier wenig zu lachen hatte, wird in Freuden sein. Diese Umkehrung der Verhältnisse lasst uns schon mal in die Wege leiten, den Wechsel lasst uns schon mal üben. Jetzt Chancen geben, jetzt den Benachteiligten vorziehen, jetzt dem, dem über den Mund gefahren wird, Gehör verschaffen.

Jetzt die eigene Werteskala überprüfen- jedenfalls skeptisch werden gegen die eigenen Vorlieben und Zurückweisungen. Wen achtet man, wen schätzt man gering? 

 

                                                            *

 

Berühmt: Die Arbeiter im Weinberg des Herrn

Jesus sagt: Das Himmelreich gleicht einem Weinbergbesitzer, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter einzustellen. Er wurde mit ihnen einig über einen Silbergroschen als Tageslohn und  sandte sie in seinen Weinberg. Gegen neun ging er wieder auf den Markt und sah andere tatenlos rumstehen und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist. Und sie gingen hin.

Und er ging wieder hin gegen Mittag und Nachmittag und tat dasselbe. Gegen fünf Uhr ging er noch einmal aus und fand andere und sprach zu ihnen: Was steht ihr hier so rum? Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand eingestellt. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg.

Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn, gib jedem einen Silbergroschen.

Als aber die von Frühmorgens drankamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; doch auch sie erhielten ein jeder seinen Silbergroschen.

Da murrten die lange gearbeitet hatten gegen den Besitzer und sprachen: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben.

Er sagte zu einem von ihnen: Freund, ich tu euch  nicht Unrecht. Wir sind uns doch einig geworden über einen Silbergroschen. Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber den Letzten dasselbe geben wie euch. Was bist du neidisch, weil ich gütig bin?

Matthäus 20,1-16

 

 

Natürlich ist es menschlich, daß die Vielarbeiter auch viel einnehmen wollen. Aber ob viel oder wenig gearbeitet wurde- jeder braucht für sich und seine Familie den Silbergroschen Tageslohn. Ob viel oder wenig gebetet, ob viel oder wenig Gutes getan, ob viel oder wenig vergeben- Jeder braucht sein Quantum Lebensgüte. Und Gott will einem jeden seinen Platz einräumen, seine Würde, sein Arbeitsfeld, sein Quantum Behütung. Sehen wir uns selbst der Gnade in vieler Hinsicht bedürftig, könnten wir großzügiger dem anderen sein Glück gönnen.

Sicher ist das Leben eine Mischkalkulation: Die Fleißigen und die Geschickten, die Bedächtigen und die Flinken, die Handwerker und die “Mundwerker“, die Künstler; die Überflieger und die, die ihre Ruhe haben wollen, die Fitten und die mit Handikap. Wir sollten nicht so viel vergleichen. Jeder kann Seins und daß jeder Seins ins Ganze einbringen kann, dafür müssen wir sorgen.

 

                                                         *

 

Die Auferweckung des Lazarus

Es lag aber Lazarus krank, der Bruder von Maria und Marta aus Betanien.

Da ließen sie dem Jesus ausrichten: Herr, der, den du lieb hast, er ist in Not.

Als Jesus das hörte, sprach er: Diese Krankheit ist nicht zum Tode, sondern zur Verherrlichung Gottes und seines Sohnes.

Dann war Lazarus gestorben und viele kamen, um die Schwestern zu trösten.

Auch Jesus kam. Da sagte Marta: Wärst du hier gewesen, unser Bruder wäre nicht gestorben.

Jesus spricht zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen.

Spricht Marta zu ihm: Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird - bei der Auferstehung am Jüngsten Tage.

Spricht Jesus zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich

 glaubt, der wird leben, auch wenn er stürbe; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.

Aber sie alle weinten um ihn herum. Da ergrimmte er und sprach: Hebt den Stein vom Grab! Ich will ihn rufen. Spricht zu ihm Marta: Herr, er stinkt schon; er ist schon in Verwesung übergegangen.

Spricht Jesus zu Gott: Ich weiß, dass du mich allezeit hörst; aber um des Volkes willen, das umhersteht, sage ich’s, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast.

Und rief mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus!

Und der Verstorbene kam heraus, gebunden mit Grabtüchern an Füßen und Händen, und sein Gesicht war verhüllt mit einem Schweißtuch. Jesus spricht zu ihnen: Löst die Binden und lasst ihn gehen! Nun glaubten viele an ihn.

Johannes 11

 

 

Eine starke Geschichte. Oft wurde sie als Beispiel für die Unglaubwürdigkeit des Christentums aufgefahren. Dabei ist sie ein hinreißendes Bild für die Verwandelkraft des Glaubens. Jesus und ihm nach auch wir können „auferstehen aus Ruinen“. Totgesagte Liebe kann neu erwachen. Was schon verdorben und  verloren scheint, kann wiedererstarken.-

Du mußt nur Gott, Christus bei der Arbeit wissen, zu Gange wissen mit dir. Drum gib nichts verloren. Alles bleibt im Wandel der Schöpfung mitgenommen.

Jesus weckt unsere toten Geister auf, er haucht uns mit Auferstehungskraft an, er ruft uns aus den Gräbern der Trägheit und Lieblosigkeit. Allein das Bild des aus dem Grab Steigenden- und die Binden, die Leichentücher flattern von ihm weg! Dem Jesus nachglaubend empfangen wir neuen Lebenswillen und neue Liebeskraft. Wir stehen auf, „mitten am Tag, in unserer atmendenden Haut, vorweggenommen in ein Haus von Licht“ (nach M.L. Kaschnitz).  Wir werden leben, auch wenn wir zwischendurch sterben- „des Lebensruf an uns wird niemals enden“ (H. Hesse).

„Lazarus, komm heraus“ – ist der Ruf an dich und mich: Leb begeistert, gib keinen auf, auch dich nicht. Vor dir ist immer Einssein mit Gott.

Warum haben Gläubige zwei, drei Generationen später dem Christus die biologische Wiederbelebung eines Toten zugeschrieben? Sie erlebten sich als Auferweckte, als zu neuen Ufern Aufbrechende, erfuhren sich wie neu geboren in ihrem bekehrten Zustand. Sie sahen sich aus der Zementierung in Zwänge und Regeln herausgemeißelt, spürten sich als von neuem Leben durchflutet.

Die Wiederbelebung des Lazarus ist ein Bild für einen neuen Schöpfungstag, der uns allen zugesagt ist.                   

 

                                                                   *

 

Vom Herrschen und vom Dienen

Jesus sprach: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht.

Ich bin auch nicht gekommen, dass ich mir dienen lasse, sondern dass ich  diene und gebe mein Leben zu einer Erlösung für viele.

Matthäus 20,25-28

 

 

Dienen ist das Jesus-Prinzip. Das heißt nicht, sich aller Mittel zu entledigen. Sondern tun, was möglichst allen hilft. Und lieber verachtet sein als gefürchtet (E. Canetti), lieber zuerst grüßen, zuhause den Dreck (mit)wegmachen, möglichst nicht sich sein Recht erstreiten, nicht protzen, keine Vorzugsbehandlung sich gefallen lassen.

Jesus hat uns vom Leistungswahn erlöst. Gott liebt uns, weil er uns liebt und

nicht, weil wir hier hoch in Kurs stehen. Das verlangt auch eine bescheidene Kirche, alles Triumphale ist nicht im Sinne des Herrn.  

 

                                                          *

 

Und Jesus ging nach Jericho hinein.

Da war ein Mann mit Namen Zachäus, der war ein Oberer der Zöllner und war reich. Und er begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge; denn er war klein von Gestalt. Und er lief voraus und stieg auf einen Maulbeerbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen.

Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig schnell herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren.

Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden.

Als sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt.

(Zachäus aber trat vor den Herrn und sprach: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück.)

Jesus aber sprach: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist Abrahams Sohn. Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.

Lukas 19,1-10

 

 

 

 

 

 

 

Die Tempelreinigung

Einmal ging Jesus in den Tempel und trieb die Geschäftemacher und Käufer hinaus und stieß die Tische der Geldwechsler um und die Stände der Händler mit Opfertieren  und sprach zu ihnen: Es steht geschrieben (Jesaja 56,7): »Mein Haus soll ein Bethaus heißen«; ihr aber macht eine Räuberhöhle daraus.

Matthäus 21,12f

 

 

Kirche als Bethaus- das setzt die Grenze gegen Geldmacherei und Remmidemmi, auch gegen Kunstspektakel, die Aufsehen  erlangen wollen aus Tabuverletzung, Es muß heilige Räume geben, wo man nicht seine Augenlust befriedigt, auch nicht sein Wurstbrot auspackt oder seinen Hund mitnimmt- Orte der Stille und der Anbetung eben. Diese sakralen Zonen zu erhalten, kostet Geld. Sie sollten nicht  durch Eintrittsgelder finanziert werden müssen. Wieviel Zuschuss brauchen Opernhäuser, Hallenbäder, Musikschulen auch von denen, die sie nicht benutzen? Müßten nicht die Orte der Frömmigkeit auch von unserm Staat  mitgetragen werden? Die Kirchensteuer ist auch eine  Kultursteuer. Sie hilft, daß Kirche möglichst wenig tun muss, um an Geld zu kommen sondern sie kann alle Kraft der Frömmigkeit widmen.

 

                                                                        *

Steuern zahlen: Gut, wers kann

Wem viel anvertraut ist, dem wird viel abverlangt.

Lukas 12,48.

Geld oder Geist oder Musikalität oder Geschick oder Hinhörfähigkeit oder Inarbeitbringenkönnen oder Gastfreundschaft oder, oder. .  All das sind  Begabungen, und wir müssen sie ausgeben und anwenden, sonst werden sie stockig und wir sind ganz unglücklich. Leistungsfähig sein ist Geschenk. Es braucht natürlich unsern Fleiß, braucht Teamfähigkeit, Lust am Gelingen und Mühe, Mühe, Mühe. Aber daß wir können, was wir sollen, ist auch schon Begabung. Das Beklopfen der eigenen Schultern können wir uns sparen.  

Alle Fähigkeiten, auch die Zahlungsfähigkeit, sind anvertrautes Gut, anvertraut und zugemutet. Wir sind zuständig im Rahmen unserer Kräfte und wer viel hat oder kann, wird viel angegangen. Das ist so. Auch Steuerzahlenkönnen ist Gnade. Es ist einfach unter Niveau, sich der Gelder zu rühmen, die man am Fiskus vorbeischummelte.

 

                                                                *                                                                               

Die große Einladung

Als Jesus mit seinen Jüngern zu Tisch saß, kam einer hinzu, der rief: Selig ist, der das Brot isst dermaleinst im Reich Gottes!

Jesus aber sagte: Was heißt hier „dermaleinst“? Es war ein Mensch, der machte ein großes Mahl und lud viele dazu ein. Und sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Mahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, es ist alles bereit! Aber  nacheinander fingen sie alle an, sich zu entschuldigen.

Der erste sagte: Ich habe einen Acker gekauft und muss hingehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt, sie anzuschauen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen.

Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt, schnell, und lade ein, wenn du triffst- Arme, Verkrüppelte, Blinde und Lahme- führe sie alle herein.

Später sprach der Knecht: Herr, es ist geschehen, was du gesagt hast; es ist aber noch Raum da. Da  sprach der Herr zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen, an die Hecken und Zäune und nötige sie hereinzukommen, auf dass mein Haus voll werde.

Und wenn die Erstgeladenen doch noch kommen, werden sie stehen müssen.

Lukas 14,15-24

 

 

Das Fest ist jetzt. Jetzt lädt uns Gott schon ein, das Leben festlich zu leben. Jetzt will er sich schon mit uns freuen. Will Frieden mit uns bauen und hinreißende Gefühle uns schenken, will uns anstecken mit freudvoller Gemeinschaft. Musik, die Sonne, die Liebesumarmung, Lachen, Trösten, Teilen sollen uns schon jetzt den Himmel auf die Erde bringen.

Auch Kaufen und Verkaufen kann mit „gottvollem“ Leben zusammengehen. Eigentum soll sein, kann sein, Ehe soll sein, kann sein- Wichtig, dass wir  das Eigene nicht gegen das Gemeinsame ausspielen. Wer vor lauter Arbeit und Sammeln das Fest des Lebens verpasst, wer vor lauter „Egoismus zu Zweit“ die anderen verrät, ist doch nur ein armer Tropf auf der schönen Erde. Und meinen wir doch nicht, später sei immer noch Zeit für das richtige Leben.

 

Das Gleichnis wurde  oft gelesen als Warnung, es gibt ein „Zuspät“ in himmlischen- also den allerwichtigsten Angelegenheiten. Aber die Drohung, der himmlische Freudensaal sei für die Weltkinder für immer zugesperrt, ist von wohlmeinenden Frommen, nicht von Jesus. Gerade, wer nur rafft  und für seine Familie sorgt, wird unabgefunden in seinen Wünschen und mit Wehmut  von dieser Erde gehen. Gerade wer sich hier das Fest des Lebens nicht gegönnt hat, braucht doch spätestens dann Erlösung von sich selbst. Und wird sie bekommen. Aber er wird staunen, wie lange die andern schon fröhlich sind, weil sie in Jesu Gemeinschaft schon so lange gute Erfahrung haben.

Es gab Zeiten, da hat die Kirche aus diesem Gleichnis die Aufforderung gelesen, Andersgläubige mit Macht zu Taufe und Kirchzugehörigkeit zu nötigen. Damit hat sie viel Unrecht getan; sie dachte von sich zu groß (im Sinne von wichtig) und von Gott zu klein (im Sinne von kleinlich). 

 

                                                          * 

 

Von der bittenden Witwe

Er sagte ihnen aber ein Gleichnis darüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten, und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen.

Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher! Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage.

Da sprach der Herr: Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte dann Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er's bei ihnen lange hinziehen?

Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze.

Lukas 18,1-8

 

Eine heikle Geschichte. Wenn schon ein ungerechter Richter  der Bittenden Recht schafft  (und sei es aus Berechnung), dann wird  doch Gott die Seinen erst recht und in Bälde erhören.

Und erhört Gott unsere Gebete prompt? Das Weinen und Schreien von Auschwitz liegt Gott immer noch in den Ohren, ja, es ist Teil von  Gottes Geschichte für immer. Zu seinem Bilde schuf er uns, und was haben wir aneinander für Verbrechen begangen, haben zu erniedrigten, geknechteten, verlassenen, verächteten, verhungernden Wesen gemacht. Geschundene rufen den Himmel um Hilfe an gegen unsereinen. Weil ihre unendliche Sehnsucht die Mörder nicht sich selbst überlassen kann. Darum können sie das Schreien um Hilfe nicht lassen, auch wenn ihre Schmerzen ihnen den Himmel leer machen. Wenn nicht in Gott, in wen sonst können wir uns denn hineinweinen, letzten Endes? Dass er teilnimmt ist sein Erhören.

 

                                                        *         

 

Pharisäer und Zöllner

Er sagte aber zu einigen, die sich anmaßten, fromm zu sein, und verachteten die andern, dies Gleichnis: Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.

Der Pharisäer stand für sich und betete so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.

Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!

Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.

Lukas 18, 9-14

 

Der Selbstgerechte und der Bittende- in wechselnden Gestalten gehen sie durch uns hindurch. Der Pharisäer ist uns dermaßen zum Schimpfwort geworden, daß wir gern auf bescheiden machen. Der Kern aber ist, ob wir glauben an das nie erlöschende Gemeinsame, das uns trägt (Robert Walser).

Der Welt Schlüssel heißt Demut; ohne ihn ist alles Klopfen, Horchen, Spähen umsonst (Christian Morgenstern).

 

                                                             *

Die Segnung der Kinder

Sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühren sollte. Als das aber die Jünger sahen, fuhren sie die Mütter an: Belästigt den Meister nicht.

Aber Jesus sprach: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes.

Wahrlich, ich sage euch: Wer nicht das Reich Gottes annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.

Lukas 18,15-17

 

Die „Weltneulinge“- mit „Trompeten des Lichtes“ öffnet sich ihnen Alles, unabsehbar, ungewiss (Peter Sloterdijk). Schließen wir mit ihnen Freundschaft, wenn wir sie aufziehen.

„Ehre die Eigentümlichkeit und die  Willkür deiner Kinder, auf dass es ihnen wohl gehe und sie kräftig leben auf Erden (Friedrich Schleiermacher). „Ihre Seele wohnt im Haus von morgen“(Khalil Gibran). Ja, ehren wir gebührend, das fremde, herübergekommene Wesen, das noch anderen Mächten nachlauscht, die es zur Welt brachten. Begrüßen wir den plötzlich Eintretenden, den wir nicht kennen. In uns soll er Engel, Helfer, Gottes Gefährten finden (nach Botho Strauß).

 

                                                          *

 

Zachäus

Und er ging nach Jericho hinein, da war ein Mann mit Namen Zachäus, ein Oberer der Zöllner und reich. Der begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge; denn er war klein von Gestalt. Und er lief voraus und stieg auf einen Maulbeerbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen.

Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; heute muss ich in dein Haus einkehren. Und der stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden. Als die Leute das sahen, murrten etliche und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt.

(v.8  Zachäus aber trat vor den Herrn und sprach: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück.)

Jesus aber sprach: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, auch er ist Abrahams Sohn. Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.

Lukas 19, 1-10

 

Eine der beliebtesten Geschichten aus der Kinderkirche: Der kleine reiche Mann klettert auf den Baum, um den wunderbaren Jesus zu sehen. Und der sieht ihn, nimmt ihn wahr; beschenkt ich damit, dass er ihn zu Gast haben darf. Die andern gönnen das dem ungeliebten Geldeintreiber nicht. Jesus sieht die maulenden ordentlichen Bürger und bittet sie sie von ihrer Hartherzigkeit abzulassen: Wie ihr nicht aus Verdienst Abrahams und Saras Nachkommen seid -und damit zu Gottes Volk gehörend-, so schließt er sich auch nicht aus durch seine Fehler. (darum ist Vers 8 nicht nötig, eher schädlich, und sicher so nicht passiert!) Jesus kommt, um die Gotteskindschaft aller zu gewährleisten.

Also wenn du zweifelst daran, Sohn/Tochter Gottes zu sein, dann lade welche in dein Haus, die an der Menschenwürde beschädigt sind. Nimm sie auf mit Freuden, in ihnen ist  Jesus/ Gott bei Dir.   

 

 

 

Das Kreuz war gegen Gottes Willen

 Jesus erzählte: Es war ein Gutsbesitzer, der hatte einen Weinberg mit Kelter und Turm. Der Weinberg trug gut. Dann verpachtete er den Weinberg.

Zur Erntezeit schickte er seine Leute zu den Winzern, um seinen Anteil an den Früchten abzuholen.

Die Winzer aber verprügelten seine Leute; darauf schickte er andere Boten, mehr als das erste Mal; die brachten sie um.

Zuletzt sandte er seinen Sohn zu ihnen; denn er dachte: Vor meinem Sohn werden sie Respekt haben. Als die Winzer den Sohn sahen, sagten sie zueinander: Das ist der Erbe. Töten wir ihn, werden wir den Weinberg behalten können. Und sie packten ihn, warfen ihn aus dem Weinberg hinaus und brachten ihn um.

Was meint ihr, fragte Jesus die Zuhörer-  wenn nun der Besitzer des Weinbergs selbst kommt: Was wird er mit den Pächtern tun?

Sie sagten zu ihm: Er wird diesen bösen Menschen ein böses Ende bereiten und den Weinberg an andere Winzer geben.

Matthäus 21, 31-41

 

 

Eigentlich einfach zu verstehen: Denen der Weinberg anvertraut war, die wollten allein für sich die Ernte haben. Der Besitzer schickt Mahner und Kassierer, die Pächter schaffen die sich vom Hals, der Besitzer schickt seinen Sohn, an den werden sie ja wohl zahlen. Auch den bringen sie um in der falschen Meinung, so Ruhe zu haben. Dann kommt der Besitzer selber, straft und entzieht und verteilt neu.

Übertragen: Gott hat das Wissen von sich den Gottesgelehrten Israels anvertraut, die aber haben nicht getan, was sich damit zu tun gehört, nämlich Liebe üben, sondern haben das Gotteswissen zum Eigennutz (zur Selbsterhöhung) gebraucht. Mahner, Propheten kommen und werden nicht gehört. Dann kommt der Sohn, der wird ermordet. Sie wollten das Gotteswissen so handhaben, wie sie es verstanden. Dann aber fängt Gott nochmal das Evangelium von seiner Liebe neu an.

Mit dieser Geschichte macht sich die Urgemeinde klar, Jesus hat nicht umgebracht werden sollen. Gott schickte Jesus, um das Evangelium vom liebenden Gott in Wort und Tat umzusetzen.- Doch sie nahmen den Ruf  in den liebenden, vertrauten Umgang mit Gott nicht an. Sie trauten mehr dem Gesetzesgott des Mose, wollten lieber aus eigener Leistung Gott recht sein, wollten auch ihre (durch Gebotegehorsam erworbene) bevorzugte Stellung vor andern Menschen und Völkern nicht verlieren.

Gott erlebt Rückschläge noch und noch- seine geliebten Menschen tun Böses- und Gott muss leiden, immer noch. Denn der Liebende kann Liebe nicht aufzwingen, er kann für seine Liebe nur kämpfen durch Weiterlieben. Darum muss Liebe leiden, und der Schöpfer aller Liebe muss leiden, bis die Liebe der Sünden Menge aufgesogen hat. Jesu Auferstehung ist Gottes Versprechen, daß er durchhält mit seinem Lieben und kein Tod uns von ihm scheidet.

 

                                                            *

 

Die Frage nach der Steuer (»Der Zinsgroschen«)

Die Schriftgelehrten ließen bei Jesus anfragen: Was meinst du: Ist es recht, dass man dem Kaiser Steuern zahlt oder nicht?

Jesus ließ sich eine Münze reichen. Und sprach: Wessen Bild und Aufschrift ist das?

Sie sprachen zu ihm: Des Kaisers. Da sprach er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.

Matthäus 22,17-21

 

 

Steuern zahlen tut wohl keiner gern. Auch die Gegner Jesu wollten ihm einen Strick drehen mit dieser Frage: Rät er zu Steuern, verliert er die Sympathie beim Volk, ruft er zum Steuerboykott auf, wird er Staatsfeind. Jesus läßt sich eine Münze reichen- darauf das Bild des Kaisers. Also geht ihr mit des Kaisers Geld um, dann zahlt ihm auch seinen Anteil. Aber viel wichtiger: Was zeigt denn euer Gesicht? Ist nicht jedes eine Vision Gottes? Ihr gehört ihm. Also gebt euch ihm. Gemessen daran sind Geldsachen doch Lappalie.

Wir geben uns Gott ja  schon in kleiner Münze. In den vielen Gestalten der Liebe geben wir uns ab, wir sind nicht glücklich mit Festhalten und Sammeln. Doch vielleicht  können wir auch noch etwas über uns hinauswachsen.

 

                                                              *

 

Die Pfennige der Witwe

Er war am Tempel und sah, wie die Reichen ihre Opfer in den Gotteskasten einlegten. Und viele legten viel ein. Er sah aber auch eine arme Witwe, die legte zwei kleine Münzen ein. Und er sprach: Diese Frau hat mehr als sie alle eingelegt. All die haben etwas von ihrem Überfluss eingelegt; sie aber hat eingelegt, was sie zum Leben hatte.

Lukas 21,1-4

 

 

Am Tagesende (oder Jahresende) sich all dessen entledigen, was man noch an Geld hat und am neuen Tag wieder neu das Nötige kommen lassen - das wäre ein ins Vertrauen geschmiegtes Leben. Ich kann das  nicht. Aber daß ich nicht mal viel von meinem Überfluß einlege, dessen schäme ich mich. Jesus forderte seine Jünger auf, ohne Tasche, ohne Geldbeutel loszugehen (Matthäus 10,10). Sie werden Menschen finden, die genug haben, um ihnen was  abzugeben. Es ist von Jesus als Freispruch gedacht, nicht als Pflicht. Mit weniger auszukommen versuchen, wäre wohl Anfang von Freiheit.       

 

                                                                *

 

Von den klugen und törichten Frauen

Mit dem Himmelreich geht es ähnlich wie den Frauen,  die ihre Lampen nahmen und dem Bräutigam entgegen gingen. Fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug.

Als nämlich der Bräutigam lange ausblieb, schliefen sie alle ein. Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam kommt! Geht ihm entgegen! Da standen die Frauen alle auf und machten ihre Lampen fertig. Den törichten aber war ihr Öl zuneige gegangen und sie baten die klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen.

Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es weder für uns noch für euch genug sein.

(Matthäus 25, 1-9)

 

 

Es ist wichtig, mit seinen Kräften hauszuhalten. „Wenn du weißt, was du willst, musst du machen, daß du hinkommst“ sangen die „Mißfits“. Einfach drauf los leben, ist nicht. Wenn du den Bräutigam/ die Braut treffen willst, musst du „genug Öl auf der Lampe haben“- musst bei Kräften sein und sie einteilen. Du musst dein Licht leuchten lassen, wenn es sich lohnt.  Mit anderer Leute Hilfsbereitschaft zu rechnen, ist weder klug noch fair.

 

 

Die ausgebrannt waren, wollten noch schnell neuen Stoff besorgen.  Doch sie kamen zu spät zum Fest, die Tür war schon verschlossen. Und soviel sie auch baten: Herr, Herr, tu uns auf!- sie hörten nur: Ich kenne euch nicht!

 

Also wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.

(Matthäus 25,10-14)

 

 

Einige Frauen verpassen ein Hochzeitsgeleit aus Unachtsamkeit. Dies Missgeschick diente in der Urgemeinde als warnendes Predigt-Beispiel, nur ja wachsam zu sein in Richtung  Jüngster Tag. Richtig, daß wir unsern Jesus Christus nah wissen und unser Tun gewogen wird daran, ob wir sein Fest mit vorbereitet haben. Aber unser Christus macht uns nicht gefügig mit Angst. Wenn wir zu spät (zum Glauben) kommen, hat uns das Leben schon genug bestraft. Der Herr kennt uns, gerade die Schwierigen.

(Die Geschichte taugt heute nicht mehr- zu sehr sind wir auf Solidarität geeicht. Zu gut können wir das Bevorraten organisieren (Abwechselnd  hält einer das Feuer wach für die andern mit). Und die ewige Strafe für die Dummheit ist grotesk überzogen.  Jedenfalls darf diese Geschichte nicht kommentarlos –gar noch als „Evangelium des Sonntags“ verlesen werden.

 

                                                            *

 

Die anvertrauten Pfunde

Mit dem Himmelreich geht es so wie einem Menschen, der in ein fernes Land zog: Er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein Vermögen an;

dem einen gab er fünf Zentner Silber, dem andern zwei, dem dritten einen- jedem nach seiner Fähigkeit, und zog fort.

Sogleich ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit ihnen und gewann weitere dazu. Ebenso der andere. Und der dritte?

Nach langer Zeit kam der Herr zurück und forderte von den Knechten Rechenschaft.

Da trat der erste hinzu:  Herr, du hast mir fünf Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit weitere fünf Zentner gewonnen. Da sprach sein Herr zu ihm: Gut so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; feier mit das Freudenfest!

Da trat auch der hinzu, der zwei Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit zwei weitere gewonnen. Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zum Freudenfest!

Zuletzt trat auch der hinzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: Du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast; und ich fürchtete mich, ich ging hin und vergrub deinen Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das Deine.

Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe? Dann hättest du mein Geld wenigstens zu den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen.

Darum nehmt ihm den Zentner ab und gebt ihn dem, der zehn Zentner hat.

Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. Und den unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus; da wird sein Heulen und Zähneklappern.

Matthäus 25, 15-30

 

 

„Wer da hat, dem wird gegeben“- ist wohl ein ursprüngliches Jesuswort. Es ist später an die Gemeindepredigt von den anvertrauten Talenten angefügt, aber geht am  Sinn der Erzählung vorbei.

Es ist schon so: Wer hat, erhält mehr. Wer seine Fähigkeiten fleißig einsetzt, wird Erfolge ernten. Wer anderen viel nützt mit seinem Vermögen, der wird viel erlösen. Wer nichts hat, womit er anderen zu Diensten sein kann, steht leer da. Und seine Restbegabungen verkümmern auch noch.

Ein Reicher verteilt sein Geld  und sagt: Schafft damit für mich und euch. Er vertraut seinen Mitarbeitern Mittel an, Talente- eine griechische Münzeinheit für Silber- wovon unser Wort „Talent“ genommen ist. Je nach Tüchtigkeit weist der Herr- also Gott- die Mittel zu, aber auch die Fähigkeiten sind schon Gaben, sind schon Anvertrautes.

Und jeder, sagt das Gleichnis, soll sich darauf verlassen, daß er genug Begabungen hat- ja, daß das Leben genau seine Begabungen nötig hat. Darum ist es auch so sträflich, seine Gaben zu vergraben, zu verstecken, zu vergeuden. Und es ist eben auch so, daß die nicht genutzten Fähigkeiten verloren gehen und man am Ende sich wie verloren vorkommt. Das ist schon zum Heulen. Aber unser Versagen wird nie das letzte Wort haben, wir enden nicht in Finsternis. (Darum sollte man den Schlussvers weglassen- wahrscheinlich ist er als moralischer Zeigefinger angeklebt).

 

                                                       *

 

Vom Weltgericht

Christus spricht: Wenn aber der Christus kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit, und alle Völker werden vor ihm versammelt werden. Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt!

Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.

Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben, oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen, oder nackt und haben dich gekleidet? Wann dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?

Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern und Schwestern, das habt ihr mir getan. Und was ihr ihnen  schuldig bliebt, das bliebt ihr auch mir schuldig.

Aus Matthäus 25,31-40

 

 

So wichtig ist unser Handeln: es hat Folgen bis in die Ewigkeit. Wir haben hier schon mit Christus, mit Gott persönlich zu tun. In den Menschen, die wir stärken oder schwächen, ist Gott mit drin, wir tun ihm mit gut oder tun ihm mit weh.

Aber Gott wird uns, auch wenn wir nur schwach geliebt haben, lieben, ergänzen, heilmachen. Wir verdienen uns den Himmel nicht, er steht uns offen, weil uns Gottes Herz offen steht- das ist Jesu Offenbarung.

Gibt es also kein Belohnen und Bestrafen mehr bei Gott? Paulus sagt es mal so : Unsere Taten werden geprüft, ob sie Gold oder Stroh waren- aber wir selbst werden gerettet werden „als wie durch Feuer hindurch“ (1.Korinther 3,15). Die Lohe des Lebendigen wird uns alle versengt haben- „keiner ist gut, außer Gott allein“(Markus 10,18). Gutes tun tut einfach gut, und freiwillig ist keiner bös.

Im ausführlichen Bibeltext steht das „doppelte Gericht“; die einen kommen in den Himmel, die andern in die ewige Verdammnis. Genau spiegelbildlich zu den Guten werden die Bösen aufgezählt. Aber das kann nicht von Jesus stammen. Das hat ein judenchristlicher Rabbi so weitergesponnen aus pädagogischen Gründen. Er wollte warnen vor dem Bösen. Doch der Zweck heiligt die Mittel nicht. Wenn wir nur aus Angst Böses sein ließen, obwohl wirs uns wünschten, was wären wir arm dran. Jesus traut uns doch zu, aus freien Stücken gern Gutes zu tun. Und er traut Gott zu, uns liebesfähig geschaffen zu  haben, auch wenn wir oft versagen. Und er wird uns erlösen, nicht wir uns selbst.

In dem Film „Blow up“ spielen Zwei imaginäres Tennis, als hätten sie Schläger , als klackten die Bälle, sie spielen so hingebungsvoll, daß dann Aufschlag, Netzball, Schmetterball Töne annehmen. Es ist wahres Tennis. So auch die Wunderkräfte der Liebe leben; Jesu Taten tun, als ob in unserm Spiel er real wird. Und  er geschieht.

 

                                          *          *

 

 

 

 

  

 

 

 

 

A3  Jesu Passion- Kreuzigung- Auferstehung


 Nicht böser Wille brachte Jesus ans Kreuz

 Die Hohenpriester und die Pharisäer versammelten den Hohen Rat und sprachen: Was ist zu tun? Jesus, dieser Mensch, liefert viele Zeichen. Lassen wir ihn gewähren, dann werden sie alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute.
Einer aber von ihnen, Kaiphas, der in dem Jahr Hoherpriester war, sprach zu ihnen: Es ist besser, ein Mensch sterbe für das Volk, als daß das ganze Volk verderbe. Von dem Tage an war es für sie beschlossen, dass sie ihn umbrachten.
Kaiphas hatte das  nicht von sich aus gesagt, sondern er weissagte es. Denn Jesus sollte sterben für das Volk und nicht für das Volk Israel allein, sondern auch, um die verstreuten Kinder Gottes zusammenzubringen.

 Johannes 11, 47-53

Die offiziellen Religionsvertreter hatten sicher recht mit ihrer Einschätzung: Jesus war weit weg vom jüdischen Gesetzesgehorsam und vom Untertansein dem Kaiser in Rom. Er verkündigte den Gott der Liebe und betrieb eine Revolution der Gerechtigkeit und Freiheit. Der Tempel und das Lehramt aber geboten Ruhe und Ordnung. Um nicht ihre Stellung zu gefährden und sicher auch, um durchzusetzen, was sie für Gottes Willen hielten, wollten sie Jesus töten. Damit setzten sie unwissentlich  Jesus in die Rolle des Heilsbringers ein.

   Die Passionsgeschichte beschreibt die welterschütternste Tragödie. Alle Leiden und Schmerzen verkörpern sich in diesem Jesus: „Sehet, welch ein Jammermensch!“ Doch das irdische Ende ist Anfang von Auferstehung, Jesus gebiert das „Prinzip Hoffnung“. Die Auferstehung von den Toten ist die „härteste Währung auf dem Markt der Möglichkeiten“ (Wolf Biermann). 

 

                                                                *

Die Salbung in Betanien

Jesus war auf dem Weg nach Jerusalem. Er kam durch  Betanien,  da war er zu Gast im Hause Simons des Aussätzigen. Und es trat zu ihm eine Frau, die hatte ein Glas mit kostbarem Salböl und netzte damit sein  Haar und Gesicht, als er zu Tisch saß.

Als das die Jünger sahen, wurden sie unwillig und sprachen: Wozu diese Vergeudung? Es hätte teuer verkauft und das Geld den Armen gegeben werden können.

Als Jesus das merkte, sprach er zu ihnen: Was betrübt ihr die Frau? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Arme habt ihr allezeit bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit. Dass sie das Öl auf meinen Leib gegossen hat, das hat sie auf  mein Begräbnis hin getan.

Matthäus 26, 6-12

 

 

Auch ein Hohes Lied der Liebe: Die Jünger haben keine Ahnung, dass sich alles zuspitzt auf  Leben und Tod. Eine namenlose Frau scheint zu wissen, welch schweren Weg Jesus vor sich hat. Sie salbt ihn, segnet ihn, rüstet ihn zu für seinen Kampf, einzustehen für die Liebe Gottes, und nicht seine Freiheitspredigt zu widerrufen.

Die Männer rechnen nur,  sehen Verschwendung und  möglichen Nutzen. Aber Jesus lässt sich die Liebesbezeugung der Frau gefallen-  und zieht die tumben Männer mit ins Einverständnis.

 

                                                                *                                                                     

Liebesdienst

Jesus sprach zu seinen Jüngern: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es bei euch nicht sein; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener. Und wer unter euch der Erste sein will, der sei Knecht aller.

Ich bin auch nicht gekommen, mir dienen zu lassen, sondern dass ich diene und gebe mein Leben zur Erlösung für viele.  Es ist so: Wer sein Leben für sich behalten will, der wird’s verlieren; und wer sein Leben drangibt für das Gute, dem wird es erhalten.

Matthäus 20, 25-28,Markus 8, 35 

 

 

Kurz, klar, wahr ist das Jesusprojekt: Sich hingeben fürs Gesamte; sich mühen; dem andern die Last mittragen- das hilft zum Leben.  Wer anderer Leute Leben aussaugt, wird trotzdem keinen Zuwachs  an eigenem Wert erlangen. Wer das Ganze fördert, dessen Selbst wird bleiben, auch wenn er vergeht. Dieses Prinzip der Mütter, der Helfenden, der nicht aufs Rechhaben Drängenden, der Freudenstifter kann einen aber auch ins eigene Fleisch schneiden.

Jesus wußte, daß sogar Gott  dient.  Das aber schien den „von Gottes Gnaden“ Herrschenden ein Abbruch an Würde. Sie wollten nicht Diener eines dienenden Gottes sondern machtvolle Stellvertreter eines Macht- Gottes sein. Jesus dagegen steht mit seinem Leben für die liebende Allmacht ein. Damit  erlöst er von dem herrischen Gottesbild und begründet auch das Leuchtbild vom liebenden Mitmenschen.

 

                                                             *

 

Jesus spricht: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.

Johannes 14,6

 

Was den Weg zum Lebendigen ausmacht, was die Wahrheit vom Lebendigen, ja, was das Lebendige des Leben ausmacht, das ist Christi Wesen. Er bildet die uns zum Ziel führende Wahrheit des Seins. Er ist uns Hirte des Lebensweges, mit ihm sein, heißt in Gottes Wahrheit sich aufgehoben wissen. Mit ihm leb ich, auch wenn ich sterbe. –

 „Ich und der Vater, wir sind eins“, sagt Jesus einmal (Johannes 10,30) . Das hält fest: wir sollen Gott und Christus nicht auseinander dividieren. „Wer mich sieht, sieht den Vater“ (Johannes 14,9).

„Fragst du, wer Gott ist, er heißt Jesus Christ“ (M. Luther). – Einmal kann man Gott fühlen in Gestalt des Hirten Jesus- ich ihm zur Seite- einmal kann man Gott schauen als Schöpfer, wenn man durchs Mikroskop oder durchs Fernrohr zum Himmel sieht.

An Jesus Christus zeigt uns Gott, wie er zu uns ist, und wie er uns haben will.

 

                                                             *

 

Ich lebe und ihr sollt auch leben.

Johannes 14.19

 

 

Das Herz der Welt- Gott- war leibhaftig in diesem Jesus. Damit ist uns ein Bild gegeben vom wahren Menschsein: Wach, liebevoll, lustvoll ausgestreckt nach Glücklichwerden und Glücklichmachen, kämpferisch die falschen Bauformeln bloßlegend und das gute Gesicht Gottes spiegelnd-  so ist er, so sollen wir sein,  annähernd.

Auch wir werden uns dann als lebendig erkennen. Das ist versprochen. Und es ist jetzt erfahrbar. Manchmal stehen wir zur Auferstehung auf- spüren Frühling in unserer Seele, sind gerne wir. Diese innere Verwandtschaft mit Jesus soll uns oft gelingen. Und nie bleiben wir tot, höchstens drei Tage. Warum? Weil Gott nicht ohne dich sein will, darum wirst du ewig leben. Und es wird Freude sein, Freude sein.

Daß wir noch irdisch sind, lasst uns nutzen- noch ist Werdezeit, noch ist Zeit zu lieben. Hilf, daß ein Mensch aufatmet wegen dir.

 

                                                                  *

Verschiedene Vorbereitungen

Als es auf das Passa zuging, das jährliche Fest der Rettung aus der Knechtschaft in Ägypten, fragten die Jünger: Jesus, wo sollen wir das Mahl zubereiten? Er sprach: Geht hin in die Stadt zu einem und sprecht zu ihm: Der Meister lässt dir sagen: Meine Zeit ist nahe; ich will bei dir das Passa feiern mit meinen Jüngern. Und die Jünger taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte.

Und  einer von den Zwölfen, mit Namen Judas Iskariot, ging hin zu den Hohenpriestern und sprach: Ich will ihn euch ausliefern. Und sie boten ihm dreißig Silberlinge.

Als das Mahl bereitet war und alle Jünger versammelt waren, stand Jesus auf, legte sein Obergewand ab, nahm eine Schürze und umgürtete sich. Dann goß er Wasser in ein Becken und fing an, den Jüngern die Füße zu waschen und sie auch abzutrocknen.

Dann  sprach zu ihnen: Wisst ihr, was ich euch getan habe? Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin’s auch. Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt ihr es euch untereinander auch tun. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.

Matthäus 26, 14-19, Johannes 13,4-15

 

 

Während die einen das Fest vorbereiten, geht der Andere los und organisiert die Auslieferung in den Tod. Aber auch ihm wäscht Jesus die Füße. Die Waschung ist beispielhafte Geste der Demut: Wir  sollen, statt auf den eigenen Vorteil zu achten, einander dienen.

 

                                                                       *

 

Dann setzten sie sich zu Tisch.

Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach’s und gab’s seinen Jüngern und sprach: (1. Korinther 11,23) Nehmet hin und esset; das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. (Lukas 22,20) Und er nahm den Kelch, dankte, gab ihnen den und sprach: Diese Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das vergossen wird zur Vergebung der Sünden.

Und als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.

Matthäus 26,20; 26,30 

 

 

Das Passamahl erinnert an die Herausführung Israels aus der Knechtschaft. Damals sollte das Blut eines Lammes sollte an die Türpfosten der Hütten Israels gestrichen sein, wenn der Todesengel Ägyptens Erstgeburten erwürge; und sie sollten essen als „die Hinwegeilenden“ (2. Mose 12), die keine Zeit mehr hatten, mit Sauerteig  Brot zu backen. 

Im Abendmahl setzt sich Jesus Christus als das rettende Lamm des neuen Bundes  ein; „Jesu Blut für dich vergossen“ besorgt, bzw. kennzeichnet die Vergebung der Sünden. Diese „Einsetzungsworte“ spiegeln die Situation und Theologie der frühen Kirche. Da war das Mahl schon zum Symbol geworden, zum Pfand für die Rettung im Jüngsten Gericht- zum „Heilmittel gegen den ewigen Tod“.

 

Das historische letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern war sicher voller Abschiedsreden -„esst, trinkt (oft noch) zu meinem Gedächtnis“- und voll Entsetzen über den bevorstehenden Verrat.

Das  Mahl der Gewissheit, dass Christus mitten unter uns ist, stärke uns, den Alltag zu bestehen als die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Christus heute. In wie weit  Brot und Wein verwandelt werden, sollte nicht mehr die Konfessionen trennen. Wir sind alle ein Leib, denn wir essen von dem einen gesegneten  Laib Brot. Wir viele bilden einen Leib, einen Corpus, eine Korporation; in uns strömt der geistige Blutkreislauf des Christus. „Einer nährt den andern.“

Das Sakrament („religiöses Geheimnis“) der Teilhabe am Leib Christi schafft Mahlgemeinschaft  und Mittrage- Genossenschaft, gleich, ob zu „Communio“  (Gemeinschaft) oder „Eucharistie“  (Danksagung) oder „Abendmahl“ oder am schönsten zum „Liebesmahl“  mit duftendem Brot  geladen wird.

 

                                                             *

Jesus, Gott weiß

Und Jesus sprach zu seinen Jüngern: Ihr werdet alle irre an mir, ihr werdet  mich alle verlassen. Petrus sagte: Aber ich nicht! Und Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: heute, in dieser Nacht, ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. 

Matthäus 26,31-33

 

 

Jesus weiss, wie es wird. Ihm wird der Prozess wegen Gotteslästerung gemacht und die Jünger werden kopflos sein, sie werden fliehen. Natürlich ist da einer, der will treu sein, will sich schützend vor ihn stellen, aber Jesus ahnt seine Instabilität. Er sagt dem Petrus den schon sich anbahnenden Verrat auf den Kopf zu; vielleicht garnicht, damit er sich eines Besseren besinnt. Sondern damit er auch im schlimmsten Fall sich nicht für verworfen hält. Gott weiss auch dich, die Schatten inklusive. 

 

                                                            *

 

Jesus ganz Mensch, uns ganz nah

Und  Jesus kam mit ihnen zu einem Garten, der hieß Gethsemane, und sprach zu den Jüngern: Setzt euch, ich geh ein Stück weiter und bete. Petrus und noch zwei begleiteten ihn. Er wurde traurig und verzagt und sagte: Meine Seele ist betrübt bis in Todestiefe; bleibt bei mir!

Matthäus 26,36-38

 

 

Ein Garten steht am Menschenanfang und am Wegesende des exemplarischen Menschen Jesus.  Im Paradies-Bild spricht Gott mit seinen Menschen über Gut und Böse- damit werden sie menschlich, werden abgerückt vom nur Natursein- werden zu Freude- und Leidpartnern Gottes. Im Garten Gethsemane nun sucht Jesus, der bestmögliche Mensch, seinen Herrgott; sein Leben spitzt sich zu. Es könnte ausgehen, wo er doch so gern lebt. Was hat Gott  mit ihm vor, soll er jetzt durch das Nadelöhr Tod? Und wie passt das zu der guten Botschaft, daß unser Leben hier gelingen soll? Jesus geht, weint und betet sich in Gott hinein.

 

                                                                          *

Der Kelch, der bittere    

Jesus betete: Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch voll Leid an mir vorüber. Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!

Matthäus 26,39

 

 

Jesus will so gern noch leben, will hier weiterhin die Anbrüche von Reich Gottes inszenieren und feiern. Doch der Fels, an dem die irdische Zeit zerschellt, ist der Tod. Er will ihn noch nicht. Aber er legt die Entscheidung über sich in Gottes Hände. Also dürfen wir auch kräftig bitten, daß Leid von uns abgewendet werden möge. Dürfen und sollen auch für andere bitten. Aber sollen den Vorbehalt immer wissen: „dein Wille geschehe“.

 

                                                                      

Weggeschlafen

Dann ging er  zu seinen Jüngern. Sie waren eingeschlafen.  Er weckte sie: Könnt ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? Überhaupt: Wachet, betet, seid hellwach. Scheitern geht schnell. Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach.

Matthäus 26,40f

 

 

Sehr menschlich und sehr tröstlich: Jesus weckt die Schläfer. Er zeigt, dass er die Freundesnähe braucht. Er verzichtet auf die herrische Geste der stolzen Einsamkeit. Er zieht sich nicht gekränkt zurück, sondern weckt sie. Er entschuldigt sie sogar; er will nicht, dass sie sich schämen müssen- er ist ein wahrer Freund.

 

                                                                                                                                      

Noch ein Anlauf, sich ins Leid zu finden

Zum zweiten Mal ging er, betete und sprach: Mein Vater, führt kein Weg am Leid vorbei, so geschehe dein Wille!

Matthäus 26,42

 

 

So geschehe wenigstens damit dein Wille- kann das gemeint sein? Muss ich ans Kreuz, so mach was draus, Gott! Lass es wenigstens nicht umsonst sein, nicht banal und aus Versehen; lass mich nicht ein weiteres Opfer sein, das keiner braucht und keinem nützt, Gott.  Nicht, dass sie alle fragen: Wie kann Gott das zulassen? Du musst das jetzt wollen, weil du es brauchst, um was ein für allemal zu klären- Auch wenn ich jetzt nicht den Sinn weiß, lass mich wissen, dass du, „der Gott der Liebe“ (2. Korinther 13,11) das Geschehen brauchst. Wenn es nicht sinnlos ist bei dir, dann kann ich getrost an mein Verhängnis gehen.

 

                                                                        

Die Stunde ist da

Und er kam zu ihnen- und sie schliefen wieder, schliefen tief. Da ließ er sie und ging ein drittes Mal hin und betete noch mal. Dann kam er zu seinen Jüngern, weckte sie und sprach: Die Stunde ist da, dass die Sünder Hand an mich legen. Kommt, wir gehen! Er ist da, der mich ausliefert.

Matthäus 26, 43-46

 

 

Ein drittes Mal geht er zur Seite, redet mit dem „Herz aller Dinge“. Die Jünger schlafen derweil wieder ein. Grausam, wie weit weg uns das Leid anderer sein kann. Wir rutschen einfach aus der Not in eine Traumzeit, wollen nicht Zeuge sein. Jesus versteht seine schwachen Freunde, er  kehrt ihnen nicht den Rücken.  Zuletzt gehen alle mit, erst mal. 

 

                                                               *

 

Ein falscher Kuß, ein verlorenes Ohr

Dann kam Judas mit einer bewaffneten Schar der Hohenpriester und Ältesten. Er hatte ihnen gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist’s. Er trat zu Jesus und sprach: Sei gegrüßt, Rabbi! und küßte ihn. Jesus aber sprach zu ihm: Mein Freund, was machst du? Und sie ergriffen Jesus und führten ihn ab.

Einer der mitgekommen war, hatte ein Schwert bei sich, er zog es und  schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters. Er hieb ihm ein Ohr ab. (Da sprach Jesus: Lass ab, nicht weiter! Und er rührte sein Ohr an und heilte ihn (Lukas 22,51)). Und Jesus sprach: Stecke dein Schwert weg! Wer das Schwert nimmt, wird durchs Schwert umkommen. Ginge es um Gewalt, könnte ich meinen Vater bitten- mehr  als zwölf Legionen Engel schickte er sofort. So aber kann der Wille Gottes nicht geschehen. Da verließen ihn alle Jünger und flohen.

Matthäus 26, 47-54

 

 

Judas  verrät Jesus mit dem Symbol der Liebe. Seitdem ist der Judaskuss Zeichen für Falschheit. Doch es kann sein, dass der Jünger tatsächlich meint, dem Jesus einen  Liebesdienst zu erweisen: Durch die Auslieferung an die Staatsmacht will er seinen Herrn zwingen, sich als Held zu offenbaren: Vielleicht wirft Jesus endlich alle Sanftmut ab und zeigt sich als Gottes strahlender Sohn. 

In diese Richtung  hat wohl auch der Schwertträger gedacht: Er will erster der siegreichen Engels-Kämpfer sein, die Gott- das ist zu erwarten- jetzt in die Schlacht schickt.

Aber Jesus weiß, dass Gewalt nicht Frieden schafft. In der Natur gilt: Das Stärkste überlebt.  Doch die Wahrheit der Liebe ist umfassender: Gottes Liebe gilt uns, weil wir sie brauchen, nicht weil wir so liebenswert sind. Darum nennt Jesus den Verräter “Freund“ und setzt dem Verletzten noch eben das Ohr an.

 

                                                                    *                                                                                                                            

Jesus bietet die Stirn

Sie führten Jesus ab ins Haus des Hohenpriesters (Matthäus 26, 57) Der Hohepriester befragte Jesus über seine Jünger und über seine Lehre. Jesus antwortete ihm: Ich habe frei und offen vor aller Welt geredet. Was fragst du mich? Frage die, die gehört haben, was ich zu ihnen geredet habe. Da schlug einer von den Knechten Jesus ins Gesicht und sprach: Sollst du dem Hohenpriester so antworten? Jesus antwortete: Habe ich Übel geredet, so beweise, daß es böse ist; habe ich aber recht geredet, was schlägst du mich?

Johannes 18, 19-23

Jesus entlarvt die Machthaber der Wahrheit. Sie selbst lassen die Wahrheit nicht an sich ran, sie weichen aus ins Formale, fordern artiges Benehmen. Schneidend klärt Jesus:  Der Ankläger muß das Recht der Anklage beweisen, sonst- was übt ihr Gewalt?

 

                                                              *

Er hält sich hin, hält sich nicht raus

Der Hohepriester sprach weiter zu ihm: Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagst, ob du der Christus bist, der Sohn Gottes.

Jesus sprach zu ihm: Du sagst es. Und ich sage euch: Von nun an werdet ihr sehen den Menschensohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen auf den Wolken des Himmels.

Da zerriss der Hohepriester sein Gewand und sprach: Er hat Gott gelästert! Was bedürfen wir weiterer Zeugen? Was ist euer Urteil? Sie antworteten und sprachen: Er ist des Todes schuldig. Da spuckten sie ihn an. Einige aber schlugen ihn ins Gesicht  und höhnten: Weissage uns, Christus, wer ist’s, der dich schlug?

Matthäus 26, 63-68

 

 

 

Offensichtlich hat  Jesus die gottvollen Taten getan, die zu wirken dem Messias vorbehalten waren. Auch sein: „Zu den Alten war gesagt...Ich aber sage euch“ (Matthäus 5,33) wies auf  eine Autorität höherer Art hin. Und doch konnten oder wollten, konnten und wollten  sie Jesus nicht glauben. Zu sehr waren sie in ihr Messias-Bild vom neuen David verliebt, vom Revolutionär und Heidenfresser, der die Römer aus dem Land wirft und den Himmel auf die Erde bringt. Das konnte der nicht sein, der da so menschlich vor ihnen stand. Sie verhöhnten ihn, wollten so ihre Angst besiegen vor dem edlen Antlitz. Messias kann doch nicht sein, wer sich von Kerlen aus dem Feld drängen läßt, denen gerade danach ist, unangenehm zu werden- das meinten sie.

Immer wieder verwechseln auch wir Gewalt mit Wahrheit und Schwachheit gilt uns als unwürdig. Darum sind wir auch erst am Anfang, Jesus nachzuglauben.  

 

                                                                *

Verrat geht schnell

Petrus war ihnen von ferne gefolgt, dann  setzte er sich zu den Knechten im Innenhof ans Feuer. Da trat eine Magd zu ihm und sagte: Du warst doch auch mit dem Jesus aus Galiläa.

Er leugnete aber und sprach: Ich weiß nicht, was du sagst. Und ging hinaus in die Torhalle- da  sah ihn eine andere und sprach zu denen, die da standen: Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth.

Und er leugnete abermals und schwor dazu: Ich kenne den Menschen nicht. Später  traten andere hinzu, und sprachen zu Petrus: Auf jeden Fall gehörst du zu ihm, deine Sprache verrät dich.

Da fing er an, sich zu verfluchen und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht. Und alsbald krähte der Hahn. (Lukas 22,61) Und der Herr wandte sich um und sah Petrus an.

Da dachte Petrus an das Wort, das Jesus zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und weinte bitterlich.

Matthäus 26, 57, 69-75

 

 

Das Drama fängt gerade erst an, da fürchtet  Petrus schon um sein Leben. Jesus wird drinnen scharf verhört, da lockt draußen ein Feuer- es  verheißt gefahrloses Dazugehören. Eine Magd redet daher, vielleicht nur leichthin, neckend. Doch er macht dicht und  läuft weg. Ein zweites Mal wird er zur Rede gestellt.- Nur ein kleines Einstehen wäre fällig gewesen, vielleicht hätte man ihn vom Hof gejagt, mehr wohl nicht. Aber er leugnet und beeidet sogar, ihn nie gekannt zu haben. Beim dritten Mal, verflucht er ihn und sich selber. „Ich kenne den Menschen nicht“- kenne meinen Jesus nicht mehr und mich auch nicht. Durch Verleugnung machen wir uns selbst unkenntlich für uns selbst.

Aber ein Glück: Ihm krähte ein Hahn, „der kleine Prophet auf dem Mist“. Er sieht zu Jesus, fängt seinen Blick auf, der soviel sagt wie: Gott kennt seinen Simon. Das ist die Rettung: Bitterlich weinen und wissen: Gott weiss.    

 

                                                              *

Gute Nachricht für Judas

Am Morgen aber faßten alle Hohenpriester und die Ältesten des Volkes den Beschluß, Jesus zu töten. Und sie führten ihn ab und übergaben ihn dem Statthalter Pilatus.

Als Judas, der ihn ausgeliefert hatte, sah, dass es für Jesus auf den Tod hinauslief, reute es ihn. Er brachte die dreißig Silberlinge den Hohenpriestern zurück und sprach: Ich habe Unrecht getan, daß ich unschuldiges Blut verraten habe. Sie aber sprachen: Was geht das uns an? Komm du damit zurecht! Da warf er die Silberlinge in den Tempel, ging hin und erhängte sich.

Matthäus 27, 1-5

 

Judas,

der verratende Jünger, wurde Vorlage für das Zerrbild vom hässlichen Juden.  Die Christenheit hat unendliches Unrecht an Israel getan. Sie gab vor, den Heiland zu rächen und tobte doch nur Habgier und Mordlust aus.             Wir können nur für die Schuld unserer Eltern und Vorfahren um Vergebung bitten und uns fortan zu mühen um die gebotene Nächstenliebe gegen Israel. Dazu gehört auch eine Wiedergutmachung für Judas. Er scheint Kämpfer für ein irdisches messianisches Reich gewesen zu sein. Dies Reich sah er mit Jesus anbrechen, jetzt sollte er auch sein Werk vollenden. Dass er verraten habe aus Geldgier ist nur üble Nachrede - auf daß die übrigen Jünger und die Urkirche umso leuchtender strahlen.

Dem Judas  krähte kein Hahn nach, er konnte keinen Blick von Jesus auffangen. Er war mit seiner Schuld allein.

Aber es gibt gute Nachricht auch für Judas: In der Kathedrale von Vézelay in Burgund zeigt eine Säulenplastik einen  Jesus, der  sich den toten Judas auf die Schulter lädt und den verlorenen Sohn heimträgt  in seines Vaters Haus.

 

                                                               *

In der Welt, nicht von der Welt

Nach dem Beschluß, Jesus zu töten, überstellten sie  ihn dem Stadthalter Pontius Pilatus (Matthäus 27,2). Pilatus fragte ihn: Was hast du getan? Was werfen sie dir vor? Bist du ein König? Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden kämpfen; nun aber ist mein Reich nicht von dieser Welt. Darauf Pilatus:  Und bist dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeuge. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme. Spricht Pilatus zu ihm: Was ist Wahrheit?

Johannes  18, 35-38

 

 

Todesstrafen hatte sich die römische Besatzungsmacht vorbehalten. Das kam den Schriftgelehrten recht, ihrerseits die Schuld weiterzureichen. Pilatus widmet sich dem Fall.  Ein König- das roch nach Umsturz. Aber nicht von dieser Welt? Also nur fürs Reich der Träume? Nein, schon in dieser Welt!- aber nicht von dieser Welt genommen sind die Maßstäbe- eben nicht Herodes, nicht Rom, sondern Sanftmut, innerer Friede, bereit für den unteren Weg.  Er will „König der Wahrheit“ sein. Das scheint dem Machtmenschen Pilatus nicht riskant; für ihn gibt es nur viele Wahrheiten und die klaren Befehle der Waffen.

 Ob wir wenigstens jetzt erkennen, dass da das größte Ausstrahlungsereignis der Geistesgeschichte geschah? Wollen wir lieber mit diesem Jesus unrecht haben als ohne ihn recht? Also lieber mit ihm, nach seinen Maßstäben, erfolglos, als im Widerspruch zu ihm siegreich? Also lieber verachtet als gefürchtet? Unser Inneres weiß, was wahr ist. Aber man kann sich auch durchs Leben schwindeln und winden.

 

                                                               *                                                                       

Wasser wäscht Blut nicht ab

Als Pilatus noch zu Gericht saß, schickte seine Frau einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: Habe nichts zu schaffen mit diesem Gerechten; denn ich habe heute viel durchgemacht im Traum um seinetwillen. Da ließ er sich eine Schüssel Wasser bringen und wusch seine Hände in Unschuld.

Matthäus 27, 19.24a 

 

 

Sicher spüren Frauen eher, was im Grunde los ist, sie träumen wohl auch inniger. Träume schärfen unsere Sinne, vergrößern Geschehen, spielen Möglichkeiten durch. Frau Pilatus hat Jesus tiefer erkannt, ihn von ferne vielleicht geliebt, hat sein Leid am eigenen Leib mitgefühlt, möglicherweise. Sie warnt ihren Mann. Er soll sich nicht die Hände an ihm schmutzig machen. Da ließ er Wasser kommen, tat die Geste des Saubermanns, wusch seine Hände zum Zeichen für das Volk, daß er, wenn Blut fließe, unschuldig sei. Aber Jesus freizusprechen, fand er den Mut nicht.     

 

                                                           *

 

Barrabas, der erste durch Jesu Tod Freigekommene

Pilatus fasste zusammen: Ich finde keine Schuld an ihm. Und  gedachte sich aus der Affäre zu ziehen, indem er das Volk entscheiden ließ: Es gibt doch bei euch ein Gewohnheitsrecht, dass ein Verbrecher zum Passafest loskommt; wollt ihr nun, daß ich euch den Mörder Barrabas losgebe oder diesen König der Juden? Da schrien sie Barabbas! Barabbas!

Johannes 18,39-40 

 

 

Man muß sich vor Augen halten, daß die Geschichten über den leidenden Jesus keine historischen Protokolle sind sondern Verkündigungstexte. Sie sind so verfasst, dass in der (damaligen )Gegenwart die christliche Gemeinde sich an den Geschichten wärmen und stärken konnten. Auch meinte man, missionarische Vorteile zu erzielen, wenn man dem Judentum die Schuld an Jesu Tod  auflud. Auch wollte man Rom schonen, oder besser: Man wollte den Römer Pilatus als leisen Symphatisanten schildern, um Rom duldsam zu stimmen für die (vorerst) kleine Christengemeinde. Sicher hat nicht „das Volk“ den Mörder Barrabas vorgezogen. Die Szene ist infam erfunden, um die jüdische Schuld am Kreuzestod zweifelsfrei zu machen. Barrabas oder Christus- das ist die Frage auch an uns. Wir  rufen „Barrabas“, wenn wir etwa den Schwachen verstoßen, oder die Despoten eines rohstoffreichen Landes hofieren.

 

                                                               *

Krone aus Schmerz

Da ließ Pilatus Jesus auspeitschen. Die Soldaten flochten eine Krone aus Dornen und drückten sie auf sein Haupt und legten ihm ein Purpurgewand an, schlugen ihm ins Gesicht und feixten: Sei gegrüßt, du Judenkönig! Pilatus sagte nur: Seht, welch ein Mensch!

Johannes 19, 1-5

 

 

Den Gefolterten dieser Erde soll die Menschenwürde ausgeprügelt werden- die Folterknechte versuchen, ihrer Gewissensbisse Herr zu werden durch Verhöhnung. Pilatus sieht die Heiligkeit in dem Antlitz des Geschundenen noch. Warum gebietet er nicht Einhalt? Doch was fragen wir, warum nicht er?- Wir sind die Gefragten. Warum lassen wir zu, dass Menschen entehrt werden, nebenan?

 

                                                             *

Sie meinten, er habe sich die Würde angemaßt

Pilatus spricht zur Priesterschaft: Ihr fordert, ich soll ihn kreuzigen. Nehmt ihn, kreuzigt ihr ihn, ich finde keine Schuld an ihm. Die Priester antworteten: Wir haben ein Gesetz, und nach dem Gesetz muss er sterben, denn er hat sich selbst zu Gottes Sohn gemacht.

Pilatus wendet sich wieder an Jesus: Woher kommst du, wer bist du? Doch Jesus gab ihm keine Antwort.

Johannes 19, 6-9

 

 

Pilatus spürt Jesu Überirdischsein, will sich aber nicht vertiefen. Er will sich mit den jüdischen Tempelgeistlichen auch nicht anlegen, so wichtig ist ihm „der Heilige da“ auch nicht. Die Geistlichkeit muss die Kreuzigung fordern, weil sie Jesu Anspruch für gotteslästerlich hält. Pilatus will noch mal nachfragen, es wird ihm jetzt doch heikel. Sein Kaiser gilt auch als Sohn Gottes (Jupiters). Sollte da ein weiterer Gottessohn die Erde betreten? Und er, Pilatus hätte es überhört. So fragt er Jesus nach seiner Herkunft. Der aber schweigt. An anderer Stelle (Matthäus 11,4) hat Jesus auf seine Worte und Taten hingewiesen- sprechen die nicht eine göttliche Sprache? Auch Jesus wartet auf eine Verwandlung, die seine Gottessohnschaft beglaubigt. Darum wohl schweigt er.

 

                                                               *

Alle Macht ist geliehen

Da sprach Pilatus zu ihm: Redest du nicht mit mir? Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich freizulassen, und Macht habe, dich zu kreuzigen? Jesus antwortete: Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von oben her gegeben wäre.

Johannes  19,10.11

 

 

Diese Situation passiert uns  auch, in kleinerer Münze: Einer ist frech oder unhöflich und wir werden kalt gegen ihn. Muss ich mir das gefallen lassen? Ich hab doch Mittel, dem andern Respekt einzuflößen. Ich kann ihn kalt abfahren lassen, kann das Trinkgeld verweigern, kann ihm die Freundschaft kündigen, kann ihn anzeigen. Und wenn dann eine Stimme in mir sagt: Was fuchtelst du mit deinen Druckmitteln? Hat Gott dir darum die Position gegeben, die Geldmittel, die Liebe- dass du „die Puppen tanzen lassen“ kannst? Begabungen und Mittel sind anvertrautes Gut- nicht, um mich durchzusetzen sondern um gute Frucht zu bringen fürs Gesamte.

Pilatus lässt sich berühren; er bemerkt sich als Diener Gottes.          

 

                                                       *

Freisein ist riskant

Von da an trachtete Pilatus danach, ihn freizulassen. Die Schriftgelehrten aber schrien: „Lässt du diesen frei, so bist du nicht  mehr Freund des Kaisers.“ Da befahl er die Kreuzigung.

Johannes  19, 12-16

 

 

Pilatus erbleichte. Er bekam es mit der Angst. Wenn dem Kaiser in Rom zu Ohren käme, daß er Nerven zeigte bei einem unbekannten Sektenprediger- hätte er sich doch lächerlich gemacht und seine  Karriere wäre zu Ende.

Wieviel Verrat haben auch wir schon begangen, weil wir das Gesicht wahren wollten, und nicht aufstanden unter Protest. Wir stimmten so manches Mal ein ins Gelächter, ergreifen nicht das Wort für den Bloßgestellten.   

 

                                                         *

Er trug sein Kreuz.

Und sie zogen vor die Stadt zur Hinrichtungsstätte, auf hebräisch Golgatha.

Johannes 19, 17

 

 

Jesu Kreuz ist das Marterholz, er muss es selbst schleppen. Es ist so ähnlich wie es den Menschen jüdischen Glaubens erging. Die wurden von den Nazischergen gezwungen, die Gräber erst auszuheben, in die sie, erschossen, dann stürzten. Jesus am Kreuz zwingt zusammen das Zerissenwerden im Leid und das Bleiben bei Gott.

Was ist dein, was mein Kreuz? Was musst du tragen, ertragen? Was muß von dir ein Stück Wegs geschleppt werden, damit es ein Weiter gibt?

 

                                                           *

Zwischendurch Last tragen

Auf dem Wege zwangen sie einen mit Namen Simon von Kyrene, der eben vom Feld kam, dass er ihm das Kreuz ein Stück weit trage, und er tat es.

Matthäus 27,32

 

In die Weltgeschichte ist dieser Simon eingegangen, weil er zur richtigen Zeit am richtigen Ort war und sich greifen ließ von der Situation. Ein Stück weit dem andern die Last mittragen, eine Quantum Zeit und Kraft abgeben-  lass dein natürliches Gutsein wirken, hab nicht soviel Bedenken. Aber du darfst dich auch wieder lösen und das Deine tun.    

 

                                                           *

Es ist zum Heulen

Es folgte ihm aber eine große Volksmenge, auch  viele Frauen, die klagten und ihn beweinten. Jesus aber wandte sich um zu ihnen und sprach: Ihr Töchter von Jerusalem, weint nicht über mich, sondern weint über euch und eure Kinder.

Lukas  23, 27-28

 

Weinen wir, weil Menschenantlitze zerschlagen werden, ohne daß wir zur Hilfe kommen? An jedem Tag kreuzigen Menschen Menschen und wir wollen nicht Zeuge sein, gehen nicht dazwischen, werden uns wieder nicht empören. Doch, in hellsichtigen Augenblicken finden wir das Elend in der Welt furchtbar und schämen uns über unsern Geiz und unser Wohlleben. Wir sind schon nah dran, zu weinen über uns und unsere Kinder.

 

                                                           *

Die Kreuzigung

Sie nahmen ihn und schlugen ihn ans Kreuz, mit ihm zwei andere zu beiden Seiten. Pilatus aber ließ eine Aufschrift anfertigen und sie oben ans Kreuz nageln :“Jesus von Nazareth, der König der Juden“. Da sprachen die Hohenpriester zu Pilatus: Schreib nicht: „ König der Juden“, sondern nur dass er gesagt hat: „Ich bin der König der Juden“. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.

Johannes 19,17-22

 

 

Die Aufschrift gab den Grund für das Todesurteil an: Er gab sich aus als König der Juden- das wäre Rebellion. Oder ist es anders: Pilatus meint es zynisch- verächtlich: Da! Euer König-lächerlich das Ganze!  Oder war es doch Weissagung: Dieser ist der König. Pilatus herrisch: Es bleibt dabei. 

Doch wer ist er uns?  Ein Idealist? Ein Narr? Lassen wir ihn uns Gottes Zeuge sein?

 

                                                               *

Das Gewand als Bild

Die Soldaten kreuzigten Jesus. Dann nahmen sie seine Sachen und teilten  sie unter sich auf. Das Obergewand war aber gewebt in einem Stück. Da sprachen sie untereinander: Lasst uns das nicht zerteilen, sondern losen wir, wem es gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt (Psalm 22,19): »Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.«

Johannes 19 23-24

 

 

 

Ein starkes Bild: Das ungeteilte Gewand des Herrn. Es symbolisiert die Einheit der Kirche- natürlich wähnt sich Rom im Besitz des heiligen Textils. Doch es geht nicht um ein Souvenir des Herrn sondern den immer neuen Auftrag, die eine Kirche in dem Verschiedenem  zu glauben und zu gestalten.

Alles Rechthaben höre unter dem Kreuz auf, alles Zusammengehören fange unterm Kreuz an.

 

                                                                  *

An einander gewiesen

Es standen aber bei dem Kreuz seine Mutter und ihre Schwester und Maria von Magdala und der Jünger, den er lieb hatte. Jesus sah seine Mutter an und den Jünger und spricht zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Und  zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und der Jünger nahm sie zu sich.

Johannes 19, 25-27

 

 

 

Ein wunderbares Bild für die Kirche, die Jesus will: Dass wir uns einander anvertraut wissen. Nicht erst Blutsbande oder standesamtliche Besiegelungen machen uns zu Nächsten. Sondern wir werden einander zugewendet. Der ist dein Nächster, der dich braucht. Jesus sagt mal glasklar: Der den Willen meines Vaters im Himmel tut, der ist mir Bruder und Mutter (Matthäus 12,50). Das hebt  das Einstehen in Ehe und Elternschaft nicht auf, aber sollte uns abhalten von Egoismus zu Zweit und von Familie als einer Burg gegen den Rest der Welt.

 

                                                                  *

Der Himmel ist nebenan

Zwei Mörder wurden mit ihm gekreuzigt, einer schrie: Bist du nicht der Christus? Hilf dir und uns! Der andere schrie: Gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst!

Und Jesus sprach: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.

Lukas 23,39-43

 

 

Die Evangelisten waren ja auch Lehrer, und Lehrer malen auch schon mal schwarzweiß. Der eine fordert Hilfe, und zwar sofort und hier, aber doch für sie beide. Der Andere macht einen reuevollen Eindruck ,doch allein zu seinen Gunsten. Sicher hat Jesus beide mitgenommen in den Himmel. Der Gnade sind  beide bedürftig.

Diese Szene lässt sich auch lesen als Verheißung, daß wir nicht erst am Jüngsten Tag mit Christus eins sind sondern daß wir hin sterben in Gottes Arme.

 

                                                                       *

Jesus hält fest am verdunkelten Gott

Die aber vorübergingen, schüttelten ihre Köpfe  und sprachen: Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Ist er der König von Israel, so steige er vom Kreuz, dann wollen wir an ihn glauben. Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen an ihm hat. Er hat doch gesagt, er sei  Gottes Sohn.

Von Mittag bis Nachmittag  fiel eine Finsternis auf das ganze Land. Und Jesus schrie laut Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Matthäus 27, 39-43 

 

Das ganze Grauen des Karfreitag  steht hier offen: Er hat tatsächlich anderen vom Tod zum Leben geholfen. Er hat geliebt bis zum bitteren Ende. Er war zu gut für diese Welt- zu geradlinig hat er die Liebe als Gottes Wesen bezeichnet und vorgelebt. Das war den Gotteswisser nicht geheuer. Und sie überließen es Gott, soll er sagen, ob er so sich seinen Ersten Sohn vorstellt. Dann wird er vom Himmel ja dazwischenfahren.   Auch Jesus versteht Gott nicht mehr, aber er hält zu ihm, sagt bis zuletzt: „Mein Gott“. Jesus gebraucht damit einen Gebets-Schrei aus Psalm 22. Der  Psalm schließt zum Glück: „Sie werden kommen und seine Gerechtigkeit predigen dem Volk, das geboren wird. Denn er hat es bestanden.“

Er hat sich als gerecht, als Gott recht, erwiesen am Kreuz, indem er für Gott vor den Menschen einstand: Gott ist Liebe, die eher sich kreuzigen lässt als mit Gewalt ihre  Herrschaft zu erweisen. Das Leid der Welt wird von Gott nicht verhängt sondern erlitten.  Gott ist ja das Zentralbewusstsein der Welt, ihm geschieht alles Geschehen. Alle Freuden, alle Leiden geschehen an seinem Leib.  Auch wenn sich Menschen von Gott verlassen sehen, geschieht das in Gott – ob dies Einsein auch durch den Tod hindurch  reicht, erprobt Jesus.

Jedenfalls ist die Sühnopfertheorie nicht mehr brauchbar, um das Heilswerk Christi zu deuten. Gott opfert nicht seinen (ersten) Sohn für unsere Sünden. Will man das  Wort „Opfer“ bewahren, dann nicht mehr im Sinne von Opfergabe (sacrifice), sondern  im Sinne von Verkehrsopfer (victim). 

 

                                                                  *

Gottesfinsternis

Und es kam eine Finsternis über das ganze Land  und die Sonne verlor ihren Schein, und die Erde bebte  und der Vorhang des Tempels zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus (Matthäus 26,51).  Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!

Lukas 23, 44-46

 

 

Ungeheuerliches stand in Jesu Tod auf dem Spiel, das bilden die Naturereignisse ab. Das Ungeheuerliche zeigt sich auch im Tempel: Der Vorhang, der imTempel das Allerheiligste vom Volk trennt ,und abbildet, dass Gott  getrennt ist von der Welt, der zerreißt. Und zwar von oben an, vom Himmel her, was zeigt:  Das Verborgensein Gottes hat ein Ende. Mit Jesus ist die Heiligkeit zur Welt gekommen, ist weltlich geworden, nichts trennt mehr Heiliges und Profanes. Gott hat sich in Jesus geerdet, hat Menschenschicksal und Sterben selber angezogen.

Mit Jesu Wort: „In deine Hände schick ich meinen Geist“ wollen wir alle sterben. Dass diese Bitte gehört und erhört wird, dafür steht Jesus ein.

Er musste den Glauben wagen ohne Vorbild. Wir dürfen ihm nachleben und auch nachsterben im Vertrauen: wir bleiben in Gottes Hand.   

 

                                                                    *

Gut, wenn alles vollbracht ist

Danach spricht Jesus: „Mich dürstet“. Es stand da ein Gefäß voll Essig. Sie füllten einen Schwamm mit Essig und steckten ihn auf ein Rohr und hielten es ihm an den Mund. Und zuletzt sprach er: Es ist vollbracht! und neigte sein Haupt und verschied.

Johannes 19,28-30

 

 

Der Evangelist Johannes gestaltet die Sterbeszene dem Psalm 22 nach; da ist  das Würfeln um die Kleider und der fürchterliche Durst  vorabgebildet. Es ist ja tiefe Christen-Überzeugung, dass die Verheißung des kommenden Christus schon in den Schriften des Volkes Israel bewahrt sind. „Vollbracht“ ist der Lebenslauf des Menschen Jesus, in dem sich Gottes Güte und des Menschen Gotteskindschaft verband. 

 

                                                               *

An die eigene Brust schlagen

Und als die Leute sahen, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und gingen weg. Der Hauptmann, als er sah, was da geschah, sprach: Wohl wahr, dieser ist Gottes Sohn gewesen (Markus 15,39). Von ferne standen Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und ihm gedient hatten, und sahen das alles, unter ihnen Maria von Magdala und Maria, die Mutter Jakobus’ und Salome.

Lukas 23, 48.49

 

 

Wir sind auch unter den Zuschauern. Jeden Abend zeigt uns die Tagesschau ausgewählte  Leidende des Tages. Und wir wissen nicht, was wir denken sollen.  Die Zeugen des Todes Jesu schlugen sich auf die Brust und kehrten heim- ja,  schon betroffen, Mitschuld ahnend, froh, dass sie davongekommen sind. Frauen, einige mit Namen, blieben am längsten bei ihm, sie weinten um den Menschen, der ihnen ihre Würde neu entdeckt hatte. Dem römischen Hauptmann legten die Christen das erste Gottessohnbekenntnis in den Mund, auch zum Zeichen, dass die Untreue der geflohenen Jünger ein dauernder Schmerz bleibt. 

 

                                                                  *

Totenstille

Es gab da einen Menschen mit Namen Josef, ein Ratsherr aus Arimathia, der wartete auf das Reich Gottes. Der ging zu Pilatus und bat um den Leib Jesu und nahm ihn ab vom Kreuz, wickelte ihn in ein Leinentuch und legte ihn in sein Grab, das war in einen Felsen gehauen, und wälzte einen Stein vor des Grabes Tür. Und es war Rüsttag, und der Sabbat brach an.

Lukas 23, 50-54

 

 

Alles schien aus und vorbei, die Freuden mit dem wunderbaren Jesus und dann seine Todesqualen. Die Menschen waren nach Hause gegangen, wollten nichts mehr sehen, konnten nichts mehr denken. Was zurückblieb waren ausgezehrte Leichname. Dann erbarmte sich einer. Er bat um Freigabe und brachte Jesu Leichnam zu Grabe- sicher auch die der beiden Mitgestorbenen. Dann ließ er einen Riesenschlußstein vor die Grabkammer wälzen. –Vielleicht, dass jetzt Ruhe sei, auch Ruhe einkehre in die Seelen- man war viel schuldig geblieben diesem leuchtenden Menschen. 

Eine liebevolle Beerdigung hat auch was von Friedenmachen. Der für das Begräbnis sorgte, wartete, so heißt es, auf das Reich Gottes. Sah er in Jesus den Anfänger und Aufreißer des kommenden Reiches. War er gespannt? Jedenfalls war er  wohl offen in der Erwartung nach vorn.   

 

                                                                   *

Fanfaren des Lichtes

Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen, den Leichnam zu salben. Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?

 

Als sie aber hinsahen erschraken sie: Der Stein war weggewälzt. Sie gingen hinein in das Grab und sahen rechts ein engelhaftes Wesen in weißen Kleidern sitzen. Und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Geht und sagt seinen Jüngern, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.

Markus 16, 1-6

 

 

Die Frauen trauern tätig. Sie wollen salben und schöne Düfte versprühen und reden, reden miteinander, wie es alles war mit dem geliebten Menschen und wie allein sie jetzt sind. Da fährt ein Blitz der Erkenntnis in sie. Sie werden nach vorn gerissen in ihrem Denken. Der ist nicht tot, den ihr liebt, er ist mitgenommen in den Schwall der Gegenwart Gottes! Er ist noch viel mehr bei euch als vorher, will euch treffen, schicken, senden. Ihr werdet sehen. Und sagt es weiter: Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.

 

                                                             *

Sie meint, es sei der Gärtner

Maria weinte am Grab, dann ging sie hinein. Da sieht sie zwei Engel in weiß, die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingetan haben.

Als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast. Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Mein lieber Meister!

Spricht Jesus zu ihr: Halt mich nicht fest! Denn ich muss und will auffahren zum Vater. Du aber geh hin zu den Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.

Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt.

Johannes 20,11-18

 

 

Maria von Magdala will den Toten in ihrer Liebe lebendig halten.  Tot sind nur  die Vergessenen, sagt sie, hilflos, trotzig.  Durch den Kraftakt ihres Gedenkens will Magdalena ihn bei sich gegenwärtig haben. Aber Jesus ist im Leben, weil ja Gott  im Leben ist und Jesus bei Gott ist; Nicht wir bilden uns seine Präsens ein. Sondern Christi Präsens bildet sich uns ein.

 

Leibhaftig ist Christus nicht mehr zu haben. Und doch flirrt die Luft von ihm. Die Gegenwart ist voll Christus, so real wie der Gärtner- nur: Wir müssen seine Stimme hören. Er spricht uns an- das erhebt uns auf das Niveau des Auferstandenen. 

Du, hör dich angesprochen von ihm: Du,  fürchte dich nicht; ich, der Engel Gottes bei den Menschen, ich, Christus gehe mit dir. Und fährst du durch die Höll, ich bin doch dein Gesell- spricht Christus zu dir.  Du mit mir im Konvoi- ich hab alles durchstanden, jetzt durchsteh ich Deins auch mit dir. Und ziehe dich in Freude, Himmel, Ganzwerden, zersorg dich nicht. Sag es weiter. Du bist in leuchtender Gemeinschaft, bist im Werden vor Gott. Der führt dich auf dem Weg zu werden, der du gemeint bist.

 

                                                                  *

 

Zweien gehen die Augen auf

Und zwei von ihnen gingen in ein Dorf, das war von Jerusalem etwa zwei Wegstunden entfernt; dessen Name ist Emmaus. Und sie redeten miteinander von allen diesen Geschichten.

Und es geschah, als sie so redeten und sich miteinander besprachen, da gesellte sich jemand  zu ihnen und ging mit ihnen. Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie nicht merkten, wer da mit ihnen ging.

Und der Fremde sprach zu ihnen: Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs? Da blieben sie traurig stehen. Und der eine, mit Namen Kleopas, sprach zu ihm: Bist du der Einzige in Jerusalem, der nicht weiß, was in diesen Tagen dort geschehen ist?

Und er sprach zu ihnen: Was denn? Sie aber sprachen zu ihm: Das mit Jesus von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig in Taten und Worten vor Gott und allem Volk; und unsre Hohenpriester haben ihn gekreuzigt. Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde. Und über das alles ist heute der dritte Tag, dass dies geschehen ist.

Auch haben uns einige Frauen aus unserer Mitte erschreckt, die sind früh bei dem Grab gewesen, haben seinen Leichnam nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben eine Erscheinung von Engeln gesehen, die verkündeten, er lebe. Und einige von uns gingen hin zum Grab und fanden es so, wie die Frauen sagten; aber ihn sahen sie nicht.

Er aber sprach zu ihnen: Eure Herzens sind nicht hellhörig- musste nicht Christus dies erleiden um in seine Herrlichkeit einzugehen?

Und er öffnete ihnen die Schrift von  

Mose bis zu den  Propheten –wie das alles auf ihn hindeutete und hinauslief.

Und sie kamen nahe an das Dorf. Und er tat so, als wollte er weitergehen.

Sie aber  baten und drängten ihn: Herr, bleib in unserer Nähe. Und er blieb.

Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brachs und gabs ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet und sie erkannten ihn.         Dann aber war die Erscheinung zu Ende. Sie konnten es nicht fassen, sie erinnerten sich nur: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?

Zurück in Jerusalem fanden sie die Elf versammelt. Die überschlugen sich, ihnen mitzuteilen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen. Und sie erzählten ihnen, was ihnen auf dem Wege geschehen war und wie er von ihnen erkannt wurde am Brotbrechen.

Lukas 24, 13-35

 

 

Ob von Mose bis zu den Propheten alles auf Christus hindeutet, ist Auslegungssache. Aber dass der Christus selbst den Schriftbeweis darlegte, ist für die Urkirche hochwichtig. Dann ist sie nicht eine jüdische Sekte sondern Avantgarde der neuen Menschheit: Sie- die beginnende Kirche- hat Gottes Retter, den Jesus Christus als erste verstanden und angemessen aufgenommen. Aus Sicht der Kirche gelten die Jünger als die ersten wahren Zeugen des Messias. Sie leben aus der Gewissheit: wo andere noch auf sein Kommen warten, haben wir Christen ihn schon zur Seite.

Aber auch für Christen ist der Messias noch im Kommen. Wir haben ihn jetzt erst unter den Zeichen von  Brot und Wein, wie die beiden Jünger, denen zwar das Herz brannte, die aber trotzdem noch erst auf dem Weg zur Erkenntnis sind.

Glauben wir doch, dass wir mit Christus am Heilwerden sind. Auch wenn unsere Augen „noch gehalten sind“, steht unser Herz für die Liebe als die Gottesenergie offen und wir haben Mut zu dienen. 

 

                                                                     *

Auferstehung jetzt

Eines Abends waren die Jünger beisammen, die Türen waren verschlossen aus Furcht. Da kam Jesus, trat mitten unter sie, sein Auferstehungsleib trug noch die Wundmale. Die Jünger wurden froh. Er spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist!  Und gebt ihn weiter.

Johannes 20, 19-23

 

 

Ostern ist das größte Ausstrahlungsereignis der Geistesgeschichte. Verwandelt werden die Anhänger Jesu zu  Christen. Zuerst stirbt  der Mensch Jesus  und wird zum Christus verwandelt. Der trägt weiter mit sich die Leidensspuren seines Erdenlebens, aber statt aus Erdenfleisch ist er jetzt aus Gottesmaterie. Er ist Teil der Allmacht Gottes, er ist Friedensenergie. Und haucht Seins den Seinen ein. 

Diese heilige Christus-Energie macht froh und  wendet uns der Zukunft zu; sie lässt uns nicht stecken im Vergänglichen, Verpfuschten, sondern verwandelt uns  zu Friedensmachern.

Geh nur davon aus, dass du ein vom Geist angehauchter Mensch bist. Du denkst bestmöglich ab jetzt für dich und alle. Von dir geht Friede aus. Du bist ein Gesandter des Herrn, also geschickt, die Umstände zu entwirren auf Frieden hin.

 

                                                              *

Petrus - erster Hirte

Jesus spricht zu Simon Petrus: Simon hast du mich lieber, als mich die andern haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer! Er spricht  ein zweites Mal zu ihm: Simon, hast du mich lieb? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! Und er spricht zum dritten Mal: Simon, hast du mich lieb? Petrus sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!

Und  ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hin wolltest; einmal alt geworden, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst. Also: Folge mir nach!

 

 

Johannes  21,15-19

Sicher ist diese Geschichte auch Zeichen, dass die sonst dem Apostel Paulus näherstehende Johannesgemeinde (in Alexandrien) die beginnende Priorität Roms  zu achten bereit ist. 

Das ist kein wörtliches Protokoll. Wohl drei Generationen nach Jesus Erdenleben verdichtet  Johannes  die entscheidende Glaubensfrage zu dieser „ideale Szene“. Dreifach die eindringliche Frage, dreifach gezwirnt der Auftrag. Die Gemeinde und auch wir Heutigen,  stehen vor der Frage des Christus: Liebst Du mich?

Doch wie ihn lieben? Wir sind von ihm zu  Durchdrungenen gemacht, nicht zu Durchschauern. Weiß dich geliebt von dem leuchtenden Gottmensch, Menschengott- der immer noch mitgeht im Alltag und dich, mich aufrecht gehen und handeln lehrt.  Und der uns zu Hirten macht für einander.

Wir alle, alt geworden, werden uns beugen; und werden geführt- letztlich, wohin es für uns gut ist. Auch Jesus sah sich geführt, wohin er nicht wollte. Auch auf den Märtyrertod des Petrus schaut Johannes zurück.  Und nimmt daraus die Ansage: Christus nachfolgen heißt sich auf dem Heimweg wissen, auch durch Wirren und Verzichte und Tod hindurch.

 

                                                            *

 

Aber der Tröster

Christus spricht: Jetzt gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat. Euer Herz ist voll Trauer. Aber ich sage: Es ist gut für euch, dass ich gehe. Kommen wird Der Tröster. Den werde  ich euch senden vom Vater. Der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird Zeugnis geben von mir. Der wird euch in alle Wahrheit leiten.

Ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. An dem Tag werdet ihr mich nichts fragen.

Johannes 16,5.7; 15,26; 16,12.20-23

 

 

Der Evangelist Johannes hat vor die Passionsgeschichte lange Abschiedsreden des Jesus Christus gesetzt. Der irdische Jesus hat sicher kerniger gesprochen, mit  Worten wie Nägel  die ein Zimmermann einschlägt, jeden genau richtig.  Die Abschiedsreden, die der Evangelist Johannes komponiert hat, sind nicht historisch. Und doch  sind sie echt, in dem Sinne, dass sie aus dem Geist Christi geredet sind. 

Ähnliche Nähe braucht eine Predigt. Sie soll  im Geist und aus dem Geist Christi sprechen. „Tröster“ ist ein herrlicher Begriff für den heiligen Geist, der kein Ersatz ist für den zum Himmel gefahrenen Jesus sondern er ist der “Christus noch einmal“, ist die Christusenergie, die uns hoffentlich antreibt. Sie leitet in alle Wahrheit: der letzte Grund von allem ist Liebe. Liebst du, kannst du nichts ganz falsch machen, liebend ist  auch im Falschen noch Richtiges. In Aussicht steht  Vollendetwerden und das Ende aller Fragen.

 

                                                             *

Bei euch alle Tage

Und Jesus sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch sage. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Matthäus 28,18-20

 

 

Ob es eine förmliche Aussendung gab, ist fraglich. Aber nicht fraglich ist, daß sich die Jünger und ersten Mitchristen gesandt wussten. Paulus ist ja  „aus dem Stand“ ins Apostelamt katapultiert. Und ging sofort los, das Evangelium von der rettenden Liebe auszustreuen, unter Menschen, Städte, Völker. Paulus sieht die Jünger und sich als Spätberufenen ausgesandt, um - im letzten Augenblick- kurz vor Einbruch des Himmels auf die Erde die Menschen zum Glauben zu rufen. 

Man sagt:  Statt des Reiches Gottes kam die Kirche“ (A. Loisy).                             Der Missionsbefehl des Christus weist die ersten Christen in die Geschichte: Wir sollen sie nicht meiden sondern gestalten, wissend: Alle Gewalt, alle Dynamik, alle Energie ist  Liebe- und unter wie viel Tragik auch verborgen, soll sie der Liebe dienen. Jünger Jesus sind eben die, die die Liebe als Herzschlag Gottes und der Geschichte glauben. Sich taufen lassen, heißt, im Sinne des Jesus zu leben und sich gesandt wissen an die Arbeit für eine gerechtere Welt.

Nur hier in der Bibel taucht die  dreifache Gottesformel auf: Gott ist Schöpfer und in Christus Retter und als Heiliger Geist ist er Begeisterer, Zueinanderwender. Die „trinitarische Formel“ entfaltet Gott in seinen  drei wesentlichen Dimensionen: Schöpfungsmacht, Liebe, Geist.  Man sagt für das Wichtigste, Endgültige auch: „Es ist Matthäi am Letzten“:  Zuletzt gilt Jesu Zusage: Ich bin bei euch bis an der Welt Ende.

Christus  ist bei uns als Energiestrom, der uns belebt, sodaß wir gewiss sein können:“Und wäre dir auch was verloren, kannst immer tun wie neugeboren“ (J.W Goethe).        

 

                                                                       *

 

Ein anderes Schlusswort: Christi Himmelfahrt

Christus sprach zu ihnen: Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und bis an das Ende der Erde. Und als er das gesagt hatte, wurde er erhoben, und eine Wolke nahm ihn weg vor ihren Augen.

Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern. Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und starrt nach oben? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird wiederkommen. Jetzt geht los; geht an die Arbeit, seine Zeugen zu sein.

Apostelgeschichte 1, 7-11

 

 

Es ist dies eine Zeitkonstruktion späterer Generationen: Vierzig Tage nach Ostern: Himmelfahrt; zehn Tage später Pfingsten. Sicher ist: Nach Jesu Tod haben ungeahnte Ereignisse den Jüngern klargemacht, dass ihr Christus lebt. Diese Ereignisse sind nicht isoliert und objektiviert zu haben. Jedenfalls erschien Jesus ihnen; von außen drangen Begegnungen  mit Christus auf sie ein. Die machten die ersten Zeugen zu seinen Boten und nahezu alle zu Märtyrern. Hinter den Glauben der Jünger können wir nicht zurück. Wir müssen ihnen den Auferstandenen nachglauben.

Nach einer kurzen Spanne hörten die sichtbaren Vergegenwärtigungen  des Christus auf. Eine „Abschiedsgala“ ist unwahrscheinlich, aber für so was wie  Himmelfahrt   stand im Alten Tesament Elia`Erhebung im feurigen Wagen- (2.Könige 2) bereit.  Schon früh setzte sich das Bild der Erhebung in den Himmel bei den Christen fest; und die ging einher mit der Forderung: jetzt glotzt nicht gen Himmel sondern geht an die Arbeit; Es gibt viel zu tun im Namen des Herrn.

 

                                                                 *

Das Pfingstwunder

Und als das „Fest der fünfzig Tage nach Passah“ gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und sie setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab, es auszusprechen.

Apostelgeschichte 2,1-4

 

Auskommen

ohne den „Jesus- leibhaftig“ und doch von seiner Gegenwart überzeugt sein- das ist der Geburtstag der Kirche. Das Wesen von Kirche ist: „Ich, Christus, bin bei euch –seid ihr darum hoffnungsvoll, liebevoll und tatkräftig!“

Es gab in der Jüngergemeinde ein Ereignis, das verband sie. Sie erlebten sich als eine Familie, die vom Geist Christi  verschmolzen war zu einem Leib. Sie erlebten sich  zugehörig zu einem Ganzen- und verstanden einander, auch wenn die Herkunftssprache verschieden war. Wir nennen dies himmlische Dolmetscherfest „Pfingsten“- vom griechischen: “pentekoste“-fünfzig Tage (nach Ostern).

 

Das Gegenstück zu Babylon

Es wohnten in Jerusalem Juden aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen vom Himmel geschah, lief viel Volk zusammen und sie gerieten außer sich; ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie fragten: Sind nicht diese alle aus Galiläa? Was hören wir jeder seine eigene Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus Rom, Juden und Judengenossen, Kreter und Pleter- wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes reden.

Und die einen entsetzten sich: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein.

Apostelgeschichte 2,5-13

 

 

Die Gegengeschichte zur Sprachverwirrung von Babel (1. Mose 10) ist die Ausschüttung des Heiligen Geistes. Den ersten Christen geschah überschwängliches Glück. Sie, die sich noch scheu verkrochen, weil ihnen ihr Herr abhanden kam- sie wurden durch einzelne Begegnungen mit dem Auferstandenen zusammengeführt zu einer neuen Christus- Geschwisterschaft. Die wurde der Kern der weltumspannenden Kirche, beseelt von Liebesfeuer und Geist.

Ein Ereignis soll fünfhundert Brüder und Schwestern auf einmal (1. Korinther 15,6) getroffen haben- es muß mit dem Pfingstereignis identisch sein. Sie haben ihr „coming out“- sie gestehen einander ihr ZuChristusgehören. Es ist in höchstem Maße ein Sprachereignis: Christus macht, dass man sich und die andern versteht. Und die andern reden einem aus dem Herzen, wenn sie die großen Taten Gottes – aus der langen Heilsgeschichte und dem persönlichen Erleben- begeistert ausbreiten. Kirche erbaut sich aus den lebendigen Steinen der vom Heiligen Geist berufenen, gesammelten, erleuchteten und geheiligten  Menschen.

 

Pfingsten- auf Dauer

Hinter den menschlichen Worten, wenn sie nicht zerstörend benutzt werden, schimmert unsere Gottesherkunft. Wir sind einander als verwandt erdacht, dazu soll uns das Mitteilen und Benennen mittels der Worte dienen. Mit Sprache begabt geben wir nicht nur Laut sondern uns, können uns einander vertraut machen, so ein Glück. Heiliger Geist nun ist die Energie der Kommunikation; er begeistert uns füreinander, stellt Zusammenhänge her, verknüpft, vernetzt uns. Freundlichkeit durchflutet uns, Müdigkeit wird ausgekehrt, Erbarmen ruft zur Tat, Eros neigt uns zueinander, Gerechtigkeitssinn nimmt in Dienst.

Wie Wildgänse  in Flugstimmung geraten- so durchfährt uns Menschen Wissen von Einssein und hebt uns zueinander.  Diese Durchflutung mit Einsseinwissen ist Jesu Geist. In allen Formen von befreundender Begeisterung regnet Gott den Jesus-Geist über uns aus- auch das Kirchenfeld soll blühen.

 

                                                        * *

 

 

 

B Apostelgeschichte, Briefe, Offenbarung

Apostelgeschichte

 

 

Ein Blick auf die Anfänge der Kirche

Die nun sein Wort annahmen, ließen sich taufen;. Sie blieben beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Gottesdienst und im Gebet.

Alle Dinge hatten sie gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem wie nötig es einer hatte. Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, teilten die Mahlzeiten mit Freude, sie lobten Gott und waren wohlgelitten beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich Neue zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden- an einem Tage wurden hinzugefügt etwa dreitausend Menschen  

Apostelgeschichte 2,41-47

 

 

Der Arzt Lukas, der auch das Lukas-Evangelium geschrieben hat, wagt als erster den großen Wurf einer ersten kurzen Kirchengeschichte. Er schreibt für Rom. Dort im Zentrum des Reiches – Petrus und Paulus waren schon wohl zwanzig Jahre vorher als Märtyrer umgebracht worden- sollte die Gemeinde gestärkt werden. Eine Urkunde ihrer erstaunlichen Ursprünge sollte den Ruf der neuen Gottesgemeinschaft stärken.

Am Anfang, so Lukas, stand ein urchristlicher Liebeskommunismus. Paulus war mit der Gemeinde in Korinth, wohl 30 Jahre vorher-hart ins Gericht gegangen. Die waren beim Abendmahl so egoistisch, dass, wer genug hatte, sich mitbrachte und erst mal sich selber satt aß. Und wie Paulus sich mühte, für die mangelleidenden Christen in Jerusalem eine Kollekte zusammen zu bringen- das zeugt vom „Menscheln“ auch in  der Urgemeinde.

Und doch ist die Idee umstürzend: Jeder gibt, was er hat und nimmt (nur), was er braucht; der verzichtet auf privaten Besitz zugunsten eines Gemeinsamen Lebens. Ob die Ersten Christen tatsächlich vom Geld lassen konnten oder nicht- jedenfalls Einzelne führten überzeugende Leben, einige Gemeinden mühten sich, dem Jesus ähnlich zu werden, der nicht wußte, wo er zur Nacht sein Haupt hinlegen würde (Lukas 9,58). Die ersten idealisierten Christen, wurden Vorbilder für christlichen Enthusiasmus und  ein asketisches Mönchstum und auch für die kommunistische Utopie einer geschwisterlichen Welt.

 

                                                             *

 

Aus Saulus wird Paulus

Saulus war ein scharfer Christenverfolger. Auf dem Wege nach Damaskus umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; er stürzte zur Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich?

Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst.

Als er seine Augen aufschlug, sah er nichts. Man nahm ihn bei der Hand und führten ihn nach Damaskus zu einem Hananias!

 Der legte ihm die Hände auf ihn und sprach: Lieber Bruder Saul, der Herr Jesus, der dir auf dem Wege hierher erschienen ist, hat mich gesandt, dir zu sagen: Du sollst wieder neu sehend und mit dem Heiligen Geist erfüllt werden. Und sogleich fiel es von seinen Augen wie Schuppen und er wurde wieder sehend; und er stand auf, ließ sich taufen und nahm Speise zu sich und stärkte sich. Und bald predigte er in den Synagogen von Jesus, dass dieser Gottes Sohn sei.

Aus Apostelgeschichte 9

 

 

Eine umstürzende Bekehrung nennt man auch ein „Damaskuserlebnis“. Geschieht einem eine dramatische Wesens-verwandlung, dann sagt man auch, aus einem Saulus sei ein Paulus geworden. Dem jüdischen Schriftgelehrten Saulus aus Tarsus, (mit römischer Staatsbürgerschaft!) fällt es tatsächlich wie Schuppen von den Augen, daß die Gotteskindschaft uns zuwächst durch den Glauben an Jesus Christus.( Man muss immer dazusagen:  mittels des Glaubens, nicht wegen des Glaubens.) Nicht  mehr die Zugehörigkeit zum Volk Israel ist zwingend, auch nicht Gehorsam gegen ein Gesetzbuch. Paulus wird der Theoretiker des Christentums, er erkennt die  Internationalität der Kirche, ihre Katholizität ( von kat olos, den ganzen Erdkreis umfassend). Und dass die Liebe das Größte ist. Statt weiter die Christen zu verfolgen, wird er der glühendste Christus-Jünger. Er weiß sich durch eine ganz persönliche Vision  zum Apostel (neben den Jüngern) berufen.

    

                                                                    *

 

Engel sind um uns

Um diese Zeit legte der König Herodes Hand an einige von der Gemeinde, sie zu misshandeln. Jakobus, den Bruder des Johannes, ließ er töten mit dem Schwert.

Und er nahm auch Petrus gefangen, warf ihn ins Gefängnis und überantwortete ihn vier Wachen von je vier Soldaten, ihn zu bewachen. Denn er gedachte,  ihn vor Gericht zu stellen.

Wachen auch vor der Tür bewachten das Gefängnis. Doch der Engel des Herrn kam herein und Licht leuchtete auf in dem Raum; und er stieß Petrus in die Seite und weckte ihn und sprach: Steh schnell auf! Und die Ketten fielen ihm von seinen Händen. Und er sprach zu ihm: Wirf deinen Mantel um und folge mir!

Und er ging hinaus und folgte ihm und wusste nicht, dass ihm das wahrhaftig geschehe durch den Engel, sondern meinte, nur  eine Erscheinung zu sehen.

Sie gingen aber durch die erste und zweite Wache und kamen zu dem eisernen Tor, das zur Stadt führt; das tat sich ihnen von selber auf. Und sie traten hinaus und gingen eine Straße weit, und alsbald verließ ihn der Engel.

Apostelgeschichte 12, 1-10

 

Auch Petrus stellt nicht klar, woran man den Engel erkennen kann. Es muss einer gewesen sein, das ist ihm klar- wenn das Unmögliche wunderbarerweise doch geschieht, dann war Gottes geballte Energie am Werk. Gotteskraft, Engelskraft , wie auch immer verpackt, sie geschieht uns.

Und manchmal sind wir Handlanger der Engel. Wenn uns dann jemand anspricht, den wir gerade vor dem heranbrausenden Auto zurückgerissen haben oder dem wir sein eben aus der Tasche gefallenes Portemonnaie zurückgeben, dann sagt er: “Sie Engel“. Und du sagst: “Ich tat nur meine Pflicht, ist nicht der Rede wert“.  Und  du hast das Gefühl, Überirdische zwinkert dir zu.

 

 

 

Paulus in Athen

Paulus zog rastlos durch Kleinasien um zu missionieren. Er kam auch nach Athen, das geistige Zentrum der damaligen Welt. Als er die Stadt voller Götzenbilder sah, ergrimmte sein Geist. Leuchtend und lodernd  predigte er dagegen das Evangelium von Jesus und seiner Auferstehung.

Einige Philosophen legten sich mit ihm an und sprachen: Was will uns dieser Schwätzer sagen? Andere aber sprachen: Er will uns wohl fremde Götter verkündigen. Lasst ihn reden- wir Athener hören ja gern Neues. Und sie zogen mit ihm auf den Areopag, den zentralen Denk- und Redeort der Stadt. 

    Und er sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: „Dem unbekannten Gott.“ Nun verkündige ich euch, wen ihr unwissend verehrt.

Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist; Er, der doch selber jedem Leben und Odem und alles gibt; Er hat das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit wir Gott suchen sollen, und wahrlich: Er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, wirken und sind wir; wie auch einige Dichter bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts.

Aus Apostelgeschichte 17, 16- 28

 

 

Ob dies ein originales Predigtstück des Paulus ist? Großzügig wie die Griechen selbst –die noch dem unbekannten Gott einen Altar errichteten und Opferdienst halten- spricht Paulus vom Christengott: Nah einem jedem ist er. Wir leben in ihm, wirken in ihm, sind in ihm. Näher, identischer geht es nicht. Und keine Riten, keine Zeremonien, keine Urkunden sind dazu notwendig. Mit Geburt sind wir Kinder Gottes,  alle Religionen und Kirchen können dieses Grundrecht nur feiern aber nicht durch Pflichtbekenntnisse oder Mitgliedschaften einengen. Auch wer sich für „gottlos“ erklärt, meint der nicht eher „kirchenfern“ oder „bekenntnisneutral“ ? Erklärten wir Gott als unwichtig für uns- wie klein müssen wir von ihm denken.  In ihm leben, wie der Fisch im Wasser- es kann höchstens sein, daß wirs nicht wissen. Aber das hebt unser Existieren in Gott nicht auf.

                                                        *

 

Der Römerbrief

 

 

Spuren Gottes in der Natur

Gottes unsichtbares Wesen, seine ewige Kraft und Gottheit, wird seit Schöpfung der Welt aus seinen Werken ersichtlich. Man muss sie nur wahrnehmen. Die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes aus der Natur nicht erahnen- dafür gibt es keine Entschuldigung.

Römerbrief  1,20

 

Wenigstens erahnen können wir Gottes Existenz. Sonnenglanz und Feuersbrunst, Wogenschwall und Spinnennetz- sie sind doch Wunder über Wunder. Materie ist doch eine der Sprachen Gottes. Daß wir gewollt sind vom Urgrund des Seins- wenigstens wünschen muß man es doch. Wie sollte man aus bloßem, nacktem Zufall vorhanden sein wollen? Es muß doch Gott geben- muss geben den, der geschehen lässt, auch mich. Alles Sein ist Zusammensein mit Gott- dies nicht wenigstens wünschen, würde doch unser Denken enthaupten.

 

                                                       *

 

 

Das Evangelium als Kraft Gottes

 

Ich schäme mich des Evangeliums nicht; es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben. Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben. Das sagt auch das Alte Testament: „Abraham hat Gott geglaubt und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden« (1.Mose 15,6). Kein  Mensch kann durch Gehorsam gegen die Gebote sich vor Gott gut machen. Die Gebote sind nur  da zur  Erkenntnis der Sünde.

Gott Rechtsein erwächst aus  Glauben an Jesus Christus. Ohne eigene Verdienste  sind wir Gott recht, aus Gnade- eben durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.

Wer aus eigenem Guttun vor Gott gut dastehen will, dem wird Lohn zuteil nach seinem Verdienst. Dem aber, der sich nicht auf seine guten Werke verläßt, glaubt aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit.

Römerbrief 1,16f ;3,20f; 4,3-5

 

 

Das ist der Kern des Evangeliums. Wir brauchen uns nicht mehr vor Gott abschuften.   Nicht mit Verzichten und Askese, nicht durch Aufopferung und Gehorsam sollen wir vor dem Jüngsten Gericht bestehen. Sondern die Zuversicht soll uns retten, daß Gott uns liebt und braucht. Dabei rettet uns nicht der Glaube als intellektuelle Leistung. Nicht wegen unseres Glaubens sondern mittels des Glaubens werden wir Gott recht. Wir beziehen mittels Glauben die Güte Gottes auf uns. Wir lassen uns sagen: Auch für dich ist Christus gestorben- du, glaub ihm sein Gottvertrauen nach, nimm ihn als deinen Kundschafter an für richtiges Leben: Wohl viel Gutes tun- aber nicht zwecks Punktemachen im Himmel sondern aus Freude am Guten, aus Lust, Jesu Mitarbeiter hier und heute zu sein.

So ist auch die Kirchengliedschaft nicht Bedingung für den richtigen Glauben, Kirche ist bestenfalls ein Dolmetscher des Herrn. Die Reformation hat die gute Nachricht von der Freiheit eines Christenmenschen wesentlich aus diesem Freispruch des Paulus im Römerbrief geschöpft.

                                                                        

                                                            *

 

Basistext der Reformation                                                                                   Die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, gibt es ohne Zutun des Gesetzes. Sie kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Die Unterschiede zwischen den Gläubigkeiten der Menschen sind letztlich belanglos- allesamt sind wir Sünder und ermangeln des Glanzes, den wir bei Gott haben sollten. Wir werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. Den hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit.

Wo bleibt dann noch Grund für Eigenlob? Es ist ausgeschlossen durch das Gesetz des Glaubens: Der Mensch wird nicht Gott recht durch  Gehorsam gegen die Gebote, sondern allein durch den Glauben, daß wir Gott recht sind. Daraus folgt dann das richtige Tun.
Römer 3,21-28

 

 

Noch einmal, weil es so wichtig ist: Nicht unser Tun sondern Gottes Lieben macht uns ihm recht. „Es liegt nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen“ (Römer 9,16). Er weiß was für ein Verein wir sind; er weiß, daß wir vom Staub genommen sind (Psalm 103,14). Aber wir  aus  Erde  Berufene, in uns hat der Staub Feuer gefangen. Wir sind „Schilfrohr, aber denkendes“ (B.Pascal), wir sind Gottes geliebte, schwierige  Geschöpfe. 

Uns heilig, also gottgehörig machen, das können und brauchen wir nicht. Wir sind Heilige, sind Kinder Gottes. Das allerdings  müssen wir annehmen, müssen es über uns gelten lassen. Wir können es gelten lassen, wenn wir in Sommerlaune am Strand im Sand liegen und einfach da sind sorglos „ in uns selbst vergnügt“ sind .Wenn wir das Geliebtsein nicht über uns gelten lassen, ist es hart, ein Mensch zu sein. Darum ja, sind „die Atheisten Gottes liebste Kinder“ (M.Luther), seine Sorgenkinder, die es so schwer haben, weil sie sich selbst ihre Würde erringen müssen. Wir aber dürfen uns stärken aus dem Schatz: „Gott liebt dich und Gott braucht dich, darum lebst du“.

„Allein aus Glauben“- also auch nicht wegen des Glaubens, nur mittels des Glaubens. Nicht wird uns der Glaube als Verdienst angerechnet, als wäre er eine Leistung. Gott vertrauen, wegen diesem wunderbaren Jesus- das ist alles, was nötig ist, damit Liebe und Freiheit –Gottes Flügel- sich bei dir entfalten können. Und der Himmel geht dir auf. Und du gehst von selbst den rechten Weg.

Also kein Ablass, als müßte und könnte ich mich von Schuld freikaufen. Keine Notwendigkeit von Taufe, Kirchzugehörigkeit, Gottesdienstbesuchen.- Gut und hilfreich ist das alles, weil sie meiner Person Halt in Gemeinschaft geben. Aber von nichts macht Gott seine Liebe abhängig. Keine Todsünde, nichts kann mich trennen von Gott. Nur er sich von mir; das aber hat er versprochen, nie zu tun. Ungeheuer ist die  Freiheit des Glaubens: Keine Ämter, kein Klerus, keine Unfehlbarkeit, keine „richtige“ Form der Anbetung. Keine verpflichtenden Glaubenssätze: „Prüfet alles, aber das Gute bewahret“, so Paulus (1. Thessalonicher 5,21)- wie es dir in deinem Gewissen einleuchtet. Und deine Liebe lass tätig sein.

Also glauben müssen? Ja, in dem Sinne, wie Kinder auch der Lehrerin glauben müssen, daß die sie lieb hat, auch wenn sie mal böse guckt. –Aber sie halten die Lehrerin ja nicht blind für gut. Sie wissen aus der Erfahrung.

Und was hast du von Gott, mit Gott erfahren? Versteh doch dein nacktes Existieren schon als ungeheure Zuwendung und Bejahung. Und staune doch über dein Zurechtkommen durch Katastrophen hindurch.

Dafür ist Jesus  ein Trainer in Vertrauen. Er wusste, daß ihn nichts aus Gottes Hand reißt, darum lebte er mutig, befreundet, großzügig. Er tat Gutes, nicht damit, sondern weil Gott und das Leben ihn liebt.

 

                                                             *

Frieden mit Gott

Wir sind  Gott recht durch den Glauben. Wir haben Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus. Durch ihn haben wir den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen.  Und wir feiern die Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird.

Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung. Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden. Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.

Römerbrief 5,1-5

 

 

Glaube ist nicht Nichtwissen sondern ist gewissestes Herzenswissen.  Fragt uns jemand nach der Uhrzeit und wir sagen: „I7 Uhr, glaub ich“, so ist das ein (schlechtes) Wort für „na so ungefähr“. Aber an Gott glauben, das kommt vom Wort  „geloben“; für etwas mit dem Innersten  einstehen- etwa so, wenn ein Liebender sagt: „Ich glaube an Dich“.

Also Gott recht sein durch den Glauben, meint: Ich gehöre zu ihm mittels der innersten Gewissheit: Gott ist mein, ich bin sein. Durch Christus und andere heilsame Menschen ist mir dies Vertrauen zugewachsen. Jesu Leben, Sterben, Auferstehen, und sein Beimirsein im Heiligen Geist machen mich mit anderen zu einem Familienglied Gottes.

 

                                                            *

 

Komm, Heiliger Geist

Wenn der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen. Gottes Kinder treibt der Heilige Geist. Ihr habt nicht einen sklavischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen kindhaften Geist empfangen, durch den rufen wir: Abba, lieber Vater!

Römerbrief 8,11.14.15

 

 

Der aus dem Nichtsein ins Leben ruft, der wird auch uns, die wir schon vorhanden sind, überschäumend lebendig machen, uns mit Geist und Hirn und gefühlvollem Leib versehen. Vom Heiligen Geist getrieben, gelingt waches, dankbares, kreatives Hiersein. Müsste dazu mein Ich ausgetauscht werden? Nein, denn der Heilige Geist bringt mich richtig zu mir, lässt mein eigensinniges, träges Ego abschmelzen, löst die Zwangsgeister auf, denen ich mich verfallen wähne. Ich muß nur merken, daß der freie Geist an mir rüttelt und zwar zwischen mir und dem Nächsten.

Im Dazwischen von Ich und Du ist die  Spannung vom Ungeist der Feindschaft oder  eben von Lust auf  Gemeinsames, von Freude und Tatendurst. Das ist der Heilige Geist, der Gottes- Geist, der die Gestirne betreibt und die Fremdheit nimmt, Würde und Verstehen verleiht. Mit jedem in seiner Sprache reden, freimütig, das ist uns verheißen; müh dich drum.

 

                                                                   *

 

Das Größte kommt doch erst

Ich bin überzeugt, dass die Leiden jetzt nicht ins Gewicht fallen gemessen an  der Herrlichkeit, die auf uns zukommen soll. Auch die übrige Schöpfung  mit ihrem  ängstlichen Harren wartet darauf, dass die Kinder Gottes erstehen in Glanz und Herrlichkeit.

Noch ist ja die Schöpfung unterworfen der Vergänglichkeit - doch auf Hoffnung! Die ganze  Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zur herrlichen Freiheit der Kindschaft Gottes.

Römerbrief 8,18-21

 

 

Dieser Posaunenstoß der Zuversicht reißt mit. Vor uns das ganz Große. Vor uns die Fülle an Freude und Freiheit. Ja, noch sind wir Kinder Gottes auch mürrisch und unfair, nachtragend und träge- aber das sind die Schleifspuren der Vergänglichkeit- in unsern Schwächen bahnt sich unser Sterbenmüssen an. Wir werden vielmals schuldig, wir sind auch zerstörerisch.  Wir dienen dem Tod. Müdigkeit und Geiz schnüren uns ein. Die Schöpfung insgesamt ist noch sterblich. Aber das soll nicht so bleiben. Die Leiden dieser Zeit  behalten nicht die Oberhand. Vor uns ist Zukunft und Heilung und Vollendung. Darum sollen wir uns nicht der Hinfälligkeit hingeben. Sogar das Sterben wird Hingang in die herrliche Freiheit.

                                                                       

                                                                     *

 

Die seufzende Schöpfung

Wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und sich ängstet. Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes. Wir sind zwar gerettet, doch erst auf Hoffnung. 

Römer 8, 22-24

 

 

Die Natur ist der Notwendigkeit unterworfen, zu fressen und gefressen zu werden. Und da hat es der Löwe nicht leichter als das Zebra: Um zu überleben, muß das Zebra schneller sein als der Löwe. Um zu überleben, muß der Löwe schneller sein als das Zebra. Beide sind voll Angst zu verhungern oder gefressen zu werden. Auch die Menschen kämpfen ums Überleben. Es gibt nicht genug für alle und wir handeln nicht fair. Es bleibt noch Jammer und Seufzen und der Kampf ums Dasein. Doch das soll nicht das letzte Wort Gottes sein. Wir gehen noch aufs Reich Gottes zu- oder anders: das Reich Gottes kommt auf uns zu.

 

                                                             *

 

Der Geist hilft unsrer Schwachheit auf. Wissen wir nicht, was wir beten sollen, so vertritt uns der Geist mit unaussprechlichem Seufzen.

Römer 8,26

 

 

Gottes Geist-Energie treibt uns an. Schlaf, Nahrung, Liebe, Phantasie, Gelingen, Lust, Freude, Schönheitssinn, Gerechtigkeitswille  sind die Botenstoffe des Himmels. Auch das wortlose Aufatmen und das Seufzen aus tiefer Seele ist Verbundensein mit Gott. Wir müssen nicht in passenden Worten uns vor Gott ausbreiten. Wir geschehen in ihm, sein Geist beatmet uns, mal mit Jubel, mal mit Heulen.

Komm Geist, hilf  unserer Schwachheit auf! Du unerschöpfliche Lohe, Du Geist –Dynamik, heb unsern Blick, befeure  unser Denken und Lieben!

                                                               

                                                             *                                                                      

 

Wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.

Römer 8,28

Das zu wissen, es aus Glauben wissen, ist das Höchste. Und dann soll ich mir zum Besten dienen lassen, was ist. Auch meinen Charakter mir recht sein lassen. Luther sagt es knapp: Wenn es anders kommt als wirs erbitten, kommt es besser. Also nichts auf Biegen und Brechen erzwingen. Sieh daraufhin mal dein Leben an- lief es sich nicht zurecht? Obwohl du viele Warnungen in den Wind geschlagen und genügend Gewissensmahnungen wegargumentiert hast? Hat dir zum Besten gedient, was dir geschah? Und jetzt „dig the day“! Bearbeite deinen Tag: pflüge, säe, ernte, teile.

 

                                                                 *

 

Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein?

Der auch seinen ersten Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?

Römer 8,31f

Ist Gott für uns, kann auch der Weg steinig sein. Wir sind einfach in die Mühen des Lebendigen einverleibt. Gottes Liebe schließt nicht aus, dass Diebe uns bestehlen oder wir uns die Beine brechen können. Aber vor uns steht, daß er uns alles schenkt- das All schenkt. Er hat mit uns ewig Freude vor. Das schwört er uns mit dem Schicksal des Jesus. Der hat sich ja von den widrigen Umständen martern lassen, um uns beizubringen, daß wir nicht aus Gottes Händen fallen, egal was kommt. Gerade weil er sich für Gottes Sohn hielt, drückte er sich nicht weg sondern bot die Stirn denen, die ihn aus der Zugehörigkeit zu Gott ausixen, herauskreuzigen wollten.

 

                                                                *

Nichts kann uns scheiden 

Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Not oder Gefahr oder Gewalt? Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus offenbart ist, unserm Herrn.

 

Aus Römer 8,35-39

 

 

Wir meinen oft, wenn Gott uns lieb hat, hat es uns gut zu gehen. Aber alles Kreatürliche, alles Natürliche kann auch Schmerz leiden, und unsere Macht kann zu Gewalt ausarten. Doch nichts kann uns von Gott wegreißen. Auch der Tod ist kreatürlich, ist keine Gottheit, auch die Zukunft ist Gottes Wirksamkeit. Und die ist Liebe, durch wieviel Mühen auch hindurch.

 

                                                                 *

Wenn

Wenn du bekennst: „Herr ist Jesus“ und in deinem Herzen glaubst: „Gott hat ihn von den Toten erweckt“, dann empfängst du das Heil.

Römer 10,9

Glutnehmen von diesem leuchtenden Christus sei dein Verlangen. Glaub dich einverleibt in das kosmische Heilwerden aller Dinge.  Wenn wir aus Jesu Leben Maß nehmen für Gut und Böse und aus seiner Auferweckung die Dynamik für unser Hoffen schöpfen, dann sind wir auf Empfang in Sachen Heil  und Glück.

 

                                                               * 

 

O welch eine Tiefe des Reichtums,

beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! Von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.

Römer 11, 33.36

 

 

Ein großer Seufzer-Jauchzer entringt sich da der Brust des Paulus. Er ist stolz auf seine Denkkraft. Er hat eben  ein schmerzensreiches Kapitel abgeschlossen: Er ist erschüttert, dass sein Volk Israel, Gottes „erste Liebe“, Jesus Christus schmählich übersehen hat. Es bleibt dabei, daß die Christenheit in den Ur-Stamm Israel eingepfropft ist. Und Israel wird gesegnet bleiben- wie, das ist Gottes Geheimnis.

Grandios ist die dreifache Formel, Gott betreffend. Es könnten die drei Zeitebenen gemeint sein: von ihm her, durch ihn jetzt, auf ihn zu – Auch: Alles ist von Gott her, geschieht durch ihn und zielt auf ihn, kommt in ihm zur Ruhe. Dies auf dich beziehen: Du von ihm geschaffen, durch ihn erhalten, zu ihm auf dem Weg.

 

                                                             *

 

Das Leben als Gottesdienst

Gebt eure Leiber hin als Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.

Römerbrief 12,1

 

 

„Tu es mit dem Leib oder lass es bleiben“ (Harold Brodkey). So meint es auch Paulus: Nicht reden und  grübeln, sondern tun, anfassen, Hand anlegen; leibhaftig dasein. Nicht dem Geist ein Vorrecht  gegen den  Körper einräumen, Keine Arroganz der Kopfarbeiter gegen die Handwerker!

Die Kirche hat lange leibfeindlich gepredigt- alt ist der Verrat, daß die Seele im Körper stecke als einem Gefängnis und nur danach strebe, ihn los zu werden. Dagegen sollen wir mit dem Leib Gott dienen. Köperarbeit als Gottesdienst- so hat Arbeit und die Liebesumarmung viel mit Lob und Dank zu tun. Und der Gottesdienst am Sonntag hat dem Gottesdienst im Alltag zu dienen.

 

                                                      *

 

Jeder denke maßvoll von sich.

Wie wir an einem Leib viele Glieder haben, die Glieder aber alle verschiedene Aufgaben -so sind wir viele ein Leib in Christus, aber untereinander sind wir Glieder mit verschiedenen Gaben, aus Gnade an uns ausgeteilt. Jeder übe seine Gaben aus dem Glauben gemäß.

 

 

Aus Römerbrief 12,3-6

Gewöhnlich halten wir uns ja jeder für seine „eigene kleine Lustfabrik“ (R. Musil). Aber einig ist mehr als eins. Wir gehören viel mehr zusammen als wir wissen. In Notzeiten entdecken wir, wie verwandt wir sind. Paulus lockt uns, auch  im Normalen uns zugehörig zu wissen, und das Verbindende zu pflegen.

   Es gibt viele Beziehungsinvaliden. Aber  beieinander ist doch mehr als nebeneinander - stärken wir uns doch durch Teilen unserer Gaben. Laden wir den andern ein, halten ihm einen Platz frei, sprechen ihn an, meinen ihn. Und es wächst ein Wir. „Man versteht nicht, was man nicht mit einem andern teilt“ (Christa Wolf).

Glaub dich als Glied eines Leibes, Stück eines Netzes, das letztlich Christus, die Liebe, darstellt. Durch dich strömen die Kräfte des Alls. Du gehörst zu einem höheren Ganzen.

 

                                                              *

 

Hängt dem Guten an.

Liebt euch herzlich. Ehrt einander. Seid nicht träge, seid brennend im Geist. Dient dem Herrn. Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Mühen, fest im Gebet.

Römerbrief 12,9-12

 

 

Fröhlich aus Hoffnung- Hoffnung ist das große Versprechen. Tania Blixen hat es so gesagt: „Bis zu diesem Tage hat noch niemand gesehen, daß die Zugvögel ihren Weg nehmen nach wärmeren Gegenden, die es gar nicht gäbe, oder daß die Flüsse ihren Lauf durch Felsen und Ebenen bahnen und einem Meer entgegenströmen, das gar nicht vorhanden wäre. Gott hat gewiß keine Sehnsucht oder Hoffnung erschaffen, ohne auch die Wirklichkeit zur Hand zu haben, die als Erfüllung dazugehört. Unsere Sehnsucht ist unser Pfand, und selig sind, die Heimweh haben, denn sie sollen nach Hause kommen“.

Fröhlich aus Hoffnung, geduldig in den Mühen, fest im Gebet, wach im Geist, herzlich in der Liebe-  das sollen, können, wollen wir sein. Diese intensive Lebendigkeit ist schon ein Vorgeschmack auf  Himmel. Und die Freude am Gelingen und am Gutsein ist uns mitgegeben. Darum ist moralisches Handeln eigentlich keine Mühe. Aber wir sind leicht träge. Der Heilige Geist bringe uns auf Touren!

 

                                                               *

 

Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.

Römerbrief 12,21

 

 

Jeder hat auch  Unverantwortliches getan. Schon ein einigermaßen angenehmes Leben schließt das Schweigen zu so viel Unrecht mit ein. Auch politisches Uninteressiertsein ist ein Weg in die Schuld.

Ob etwas vorteilhaft scheint, ob einer als geschickt oder attraktiv oder „very important“ gilt- das alles sind angesehene Werte. Gültig aber für unser Entscheiden soll sein, was gut ist. Lasst uns doch wieder und wieder Geschmack daran finden: „Das wirklich Gute ist immer neu, wunderbar, berauschend“ (Simone Weil). Und das Böse- denk es, wie es in dir ist, stell dich ihm, und transformiere es. „Wünsch dir nicht, daß irgendeine deiner Erbärmlichkeiten einfach verschwände, sondern erbitte die Gnade, die sie verwandelt“ (S. Weil). Wir sind bei Gott in Arbeit, dass er uns vom Bösen erlöse. Steuern wir nicht direkt an, das Gute zu wollen.  Lasst uns etwas in Güte wollen.

 

                                                           *

 

Fächer der Güte

Nehmt euch der Nöte der Mitmenschen an. Übt Gastfreundschaft. Segnet, die euch verfolgen; segnet, und flucht nicht. Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden.

Seid eines Sinnes untereinander. Verzichtet auf Imponiergehabe, wollt keine Privilegien. Haltet euch nicht selbst für klug. Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht jedem Menschen gegenüber.  Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.

Aus Römerbrief 12,13-18

 

 

In knappen Worten ist hier eine intakte Persönlichkeit entworfen: Die will sich nicht hervortun und freut sich am Vorwärtskommen aller. Sie hat auch Kraft, Böses aufzusaugen, Beleidigungen zu überhören, einige Fouls einzustecken, kann Mürrisches mit Freundlichkeit aufweichen.

Bringen wir den guten Willen auf, alles in Güte zu tun. Frieden halten, soweit es an uns liegt, das ist schon mühsam genug. Es kann sein, daß der neben dir andere Maßstäbe hat. Aber auch er will seine Taten rechtfertigen- das ist die Chance von Verhandlungen; nutzen wir sie.

 

                                                        *

 

Römer 13

Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist die von Gott angeordnet.

Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit, so tue Gutes; so wirst du Lob von ihr erhalten. Sie ist Gottes Dienerin und vollzieht das Strafgericht an dem, der Böses tut.

So gebt nun jedem, was ihr schuldig seid: Steuer, dem die Steuer gebührt; Zoll, dem der Zoll gebührt; Gehorsam; dem Gehorsam gebührt; Ehre, dem Ehre gebührt.

Aus Römerbrief 13,1-7

 

 

Das berühmte Kapitel „Römer 13“ hat viel Unheil gebracht. Paulus hält jede Regierung für von Gott eingesetzt, also mit Autorität vom Himmel her ausgestattet. Der fürchterliche Gehorsam  gegen Hitler speiste sich auch aus diesen Quellen. Nationale Gewalttätigkeit wurde unterstützt, ja begrüßt durch quasitheologische Behauptungen, etwa Gott wolle ein siegreiches Deutschland.

     Aber auch die Herrschenden haben dem Guten zu dienen;  auch sie, gerade sie werden an den Geboten sich messen lassen müssen. Paulus setzt den  guten Handlangerdienst der Oberen für Gott einfach voraus. Er behauptet: Die da oben loben das Gute derer da unten.  Aber die Regierenden sind doch auch interessengeleitet und sind nicht automatisch davor geschützt, für gut zu halten, was ihnen nützt. Darum darf Obrigkeit kein Recht auf  blinden Gehorsam haben.       Sicher wollte Paulus die Christen auch als treue Untertanen zeigen und hatte auch Angst vor Aufruhr und Chaos (wie Luther später). Er hat Demokratie noch nicht als angewandte Nächstenliebe gedacht.

Auch unter Berufung auf Römer 13 fordern konservative Christen den starken Staat, der die individuellen Gelüste der Bürger in Schach halten kann. Sie trauen dem Bürger nicht; sie meinen, wir alle brauchen „Druck von oben“ und Eliten, die sagen, wo es lang geht. Dabei hat Paulus dem einzelnen zugetraut, in Freiheit zu bestehen. Und hat trotz dieses Gehorsamsgebotes den Grundstein für das Recht auf Gewissensfreiheit gelegt.

 

                                                            *

 

Erkennt die Zeit

nämlich dass die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf, denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen. So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts. Zieht an den Herrn Jesus Christus.

Aus Römerbrief 13,11-14

 

 

Ein Ruck soll durch uns fahren, so geht es doch nicht weiter, Schlafmützen. “Wach auf du verrotteter Christ! Geh an dein sündiges Leben“ (Bert Brecht)! In der Geschichte erklang schon oft die Fanfare des Aufbruchs. Revolution sollte die schlechten Verhältnisse umkrempeln. Und wohl wahr, ein Umdenken in Sachen Klimaschutz und Mindestlohn und Bildungsgerechtigkeit ist bitter nötig. Wir sind doch erweckt zu Mittätern des Herrn Christus.

Einige Einige Nächstenliebe gelingt uns doch schon,  wir sind weitergekommen in der Entfeindung. Wir kommen doch  aus dunklen Zeiten! Wir haben die Waffen des Lichtes schätzen gelernt, wollen Vernunft walten lassen und wach sein vor Geist.

Doch das Warten auf Massenbekehrung hat keinen Zweck. Jeder steht für sich vor Gott. Mach Deins, steh du auf  zu einer Veränderung in deinem Leben.

 

                                                                *

 

Freiheit und Rücksicht

Der eine glaubt, er dürfe alles essen; der andere verzichtet auf  Fleisch. Streitet nicht, was besser sei. Wer isst, der verachte den nicht, der nicht isst; und wer verzichtet, der richte den nicht, der isst; denn Gott hat jeden angenommen. Wer bist du, dass du richtest? Ein jeder steht oder fällt Gott, seinem Herrn. Er wird aber stehen bleiben; denn der Herr kann ihn aufrecht halten.

Ein anderer Fall: Der eine hält einen Tag für heiliger als den andern; der andere aber hält alle Tage für gleich. Ein jeder sei in seiner Meinung gewiss.

Wer besondere Tage, besondere Essensvorschriften achtet, der tue es in Verantwortung vor Gott; wer keine Besonderheiten achtet, der tue es  auch vor Gott.

Keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir zu dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn. Denn dazu ist Christus gestorben und auferstanden, dass er über Tote und Lebende Herr sei.

Jeder von uns wird für sich selbst Gott Rechenschaft geben. Mühen wir uns doch, dass niemand einem andern  Ärgernis bereite. Ich weiß und bin gewiss in dem Herrn Jesus, dass nichts unrein ist an sich selbst; nur für den, der es für unrein hält, ist es unrein.

Wenn aber dein Nächster an deiner besonderen Art der Speise oder der Feiertage, Anstoß nimmt, musst du dann deine Freiheit ausleben? Wäre das in Liebe getan? Bringe nicht durch deine Vorliebe den in Gewissensqualen, für den Christus doch auch gestorben ist.

Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist.

Den Glauben, den du hast, behalte bei dir selbst vor Gott. Selig ist, der sich selbst nicht zu verurteilen braucht, wenn er sich prüft. Wer aber dabei zweifelt und dennoch isst, der ist gerichtet, denn es kommt nicht aus dem Glauben.

Was aber nicht aus dem Glauben kommt, das ist Sünde.

Aus Römerbrief 14

 

 

Hier steht eine hochwichtige Klarstellung: Nichts ist unrein, böse, verderbt an und für sich. Alles Geschaffene ist rein, echt, gut von Gott her. Nur der Mensch kann es verderben und  missbrauchen. Nur der Mensch kann es zum Schaden oder zum Nutzen einsetzen, kann es für gut oder schlecht halten. Dein Einschätzen, dein Bewerten macht es dir gut oder böse. Und deine Selbstgefälligkeit macht dir deine Freiheit zur Rutschbahn in die Pleite.

 Um die große Wirklichkeit etwas übersichtlich zu machen, klassifiziert der Mensch die Natur und ordnet sie sich zu. Auch unser Verhalten regeln wir miteinander, damit wir nicht dauernd in Streit geraten. Um Nähe und Ferne, Fremde und Heimat zu klären, gibt man sich Abzeichen, kleidete sich besonders, erklärt Speisen für widerlich, für „out“, zum Beispiel Schweinefleisch- weil es mal dem Fleisch des Wildebers nahekam, dem heiligen Tier der bedrohlichen Götzen.

Der Islam feiert den Freitag, Israel den Sabbat-Sonnabend, die Christen den Sonntag. Jede Religion hat ihre hochheiligen Tage- feiern wir sie doch mit, wenn wir eingeladen werden, laden wir zu Gast bei unsern Festen, aber bieten nicht gerade nur Spanferkel an. Lernen wir einander achten mit unsern verschiedenen Herkünften und Traditionen.

 

                                                             *

Gott und Vater

Was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben. Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einverstanden  seid miteinander, Christus Jesus gemäß. Lobt  Gott und  den Vater unseres Herrn Jesus Christus.

Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob,

Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.

Römerbrief 15,4-7,13

 

 

Das sind die Schlussworte des Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Rom. Mächtig hat er sich ins Zeug gelegt, ein Grundgerüst christlicher Theologie darzulegen. Ein Grundstein dazu ist das „Gott und Vater Jesu Christi“ –Gott, das ist die Schöpferische Potenz, der Herr der Geschichte, der Gebote -Geber und Richter, der Herr über Leben und Tod, Der Herr Zebaoth (Herr der Heerscharen) Israels. Als Vater Jesu Christi bekommt er Jesu Antlitz, kommt uns nah als der, der unser Leben mitlebt, und auf dem Grund des Leids als Heilender uns aufnimmt. Ich kann dem Jesus seinen Gott nicht abschlagen (D. Sölle). Der Jesus  hat den dunklen und mächtigen Gott „Vater „ genannt, er hat ihn  uns als Gott der Geduld und des Trostes vorgestellt. Mit ihm kann man es wagen: Dir Geduld, für dich Trost und hoffnungsvolle Projekte.

 

                                                     *  *

 

 

 

 

1.Korintherbrief

 

 

Mitarbeiter Gottes

Wer ist Apollos? Wer ist Paulus? Diener sind sie, durch die ihr gläubig geworden seid, und dies, wie es der Herr einem jeden gegeben hat: Einer hat gepflanzt, andere begießen, aber Gott lässt wachsen, lässt geschehen. So ist nun weder der pflanzt noch der begießt etwas, sondern Gott, der das Gedeihen gibt.

Wer gibt dir einen Vorrang? Was hast du, das du nicht empfangen hast? Wenn du es aber empfangen hast, was rühmst du dich dann, als hättest du es nicht empfangen?

1.Korinther 1,5-7; 4,7

 

 

Die beiden Briefe des Paulus an die Gemeinde in Korinth spiegeln die Probleme der Urchristenheit wider. Die Gemeindegrößen rivalisieren gegeneinander. Paulus müht sich zu schlichten: Ruhm und Ehre gelten Gott; wir Menschen tun doch nur, was uns aufgegeben ist. Und sollen froh sein, wenn wir ohne Schmach durchkommen. Was sind denn die Verdienste der einzelnen, gemessen an der Wirkkraft des Herrn. Immer sind wir höchstens Verwandler, Finder, Entdecker, Eltern, nicht  Schöpfer. Auch untereinander sind die Abstufungen an Wichtigkeit belanglos, gemessen an der Urkraft des Einen. Wir zeugen, gebären, versorgen erziehen, Gott aber schafft. Darum sollten wir bescheiden miteinander sein, wir, „die Ungrossartigen“ (DeLillo).

 

                                                               *

 

Als wie durch Feuer

Wenn aber jemand auf Gottes Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh- das Werk eines jeden wird offenbar werden; der Tag des Gerichts wird’s klarmachen. Von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen.

Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen.

Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden als  wie durch Feuer hindurch.

1.Korinther 3, 12-15

 

 

Das ist die deutlichste Äußerung über das Jüngste Gericht, alle weitergehenden Höllenvorstellungen sind nicht christlich. Unsere Taten werden alle noch einmal zur Sprache kommen. Und sie werden  gewogen, sie werden geprüft. Und wir stehen damit in der Prüfung der Geister. Ein Trost: Wie schwach auch unsere Taten waren, mögen sie auch brennen wie Zunder- wir selbst werden gerettet werden, sicher versengt, sicher gezeichnet, aber wir werden gerettet- weil eben nicht wir uns das Bleiben bei Gott erwerben sondern es geschenkt bekommen.

 

                                                               *

 

Heiligsprechung des Leibes

Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?

Verderbt nicht den Tempel Gottes. Denn der Tempel Gottes ist heilig; der seid ihr. Ja, eure Leiber sind Glieder Christi, ihr gehöret nicht euch selbst. Kostbar seid ihr. Preiset Gott mit eurem Leibe.

1.Korinther 3,16.17; 6,15.20

 

 

Es gibt religiöse Überzeugungen, auch in der Kirche, die halten den Leib für ein Gefängnis  der Seele, halten ihn nur für Staub, für einen Klumpen Gier, ein Stück Fleisch, dem Geist entgegengesetzt. Doch liebevoll spricht die Bibel vom Schöpfer, der den Leib formte und ihm seinen Atem einhauchte; „Entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut“ mahnt Jesaja 58,7. Im Hohen Lied der Liebe wird zärtlich-schön vom Menschenleib gesprochen. Und wie viele Menschen mit Gebrechen hat Jesus wieder hergestellt.

Paulus nun singt ein inniges  Lied auf den Leib. Tempel Gottes ist er, also Gottes Heimat, ein Ort seiner Offenbarung. Streicheln wir einen, berühren wir auch Gott; verletzen wir eines Menschen Leib, tun wir Gott darin weh. Nachdenklich macht auch, daß wir miteinander den Leib Christi bilden. Wir sind uns nicht selbst genug.

 

                                                           *

 

Alles ist euer

Welt oder Leben oder Tod, Gegenwärtiges oder Zukünftiges, alles ist euer,

ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes.

1.Korinther 3,21-23

 

 

Wieder die Fanfare der Freiheit: Alles Euer, alles Euch anvertraut, dass wir damit glücklich werden und glücklich machen. Eins nicht ohne das andere. Denn wir sind nicht Besitzer unserer selbst. Wir sind Gottes Mitarbeiter, Handlanger, Wegbereiter. Sind Christi „Heilsarmee“, sein Freuden-Corps, sein Erste-Hilfe-Team.

Wichtig  auch: Wir gehören nicht dem Tod, sind nicht definiert durch Tod. –Das muss man mal durchdenken; dann wird die endlose Sterbeliteratur echt überflüssig und das eigene Sterben ist nicht des langen Redens wert.

 

                                                             *

 

Kein Recht zum Richten

Jeder halte uns für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse.

Vertrauenswürdig lasst uns sein. Und wenn ihr mich beschuldigt-  es ist nicht tragisch, von Menschen gerichtet zu werden.

Auch soll ich mich selbst nicht richten. Selbst wenn ich mir keiner Schuld bewusst wäre, rechtfertigt das mich nicht. Der Herr ist’s, der mich richtet.

Darum richtet nicht vor der Zeit. Wenn der Herr kommt, stellt er alles in sein Licht.

1.Korinther 4,1-5

 

 

Das beschafft uns Freiheit: Wissen, dass Gott uns richtet und zwar herrichtet, nicht hinrichtet.  Da sind die Verurteilungen von Menschen, weil vorläufig, vernachlässigbar und auch die eigenen Selbstbeschuldigungen sind für die Katz. „Liebe, und tu, was du willst !“- das Wort des Kirchenvaters Augustin eröffnet einen weiten Horizont.

´Treue Haushalter an Gottes Geheimnissen- das ist ein scharfer Auftrag besonders für Menschen, die mit Theologie beschäftigt sind. Sie sind in Versuchung „ Gedanken mit ungeheuren Stelzschritten zu machen, die Erfahrung nur mit winzigen Sohlen berühren“ (R.Musil). Treu sei damit beschäftigt, das Geheimnis „Gott liebt dich und braucht dich“ zu wechseln in die Münze des Alltäglichen.

 

                                                         *

 

 Und das unter Brüdern

Wie kann jemand von euch, wenn er einen Streit hat mit einem andern, sein Recht suchen vor weltlichen Gerichten statt in der Gemeinde?

Wenn ihr rechtet, nehmt solche, die in der Gemeinde nichts gelten, und setzt sie zu Richtern.

Überhaupt:  Es ist schon schlimm genug, dass ihr miteinander zankt. Warum lasst ihr euch nicht lieber Unrecht tun? Warum lasst ihr euch nicht lieber übervorteilen? Statt dessen tut ihr Unrecht und übervorteilt, und das unter Brüdern!

Aus 1.Korinther 6,1-8

 

 

Paulus lockt, sich  lieber übervorteilen zu lassen als vor Gericht zu ziehen. Aber wir haben zu gern recht. Und recht behalten, schriftlich mit Brief und Siegel, das hebt und beruhigt. Doch mit einem Gegner Frieden zu schließen, auch wenn das teuer kommt, bringt viel mehr Lebensqualität als ihn vor Gericht niederzuringen- und er sinnt weiter auf Genugtuung und Rache, legt weiter Steine in den Weg. Das Anliegen des andern verstehen, damit fängt die Umkehr zum Frieden an. Dazu  Rat holen bei denen, die nichts zu sagen haben, das hilft zu einem Blick „von unten“. Aber christliche Gemeinde- wo ist sie anfassbar, einladend, überzeugend?

 

                                                                 *

 

Alles ist mir erlaubt.

Aber nicht alles baut auf. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll gefangen nehmen. Jeder hat seine eigene Gabe von Gott, der eine so, der andere so.

1.Korinther 6,12;7,7

 

 

Paulus intoniert hier die große Freiheit. Als Sohn, Tochter Gottes ist dir alles erlaubt, was nicht schadet. „Schutz vor der Überredungskunst der Begierde“ (R. Musil) aber ist der Wink, daß wir als Bauleute Gottes gefälligst förderlich zu sein haben. Ja, wir sind freigesprochen, Glück zu suchen, wo wir wollen, wenn es nicht auf Kosten unseres Nächsten und der Schöpfung  geht. 

Sieh zu, was du dir schuldig bist. Nichts soll dich gefangen nehmen, heißt: Werde keines Menschen, keiner Sache  Knecht. Sieh zu, daß deine Entscheidungen dir und anderen Raum schaffen, nicht Einengung.

Weil jeder seine Gaben hat, sind gemeinsame Sittengesetze so schwierig- Paulus gibt die damals üblichen Umgangsregeln als Christenpflicht aus und nimmt damit von der Freiheit viel zurück. Wir müssen unsere Regeln für heute finden. Achten wir darauf, die Gaben blühen zu lassen und keinem zu schaden.

 

                                                            *

 

Stellvertretung

Der ungläubige Mann ist geheiligt durch die Frau und die ungläubige Frau ist geheiligt durch den gläubigen Mann.

1.Korinther 7,15

 

 

Wunderbar, diese großzügige Stellvertretung- einer wird heil durch den andern. Einer lernt vom andern, wird friedlich durch den andern. Wir müssen nicht gleich sein, im Gegenteil: Laßt uns die Gaben auch dem andern zugut haben. Und der andere braucht auch nicht die christliche Konfession anzunehmen. Du kannst deinen Partner anders sein lassen, auch er ist von Gott geliebt.

 

                                                          *

 

Die Zeit ist kurz

Habt ihr einen Gefährten, so seid, als hättet ihr keinen; und die weinen, seien, als weinten sie nicht; und die sich freuen, seien, als freuten sie sich nicht; und die kaufen, seien, als behielten sie es nicht; und die diese Welt gebrauchen, verbraucht  sie nicht.

1.Korinther 7,29-31

 

 

Paulus meint, im Blick auf die Kürze der Erdenzeit ist nur das Leben aus Glauben wichtig, am Wichtigsten das Weitersagen des Glaubens. Alle rundum müssen noch die Chance haben, sich zu bekehren, denn gleich ist Weltuntergang und der Himmel steht vor der Tür.- Da, ist Verheiratetsein oder nicht, allein sein oder zu zweit sein, unwichtig, Weinen oder Lachen –nicht entscheidend, wichtig nur  ist: Glaube, Liebe, Hoffnung.

Das Reich Gottes fängt mitten unter uns an im Tun des Nötigen.  Ja , wir dürfen auch feiern, genießen, Freude haben aneinander. Aber nimm aus deinem Besitzen nicht deine Würde. Und Weinen und Lachen hat seine Zeit, halte nichts fest. Einen lieben ist nicht alles, mit dem Geliebten Wichtiges betreiben ist gut. Hetz nicht, dich nicht, andre nicht, sondern sei dankbar hier auf dieser schönen, armen Erde.  Mach Geschäfte aber übervorteile nicht, nutz die Welt aber nicht verhunze sie nicht - denn im Angesicht der Ewigkeit ist aller Egoismus verrückt und alles Versinken in der jeweiligen Befindlichkeit ist Zeitverschwendung. Paulus ruft uns in eine messianische Lebensweise: glücklich machen ist Glück, setz keinen Eigentumsanspruch durch. Verhandle, berate dich, such Kompromisse. Und freu dich aus ganzem Herzen, wenn Freude dir vergönnt ist. Jesus hat sich oft gefreut.

 

                                                           *

 

Wie der Andere werden, ihm zugut                                                                     Ich bin frei von jedermann  und  jedermanns Knecht. Denen unter dem Gesetz, bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden – denen  ohne Gesetz bin ich wie gesetzlos geworden. Den Schwachen bin ich ein Schwacher, den Starken ein Starker geworden, damit ich sie alle gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf viele Weisen einige rette.                                                      1.Korinther 9,19-22

 

 

 

Dies zeichnet den geistig gesunden Menschen aus. Er lebt in Gesellschaft, ist aber nicht ihr Gefangener. Er kann abwägen, was dem Andern Sitte, Anstand, Regeln, Ordnung, Manieren bedeuten. Er kann als Gast das an in diesem Haus Übliche tun, läßt aber seinen Gästen ihr Gewohntes, läßt ihnen ihren Spieltraum,  es bricht ihm keinen Zacken aus der Krone, wenn er ihnen ihren Gebetsritus lässt auch in seinem Hause. Er bedenkt, was etwas bedeutet. Er macht nicht sein Wissen zum Maß aller Dinge, gibt nicht in gleicher Münze zurück. Er kann Wichtiges vom Unwichtigen unterscheiden, er muß sich seine Unabhängigkeit nicht dauernd beweisen. Mit sich im Reinen kann er vieles zulassen, Er lässt jedem seine Ehre, stößt wenig vor den Kopf.

Nicht zwingen, nicht imponieren wollen, ist große Kunst.

 

                                                      *

 

Stadion und Kirche

Alles tue ich für den Glauben, ich will ihn wirklich leben.  Die Sportler sind mir ein Vorbild, sie kämpfen unermüdlich, beherrschen sich, schinden sich, verzichten. Alle rennen sich die Kehle aus dem Hals, obwohl nur einer gewinnt, und der Siegespreis ist sehr vergänglich. Dagegen wir wir erringen doch einen ewig gültigen Siegeskranz. Da können wir uns doch wirklich für das Evangelium ins Zeug legen.
1.Korinther 9, 24f

Paulus bewundert die Leistungssportler; ja, er sieht sich auch als getrieben und will hoch hinaus, er will ein guter Zeuge des Jesus Christus sein. Andere sollen an ihm Mut fassen, das Leben zum Besten zu kehren. Sehend, wie sich die Sportler zusammennehmen und auf so vieles verzichten, will er auch die Zähne zusammenbeißen- will lieber vergeben als verfluchen, lieber teilen als raffen, will lieber dienen als sich bedienen zu lassen.

Paulus sieht als Teilhaber des Jesus ein großes Glück voraus, was zählen da die Mühen heute, fragt er.

Da muss ich mich doch fragen:  Wo ist mein Kampfplatz heute, wo ist mein mich Selbstbesiegen nötig?

 

                                                        *

 

Gewissensfreiheit, hurra

Sollte ich etwa das Gewissen eines andern über meine Freiheit urteilen lassen?

Wenn ich’s mit Danksagung genieße- was soll ich mich anschwärzen lassen, wofür ich danke? Ob ihr nun esst oder trinkt oder was ihr auch tut, das tut alles zu Gottes Ehre. Aber wichtig auch: Erregt möglichst keinen Anstoß.

1.Korinther 10,29-31

 

 

Hier ist die Freiheit eines Christenmenschen herrlich herausposaunt: Wenn ich für etwas Gott danke, nehme ich es als Geschenk, als Anlass zur Freude. Wenn ich mit ganzem Gewissen mich mit Gott eins weiß, muß ich mich nicht schuldig machen lassen von einem, dessen Gewissen anders „tickt“.  Aber ich soll auch kein Aufsehen erregen, ich darf nicht protzen mit meiner Freizügigkeit. Gott zum Mitwisser haben, das drängt mich auch, behutsam zu sein. Frage ist, ob ich lügen darf um keinen Anstoß zu erregen.

Kann es sein, daß der Schöpfer selbst dem Menschen die Fähigkeit zu lügen verliehen hat „damit er in schweren Momenten seelischer Spannung das Geheimnis des eigenen Nestes hüte, so wie es die Wildente und der Fuchs tun.“ (Anton Tschechow)?

 

                                                               *

Viele Gaben - ein Geist

Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist.

Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr.

Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.

1.Korinther 12,4-6

 

 

Wir sind verschieden. Wir haben verschiedene Gaben, Interessen, Freuden, Biorhythmen, wir verkraften verschieden, wir wollen und können Verschiedenes, ein jeder auf seine Weise. Aber darin treibt ein Geist sein Wesen, ein Heiliges ist in uns allen am Werk. Darum fließt Einvernehmen als Strom in uns allen. Lasst uns diesen leichten Sog immer bedenken.

 Und es sind verschiedene Ämter, Berufe, Ebenen, aber es ist ein Dirigent, ein Treiber, der sein Werk in uns spielt. Darum lasst uns aufeinander hören, einander zuarbeiten, einander fördern und nicht in den Schatten stellen.

Und es ist ein Streben in uns allen, das wir wirken lassen sollen entgegen allem  kleingeistigem Egoismus. Die Triebkraft in uns ist letztlich Gottes Wirken in uns- das zu wissen bremse uns vor Schlechtigkeiten. Spannend, das alles.

 

                                                           *

 

Die Gemeinde: Viele Glieder - ein Leib

Ein Leib hat viele Glieder. So auch Christus und wir. Wir sind durch Christi Geist alle zu einem Leib getauft, sind alle mit einem Geist getränkt. Wir sind viele Glieder, aber der Leib ist einer. Und kein Glied kann zum andern sagen: Dich braucht der Leib nicht. Wie das Auge nicht sagen kann zur Hand: Ich brauche dich nicht; oder auch das Haupt zu den Füßen: Ich brauche euch nicht.

Glieder sorgen füreinander: Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit. Und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.

Wir, christliche Gemeinde,  sind  der Leib Christi und jeder von uns ist ein Glied, jeder mit eigenen Gaben.

Aus 1.Korinther 12,12-27

 

 

Wir sollen uns gegenseitig ehren und achten. Wir sind alle dem Leib wichtig, nötig, unersetzlich. Christus hat Kirche und die ganze Menschheitsgesellschaft als Leib. Kirche und Menschheitsgesellschaft  haben verschiedene Ämter und  verschiedene Autoritäten, verschiedene Berufe und Verantwortlichkeiten. Sie sollen alle ihre Arbeit tun und ihren Lohn empfangen.

Eigentlich sollen wir gern für den Leib arbeiten und  vom Leib genug zum Leben bekommen -aber in einer Welt der knappen Vorräte und des begrenzten Fleißes und der verschiedenen  Leistungsfähigkeiten muss nachgedacht werden, wie man fürs Ganze die Fähigkeiten locker macht und seine Begabungen zu Markte trägt.

Für viele Gaben und Fähigkeiten  ist Geld ein zweckmäßiger Wechselstoff. Unter Brüdern und Schwestern sollte Hilfe in der Not nicht eine Frage des Geldes sein. Doch wer etwa die Eltern fürsorglich begleitet- dem soll es von den Geschwistern auch vergütet sein.

Wenn die Menschengemeinde zum Reich Gottes wird, werden wir uns zu bescheiden lernen. Dann nehmen wir nur, was wir brauchen- und arbeiten mit, wie wir Lust und Liebe und Kraft haben. Und wenn  wir nur nehmen, was wir brauchen, wird genügend bleiben auch für die, die weniger Leistung beisteuern können.

Christliche Gemeinde sollte Modell und Schrittmacher für die große Gemeinschaft werden. Ob die eigene Kirchengemeinde einen  Hauch von gemeinsamem Leben hat, hängt wesentlich an geistvollen Gottesdiensten, die den Leib Christi auferbauen.

 

                                                               *

Das Hohelied der Liebe

Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein mißtönender Gong oder nur eine klirrende Glocke.

1.Korinther 13,1

 

Die bewußt mitfühlende Seele sieht schmerzlich sich getrennt von den anderen Lebewesen; die Liebe macht den Versuch, das Getrennte zu verbinden.  Also ist alle Poesie- und auch dieses begnadete Gebet des Paulus- hinfällig, ist nur Gerede, wenn sie nicht zum Menschlichsein erhebt. Viele Predigten klirren, viele gutgemeinten Worte sind nur eitel. Viele Politikerreden strotzen vor Selbstgefälligkeit. Aber Worte aus Liebe machen den Hörenden schön. Ohne Liebe ist die Wahrheit ein Untier; Sprache soll verbinden, ohne Liebe fertigt sie nur ab.

 

Erkenntnis ist zu wenig

Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.

1.Korinther 13,2

 

Erkenntnisse aus der Zukunft, aus der Tiefe- alles Weltwissen- schön und gut. Auch Glaube, der Wirklichkeit bezwingen kann- schön und gut. Aber ohne Liebe ist all das nicht der Rede wert. Was nützt mir Wissen, wenn es nur durchschaut und  nicht Flügel macht? Leben verstehen kann nur die Liebe, weil sie hinübersetzt zum anderen. Aufhören, jemand zu lieben,  das verneint, verneint auch mich selbst. Kein Wissen, kein Haben- nur Lieben rettet vor dem Nichtsein.

 

Verzicht reicht nicht

Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib als Fackel brennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mirs nichts nütze.

1.Korinther 13,3

Verzicht kann Andern viel bringen. Aber ist es nicht aus Liebe getan, ist es mir vergeblich. Anderen kann meine Mildtätigkeit das Leben retten. Aber ist es nicht getan aus Seelenverwandtschaft, aus dem Spüren: der Hunger leidet, der bin ich selber - dann mag ich soviel nützen, daß ich den Friedensnobelpreis bekomme- ich selber gehe ohne Liebe leer aus.

 

Langmütig, freundlich                                                                                        Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe neidet nicht, die Liebe prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf.

1.Korinther 13,4

 

Ja, so wollen wir geliebt sein. Und  wissen auch, was andere brauchen. Lieben heißt ja trotzdem lieben, nicht wegen etwas. Dass einen eine Art  Zärtlichkeit überfällt für diesen Menschen gerade vor mir, mit seinem erschöpften Gesicht. Und daß ein Mensch da ist, ohne den man nicht leben möchte.

Dies Übergreifende, dies Zusammengehören fördern durch Gönnenkönnen! Andere im Spiel halten, sie nicht in den Schatten stellen, nicht aufrechnen, immer noch einmal Frieden machen- Lebensarbeit eben. Und immer wieder vorerst nur Momente gelungener Nähe.

 

 

Liebe  ist ausdauernd

Die Liebe verhält sich nicht verrückt, sie sucht nicht das Eigene, sie lässt sich

nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu.

1.Korinther 13,5

 

Das Größte, was das Leben bietet, sind Liebesmöglichkeiten. Also nicht zu verletzen, diskret, höflich, klug das Seine tun; Und mich dem andern aufschließen und er sich mir. Liebe macht Egoismus wenigstens bewusst, sie müht sich um Fairness, gesteht im guten Fall dem andern mehr Recht zu als man sich selbst nimmt. Sie lässt sich nicht bitter machen, Kränkungen kann sie ein Stückweit wegstecken, sie versteht, hält zugute, entschuldigt, kehrt zum Besten.  Sie gibt am liebsten so, „ dass die Gabe aussieht, als sei sie des Empfängers Eigentum“ (Kierkegaard). Sie verhilft dem andern, er selbst zu werden. Und sie hält sich nicht für eine Leistung, sie geschieht und das genügt ihr.

 

Sie freut sich

Die Liebe  freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit;

1.Korinther 13,6

 

 

Liebe lässt frei, sie zwingt nicht. Sie nutzt die Not des andern nicht aus. Von Natur aus streben wir nach  Macht  - den besten Brocken selber zu essen; Ungerechtigkeit ist das Ursprüngliche; Liebe das Heilende.

Die Wirklichkeit mit Augen der Liebe sehen, das vermag der Glaube. – Er kann auch Geheimnisse hüten, auf verfängliche Fragen verzichten, entschuldigen und in die Wahrheit leiten. Die Wahrheit einer Ehe, einer Freundschaft, einer Gruppe mus sich erst einfinden auf langem Weg. Dazu hilft auch, die Tragweite des Wortes auf der Zunge noch mal prüfend zu schmecken, ehe es entschlüpft.

 

Sie trägt Alles,

sie glaubt in Allem, sie hofft für Alle, sie duldet Alles, dem Nächsten zu gut.

1.Korinther 13, 7

Unser kleines Lieben vermag das alles nicht, wir kommen schnell an unsere Grenzen. Aber Gottes Lieben erschafft die Welt und befeuert uns mit Elan. Wenn ich auch schwächle in Sachen Liebe, will ich doch Gott meine Hände, Geist und Körper leihen, will Zusammengehören leben.

Das Hohelied auf die Liebe ist auch ein Abgesang aufs Siegenmüssen. Das Gesetz dieser Welt lautet: For winners only.  Christus aber erringt den Sieg übers Siegenmüssen. Dienen, lieben ist der Weg in die Wahrheit und zum Leben.  

 

Die Liebe hört niemals auf,

wo doch das prophetische Reden aufhören wird und unser Können ein Ende nimmt und Erkenntnis vergeht. Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser Können Bruchstück. Das Stückwerk wird aufhören. Das Vollkommene wird kommen.

1.Korinther 13,8-10

Es ist eine erotische, zu einander drängende, aneinander hängende magnetische Energie, die die Welt im Innersten zusammenhält. Alles endet, alles hochgeschätzte Vermögen ist nur vorübergehend wichtig. Das Vollkommene aber wird das Stückwerk aufnehmen und ins Ganze einpassen. Alles wird an seinen Platz finden durch die Liebe. 

 

Bruchstückweise

Wir sehen jetzt wie durch einen beschlagenen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich von immer her gemeint bin.

1.Korinther 13,11.12

Jetzt ist alles vorläufig, ist Übung, Ouvertüre, Ahnung, Entwurf. Jetzt schimmert  uns nur eine Idee von Vollkommenheit. Dann aber, ja dann... Dann schauen wir Gott Auge in Auge. Dann sehen wir sein Angesicht leuchten und sein Strahlen macht uns hell. Dann werden ich erkennen, wie ich von Anfang an gemeint bin; wie ich schon immer belichtet war- jetzt ist es entwickelt von der Liebe: Nach all dem irdischen Gewese  werde ich mich erkennen als Kind Gottes ganz und gar.

 

Nun aber

bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

1.Korinther 13,13

Glauben ist das Vertrauenswissen, zu Gott zu gehören. Hoffnung ist der Elan, dass morgen weniger geweint und gelitten wird. Beides bringt mein Lebensschiff durch die Zeit. Aber dass wir einander nähren können, einander ergänzen können, einander Auferstehung vom Sogutwietotsein beschaffen können, das ist das Größte- zusammen zu gehören in Verschiedenheit. Wir werden nicht ins Private versinken, zufrieden, für unsere Person das Schlechte zu meiden. Wir werden uns bemühen, dass auch in der Politik Liebe das Größte ist- wir wollen  mit den Menschen ringsum  in gutem Einvernehmen, in Sympathie, in Frieden zu leben. Das Reich Christi ist Glaube, Liebe, Hoffnung in Aktion.

Wie die Trinität der Kardinaltugenden zusammengehört? Der Glaube neigt uns einander zu, macht uns verantwortlich füreinander.  Gott will uns füreinander, das schenkt und fordert uns ab die unantastbare Menschenwürde. Deren Krone ist die Liebe. Sie ist immer voll Hoffnung für den Nächsten.  Und das Größte ist die Liebe, weil sie Gottes Energie selber ist, die „feurige Flamme des Herrn“ (Hohelied Salomos 8,6).

 

                                                          *

 

Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens.

1. Korinther 14,44

 

 

Unordnung im Verkehr, im Haushalt, im Kopf, ist gefährlich und anstrengend und lebensfeindlich. Herrlich, daß wir auf  Strukturen geeicht sind, die Zusammenleben organisieren. Wir alle halten uns lieber in einer aufgeräumten Küche auf als in einer verdreckten. Uns ist eine schwache Magnetisierung auf Frieden hin mitgegeben. So können wir  Unordnung außen und Chaos in uns bändigen.  Freuen wir uns des sanften Druckes in Richtung  Fairness  und  Teamgeist. Weil uns dieser  Geist zusammenhält, zerstieben wir nicht.

 

                                                           *

 

Die älteste Nachricht von Jesus Auferstehung                                                                 Ich erinnere euch an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr’s nur festhaltet.                                                                                                                Als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift und dass er gesehen worden ist von Petrus, danach von den Zwölfen.                                                                                                            Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen.                                                    1.Korinther 15,1-7

Das ist die weitest zurück in die Geschichte reichende Urkunde christlichen Glaubens. Der 1.Korintherbrief ist wohl um 60 nach Christi Geburt geschrieben, also 30 Jahre nach Jesu Tod.  Paulus hat schon in gestanzter Sprache („nach der Schrift“) die Mitteilung des Todes überliefert bekommen. Dieser Text ist also noch nah am Geschehen.

Die Tatsache von Jesu Sterben scheint immer  schon zusammengeschweißt zu sein mit Glauben von seiner Bedeutsamkeit. Aber Paulus war der erste

Wort- und Sinnfinder für die Dramatik der Kreuzigung Christi, doch auch er

sieht sich schon in einer Kette von Gläubigen. Er sagt, er habe das Credo, den Glaubensinhalt, empfangen. Wir sind also bei diesem Text  historisch ganz nah an der Quelle des christlichen Glaubens.

   Auferstanden ist Jesus „nach der Schrift“, also entsprechend den Weissagungen, etwa: „Deine Toten werden leben“ (Jeaja 26,19) oder  „Du Gott hast mich von den Toten heraufgeholt“ (Psalm 30,4); und „Mein Erlöser lebt, er wird mich über den Staub erheben“ (Hiob 19,25). Jesus hat „das Zeichen des Jona“ (Matthäus 16,4) auf sich hingedeutet- die drei Tage im Bauch des Fisches  kann man lesen als verschlungen im Bauch des Todes, bis er wieder ausgespuckt wurde.

Hochwichtig ist: „Er ist ihnen erschienen.“ Das ist mehr, als nur: „sie sahen ihn“, was als Vision in Richtung Halluzination abgetan werden könnte. Auferweckung ist  ein Geschehen, das Jesus passiert ist, ihm angetan wurde. Auch die Begegnung mit dem Auferstandenen ist „angetan“ worden den Zeugen, die noch namentlich bekannt sind.

Es scheint keine neutralen Berichterstatter dieses Geschehens gegeben zu haben. Was darauf hindeutet, dass diese Begegnung keinen neutral ließ. Im Akt der Erfahrung des Auferstandenen wurden die Jünger zu Aposteln berufen, die andern Zeugen  wurden zur Urgemeinde umgeschmolzen. Auch wenn keine objektive Berichterstattung vorliegt, können und dürfen wir die Auferstehung Jesu als passiert und  als historisches Faktum wissen. Viele gingen in den Märtyrertod -für eine aus der Luft gegriffene Idee tut man das wohl nicht.

Die Begegnung mit 500 Menschen ist wohl identisch mit dem Pfingstereignis (Apostelgeschichte 2). Paulus legt wert auf nachweisbares Passiertsein; etliche Zeugen des Auferstandenen leben noch und sind befragbar.  

 

 

Der Nachzügler wird zum Frontmann

Zuletzt von allen –wie eine Nachgeburt ist Christus auch mir (Paulus) erschienen. Ich bin der geringste unter den Aposteln- ich bin nicht wert, dass ich ein Apostel heiße- ich habe doch die Gemeinde Gottes verfolgt.

Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich habe das bewirkt, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.

1.Korinther 15,8-10

 

 

Paulus hat eine ihm allein geschehene Begegnung mit Christus ( Apostel-geschichte 9). Die hat sein Ich umgekrempelt. Zwar bleibt der Makel, daß er die Urchristengemeinde verfolgt hat. Aber diese vormalige Blindheit will er wieder gutmachen mit übermenschlichem Missionsfleiß. Rührend, wie Paulus jedes Verdienst von sich weist und alles Erkennen und Fleißigsein als Gnade kennzeichnet.- Dann aber rühmt  er sich doch wieder seines unermüdlichen Einsatzes wegen.

Paulus muss um Anerkennung kämpfen. Es herrscht harte Konkurrenz in der Urkirche: Wer hat das wahre Evangelium? Und da haben Petrus und die andern Jünger mit der Glorie des alten Jüngerkreises um Jesus große Strahlkraft.-  Aber Paulus hat die besseren Argumente für die Einzigartigkeit des Christus. Er zieht die Christen aus dem Schattendasein einer jüdischen Sekte - er nennt sie „Die Gemeinde Gottes“. Und er zielt von Anfang an nach Rom-  also auf Weltkirche.  

 

 

Christus muss auferstanden sein

Wie können einige von euch sagen: Es gibt keine Auferstehung der Toten? Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. Und wir sind noch in Sünden. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.

Aus 1.Korinther 15,12-19

 

 

Die Auferstehung der Menschheit, ja, aller Kreatur, vollendet die Schöpfung. Darum muss sie geschehen, Gottes Vollkommenheit hängt daran. Darum wäre ein christusgemäßes Leben allein hier in irdischer Existenz nur Bruchstück und Jammer. Mit der Auferstehung Jesu Christi fängt Gott  seine  Vollendung an. Jesus ist der  Brückenmensch von dem Ufer Jetztzeit zum andern Ufer der freudenvollen Ewigkeit. 

 

 

Durchbrecher des Todes

Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling derer, die gestorben sind. Ihm folgen wir alle. Wie mit dem ersten Menschen der Tod in die Welt gekommen ist, so kommt durch den Leuchtfeuermensch Jesus die Auferstehung der Toten. Als Adams und Evas Kinder  sterben wir alle, als Christi Geschwister werden wir alle lebendig gemacht werden.

Dann, wenn auch der letzte Feind, der Tod, vernichtet sein wird, und alles Widerstehende durch Christus unterworfen ist, dann wird Gott sein alles in allem.

Aus 1.Korinther 15,20-28

Paulus stellt sich die Rettung als Erlösungsprozession vor. Jesus hat dem Tod die Macht genommen, und führt den Auferstehungszug aus den Gräbern an. Als Endlosgirlande stehen wir alle auf, wenn eine Riesen-Posaune den Jüngsten Tag anstimmt. Dann erstehen die Toten- erst werden die eben noch Lebenden mit in die Höhe gerissen, dann die aus den Gräbern. Und alle werden zum heilenden Gericht vor Gott versammelt.

 

 

Uns ist dieses Weltbild abhanden gekommen. Was uns bleiben könnte, ist der Triumph Gottes, die  Schöpfung zu vollenden. Und dann hat auch der Tod ausgedient als  Taktschläger der Generationen. Dann wird Gott alles sein, mit uns dabei. Aber dafür fehlen uns die Worte und die Bilder. Denkbar, dass dann Gott nicht mehr nur „da“ ist, sondern alles Dasein ist dann Gott. 

 

 

Gott wird sein alles in allem

1.Korintherbrief 15,28

 

 

Das meint wohl, Gott wird alles durchfluten. Alles wird Zelle am Baum Gottes sein. Alles, was noch jetzt sich gegen Gott stellt, wird er dann in sich einverleibt haben, alles Böse wird verdaut sein, alles Isolierte wird heimfinden.  Im Weltbild der Physik ausgedrückt: Wie einmal von einem Urpunkt die ganze Schöpfung sich entfaltete, so wird sie am Ende der Zeit wieder eingeatmet. Mit aller Ernte der Erfahrung holt Gott seine Kreaturen wieder zurück in sich. – Wie das gehen soll, wissen wir nicht, wir werden sein wie „die Träumenden. Mund voll Lachens“ (Psalm 126)- das dürfen wir wissen.

 

 

Leben aus der Auferstehung

Wenn die Toten nicht auferstehen, dann „lasst uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot!“

1.Korinther 15, 33

 

 

Knallhart behauptet Paulus, das Leben ohne Auferstehungshoffnung sei sinnlos.

Dabei haben viele atheistisch Gesonnene als Kommunisten z.B.  heldenhaft gegen Hitler und später auch gegen Stalin gekämpft; sie sahen Sinnfülle genug darin, die Menschenrechte vorwärts zu  bringen, „und im Menschheits-gedächtnis eingeschreint zu sein“ (E. Bloch). Kann man nicht  Gutes tun, einfach weil es gut ist, Gutes zu tun? Hat es nicht seine Belohnung in sich?

Aber Paulus spricht eine Ahnung aus: Wichtiges, das wir tun, hat einen weiten Horizont. Jedes Lieben hat doch den Schein von ewig Gültigem bei sich, all unser Tun ist Anfang von Etwas. „Und alle Lust will Ewigkeit“ (Goethe). Unser Wünschen scheint auf eine geheime undenkbare Hoffnung hinzudeuten, dass wir in ein anderes Leben fliegen, befreit an Geist und Leib und Seele mit einer vollendeten Schöpfung. Wie sollte der, der  uns solches Wünschen mitgegeben hat, zuletzt unseine lange Nase drehen?

 

 

Der neue Leib bei der Auferstehung

Es gibt himmlische Körper und irdische Körper; jeder mit eigener Herrlichkeit.

Einen eigenen Glanz hat die Sonne, einen andern Glanz hat der Mond, einen andern Glanz hat das irdische, einen andern Glanz hat das himmlische Leben.

Ein natürlicher Leib geht dahin und  auferstehen wird ein geistlicher Leib. Der erste Mensch, der alte Adam, die alte Eva- sie wurden zu lebendigen- sterblichen Wesen und der neue Mensch Christus  bringt den Geist, der aus sterblich lebendig macht.

Wie wir noch  das Bild des irdischen Adams in uns tragen, so ist uns auch eingeprägt das Bild des himmlischen Menschen Christus.

Aus 1.Korinther 15,40-49

 

 

Genaues weiß Paulus auch nicht, nur dies: Wir sterblichen Kinder Adams und Evas sind auch Geschwister des Christus, und als solche unsterblich mit ihm. Wir tragen schon auf unsern irdischen Antlitzen das Strahlen aus dem Himmel. Dass wir von Gott erwartet werden, das wird uns auch einen neuen Leib bescheren. Unser Geist, wenn er Gehirn und Fleisch hier zurücklässt, wird verwandelt und neu eingekleidet werden. Wie, das weiß Paulus auch nicht. Und dann müssen wir es wohl auch nicht so genau wissen.   

 

 

Dem Tod ist sein Stachel gezogen

Wenn aber das Verwesliche anziehen wird das Unverwesliche und das Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann ist der Tod verschlungen vom Sieg. Dem Tod ist sein Stachel, der von der Sünde kam, gezogen. 

Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!

Aus 1.Korinther 15,54-57

 

 

Der Tod ist ja für sich genommen ein Knecht Gottes. Er ist ja das Mittel der Schöpfung, dass Generationen sich ablösen können und so neue Mischungen von Genen und Erfahrungen  gelingen. Was den Tod giftig macht ist, wenn er der Schluss für uns mit allem wäre.  

Und das ist das Gift der Sünde, dass sie nach Verneinung, Lieblosigkeit, Vernichtung, Tod  schmeckt. Weil wir so viel Zeit und Chancen vertan haben werden, werden wir schuldbeladen von der Erde gehen und dann nichts mehr gutmachen können.  Das macht das Sterben bitter. Aber all diese Todesschatten sind mit verschlungen in den Sieg des Lebens. Christus ist die Leuchtschrift in jeder Seele: Gott wirft unsere Schuld hinter sich und wird allen Opfern das Verlorene erstatten in Fülle.

 

                                                               *

 

Maranata

Unser Herr kommt. Ja, komm bald, Herr.

1.Korinther 16,22b

 

 

Der alte aramäische Gebetsruf in der Sprache der Jerusalemer Urchristen: “Maranata“  strahlt Sehnsucht und Gewissheit aus. Es steckt in uns allen wohl ein Ausschauhalten  nach Fülle und Vollendung, nach immerwährendem Geliebt- und Umfangensein.                                                                                    Eine Verkörperung  des Sehnsuchtszieles ist die Lichtgestalt Christus. Gläubige sehen ihn schon auf sich zukommen. Das Kinderspiel „Wer kommt in meine Arme“ hat etwas vom Heimlaufen in ein großes Rettendes. Wir haben wohl diesen Ruf nach Hause lebenslang bei uns.

 

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2. Korintherbrief

 

 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn Jesus Christus! Gelobt sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes.                                                                          2.Korinther 1,2.3

Gott ist uns väterlich-mütterlicher Lebensgrund, er ist uns die Lebenskraft.  Das wissen wir durch Jesus Christus, der ihn zuerst Vater, ja “lieber Vater“ (Markus 14,36) nannte. Dem Jesus nach dürfen auch wir Gott „Vater“ nennen. Abgesehen von Christus ist er jedenfalls „Gott“, Schöpfer, Richter, Vollender, auch Geleiter der Seinen. Aber von Jesu wissen wir, dass Gott unser aller Vatermutter ist - Liebe, Trost, Barmherzigkeit sein Wesen ausmacht.          Gnade und Friede erbitten von dem Gott, den Jesus Christus uns nahe gebracht hat, ist das tägliche Brot des Glaubens.

 

                                                         *

 

 

Allen Pfarrern ins Stammbuch

Nicht dass wir Herren wären über euren Glauben, sondern wir sind Gehilfen eurer Freude; ihr steht im Glauben.

2.Korinther 1,24

 

 

Gehilfen der Freude einander- das sei die  umfassende Zielangabe für alles aufeinander Einwirken. Handeln wir also mannschaftsdienlich, menschheitsdienlich.- Machen wir,  dass Freude wächst. Eltern, Lehrer; Politiker, Seelsorgende- all diese Berufungen sind gefährdet, ihren Glanz zu verderben durch herrisches Gebaren, durch Eitelkeit und Missbrauch der Anvertrauten. Traurig, dass gerade Menschen, die viele heilige Wahrheiten auf den Lippen haben, gern das große Wort führen, eigene Schwächen verschleiern und Lust haben, andere in den Schatten zu stellen. Gehilfen der Freude sein einander- das ist das Jesus-Projekt. Die Ehrenplätze den Verachteten und Beladenen! Teilnehmen an den Leiden! Autorität hat nur noch die Gruppe.

 

                                                                *

 

 

Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.

2.Korinther 3,6

 

 

Wir sind gewarnt vor Gesetzlichkeit und Einpferchen in Befehle. Wenn wir den anderen verhören, ist kein Gespräch mehr möglich. Wenden wir Wort und Buchstabe um und um, dann sind wir bei Anwälten und vor Gerichten. Der Geist der Liebe aber klärt und heilt und verknüpft. Geh hin zum Nachbarn, red mit dem Bruder, bahne besseres Verstehen an.  Gib was zu, gib ein Stück nach, eröffne Spielraum- du bekommst alles mit Zinsen zurück.

Und meine doch nicht, Gott schiebe Verträge und Gebote zwischen sich und uns. Er ist uns doch haut-nah, redet mit uns in der Muttersprache. Wir brauchen keine gewieften Dolmetscher. Horch nach innen. Da bist du direkt verbunden.

 

                                                              *

 

Der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.

2.Korinther 3,17

 

 

Also wo Zwang und Druck herrscht, kann man sich nicht auf den Geist Gottes berufen. Gott stellt deinen Fuß auf weiten Raum (Psalm 31,9). So können wir immer auch anders, sind nicht festgenagelt, müssen nicht schematisch entscheiden.

Wir sagen viel zu oft „Ich muß, ich muß“-  dabei können wir nein sagen, können ja sagen- wie wir es von innen her wissen. Ist der Geist bei uns, dann macht er uns auch frei von dem immerwährenden Kampf um Rechtschaffenheit und frei  von der Jagd nach Bedeutung und der blöden Gier, im Recht zu sein.

 

                                                               *

 

Durch uns Erleuchtung

Der Gott, der das Licht aus der Finsternis hervorleuchten lässt, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns Erleuchtung entstehe.

2.Korinther 4,6

 

 

Wie sollen uns gegenseitig erleuchten, sollen dem Andern Glanz in seine Seele und auf sein Gesicht zaubern. Dazu gibt uns Gott hellen Schein in unsere Herzen- es ist die Inbrunst, sich verwandt mit dem andern zu wissen. Es ist ein Magnetisiertsein aus Lust am Anden und auch aus Erbarmen in uns. Man kann es auch  die Christusenergie nennen. Die Erleuchtung bewirkt die Freude, miteinander zu sein. der Geist erweckt Freiheit, die Freiheit erschafft die Liebe.

 

                                                             *

 

 

Wir haben diesen Schatz in zerbrechlichen Gefäßen.

Wir sollten uns bewusst sein: Überschwängliche Freude und Kraft ist von Gott und nicht selbstgemacht. Wir sind doch von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. Wir tragen das Leiden unseres Herrn mit, wie wir auch das ewige Leben unseres Herrn mitfeiern werden. Darum werden wir nicht müde.

2.Korinther 4,7-10,16a

 

 

Den Gewissheitsschatz haben wir nicht sicher. Die Zuversicht zerrinnt uns oft.

Unser Bewusstsein ist wetterwendisch, auf uns ist kein Verlass. Wenn einer sagt, er glaube nur an sich, weiss er nicht, auf welch dünnem Eis er tanzt. Wer nicht an Gott glaubt, muss an viele Götter glauben.  Wir setzen da besser ganz auf das Geliebtsein von dem einen Gutenganzen. Da kann uns all Morgen ganz frisch und neu das nötige Quantum Lebensmut aufkeimen. Ich kann sagen: “Und wäre mir auch was verloren, kann immer tun, wie neugeboren“ (Goethe).

Darum können wir uns auch ins Getümmel der Freuden  und  Aufgaben stürzen. Dabei unterlaufen uns Fehler. Aber auch mit ihnen macht Gott aus uns was. Da passt der alte Satz: Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade. Und die Mühen und Schläge werden uns weh tun aber nicht auslöschen. Denn vor uns liegt Freundesland.

 

                                                               *

 

Guten Mutes altern

Wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere Mensch Tag für Tag erneuert. Sind wir bedrückt, ist das letztlich nicht von Gewicht- Gott schafft eine über alle Maßen gewichtige, ewige Herrlichkeit. Wir haben einen Bau, von Gott erbaut im Himmel. Hier aber sind wir auf Abbruch.

Darum - seufzen wir auch viel und die Beschwernisse werden mehr, so ist es doch  auf Hoffnung: Wir werden neu behaust und das Sterbliche wird  vom Leben verschlungen.

Solange wir im Körper sind, sind wir fern vom Herrn. Erst wenn wir den Erdenleib verlassen, kommen wir richtig Nachhause zum Herrn. Bis dahin haben wir als Pfand und Proviant den Heiligen Geist.

2.Korinther  4,16-18; 5,1-8

 

 

Das könnte den Nutzen des Alterns beschreiben: Körperlich werden wir schwächer; aber geistig werden wir mehr wir selber. „Der innere Mensch“ soll wachsen. Also werden wir dankbar, visionär für die Enkel, großmütiger, wiedergutmachend, von Privilegien und Besitz uns lösend, weniger Platz einnehmend, weniger fordernd, weniger auf Rechte pochen, demütig werden - auch bereit, mal gern zu gehen. Also mehr leben vom  und für den  Geist als von Zerstreuung und Fitness. Und mehr Gedanken wenden ans himmlische Zuhause, wie das auch immer werden mag. Mal sich auf den Grabstein schreiben lassen: Der Anfang ist gemacht.

 

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Energie vom Himmel

Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen; Neues ist im Werden. Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi statt, wir bitten in seinem Namen: Lasst euch versöhnen mit Gott!

2.Korinther 5,17-20

 

 

Geh davon aus, daß Christus bei dir ist, ja- du geschiehst in ihm. Natürlich funktionierst du auch als Teil der Schöpfung,  aber dein Gegenüber ist nicht die Natur sondern das Ebenbild Gottes, der Christus.  Das macht zur neuen Kreatur:

: nicht der Kreislauf von Werden und Vergehen ist dein Wesen sondern die ewige Ansprache Gottes an Dich, das Gespräch in Christus macht dich unsterblich zu Gottes Kind. Deine Seele ist „vom Himmel her“, die naturhafte Maserung läuft nur biologisch mit- gültig und leuchtend prägt dich Christus. Du bist versöhnt mit Gott, mit dir, mit deinen Nächsten.

Paulus bittet drängend: Jetzt steh auf aus deinen Argwohnsbanden, den Depressionszwängen, gib dem Christus recht, der dich zu deiner wahren Größe emporhebt: Du Tochter/Sohn Gottes. Ein neues Einssein ordne dich neu: Nicht ist das deine erste Definition:  Partner, Vater/Mutter/Kind, Mitglied dieses Vereins,  dieser Firma, dieser Clique- sondern wesentlich für dein Ich sei dir: Du mit und in  Christus;

 Du offen für ein neue Art, von dir zu denken: Du erschüttert durch eine neue Art zu sein: Du bekennst dich zu dem Leuchtfeuermensch Christus und seinem völligen Verzicht auf Gewalt. 

Klassisch ist auch der Satz: Gott war in Christus. Also hat Gott selbst Frieden gemacht mit uns. Nicht Gott musste versöhnt werden durch ein Opfer, sondern Gott brachte die Gottesbilder zurecht, er lehrte uns den liebenden Gott sehen.

Aus der Angst- Ärger-Trauer- Raupe soll der Schmetterling der Zuversicht aufsteigen. Das ist auch Mühe. Aber Sonne geht nach und nach über dem Ganzen auf.

 

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Christsein praktisch

Mögen wir uns als gute Mitarbeiter Gottes erweisen: in großer Geduld, in Nöten, in Schlägen, in Freundlichkeit, in Erkenntnis, im Heiligen Geist, in ungefärbter Liebe - als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Geschundenen und doch nicht getötet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts besitzen und doch alles haben.

Aus 2.Korinther 6,1-10

 

 

Christ ist man nicht sondern wird man, es ist kein Sein sondern ein Werden, wir sind kein Fertiges sondern auf dem Weg (nach M. Luther). Martin Luther King hat es so gesagt: „ Ein Christ ist absolut furchtlos, immer in Schwierigkeiten und unsagbar glücklich.“ Es braucht Kraft, ganz bescheiden zu sein, Erkenntnis muß festgehalten, gesichert, befragt und ins Tun überführt werden; es braucht schöpferische Geduld, nach den Mühen der Berge die Mühen der Ebenen zu bestehen (nach B.Brecht).

Wichtig, uns  als Diener Gottes zu wissen, als seine Mitarbeitende, seine Ausführenden, seine Mundstücke und verlängerte Arme, seine Geschickten und Gesandten.  Und in Schwachsein und Starksein,  in Gelingen und Scheitern bleiben wir die Seinen. „Einer fällt in die Grube aber immer auf die Füße; oft jemandem in die Hände, aber nie einem zur Last; oft auf die Nase, nie auf die Knie, allen in die Rede, keinem auf die Nerven; gern mit der Tür ins Haus; immer wieder aus allen Wolken, immer wieder in Gottes Schoß“ (M.L. Kaschnitz).

 

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Wer kärglich sät, der wird auch kärglich ernten

Und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. Ein jeder handhabe Tun und Lassen, wie es ihm aus dem Herzen kommt, nicht mit Unwillen oder aus Zwang. Ein fröhlicher Geber kommt Gott am nächsten.

Gott kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu vielen guten Taten.

2.Korinther 9,6-8

 

 

Mit nichts kamen wir zur Welt, nichts werden wir mitnehmen können. Dazwischen ist uns eine Spanne Zeit eingeräumt zum Annehmen und Abgeben, zum Festhalten und Loslassen, zum Verwandeln und Verbrauchen, Essen und Nähren, Hingabe und Genießen, Bebauen und Ernten, Bitten und Danken.

Das Leben ist ein Kunstwerk aus  Einatmen und Ausatmen, Lernen und Lehren, Guttun und Versäumen. Enorm ist der Umsatz an Energie, Geschick, Liebe, Mühe, Ruhen, Handeln. Wir sind Investitionen Gottes. In uns Geschöpfe verkörpert der Schöpfer seine Kräfte.

Dich selbst zu erhalten, ist dir mitgegeben als Motor. Aber du bist nicht der Sinn. In mir und dir  betreibt das Leben seine Filialen zum gemeinsamen Nutzen. Andere müssen was davon haben, dass wir sind. Geizt du mit dir? Lässt du es nicht strömen sondern hältst an dich? Warum das? Aus Angst, daß nichts nachkommt? Reichlich soll auch bei dir die Gnade wirken. Übergenug sollst du haben für dich und noch für andere. Setzen wir uns den Begnadungen und den Zumutungen des Lebens aus. Und helfen wir den Überforderten. Und lassen wir es, in  fast religiöser Inbrunst behalten und mehren zu wollen.

 

                                                           *

 

Alles relativ

Gott hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark, sagt Paulus

2.Korinther 12,9.10

 

 

Schwer zu verstehen, das, weil wir so gern stark und überzeugend sein wollen. Ist es so gemeint?: Unser Entbehren macht uns groß, nicht unser Haben; unser Hoffen, nicht unser Wohlleben?  Schon das Bedürftigsein ist voller Gnade- alles ist Anfang von Gottes Werdewelt. An dieser Anteil haben- mehr geht nicht. An ihr hat der Sehnende mehr Anteil als der Satte. Der mit Defizit, Handicap, Behinderung, Einschränkung weiss mehr vom Leid der Welt, und ist manchmal energiegeladener und willensstärker, er schafft Barrieren weg, welche die von Normalität geschlagenen gar nicht merken. „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten“ (Psalm 126,5). 

WiWir sollten schon die kleine Flamme Freude wahrnehmen. Auch das kleine Können bringt vorwärts; deine kleine Erkenntnis, wenn sie dankbar macht, ebnet den Weg zur Fülle. Und der Schwache kann den Starken mitleidvoll und sogar zart machen.

Und Stolz- ist oft eine letzte Zuflucht. Doch wir sollten aus unserm Stolz heraustreten, der ja ein Gitter ist. Wir sollten  mit dem Geringsten sprechen und uns so erlösen (R. Walser).

Ach könnt ichs mir von Gott sagen lassen: Meine Gnade genügt dir. Verlass dich drauf- wie würden alles andere zweitrangig.

 

                                                                *

 

Ein Segen

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

2.Korinther 13,13

 

 

Mehr geht nicht. Eingehüllt in diesen Schutz gelingen wir dem Leben. Weiss dich gesegnet.

 

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DER BRIEF DES PAULUS AN DIE GALATER

 

 

 

Paulus –Apostel der Heiden

Ich sage euch: Das Evangelium, das von mir gepredigt ist, ist nicht menschliche Erfindung sondern eine Offenbarung des Christus an mich.  Ich habe ja in meinem früheren Leben als jüdischer Lehrer über die Maßen die Christen-Gemeinde verfolgt und wollte sie zurückholen in das Gehege des Gesetzes. Gott aber hat mich durch seine Gnade berufen, er hat mir seinen Sohn offenbart,  damit ich ihn als Evangelium verkündigen sollte unter den Heiden. 

Ich besprach mich nicht erst mit Autoritäten aus der Gemeinde, sondern zog nach Arabien und kehrte dann wieder zurück nach Damaskus. Drei Jahre später  kam ich nach Jerusalem, um Petrus kennen zu lernen und Jakobus, den Bruder des Herrn. Dann missionierte ich in Syrien. Vierzehn Jahre später zog ich aufgrund einer Offenbarung abermals hinauf nach Jerusalem.  Da besprach ich mich mit den andern Aposteln über das Evangelium.

Wir bewahrten unsere Freiheit und unterwarfen uns nicht, damit die Wahrheit des Evangeliums bestehen bliebe. Selbst Titus, der bei mir war, ein Grieche, wurde nicht gezwungen, sich dem Ritus der Beschneidung zu unterziehen.

Die andern Apostel anerkannten die Gnade, die mir gegeben war. Jakobus und Petrus und Johannes, die als Säulen angesehen werden, gaben mir und Barnabas die rechte Hand und wurden mit uns einig, dass wir unter den Heiden, sie aber unter den Juden predigen sollten.

Aus Galater 1-2.9

 

 

Ein tiefer Blick in die Anfänge der Christenheit: In und um Jerusalem und auch in Galiläa war man jüdischen Glaubens. Und die Jünger und die Anhängerinnen und  Freunde des Jesus blieben es auch. Vielleicht mit  mehr Inbrunst, mehr jesuanischer Frömmigkeit- aber sie blieben Teil der Tempelgemeinde, das biblische Gesetz blieb verpflichtend, inklusiv Beschneidung der männlichen Gemeindeglieder.

Erst dem Paulus ging der grundstürzende Unterschied auf zwischen dem Glauben wie Jesus und dem Glauben an Jesus Christus. Dem Paulus geschieht die Erleuchtung, daß Christus uns den unmittelbaren Zugang zu Gott im Glauben eröffnet, statt des Gehorsams gegen das Gesetz. Natürlich bleibt Liebe geboten aber nicht als Schlüssel zu Gott sondern als Antwort auf Gottes unbedingtes Ja zu uns. Darum ist auch nicht mehr die Zugehörigkeit zum Volk Israel heilsentscheidend; das hat Paulus mit den „Säulen“ der Jerusalemer Urgemeinde, den Autoritäten, durchgepaukt. In Galatien könnte man sagen, wurde  die Hohe Schule der christlichen Freiheit zum ersten Mal exerziert. Dank der grandiosen theologischen Argumentation des Paulus  und der Wiederneuerfindung durch Martin Luther können auch wir „in der Freiheit bestehen, zu der uns Christus befreit hat.“

 

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Paulus setzt ganz auf die Gnade

Einmal kam Petrus nach Antiochia. Dort gab es Grund zur Klage gegen ihn. Erst aß er mit den Heiden; als aber der strenge Jakobus kam, drückte er sich heuchlerisch weg. Ich stellte ihn zur Rede: Wenn du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst und nicht jüdisch, warum zwingst du dann die Heiden, jüdisch zu leben?

Durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch gerecht. Wir hoffen, durch Christus gerecht zu werden.  Auf die Spitze getrieben sage ich: Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.

Aus Galater 2, 11-20

 

 

Ein Elend der Christen heißt Heuchelei. Sie ist besonders verwerflich bei Priestern und Pastoren;  man predigt Wasser aber trinkt Wein; wirbt feurig für die Kollekte und bleibt das Eigene schuldig, schwingt von der Kanzel die Moralkeule, zieht sich aber im Internet die schlimmen Sachen rein, predigt die Vergebung der Sünden aber will zu eigenem Versagen nicht stehen; beruft sich gar noch auf das Max-Scheler-Wort: ein Wegweiser laufe auch nicht in die Richtung, in die er zeige.  

Petrus ließ es sich gut gehen bei einem Mahl, zu dem er von einem Nichtjuden eingeladen war, und genoss, was fromme Juden sich versagen. Dann kam überraschend der Jakobus hinzu und Petrus drückte sich weg, Das kam Paulus sehr gelegen, der für die Freiheit der Christen von den jüdischen Gesetzen (nicht von den Zehn Geboten) eintrat. Petrus hatte sich Heuchelei zu schulden kommen lassen- was diesem klar machte, dass auch er der Gnade bedürftig ist.

Paulus setzt völlig auf die Liebe Gottes- auch wenn  Paulus  bei  anderer Gelegenheit  sich seines Fleißes und Verzichtens  rühmt.

Hier wagt er sogar von sich zu sagen, daß er kein eigenes Ich mehr habe, sondern Christus sein besseres Ich sei.  Das festzustellen steht uns wohl nicht zu.

 

                                                               *

 

Alle eins

Wir sind  alle Gottes Kinder- wir wissen es durch den  Glauben an Gottes Vatersein. Auch sind wir ja Geschwister Christi und der Heilige Geist formt uns zu einer   Lerngemeinschaft. Es zählt nicht mehr Jude- oder Grieche sein , nicht Sklave noch Freier, nicht Mann noch Frau; wir sind  allesamt einer in Christus Jesus und  Abrahams Kinder und  damit der Verheißung gemäß Erben des Reiches Gottes.

Galater 3,26.28f

 

 

Wir bleiben unterschiedlich aber gleich wert, bleiben verschieden aber jeder einzigartig- wunderbar. Wenn wir es nur wüssten und es einander beglaubigten! Wir sind einander als Kinder Gottes anvertraut und zugemutet; wir  sollen uns ergänzen und fördern.

Eins in Christus!- Das ist das Programm der wahren Globalisierung: Statt an Waffen und Geld an den gekreuzigten Christus glauben; ihm nach wissen: Das Ende der Herrschaft des Gesetzes als Weg zu Gott ist ausgerufen.

Nicht mehr Beschneidung oder Taufe oder Bildung oder Nationalität schaffen das Bürgerrecht im Reich Gottes, sondern der Glaube, zu Christus zu gehören.

Noch sind die Nahrungsmittel und Naturschätze, das Trinkwasser und die Medikamente begrenzt- noch ist Streit und keine gerechte Verteilung. Aber es sollen gesegnet sein alle Menschen auf  Erden. Gott ist noch dabei, diese Verheißung an „Vater“ Abraham (1. Mose 12,3) zu erfüllen. Helfen wir ihm, indem wir nicht benachteiligen wegen Geschlecht oder Religion oder Hautfarbe oder sexueller Prägung; lernen wir, auf Privilegien zu verzichten.

 

                                                          *

 

    

Als aber die Zeit erfüllt war,

sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau ins irdisch Normale. Wir sind Kinder Gott und er hat den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen. Der ruft in uns: Abba, lieber Vater!

Galater 4,4-6

 

 

Das ist auch so ein Traumsatz, der uns den Himmel öffnet. Irgendwann war die Zeit reif, daß sich Gott in einem Menschen zu erkennen gab.- Lange schon war Gott in Sonne und Korn, Geburt und Sterben, in Religionen und Sprachen mit den Menschen zugange. Aber als für Gott die Zeit der indirekten Mitteilungen erfüllt war, kam er selbst in Gestalt des Jesus, und steht ein exemplarisches Menschenleben durch.

Wie Jesus zu den Mitmenschen war-  geschwisterlich eben- das hat unsern Status geklärt- eben Geschwister des Jesus und also auch Kinder Gottes zu sein. Wir können den kindhaften Geist in uns merken, es ruft in uns ja: lieber, lieber Gott- jedenfalls, wenn wir sehr dankbar oder sehr in Not sind.

 

                                                             *  

 

Der Schatz des Christus

Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So besteht nun in Freiheit und begebt euch nie wieder in Knechtschaft. Gehorsam macht den Hund aus, uns aber der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.  Nicht ausgeliefert an das Zick-zack der Instinkte sind wir sondern  zur Freiheit berufen. Beißt euch nicht, zerfetzt euch nicht. Durch die Liebe diene einer dem andern.

Galater 5,1.6.15.13

 

 

Dem Christus nach ist Freiheit nicht Willkür.  Was gemeint ist, kann man ahnen, wenn man als Gegenteil von Unfreiheit  nicht Freiheit sondern „Verbundenheit“ einsetzt. Was uns kleben lässt an Ideen und Menschen, ist die Angst, allein zu sein und nichts zu gelten, wenn wir nicht mit der Mehrheit im Gleichschritt sind. Dem Christus nach gehört man zum Freundeskreis Gottes- da ist man als starkes Ich erwählt,  ist nicht allein, tritt hin als Freier zu Brüdern und Schwestern. Mit Fühllust will man dem Nächsten gut sein, will die Liebe mehren, will eigentlich nicht nur in Ruhe gelassen werden oder für sich Punkte machen sondern will einem gemeinsamen Glück dienen, auch wenn es jetzt eben erst nur aufglüht.

 

                                                                *

 

Lebt im Geist,

die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut. Lasst uns nicht nach eitler Ehre trachten, einander nicht herausfordern und beneiden. Wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder, klar zu kommen.

Einer trage des andern Last mit, so werdet ihr den Willen Christi erfüllen.

Irrt euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Dazu gehört auch: Was der Mensch sät, das wird er ernten.

Galater 5,16.22.26; 6,1.2.7

 

 

Also der Heilige Geist bringt uns Niveau bei. Seine Gaben machen nicht klein und verhuscht, sondern erfinderisch, neugierig, hellwach, tatkräftig, „sie entlarven Wunschlosigkeit als Armut“ (D. Bonhoeffer). Also lasst uns den Geist wichtig nehmen. Der will in uns Frieden schaffen und lässt uns Blicke schicken,  die lauter Lieben auf den ersten Blick sind.

Gott hat der Menschheit eine Balance mitgegeben, dass einigermaßen wir ernten, was wir säen. Und wo diese Balance mit Füßen getreten wird , wo sie systematisch vernichtet wird, wie im Dritten Reich etwa- da muß diese Zerstörkraft besiegt werden. Das Leben blüht- nach Abstürzen hat sich die Balance immer wieder eingependelt - oder fromm gesagt: Wurde von Guten Mächten eingependelt.

 

                                                             *    *

 

 Epheserbrief

 

 

Gott gebe uns

erleuchtete Augen des Herzens, damit wir erkennen, zu welcher Hoffnung wir berufen sind.

Epheser 1,18

 

 

Erleuchtete Augen des Herzens haben das  tiefe Verwandtschaftswissen, das innige Mitfühlen, die Phantasie des Einssein auch bei allem Fremdem. Dann erinnern wir uns: Niemand hat sich selbst geschaffen Wir sehen den Nächsten an, wie Gott ihn meint, sehen den Goldstaub an ihm. Und werden erweckt zu Helfern des Herrn. Machen wir uns an die Arbeit, eine Hoffnung Gottes in die Tat umzusetzen.

 

                                                               *

 

Getrenntheit ist der Sündenfall

Christus ist unser Friede: Aus zweien hat er eines gemacht. Er hat die Feindschaft aufgelöst, den Zaun abgebrochen zwischen uns.

Er hat im Evangelium Frieden verkündigt den Fernen und den Nahen.

Denn durch ihn haben wir alle  in einem Geist den Zugang zum Vater.

So seid ihr ehemaligen Heiden nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen,

Epheser 2,14.17-19

 

 Feindschaft, Hass, Grenzen, Mauern, Mein- Dein, Ich- Du; Trennungen laufen durch Gesellschaft, Familie, sogar durch einen selbst. Christus nun versöhnt das Zerrissene. Er holt die Fernen heran, lädt die Abgedrängten an einen Tisch, Er entpanzert uns Krustentiere, ruft Frieden aus, so daß wir was anderes tun können als ständig auf Angriff oder Verteidigung zu lauern. Statt endloser Wachsamkeit des versiegelten Bewusstseins wünsch dir  Phantasie, Freude, Wonne, gemeinsame Projekte. In einem Haus mit Gott und allen- da gibt es auch Rückzugsräume, wir müssen nicht alle zur selben Zeit aus einem Topf essen. Die Richtung aber  heißt: Entfeindung.

 

                                                                   

                                                            *

 

Gegen das Auseinanderfallen

Seid darauf bedacht, die Einigkeit im Geist zu wahren durch das Band des Friedens: Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung;

ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.

Epheser 4,3-6

 

Wir sind gefährdet durch Ichanbetung und Vereinsamung. Dann kreisen wir nur noch um uns selbst, sind uns der einzige Zweck. Und fragen nur, was bringt mir das. Das atomisiert die ganze Gesellschaft und zerbröselt auch die Kirchen. Dagegen hilft nur das Band des Friedens, das uns aneinander knüpft. Genießen wir  Freude an einem gemeinsamen Werk.  Wir sind viele Glieder, aber uns stärkt der Zusammenhalt wie der des einen Leibes. In uns regen sich viele Widersprüche, aber lasst es zu, daß der Sog des einen Heiligen Geistes das Widerstrebende einarbeitet.

„Gott über, in, durch alles, von ihm alles her, auf ihn alles zu“.-  Gott- der, die, das All, das Alles inklusiv allem Werdendem. Stellen wir es, ihn uns vor (im Namen Jesu Christi) als Liebe. Die kommt einmal von Gott, das andere Mal ist sie  Gott selbst; Gott- Liebe, „der Schoß der Welt, der sanfte Schoß des sich selbst nicht begreifenden Geschehens, Meer der Liebe (R. Musil).

 

 

                                                                    *

 

Zürnt ihr, so sündigt nicht;

Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit eigenen Händen das Nötige, damit er auch dem Bedürftigen abgeben kann.

Epheser 4,26.28

 

 

Zorn ist die Gemütsbewegung, die gern uns was zerreißen läßt. Wir leiden an schreiender Ungerechtigkeit, Verachtung, Ohnmacht. Wir wollen Wiedergutmachung und lassen uns dabei leicht hinreißen zu anderem Unrecht. Aber Rache, so süß sie im Augenblick scheint, rückt nur mit dem Täter auf die gleiche Unrechtsstufe. Hass  zerfrisst- auch unabhängig davon, ob er im Recht ist. Darum sollten Vergewaltigungsopfer  mit ihren Tätern reden können. KZ-Überlebende berichten, daß ihr Leben ruhiger wurde, als sie ihren Peinigern vergeben konnten. So berechtigt unser Zorn ist, wir müssen miteinander reden, möglichst vor Sonnenuntergang.

Stärkend ist der Hinweis, daß die Würde von Arbeit in einem Doppelten liegt, einmal, daß man sich selbst ernähren kann und auch  noch nächste Bedürftige.

 

                                                                    *

 

Ihr seid Licht

Lebt als Kinder des Lichts; strahlt Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit aus.

Und wach auf, der du schläft, steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.

Nutzt die Zeit. Kauft sie aus; die Zeit ist heikel.

Epheser 5,8.14.16

 

 

Denk nicht schwach von dir, nicht funzelig, tranig. Du bist ein Schatz aus dem Energiehaushalt des Herrn. Du bist ein leuchtendes Kind Gottes. Also steh auf zur Tat. Du kannst dich nicht schlafend, nicht tot stellen. Du bist nötig. Wo du bist, wird es hell, hoffnungsvoll, ehrlicher, fairer. Das ist unbequem, du machst auch Ärger, bekommst auch Ärger. Die Zeit ist nicht gemütlich, sondern Kampffeld. Und Gott, mittendrin, setzt auf dich. 

 

                                                          *      *

 

 

Der Philipperbrief

 

Lasst uns denken und handeln, wie es Christus Jesus entspricht.

Er war in göttlicher Gestalt, beutete es aber nicht aus,

Gott gleich zu sein,

sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an,

wurde den Menschen gleich.

Er erniedrigte sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tode,

ja bis zum Tode am Kreuz.

Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben,

der über alle Namen ist,

dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie,

die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,

und alle Zungen bekennen sollen,

dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Philipper 2,5-11

 

 

Paulus hat diesen urchristlichen Hymnus schon vorgefunden und in seinen Brief übernommen, den er  um 55.n.Chr an die Gemeinde in Philippi  schrieb. Es ist ein Triumph- und Bekenntnislied, es wurde wohl bei Taufen gesprochen. Beschrieben ist das Wesen des Christus: Der bei Gott war; ja Gott selbst war, jedenfalls Anteil an Gott hatte, der beutete seine Allmacht nicht aus für sich. Er hielt nicht selbstsüchtig fest am Gleichsein mit Gott, sondern unterzog sich dem Schicksal, ein Mensch zu sein. Ja, er ist sogar bereit, der  schlimmstmöglich Leidende zu sein. Und das will er tun im Gehorsam zu Gott, dem die Menschen vorwerfen, er lasse die Menschheit leiden. Aber in Gestalt seines Sohnes leidet  Gott das Leid der Welt mit, das offenbart Christus. Und so können wir fortan den liebenden Gottes glauben. Der produziert nicht Leid sondern trägt mit an den Widersprüchen und Unzulänglichkeiten seiner Schöpfung. Indem sich Gott mit Jesus identifiziert, läßt er das Unvollkommene, ja, Sünde und  Tod  nah an sich heran, ja, verleibt sie sich ein.

“Gesalbter Gottes („Christus“), „Sohn Gottes“ ist stärkstes Bild für Einssein. Die Menschheit wird sich verbeugen und ihn anbeten als mit Gott gut und ganz, und wir werden alle seine Gefolgsleute.

 

                                                                 *

 

Schaffet, denn Gott schaffts

Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist’s, der in euch wirkt, beides- das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.

Philipper 2,12f

 

 

Dies sollen die beiden Klammern für unser Denken sein: Schaffet, als gäbe es keine Gnade, nur nackte Abrechnung nach  Leistung. Und  Gott ist es, der euer Können und Wünschen bewirkt, ihr könnt also gar nichts falsch machen. Ihr seid die Handlanger des Herrn. Ein Widerspruch?

Paulus begründet eins mit dem andern: Schuftet- denn Gott machts. Also lasst uns arbeiten, als hülfe kein Beten; und beten wir, als hülfe kein Arbeiten. Es ist für dich gesorgt, drum müh  dich.

 

                                                            *

 

Freuet euch an Gott.

Ja, freut euch! Eurer Menschenfreundlichkeit lasst freien Lauf gegen alle Menschen! Der Herr ist nahe! Zersorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kommen! Singt und spielt Gott in euren Herzen!

Philipper 4,4-6 ; Epheser 5,19

 

 

Dass wir uns an Gott freuen sollen ist unser Sinn. Lasst uns also Lust haben am Leben und uns und anderen Lebensfreude bereiten. Jedenfalls lsst uns möglichst wenig Verdruss machen, keine Angst, keine bösen Träume, wenig Schaden! Wenn einer durch dich freudlos wird, bestiehlst du Gott um die Freude, die er doch bei diesem Menschen zu ernten hofft. Jedes Grämen ist ein Armutszeugnis für den Herrn. Haben wir Grund zu Bitten, lasst uns bitten. Haben wir  Anlass zum Dank, lasst uns danken.

Menschen, die vor Gott singen und spielen – mehr können wir nicht werden.

 

                                                         *

 

   

Ich habe gelernt, mir genügen zu lassen, wie es kommt.

Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; mir ist alles und jedes vertraut: Beides kann ich: satt sein und hungern, Überfluss haben und Mangel; ich vermag alles durch Gott, der mich mächtig macht.

Philipper 4,11-13

 

 

Diese starke Gelassenheit ist große Kunst. Eben nicht: Alles egal. Sondern mit allem zurechtkommen, in allem eine Würde bewahren, alles als Lernstoff nehmen, den Wechsel der Gezeiten im Auge haben. „Und fahr ich durch die Höll, ist Christus mein Gesell“, heißt es in einem Kirchenlied. Das Leben voller Verheißung wissen.

Wir müssen die Welt nicht verstehen, wir müssen sie nur bestehen. Wir kommen durch. Wir kommen beim Herrn an. Halten wir uns also wacker.

 

                                                         *        *

 

 

Kolosserbrief

 

Als die Auserwählten Gottes,

 

als die Heiligen und Geliebten, zieht nun an, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!

Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.

Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.

Kolosser 3,12-14,17

 

 

Ziehen wir an  all die guten Eigenschaften, ja, wie eine Dienstkleidung, einfach, weil es nötig ist. Einer den andern ertragen- einen Augenblick noch sich die harte Reaktion verkneifen, noch einen entlastenden Gedanken einfädeln, vielleicht eine entspannende Bemerkung beisteuern, augenzwinkernd vom eigenen Missgeschick sprechen, dem andern den Rückzug erleichtern, ihn nicht entblößen sondern einen Ausweg ihm auftun- das wärs.  Und dran denken, niemand hat sich selbst geschaffen. Und es ist wohl schwierig, der zu sein, der gerade meint, sich so aufblasen zu müssen, aus Angst, hinweggewischt zu werden.

 

   *        *

 

 

 

 

1. Brief an die Thessalonicher

 

 

Wir bitten euch

liebe Geschwister, haltet Frieden untereinander. Weist die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig, jagt allezeit dem Guten nach untereinander und gegen jedermann.

Seid allezeit fröhlich, betet immer wieder, seid dankbar in allen Dingen. Den Geist dämpft nicht.

Meidet das Böse in jeder Gestalt. Prüft alles und das Gute behaltet.

1.Thessalonicher 5,12-22

Den Geist nicht dämpfen sondern ihn wirken lassen, wir sollen mit Hilfe des Heiligen Geistes verknüpfen, befreunden, entspannen von falschen Kompliziertheiten. Verstehendes Sehen  mögen wir ersehnen, dem Guten zum Durchbruch verhelfen, aus Gottes Behütung Mut ziehen. Das Böse meiden- ein frühzeitiges klares „Nein“ versetzt Berge. Setz dem Unrechten und Mulmigen Deins entgegen.

 

                                                            *       *

 

1.Brief an Timotheus

 

Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird.

1.Timotheus 4,4

 

 

Alles ist gut geschaffen; nur-  wir können es auch missbrauchen als Waffe, als Droge, als Götzen. Dagegen hilft Danken- in Verbindung bringen mit dem Schöpfer und Geber. Bedenke, bevor du denkst: Kannst du für dein Vorhaben Gott als Teilnehmer denken, kannst du, was du tust, unter seinen Augen tun? Nur dann tu es, Handfest und ernsthaft und fröhlich.

 

                                                        *       *

 

 

2. Brief an Timotheus

 

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern den der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.

2.Timotheus 1,7

 

 

Menschen können ausgezogen und nackt gemacht werden (H.Domin). Wir sind doch sehr verletzbar, ängsten uns vor einem Leidensweg. Bangigkeit  kann uns den Atem verschlagen vor der übermächtigen Wirklichkeit. Und doch haben wir ein gutes Quantum Geistes-Kraft mitbekommen, und das Zutrauen der Liebe  und Abwägenkönnen zwischen frechem und bedachtem Mut. Die Angst klopfte an der Tür, der Glaube antwortete, niemand trat ein (M. Luther King).

                                                    

                                                             *

 

 

Alle Schrift, von Gott eingegeben,

ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass Gottes Mensch vollkommen sei, zu allem guten Werk geschickt.

2.Timotheus 3,16

Alle  Texte die zu heiligen Schriften taugen, sind von Gott vorgesagt, sind vom Heiligen Geist eingegeben. Aber nicht alle Texte, die Menschen zu Heiligen Schriften erklärt haben, sind göttlichen Ursprungs. Vor allem sind sie nicht ewig gültig, alles was mit Menschen zu tun hat, hat seine Verfallszeit und wird durch neues Wort Gottes überholt. Was Wort Gottes ist, erweist sich an seiner Geisteskraft, Leuchtkraft, Heilkraft, seiner friedensstiftenden Überzeugungskraft, auch an seiner Sprengkraft, die Wahrheit ja bei sich hat. Wenn Gott geschehen läßt, was sein Wort sagt, war es sein Wort. Wenn es seine Früchte bei uns bringt, war es gutes Saat.

Wir können Gott nicht festlegen auf einen Wortbestand namens „Heilige Schrift“ – als hätte er nur  Worte für die 1200 Seiten Bibel gehabt, und wäre seitdem sprachlos.

 

                                                            *      *

 

 

 

Brief an Titus

 

 

Die Menschenliebe Gottes,

unseres Heilands, sie erschien,

sie machte uns selig durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geist. Den hat er über uns reichlich ausgegossen durch Jesus Christus, unsern Heiland, damit wir Erben des ewigen Lebens würden.

Titus 3,4-6

 

Gott ist voll Menschenliebe. Liebende in ihrer Begeisterung für einander spüren diese Menschenliebe hautnah, wir können gemeinsame Sache machen, uns verstehen, uns fördern. Wir können Leben empfangen und es in Gestalt eines neuen Menschleins weitergeben - es ist wunderbar zu leben, mit soviel Gründen zur Freude und  zum Mitmachen am Guten.

Gott  hat den Jesus-Christus gesandt, dass er uns in der Gotteskindschaft trainiert. Manchmal müssen wir hart rangenommen werden, noch einmal neu das Glauben und Vertrauen lernen, müssen klein werden wie ein Neugeborenes und allen Selbstruhm fahren lassen. Heiliger Geist macht uns dann schön durch Dankbarsein. Er lässt uns wie neugeboren das Leben noch einmal erfahren als köstlich und schutzwürdig. Und wir werden wissen, daß Gott ewig was mit uns vor hat.

 

                                                            *       *

 

 

 

DER ERSTE BRIEF DES PETRUS

 

Ihr seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums. Ihr sollt verkündigen die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.

1.Petrus 2,9

 

 

 

Herrlich- diese klare Zueignung höchster Menschlichkeit an die Leser dieses Briefes: Wer dies liest oder hört ist auserwählt, ist königlich, priesterlich, heilig, gotteigen. Und ist berufen, die Güte Gottes weit auszustreuen. Keiner soll sich mehr abartig und  abgelehnt vorkommen. Du, der du das liest, bist berufen vom Dunklen hin zu seinem wunderbaren Licht der Liebe.

 

                                                                 * 

 

Das ist der Wille Gottes,

dass ihr mit guten Taten törichten Menschen das Maul stopft-  als die Freien und nicht als nähmt ihr die Freiheit zum Deckmantel der Bosheit. Ehret jeden Menschen.

1.Petrus 2,15-17a

 

 

 

Krass gesagt. Manchmal muss man mit Gutem mutig verblüffen. Unerwartete Güte überzeugt mehr als Gegengewalt. Dem Hass den Wind aus den Segeln nehmen, Streithähne mit Humor von einander abbringen- schön wärs. Jedenfalls ist Freiheit kein Freispruch zum Weggucken und Abtauchen. Jeden ehren als unter Gottes Schutz stehend- da wird man wach und springt ein und hilft dem lieben Gott, daß er nicht als Enttäuscher dasteht.

 

                                                          *

 

Dient einander

habt untereinander beständige Liebe; denkt dran: »Die Liebe deckt auch der Sünden Menge« (Sprüche 10,12). Seid gastfrei untereinander ohne Murren. Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.

1. Petrus 4, 9.10                                                                                                                      

 

 

Christen sind nötig, sie liefern den Schmierstoff für Gemeinschaft: Miteinander wirken und einstehen für einander, die Begabungen einbringen für eine bessere Zukunft. Dir soll es gut gehen und dem Andern auch. Lasst uns Vergebung trainieren und Gastfreiheit und das Entfalten gegenseitiger Chancen.

 

                                                          *

 

Seid hellwach

Denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, welchen er verschlinge. Dem widersteht fest im Glauben. Alle eure Sorge werft auf Christus; denn er sorgt für euch.

1.Petrus 4,8.9.7

 

 

 

Es ist kein Gegengott, der uns dem Guten Gott abspenstig machen will. Dies Bild vom Teufel drängt sich aber auf. Kräfte ziehen uns vom Guten weg wie mit Krallen, und unser Gewissen wird von irrem Gebrüll der Gier übertönt. Doch wir können widerstehen. Wir können nein sagen, auch wenn wir dann plötzlich allein da stehen. Verzicht schmerzt im Augenblick. Doch lebenslang währt die Freude, nicht zum „miesen Typen“ verkommen zu sein. Einfach das Gute tun, und alles Wenn und Ach Gott überlassen- das ist Lernstoff, lebenslang.

 

                                                               *

 

Alle Sorge

werfet auf Gott, denn er sorget für euch

1. Petrus 5,7


Wir könnten ohne Gottvertrauen gar nicht morgens aus dem Bett. Wenn wir nicht glaubten, dass wir heil durch den Tag gebracht werden, könnten wir ihn gar nicht anfangen.
 Im Gebet zur Nacht die Sorge abgeben, im Morgengebet um Kraft bitten und sich die Besorgung des Tages wieder auflegen lassen- das wärs.
Mich in Gottes Hand wissen- und damit entlastet sein von der Sorge um mich selbst; mir die Fürsorge um andere angelegen sein lassen und das Lebendürfen feiern- so will ich’s machen.

 

Jede Situation ist gut für Weiteres, gut für Weiteres aus dem Schatz Gottes. An Abraham und Jakob und Jesus kann man ablesen, dass Gottes Hände, die uns führen, oft rau sind. Auch in unserm Leben gab es Augenblicke, wo Gott uns wie einen Handschuh packte und ganz langsam über seine Finger umstülpte (Robert Musil). Wir sagten gedankenlos „Zukunft“, aber auf einmal ging uns auf: Es ist doch Zugriff, was uns geschieht. Wir sind in Arbeit bei ihm, er hat uns in der Mangel, er sorgt für uns.
Und wie sorgt er für uns?
Gott sorgt für uns, indem er uns Zeit einräumt, uns Menschen zufügt, mit Begabungen betraut, mit Sehnsucht nach Freude ausrüstet, uns gemeinschaftsfähig erzieht, so dass wir uns zu anderen nicht als Zuschauer verhalten sondern als Mitliebende, Mitleidende, Mitschuldige. Er sorgt für uns, indem er uns lebenstüchtig macht und mit Gespür für einander versieht.

Er sorgt auch für uns, die wir jetzt hier sind, durch ein Geflecht von Leistungen und Schätzen und Gemeinnutz- Und statt zu klagen, dass wir nicht alles haben, was wir wollen, sollten wir lieber dankbar sein, dass wir nicht alles bekommen, was wir verdienen (Dieter Hildebrandt).
 Sieh zurück- Du bist auch eingespannt in Gottes Sorgen: Gattensorge, Elternsorge, Kindersorge, Nächstensorge- da sind wir doch in seinen Diensten. Er wirft auch seine Mühen auf uns, dass wir ihm helfen, Last zu tragen.
Und sieh nach vorn: Er sorgt für uns. In den Sinnoasen des Daseins schimmert der freundliche Gott.


                                                       *      *

 

 

 

DER ERSTE BRIEF DES JOHANNES

 

Das Leben selbst

 

 

Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir gesehen haben mit unsern Augen und was unsre Hände betastet haben- das Wort des Lebens, ja, das Leben selbst- ist erschienen. Und das verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt- die Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.

Und das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis. Also lasst uns im Licht wandeln.

Nach 1.Johannesbrief 1.1-7

 

 

Der Schreiber dieses Briefes ist auch der Verfasser des Johannesevangeliums- beide Texte beginnen rauschhaft mit der Schöpfung. Das Wesentliche des Schöpfungs- Uranfangs, das Leben pur, ist auch in Christus und erstreckt sich in die Gemeinschaft der Gemeinde. Licht ist dessen Charakter. Darum ist es so nötig, lichtvoll und  erleuchtet zu leben.

Herrlich zu wissen, daß Gott nur gut ist und ohne Flecken. Das Böse in der Welt ist Mangel an Liebe, ist Mangel an Gott, ist Sehnsucht nach ihm.

 

                                                              *

 

Die Finsternis vergeht

Das wahre Licht scheint schon  jetzt. Wer sagt, er sei im Licht, und hasst seinen Bruder, der ist noch in der Finsternis.

1.Johannes 2,8b.9

 

 

Die Menschheitsgeschichte kommt an ein Ziel in Gott. Mehr wissen wir noch nicht. Aber Licht geht nach und nach über das Ganze auf. Der Leuchtfeuermensch Jesus hat Erhellung und Güte zu uns gebracht. Das macht Freude am Guten. Wir mögen es nicht mehr, zu hassen. Es ist gegen unsere Ehre. Wir wollen Frieden mit den Mitmenschen. Erleuchtung geschehe uns.

 

                                                             *

 

 

Die Welt vergeht mit ihrer Lust;

Wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit.

1.Johannes 2,17

 

 

Sinneslust, Körperlust, Genuss standen früher in schlechtem Ruf. Man dachte, Lebenslust brächte ab von den wahren Werten, von Demut, Fleiß und Barmherzigkeit. Aber eigentlich ist die Lust an der Freude doch  Gottes liebste Erfindung. Zwar hat alles seine Zeit; auch Verzicht, Fleiß und Sparsamkeit, Weinen, eben aber  auch Lachen und Lieben. Auch Lachen und Lieben ist Gottes Wille. Was wir mit Dank  annehmen, ist in seinem Sinn.

 

                                                                *   

 

Die Herrlichkeit, Kind Gottes zu sein

Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen - und wir sind es auch! Doch es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; wir werden ihn sehen, wie er ist.

1.Johannesbrief  3,1

 

 

Das ist großes Glück, Kind Gottes zu sein, ein Stück von ihm, nicht Erde und Dreck, nicht Masse. Kinder Gottes, wir alle, erhoben und gewollt und berufen und geadelt und verbunden mit dem Herzen der Welt. Wie sich das gestaltet, das ist noch offen. Wir werden aber von ihm gesehen und wir werden ihn schauen. Von ihm wahrgenommen sein ist ewiges Leben. ( „Mit wem Gott geredet hat, in Zorn oder Gnade, der ist gewiss unsterblich“ , hat Luther gesagt.) Stärken  wir einander jetzt schon durch Beachten und Wahrnehmen.

 

                                                         *

 

Wer nicht liebt, der bleibt im Tod

Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben gekommen sind; denn wir lieben die Mitmenschen.

1.Johannes 3,14

 

 

Leben ist nicht nur Vorhandensein- das ist noch nahe am Todsein. Leben ist Lieben. Wer liebt, der erhebt und fördert und schmückt das Geliebte, lässt es aufblühen. Der sieht sich beteiligt an der Schöpfung, der hilft zu werden.

 

                                                              *

 

Frieden innen

Damit können wir unser Herz vor Gott  zum Schweigen bringen, dass, wenn uns unser Herz verdammt, Gott größer ist als unser Herz und erkennt alle Dinge. Haben wir Zuversicht zu Gott, verdammt uns unser Herz nicht.

1.Johannes 3,19f

 

 

Wir haben viel Grund, uns in Grund und Boden zu schämen- denn wir bleiben viel schuldig. Aber Gott kennt uns. Er weiß, wie es uns oft innen zerreißt, wie Pflicht und Lust im Streit liegen und Gutseinwollen oft nicht zur Tat wird. Doch verdamm dich nicht, bleibe einigermaßen in Richtung Richtiges. Gott kennt dich, er hat dich ja erfunden.

 

                                                             *

 

Gott ist die Liebe;

und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.

1.Johannesbrief 4,16

 

 

Gott ist ein glühender Backofen voll Liebe, hat Luther mal gesagt. Alle Energie will zusammenfinden, alle Liebe ist Zusammenfindekraft. Gott ist alle Energie und ist Bindekraft, ist Zusammenhütewillen, ist Befreundung, ist Willen zum Du, Gott treibt uns hin zum Du, in welchem wir uns wieder finden, mit dem wir uns neu erfinden. 

Aber wir Menschen sind die einzige Schöpfung, die sich der Liebe verweigern kann; wir können Feindschaft und Gewaltherrschaft wollen  statt Liebe und Zusammenhalten. Wir können Gott zuwider handeln. Aber wir bleiben beschädigt, bis uns die Liebe heimholt- spätestens durch den Tod hindurch.

So spür dich als Mitarbeiter der Liebe, teile, heile, vertrag dich, du leuchtender Mensch.

 

                                                              *

 

Furcht ist nicht in der Liebe,

sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus.

1. Johannes 4,18

 

 

Die Durchschlagskraft der Furcht ist die Angst vor einem unbekannten Verlorensein. Zu keinem zu gehören, allein und ausgeliefert, bedroht und ohnmächtig zu sein, ist fürchterlich.- Aber du darfst und sollst dich umfangen wissen von der vollkommenen Liebe. Liebe treibt die Furcht aus- das ist stark. Man muss es sich immer wieder ins Bewusstsein rufen. Und muss an die Ansprechbarkeit aller Menschen glauben.

 

                                                                *                  *

 

 

 

DER BRIEF AN DIE HEBRÄER

 

 

Nachdem Gott vorzeiten

vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vorfahren durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn. Den hat er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch ihn hat er auch die Welt gemacht.

Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe und ist so viel höher geworden als die Engel.

So haben wir einen großen Hohenpriester, der die Himmel durchschritten hat, der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde. Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen, wenn wir Hilfe nötig haben.

Hebräer 1,1-4; 4,14-16

 

 

Die wenigen Sätze lassen die Großartigkeit des Christus leuchten. Nach den Vorworten  durch die Propheten hat Gott das endgültige Wort eingesetzt. Dies war schon im Schöpfungswerk mit da und hat unsere Kärglichkeit beseitigt, hat uns die ewige Werthaltigkeit beigelegt, an die nicht mal die Engel heranreichen. “Sitzend zur Rechten Gottes“ meint, dass Christus das Ebenbild Gottes ist, wesensgleich mit ihm - und zieht uns nach auf sein Niveau. Nie dürfen wir mehr abfällig von einem Menschen denken, denn  jeder gehört mit Christus zu Gott.

  Der altertümliche Titel „Hoherprister“ erinnert noch an den ferngedachten Gott, zu dem Mittler die Verbindung schlagen mussten. Doch jetzt haben wir direkten Zutritt  zum Thron der Gnade und empfangen Zuversicht, wenn wir sie nötig brauchen.

 

                                                             *

 

Freier Zugang

Weil wir denn nun durch Jesu die Freiheit haben zum Eingang in das Heiligtum,

so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in vollkommenem Glauben, los von dem bösen Gewissen und gewaschen mit dem Wasser der Reinheit. Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken; denn er ist treu, der sie verheißen hat; und lasst uns aufeinander Acht haben und uns anreizen zur Liebe und zu guten Werken.

Und werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.

Hebräer 10,19.22-24.35

Jesus beschafft uns den Adel der Gotteskindschaft; jeder einzelne hat Zugang zu Gott, nur böses Gewissen könnte ihn uns entfremden. Doch wir sind mit dem Wasser der Taufe besprengt- das besiegelt uns die Zugehörigkeit zu Gott. Was uns zu tun bleibt, ist, die Hoffnung festzuhalten in den Taten des Alltags. Sind wir also achtsam miteinander, immer bereit zu Werken der Liebe.
Vertrauen wir, auf immer in den guten Händen Gottes zu bleiben. Das beschafft eine große Lebensenergie: Wir werden uns glücken, auch wenn unter Mühen.

 

                                                                    *

 

Es ist aber der Glaube

eine feste Zuversicht, ein Hoffen, ein Nichtzweifeln ohne Sehen.

Wir haben „eine Wolke von Zeugen“ um uns.  So lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, auch die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens

Hebräer 11,1;12,1.2

“Glauben“

„An wen glauben“ kommt von „geloben“: Gott steht zu dir, er gehört zu dir, gelobt sich dir an- daraus schöpfe Zukunft. Auch das Nichtgeschaute ist seins und darum nicht gegen dich- du kommst durch an seiner Hand. Dafür gibt es eine “Wolke von Zeugen“, ein Heer derer, die mit ihm “durchs Feuer“ gegangen sind und erlebt haben, wie sie hindurch getragen wurden. Leben ist immer Kampf, auch gegen die eigene Schwäche. Das Vorbild des Christus und einiger starker Mitmenschen gebe uns Mut, auch durchzuhalten.

 

                                                              *

 

Selig die Heimatlosen,

sie werden nach Hause kommen. Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.

Hebräer 13,14

Wir sind hier nur Vorübergehende, sind auf Abruf und Abbruch hier. Hier ist Übung, Anfang, Ouvertüre. Die Freuden hier sind Vorgeschmack, die Mühen kommen von dem steinigen Zeit-Weg, den Gott selbst noch geht, die Schöpfung zu vollenden. Darum ja: “Du sollst an keinem wie an einer Heimat hängen, der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, er will uns Stuf um Stufe heben...weiten“ (H.Hesse).

 

                                                *              * 

 

 

 

DIE OFFENBARUNG DES JOHANNES

Gnade sei mit euch

und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt.

Offenbarung 1,4

 

 

Ein herrliches Anfangs- und Schlusswort für Tun und Lassen des Tages, des Lebens. Mit diesem Segenswunsch sehen wir uns zugehörig dem Einen-Guten-Ganzen, der sich nach allen Richtungen erstreckt und in dem alle Gegenden und Zeiten geschehen. Von ihm Gnade und Frieden haben- mehr geht nicht.

 

                                                          *

 

Sei getreu bis an den Tod,

so will ich dir die Krone des Lebens geben. Siehe, ich komme bald.

Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme!

Offenbarung 2,10;3,11

 

 

Mit diesem Leuchtsatz von der Krone ausgerüstet, sind in den Weltkriegen Millionen Menschen in den Tod marschiert, weil fahrlässig das Irdische zum Ewigen erklärt wurde. Und fälschlich ist unser Tun zur Bedingung für Gottes Güte gemacht worden. Sicher sollen wir unsere Zuversicht behalten in den Versuchungen der Zeit. Aber die Krone, die Gotteskindschaft, verleiht ausschließlich Gott allein und wenn wir sie auch verlieren, passt Christus sie uns wieder und wieder an.

 

                                                     *

 

Das sagt der Heilige:

Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan- du mit deiner  kleinen Kraft hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.

Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand mir die Tür auftut, bei dem werde ich einkehren und das Fest mit ihm feiern und er mit mir.

Offenbarung 3,8.20

 

 

Das Entscheidende geht nicht von uns aus sondern kommt auf uns zu, fliegt uns zu. Türen werden uns aufgetan, dass uns das Leben gelinge. Immer wieder werden uns Chancen vorgelegt, wir werden an Kreuzungen geführt, werden in Aufgaben eingewiesen, die wir schaffen oder an denen wir versagen. Wichtig dabei, dass wir ins Gelingen verliebt sind; ja, dass wir Gott, dem Grundgütigen, gelingen wollen. Sein Wort bewahren, heißt: Uns in seinem Wort bewahrt wissen- nicht uns verloren vorkommen, keinesfalls. Dies Zugehörigwissen zu Gott ist tatsächlich die Krone.

Also sammle und verschenke im Alltag die Perlen der Gotteskindschaft. Komm dir nie verloren vor. Halte dich an dein Getauftsein. Du gehörst Gott, nichts kann dich aus ihm herausbrechen. Was auch kommt, darin kommt Gott auf dich zu.- Nimm ihn an in all den Gestalten, in denen dir Leben begegnet. Er geht mit dir hin zum Fest der Fülle und der Freude. Keine Angst wegen der Stolpersteine unterwegs. Nichts soll dich von Ihm trennen.

Und noch eins ist zu lernen von Jesus: Er will anklopfen an die Tür und nicht sie einschmeißen. So sollen auch wir mit einander sanft umgehen und tolerant das Verschiedene annehmen oder wenigstens zulassen.

                                                           

                                                                *

Schalen des Zorns

Und ich hörte eine große Stimme aus dem Tempel, die sprach zu den sieben Engeln: Geht hin und gießt aus die sieben Schalen des Zornes Gottes auf die Erde.  Und der zweite Engel goss aus seine Schale ins Meer; und es wurde zu Blut wie von einem Toten, und alle lebendigen Wesen starben.  Und der dritte Engel goss aus seine Schale in die Wasserströme und die Quellen und sie wurden zu Blut.

Und der siebente Engel goss aus seine Schale in die Luft. Und es geschahen Stimmen, Blitze und Donner und ein Erdbeben, groß, wie keines noch gewesen ist. Und alle Inseln verschwanden und die Berge wurden nicht mehr gefunden.  Und Hagel wie Zentnergewichte fiel vom Himmel auf die Menschen… 

Offenbarung 16, 1.3.4.17.20.21

 

Zuerst waren diese Schauer-Prophezeiungen gesagt, um die christliche Gemeinde zu trösten.-  Die erlebte schlimme Verfolgungen unter dem römischen Kaiser Diokletian. Vernichtet sollte die „Hure Babylon“ – Rom – werden, damit dann die Christen in Frieden leben können.

Aber die apokalyptischen Schreckensvisionen wurden auch vernommen als Drohungen mit dem kommenden Weltenende. Schon oft in den Jahrhunderten ist der Weltuntergang als Strafe für die Sünden angesagt worden.

Heute ist die Vernichtung der Menschheit und die Zerstörung der Erde machbar. Um so dramatischer hängt der Erhalt des Lebens von Gottes Segen ab und unserer  Bereitschaft, abzulassen von Ausbeutung. Kehren wir um,  und bewahren die Schöpfung.

 

Neue Erde

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.

Und die zwölf Tore waren zwölf Perlen, ein jedes Tor war aus einer einzigen Perle, und der Marktplatz der Stadt war aus reinem Gold und wie durchscheinendes Glas.

Und ich sah keinen Tempel darin; denn der Herr, der allmächtige Gott, ist ihr Tempel, er und das Lamm.

Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein.

Offenbarung 21,1-3

 

 

Diese Vision hat das Geschichtsbild der Menschheit stark geprägt: Die Verwandlung aller Dinge ist im Gange und sie wird grundstürzend sein. Ob eine neue Schöpfung bereit steht, die herabgelassen wird wie aus dem Schnürboden eines Welttheaters? Eher nicht. Aber wichtig am Neuen, dann Letztgültigen ist die soziale „Bauweise“ des ewigen Lebens. Wir gehen wohl alle auf ein Zusammenleben zu, das noch was mit Wohnen in Hütten zu tun hat und mit Handeln auf einem Marktplatz- und auch noch  Bäume und Tiere hat. Jedenfalls wird Gott mit uns zusammensein- das ist wohl das, was bleibt. Er hat keinen Raum extra für sich. Gott ist unser Raum und unsere Zeit.

 

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Das Alpha und das Omega

Und Gott wird abwischen alle Tränen von unsern Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.

Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!

Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.

Offenbarung 21,4-6

 

 

Die Erdenzeit ist auch Tränenzeit und fährt gegen die Wand- den Tod. Alle Angst ist Angst vor dem Tod in großen und kleinen Dosen: Unter Schmerzen allein und hilflos sein. Aber  unsere Tränen sind aus Heimweh geweint- wir sind voll Ahnung, daß das Erste vergeht. Der uns umfängt als Schutzmantel der Welt, der wird weiter reichen als alle Beendigungen und Tode. Gott ist Anfang und Ziel- einst wird der Tod ausgedient haben und unser Durst nach dem Lebendigen wird für immer, immer gestillt sein.

 

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Der letzte Tag hat keinen Abend

Und der Geist führte mich hin auf einen hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem herniederkommen aus dem Himmel von Gott, ihr Licht war gleich dem alleredelsten Stein, einem Jaspis, klar wie Kristall; sie hatte eine hohe Mauer mit zwölf Toren, Die Mauern waren aus Edelsteinen und die Tore aus Perlen und der Marktplatz der Stadt war aus reinem Gold wie durchscheinendes Glas.

Und ich sah keinen Tempel darin; denn der Herr, der allmächtige Gott, ist ihr Tempel.

Und die Stadt bedarf keiner Sonne noch des Mondes, denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm. Und die Völker und Könige werden ihre Herrlichkeit in sie bringen. Und er zeigte mir einen Strom lebendigen Wassers, klar wie Kristall, der ausgeht von dem Thron Gottes und des Lammes; Und es wird nichts Verfluchtes mehr sein. Gottes Name  wird an den Stirnen der Heiligen sein. Und es wird keine Nacht mehr sein, und sie bedürfen keiner Leuchte und nicht des Lichts der Sonne; denn Gott der Herr wird sie erleuchten, und sie werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Es spricht, der dies bezeugt: Ja, ich komme bald. - Amen, ja, komm, Herr Jesus!

Aus Offenbarung 21,10ff ; 22,1-5; 22,20

 

 

Das ist das biblische Schlussbild; das Siegel, welches der Unbegreifliche uns einprägt. Wir bleiben die Tiefgeliebten von immer Größerem (R.M.Rilke). Unserm Denken drängen sich Hölle, Inferno, Vernichtung als Ende  auf. Aber der Gott, der alle Tränen abwischt, der hat  Himmel und Vollendung vor. Wie das Vollendete aussieht, ist offen. Ein starkes Bild ist genommen aus menschlichem Zusammenleben: Die Stadt ist ja unser intensives soziales Geflecht. Also soll auch für den  Himmel eine gottvolle Art von Zusammenleben erwarten werden. Mauern schmücken dann nur, sie wehren nicht ab, Die Tore stehen offen, ein Markt ist noch da- wir tauschen miteinander Glück und Gaben. Aber kein Tempel, keine Kirche wird mehr sein, kein besonderer Raum der Gottesbegegnung wird mehr nötig sein. Wir wohnen in Gott, nichts Verfluchtes ist mehr, kein „Jenseits von Eden“ mehr. Uns bleibt nur, zu bitten: Du, der Du uns Himmel zusagst,  komm bald. Und der letzte Satz der Bibel lautet: (Offenbarung 22,21) Die Gnade des Herrn Jesus sei mit uns allen.

 

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Die Bibel weiterscheiben

Irgendwann um 200 n Chr. hatte sich in Rom ein Kanon von kirchlichen Schriften zusammengerüttelt. Als Richtschnur für die Aufnahme in das „Neue Testament“ galt die Urheberschaft durch die vier Evangelisten und die Apostel, die bis auf Paulus, alle zum Jüngerkreis Jesu gehört hatten. Aber nur wenige Schriften, und zwar die von Paulus, sind so alt, dass sie Anschluss haben an Jesu irdische Lebenszeit. Alle anderen Schriften sind eine oder mehrere Generationen  nach Jesus geschrieben worden und behaupten nur, von Petrus oder Paulus zu stammen- um sich ihre Autorität zunutze zu machen.  Sie sind Arbeitspapiere  der jungen Kirche um das Jahr 200 und später. Man kann auch sagen: Das Neue Testament ist der erste Predigtband der Kirche.