Predigt 16. März 2003
Keitumer Predigten Traugott Giesen 16.03.2003
In der Welt habt ihr Angst
Christus spricht: Ich rede mit euch, damit ihr Frieden habt. In der Welt
habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Johannes
16,33
Es soll nicht dunkel bleiben über denen, die in Angst sind. Jesaja 8,23.
Den Elenden wird er durch sein Elend erretten und ihm das Ohr öffnen
durch Trübsal. So reißt er auch dich aus dem Rachen der Angst
in einen weiten Raum, wo keine Bedrängnis mehr ist; und an deinem tische
voll von allem Guten wirst du Ruhe haben. Er gibt dir Lobgesänge in
der Nacht. Hiob 36, 15,16; 35,10
Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!
Erweisen wir uns doch als Diener Gottes: in großer Geduld, in
Trübsalen, in Nöten, in Ängsten, in Schlägen, in Erkenntnis,
in ungefärbter Liebe - als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als
Gezüchtigte und doch nicht getötet; als die Traurigen, aber allezeit
fröhlich; als die Armen, die doch viele reich machen; als die nichts
besitzen und doch alles haben. 2. Korinther 6
Sind wir auch von vielen Seiten bedrängt, zerängsten wir uns nicht.
Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden
nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. 2.
Korinther4.
Christus spricht: Ich rede mit euch, damit ihr Frieden habt. In der Welt
habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Johannes
16,33
Es gibt 1000 Ratgeber gegen die Angst, als wäre die nur eine schlechte
Angewohnheit, die man sich abgewöhnen sollte. Aber Jesus sagt nicht:
Habt keine Angst!, er sagt, Ja, in der Welt habt ihr Angst; er
gesteht uns dieses Angst zu, hatte selber Angst, zitterte und weinte, und
flehte, lass diesen Kelch vorüber gehen. - Er sagt: Seid getrost, seid
guten Mutes. Da muß man doch aufhorchen. Da redet nicht irgendwer einen
Wortspreu, - Christus ist ja Gottes innere Stimme in uns; eine Stimme, die
ihren Atem nimmt von diesem Menschen aus Nazareth, sein Ruf klingt durch
die Generationen als Gesang vom liebenden Gott, als Lied der Hoffnung und
des Mutes, die Stimme reicht bis zu uns, erreicht uns, will uns das Sein
erleuchten. Die Welt ist doch christuserfüllt, ist gottvoll, ist
Schöpfung; in allem Fleisch ist Gottes Atem, alles ist im Hause des
Herrn.
Ich habe die Welt überwunden, sagt Christus und ich verstehe es so:
Die vom Gesetz regierte, die scheinbar von Gott verlassene Welt, die
entgötterte scheinende Wirklichkeit hat Christus überwunden. Der
Sohn Gottes stirbt den Tod des Gotteslästerers -so was Sinnleeres, die
Welt scheint von Gott entkernt, die Welt nur ein Knäuel aus Verrat und
Macht und Mord, und er, der Liebende kommt unter die Räder, mit einem
Kuß wird er verraten; die Wirklichkeit, wie sie von Menschen liebeleer
gefegt wird, die Welt, von der sich Gott abgekehrt zu haben scheint, die
in den Tod schickt, der ins Nichts kippt - die Welt hat er
überwunden.
Denn Christus fand sich gefunden, fand sich gehalten, getragen. Ich habe
die Welt überwunden, meint, ich habe die von Sinn angeblich
leergeräumte Welt überwunden: Welt steht hier für
böse Wirklichkeit, Machwerk der Finsternis, ein Reich des Bösen,
die Wirklichkeit kommt nur vor als Kampfplatz der Gewalten; die sich für
die Guten hielten, schlugen ihn ans Kreuz. Aber, sagt Christus: Ich habe
diese durch Menschen verfinsterte Welt überwunden. Die Welt ist
Schöpfung, ist als Heimat zugedacht, die Menschheit ist als Familie
gemacht, dass wir einander die Last mittragen und Freude machen. Alles ist
innerhalb Gottes, alles, auch die Gräuel im Hause des Herrn, darum ja
letztlich auch die Gräuel nicht herrenlos, dämonisch, sondern unter
der Allmacht Gottes.
In der Welt habt ihr Angst. Ja, wir sind schreckhafte Wesen, manchmal voll
eichhörnchenhafter Angst, viel Tierreich haftet noch an uns. Fressen
und Gefressenwerden ist noch im Erbmaterial uns mitgegeben. Florian Illies,
der die Generation Golf - so sein Buch - einer Inspektion unterzieht,
schreibt: als selbstverliebte Menschen haben wir vor nichts solche
Angst wie vor dem Gefühl, enttäuscht zu werden. Darum haben wir
immer eine Reißleine im Kopf und begeben uns in eine Beziehung nur
so weit hinein, dass sicher ist, dass wir auch wieder hinauskommen.
Wir haben Angst, - gerade die schnell sind mit aggressiver Sprache, haben
ja viel Angst, heruntergemacht zu werden. Und die Schlagbereiten, die sofort
loszuprügeln, drohen, die haben solch panische Angst vor Gewalt, sie
sind gebannt von Angst vor Gewalt, dass sie unter allen Umständen der
Gewalt zuvorkommen wollen durch schnellere Gewalt und vermehren so
natürlich die Angst vor Gewalt.
In der Welt habt ihr Angst. Müßt ihr ja auch Angst haben - in
der scheinbar gottlosen Welt ist jeder auf sich selbst gestellt. Aber diese
Welt habe ich überwunden. Ich habe sie bis auf den Grund erlitten, aber
auf dem Grund sind wir in Gottes Hand. Auch der Tod legt uns in Gott, nicht
ins Nichts. Das ist das Heimatwissen des Christus. In der Welt habt ihr Angst,
- aber seid getrost. Tragt ein Stück Angst. Meint nicht, euch sichern
zu können mit Geld, mit hohen Mauern, mit Vorsorge im eigenen Keller.
Je mehr ihr stapaelt, um so mehr habt ihr Angst um die Stapel. Ihr müsst
ein Quantum Angst aushalten, eine Strecke Unsicherheit gehört zum Leben.
Ihr habt Angst, aber lasst euch nicht haben von der Angst.
Jesus ging an Bord mit seinen Jüngern, und es erhob sich ein Sturm,
der machte das Schiffchen ächzen und schlingern. Die Jünger arbeiteten
mächtig. Und Jesus schlief. Da weckten sie ihn und jammerten ganz
außer sich. Und Jesus stand auf und beruhigte alles (Matthäus
8,24ff). In Ängsten sieht sich Jesus mit Schiff in Gottes Hand: "Und
fahr ich durch die Höll, ist Christus mein Gesell", singt ein Kirchenlied.
Die Welt, auch die von Jesus als gute Schöpfung hingestellte Welt liefert
noch tausend Gründe, sich zu ängsten. Aber seid getrost: Ihr seid
von guten Mächten wunderbar geborgen. Ihr seid nicht verlassen, Gott
geht mit durchs finstere Tal. Darum ist es niemals Endstation. Denk an ein
Kind im Wald, die Mutter geht ihm verloren, das Kind sieht sich alleingelassen:
der Wald wird garstig ohne Mutter, der doch mit Mutter eine gute Gegend war.
Jesus hat die mutterlose vaterlose Welt überwunden und hat die
geschwisterlose Welt überwunden. Die Welt ist Haus des Herrn, Vaterland,
Mutterland, Geschwisterland, Freundesland.
Auch die Schmerzen der Welt haben ein Ziel; sie sollen nicht mehr sein. Und
Leid tragen macht Getröstetwerden. Es soll nicht dunkel bleiben über
denen in Angst. Das ist Christi Hoffnung, in die er uns eintaucht. Für
deren Realisierung er uns aber auch in Verantwortung nimmt. Schmerzen weniger
machen, Leidende trösten, Last mittragen. Wenn wir uns drücken,
ängsten wir uns mehr und mehr. Ein Beispiel: Wenn einer am Wegrand winkt
vor seinem Auto und wir halten nicht, vermehren wir unsere Angst, dass bei
uns in Not auch keiner hält. Wenn einer um Krankenhaus und Altenheim
einen großen Bogen macht, er bestraft sich selbst mit soviel Angst
für sich selbst.
Seid getrost heißt auch: seid mutig. Ich habe die als gottlos verschriene
Welt überwunden, sie ist Heimat, sie ist Haus Gottes, auch mit den Ganoven,
sie ist auch mit Makeln voll Güte des Herrn, - wenn, ja wenn du dich
auch als Austeiler der Güte einfindest. "Wenn du aber kärglich
säst, wirst du auch kärglich ernten" sagt Paulus (2.Korinther 9,6)
Lindern wir Angst, werden wir uns am meisten Gutes tun, wir werden uns weniger
ängsten. Angst kommt von Enge - letztlich engt das Sterben uns ein,
aber doch um uns zu befreien. Wenn wir gut vom Sterben denken könnten,
weil ja Christus das gute Sterben, das Sterben ins Gute erfahren hat, ach
schöpften wir Mut. Aber wir sind auch ein Stück unerlöster
Welt, das an sich hängt, das sich an sich selber klammert, darum Angst
hat, eine sich selbstverzehrende Angst - ach seid getrost, ich habe die Welt
überwunden, sagt Christus; das übersetze ich mir: Meine kleine
mächtige Habsucht, namens Ich(R. Musil) komme zur Ruhe, - was
bekümmerst du dich meine Seele, und bist so unruhig in mir: du
bist doch in Gott eingebettet, du bist doch in Gott einverleibt.
Du, sprich mit diesem guten Ganzen ständig, Was dich freut, bedanke;
was dich schreckt, ruf ihn hinzu, ruf dir sein Dabeisein wach, wie wenn einer
sich kneift, um sich zu spüren, so sprich dich vor Gott aus, um dich
zu orten in Gott mitten in der Welt. Sprich deine Angst vor Gott aus, schreib
sie in sein Buch sag sie ihm in sein großes Ohr, jedenfalls gib sie
ihm ab für die Nacht, morgens kannst du, was dir aufgegeben ist, wieder
schultern.