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Predigt 13. April 2003

Keitumer Predigten   Traugott Giesen   13.04.2003

Jesu Verurteilung und Verspottung

Matthäus 27, 15-31

Zum Fest aber hatte Pontius Pilatus die Gewohnheit, dem Volk einen Gefangenen loszugeben, welchen sie wollten. Sie hatten aber zu der Zeit einen berüchtigten Gefangenen, der hieß Barabbas. Pilatus sprach zu der Menge: Welchen wollt ihr? Wen soll ich euch losgeben, Barabbas oder Jesus, von dem gesagt wird, er sei der Christus? Die Frau des Pilatus aber, schickte zu ihm und ließ ihm sagen: Du habe nichts zu schaffen mit diesem Gerechten; denn ich habe heute viel erlitten im Traum um seinetwillen. Und der Statthalter sprach zum Volk: Welchen wollt ihr? Sie sprachen: Barabbas! Da ließ Pilatus sich eine Schüssel Wasser holen, nahm das Wasser und wusch sich die Hände vor dem Volk und sprach: Ich bin unschuldig an seinem Blut; seht ihr zu!

Und die Soldaten des Statthalters nahmen Jesus, zogen ihn aus und legten ihm einen Purpurmantel an und flochten eine Dornenkrone und setzten sie ihm aufs Haupt und gaben ihm ein Rohr in seine rechte Hand und beugten die Knie vor ihm und verhöhnten ihn und sprachen: Gegrüßet seist du, großer König!, und spien ihn an und schlugen auf sein Haupt. Und als sie ihn verspottet hatten führten sie ihn ab, um ihn zu kreuzigen.

Jesus Christus ist die Ikone in unseren Seelen, er ist das Modell des wahren Menschen in uns. Sein Bild entwickelt in jedem von uns das eigene Ich mit, es ist wie ein Samenkorn in uns, es will aufgehen in uns. Jesu Leuchtkraft ist die Fähigkeit mitzufühlen. Mitempfinden ist Jesu Größe. Er verstand den Aussatz der Aussätzigen, das Dunkel der Blinden musste ihm nicht erst übersetzt werden; das wilde Elend derer, die im Genuß leben, er verstand die schwer verständliche Armut der Reichen (Onassis sagte von sich: Ich bin ein armer Mensch, der zufällig reich ist).

Das Gebot „Liebe deinen Nächsten wie Dich selbst" - kannte auch schon Israel, aber erst Jesus hat es von innen gewusst. „Alles, was einen andern trifft, trifft auch mich selbst", das hat er gelebt. So war er voller Erbarmen gegen den, der Unrecht litt; und den, der Unrecht tat.

Er hat als erster die zerstrittenen Menschen als Zusammengehörende gedacht und die aufgespalteten Rassen als Einheit gesehen. Darüber hinaus sah er Gott und den Menschen als ein Ganzes. Darum sah sich Jesus als Menschensohn und Gottessohn und sagte: Was ihr getan habt einem meiner geringsten Brüder, einer meiner kleinsten Schwestern, das habt ihr mir getan, (Matthäus 25,40): es trifft Gott, was wir uns an den Kopf werfen. Das bildet Jesus ab, das vollzieht er, er lebt Gottes und der Menschen Leiden.

Die letzten Stunden des Jesus auf dieser Erde zeigen im Zeitraffer das Lebensmuster dieses wunderbaren Menschen. Seine Passionszeit ist Leiden, aber auch Leidenschaft, sein Herzensmüssen ist: Sich Hinhalten.

Er hält das letzte Abendmahl mit seinen Jüngern, und taucht mit dem die Hand in die Schüssel, der ihn schon um Geld verschachert hat. Todesangst haucht ihn an im stillen, mondhellen Olivenhain. Der falsche Freund tritt dicht an ihn heran um ihn mit einem Kuß zu verraten. Auf den Freund Petrus hatte er eben noch seine Hoffnung gesetzt, dass er ein Fels, eine Zuflucht für die Menschen werde- und der verleugnete ihn, als der Hahn im Frühlicht kräht. Jesus sieht sich ausgeliefert an Ohnmacht und Verlassenheit, er unterwirft sich den Schmerzen; Aufbrausend dagegen der Hoheprister aller Rechtgläubigen, der im Zorn seine Kleider zerreißt. Und schmierig der kaiserliche Statthalter, der sich Wasser bringen lässt, in der eitlen Hoffnung, er könne seine Hände reinwaschen, von dem unschuldigen Blut. Das macht ihn zur Henkerfigur der Geschichte.

Das Lebensmuster Jesu gipfelt in der Kreuzigung, aber ein stilles anderes Bild kann uns auch in Bann ziehen: Da ist der Einzug Jesu in Jerusalem, hinterher ausgemalt als Triumphzug, aber historisch eher ein herzliches Willkommen von wenigen Freunden ausgerichtet, einige Palmzweige, ein Eselein, das Reisegefährt der Armen, nichts Grandioses hatte diese Ankunft, zögerlich wohl einige Hochrufe, ein paar Hosiannas, dann war der Zug der wenigen Getreuen in den Gassen verschwunden. Dass auf Jesu Antlitz Gott sich abbildet - nur einen Schimmer davon bekommt die Menschheit mit.

Auch ein anderes Passionsbild ist gotteshaltig: Die Liebe scheint unterzugehen unter der protzenden Macht; Menschen berauschen sich daran, leiden zu lassen: Und die Soldaten des Statthalters nahmen Jesus mit sich, zogen ihn aus und legten ihm einen Purpurmantel an und flochten eine Dornenkrone und setzten sie ihm aufs Haupt und gaben ihm ein Rohr in seine rechte Hand und beugten die Knie vor ihm und verhöhnten ihn und sprachen: Gegrüßet seist du, großer König!, sie spien ihn an und und schlugen auf sein Haupt.

Diese fahle Lust an der Demütigung - letztlich ist sie Angst vor Ohnmacht. Das ist die Verführung der Macht: Solange du einem deinen Willen aufzwingen kannst, hast du nichts zu leiden. Du kannst leiden lassen, damit beschwichtigen wir unsere innere Unruhe. Aber „Wehe den Siegern!" Das ist doch die Schwäche der Kraft, nur an die Kraft zu glauben (P. Valery). Dann verfallen wir dem bösen Geist der Rohheit, der alle Worte abprallen lässt. "Und Hauptquelle aller Gewalttaten ist, dass man nicht weiß, wofür man da ist" (Robert Musil), sich nicht fühlt oder eben nur als Sandkorn, als Nichts. Dagegen Jesus. Er weiß wofür er da ist. Das Kaputtsein der Menschheit will er am eigenen Leib auffangen. Er lässt sich schlagen, bis die Macht müde wird, er lässt sich lächerlich machen, er weiß, dass auch Gott sich die Schmerzen antun lässt und wehrt sich nicht. Er hat eine Hoffnung, dass Gott die Sehnsucht nach Liebe in seinen Menschen entwickelt. Dass Macht müde wird und auch der Starke zart gemacht werden kann, die Liebe der Kinder kann die Väter bekehren, Frauen können Männer erziehen, Saatgut der Liebe ist in einem jeden von uns. Vielleicht bricht sie auf, wenn einer auf unseren Schlag hin, auch seine andere Wange hinhält. Jesus mit der Dornenkrone - dieses Bild des Jammers zeigt uns die Fratze der Gewalt. Wir müssen von ihr lassen und Wunden verbinden. Wie sollten wir sonst Mensch werden, Mensch bleiben. Nach jedem neuen Krieg fängt Gott wieder von vorn an die Menschheit erziehen.

Und der Friedensmensch Jesus sagt dir: Folge mir nach, heile das Böse mit deinem Gutsein. Du siehst ihn doch vor dir , den Heiler der Menschheit. Das Menschheitsgedächtnis hat ihn doch bis vor dich hin getragen: Er, der wahre Mensch, du könntest sein leuchtendes Gesicht malen, als wärst du mit den Jüngern gegangen, du glaubst ihm, dass Güte die Welt ernährt und wir das Mitleiden einander schulden.

Böse Leidenschaften ermatten, wenn du dich seiner Einstrahlung aussetzt. Menschen, deren stumpfes phantasieloses Leben annähernd schon tot war, stehen bei seinem Anruf aus dem Grab auf. Ihn hören lässt uns teilen, was wir haben und es bleibt noch viel übrig.

Jesus ist nach seinem Tod genau so geliebt wie vorher. Er ist bei dir, mit ihm wird deine Seele ein Saatkorn, eine Perle vom Reich Gottes, eine Handvoll Sauerteig vom Brot des Lebens. Er überzeugt dich: Gott ist in dein Gelingen verliebt, er betreibt dein Gelingen. Was auch geschieht, - darin wirst du mehr Du, einzigartiges Du Gottes - dem Jesus nach, unter der Dornenkrone. Eher leidet er Leid als Leid anzutun. Er bleibt der Liebe treu. Das will ich auch noch lernen.

(Passagen von Oscar Wilde entnommen aus:Karl-Josef Kuschel: Jesus im Spiegel der Weltliteratur, Patmos-Verlag)


 




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