Predigt 21. Dezember 2003
Keitumer Predigten Traugott Giesen 21.12.2003
4. Advent
Philipper 4,4-7: "Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich:
Freuet euch! Eure Menschenfreundlichkeit lasst kund sein allen Menschen!
Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure
Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Und der Friede
Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne
in Christus Jesus."
Was sagt uns Weihnachten? Ganze Bibliotheken sind dazu vollgeschrieben worden.
Die Prediger an Heiligabend rund um die Erde werden sich wieder mühen,
die Geburt Christi zum Sprechen zu bringen. Was sagt uns Weihnachten, ist
die große Frage. Eine andere Frage ist: Was sagt Weihnachten über
uns aus? Weihnachten genommen als ein öffentliches Bild, als ein
Weltkulturerbe, als ein Kennzeichen für uns alle. Wie die Queen auf
dem Thronsitz für Great-Britain; oder die Fußballweltmeisterschaft
1954 oder der Kölner Dom nationale Wonnen freisetzen. Im Wort "Nation"
steckt gemeinsame Herkunft, nationale Wonnen und Schmerzen,- das ist das
Erbe, mit dem, aus dem wir alle geboren sind. Sicher haben wir, jeder für
sich, auch ein starkes Erbe aus der Geburt: dieses mein Leben, aus diesen
Eltern, in dieser Zeit erzogen. Wie der Baum geschmückt werde ist eine
heiße Frage im ersten Ehejahr, es gibt da mehrere Möglichkeiten,
bis hin zu der Idee, gar keinen eigenen Baum zu haben. Neben den
Famlientraditionen haben wir ein nationales Schicksal, eine gemeinsame Heimat.
aus gemeinsamer Sprache, gemeinsamem Wissen. Weihnachten gehört zum
deutschen Heimatschatz.
Und dass Weihnachten uns so wichtig wurde, sagt über uns: Wir brauchen
Familie, Geborgenheit, Freundlichkeit,sonst mögen wir uns nicht. Wir
wissen auch, unsere Ellenbogen zu nutzen, aber Weihnachten dämpft unser
Bissigsein.
Aber er bröckelt, dieser gemeinsame Weihnachtsschatz. Früher war
keine Krippe in St. Severin nötig, das Bild war noch in den Seelen.
Jetzt steht hier eine Krippe, und es könnte noch eine viel schönere
sein. Und wieder ein Krippenspiel! Töchter baten ihre Mütter, den
Enkeln doch das mit dem Christkind zu erklären. Und jetzt singen die
Kinder, was ihre Mütter und Väter hier schon vor 25 Jahren sangen:
Das ist der Stern von Bethlehem. Den Großmüttern
wäre eine Reise unter Palmen wie eine Flucht zum kleinsten gemeinsamen
Nenner vorgekommen: Wärme, Sonne, kein Zusammenkommen der Familie und
Nachbarn. Faulsein statt "Euch ist heute der Heiland geboren".
Weihnachten als öffentliches Bild: Wie die Keitumer Kirche Symbol ist
für "Gott der Herr ist Sonne und Schild".
Die öffentlichen Bilder machen ein gemeinsames Wesen klar, eine gemeinsame
Kraft: Der Reichstag mit einer Kuppel, von wo aus, man den Politikern beim
Regieren über die Schulter schauen kann; Aber auch die Diskussion um
das Kopftuch - soll es zum gemeinsamen Wesen des Islam gehören, dass
die Frau, dem Manne, den Mullas, untertan sei? Jetzt keine Diskussion
darüber, aber brisant, was dahinter steht Und ob der Sonntag als
öffentlicher Raum für uns alle ein Schutzraum zu sein hat. Ohne
Sonntag hätten wir nur Alltag. Und gemeinsame Kindergärten und
Schulen kostenlos. Und und und. Kirche gehört auch zum gemeinsamen Besitz.
Selbst wenn ich kein Glied der Gemeinschaft bin: Das Gebet Vaterunser,
unser tägliches Brot gib uns heute. ist für jeden Menschen
mitgesprochen.
Gehen wir mal daran, Weihnachten nicht nur als Familienbesitz, nicht nur
als zur deutschen Heimat gehörend zu denken, sondern Weihnachten sehen
als Schatz aller Menschen, wie die Gen-Banken der Schöpfung, wie die
Mathematik und das Sachwissen der Welt, alle Sprachen, alle Musik. Und mit
dem PC kann man alles Sachwissen auf den Rechner laden -35.000 Deutsche Gedichte
auf einer Scheibe...
Auch Weihnachten der Schatz aller: Geboren der Sohn Gottes, der alle Menschen
seine Brüder und Schwestern nennt und uns zu Kindern Gottes erklärt.
Was gibts da viel zu fragen und zu klügeln. Vieles wüsste
ich, hätte man es mir nicht erklärt (St.Lec). So ist es etwa
mit der Liebe und dem Tod. Lauter Tatsachenwissen verschüttet den Sinn.
Wer Kunst studiert hat, malt nicht mehr; wer Religionswissenschaft gelernt
hat, weiß Gebete aus allen Himmelsrichtungen aber ob er noch betet,
steht auf einem andern Blatt.
Man sollte Weihnachten nicht erklären. Die Krippe ist genial: Die Welt
im Zustand der Gnade.
Helfen sollte man, dass die eigenen Kinder oder Enkel ein Krippenspiel mit
aufführen, und selber sollte man einem Weihnachtsoratorium lauschen,
da wird der Jesus Christus, der beste Dolmetscher Gottes, wieder neu geboren.
Im Leuchten der Kinder betritt Gott immer wieder die Erde, vollkommene Musik
schmückt unsere Seele zum Lichthaus.
Es gibt viele Gründe, den Menschen schlecht zu reden, doch das Fest
der Feste erhebt den Menschen zum Sohn, zur Tochter Gottes. Menschenwürde
stammt von diesem Krippenkind ab, ob wir seine Geburt feiern oder uns gar
nicht drum kümmern. (Ein Tipp für Nichtkirchensteuerzahler:
Sponsert ein Krippenspiel! bezuschusst Kirche wenigstens als kulturelles
Ereignis.)
Bei uns ist Weihnachten das prägendste Fest, es ist eins der drei, vier
grundlegenden Menschheitsfeste überhaupt.- Aufgefaltet ist die Geschichte
von der Geburt des göttlichen Menschen: Man kann die ganze Kirchengeschichte
als Folge des Lebens Jesu sehen, und kann die Menschheitsgeschichte als Ringen
sehen um Frieden, Liebe und Verzicht auf Privilegien - wie Jesus das wunderbar
vorgelebt hat.
Die Szene der Madonna mit Kind, die heilige Familie in ihrer Armut und ihrer
Herrlichkeit hat stilbildend in der Kunst gewirkt wie kein anderes Motiv.
Auch unser Herr bekam Geschenke. Die Gaben der Sterndeuter: Gold, Weihrauch
und Myrrhe begründeten den Brauch, Weihnachten die Lieben zu beschenken,
vor allem die Kinder. Und die Armen. Die Spendenbereitschaft zur Weihnachtszeit
verrückt, wer darüber spottet bewahrt ein Wissen von der
Unanständigkeit eigenen Prassens im Angesicht des Hungers.
Und die Lichterfülle, die Schmückungen, das stilisierte Einpacken
und Schönmachen ist ja Sternenglanz, auf die Erde geholt und für
alle erschwinglich gemacht. Das Besorgen von Geschenken lasst uns nicht abtun
als Tand. Lasst uns doch Freude haben am Schenken und Beschenktwerden. Phantasie
ist eine Schwester der Liebe und Nichtsschenken ist zuallererst Armut im
Geist.
Aber am besten übersetzt man die Geburt Christi ins Eigene, indem man
selbst ein Stück Frieden macht. Gut ist zu überlegen, welchen Streit
man über Weihnachten mitschleppt und frisch hält. Was an dir ist,
leg den Streit bei, versöhn dich, und lad ein zum gemeinsamen Mahl.
All die Kränkungen zwischen Eltern und Kindern schreien doch nach
Erlösung. Vielleicht war einer mehr schuld, aber der andere, das Opfer,
wird doch zum Mit-Täter durch Ausschlagen der bittenden Hand. Brich
das Schweigen, ruf an, lad ein und du machst, dass Weihnachten wird.
Auch Jesus ist zunächst nur eine ferne Sagenfigur, wie ein weißer
Ritter aus fernem Land. Der aber nimmt seinen Glanz von der Erwartung, er
treibe die böse Gewalt mit guter Gewalt aus. Aber die weißen Ritter
säen in die Herzen keinen Frieden, eben wieder im Irak zu sehen, oder
in Grosny und bei uns: wenn wir von Starken gezwungen werden, also aus Gehorsam
und nicht aus Einsicht handeln, dann verbiegen wir uns und bleiben unfriedlich
und liefern unfertige Arbeit ab und reden Falsches. Es muss ein Heiland kommen,
der uns von innen gewinnt, der uns zum Guten durch Gutes hinüberzieht.
Das ist das Geheimnis von Christi Geburt: Das Kind bringt Gottes Kraft: Die
Liebe. Nur die Liebe treibt die Furcht aus, nur die Liebe entwaffnet. Nur
Liebe entballt die Faust, macht die Faust wieder zur Hand. Nur Liebe kann
das Ungelöste im Herzen heilen. Das Kind strahlt uns an: es nimmt in
die Pflicht zu lieben, es spricht uns mit seinem Lachen die Kraft zu, dass
wir lieben können Und darum Freude in Fülle haben.