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Predigt 09. August 2004

Keitumer Predigten Traugott Giesen 09.08.2004

Hiob II

Aus Psalm 71: "Gott, deine Gerechtigkeit reicht bis zum Himmel, der du große Dinge tust, wer ist dir gleich? Du lässt mich erfahren viele und große Angst. Und machst mich wieder lebendig. Du führst in die Hölle und wieder hinauf (1. Samuel 2,6). Du holst mich aus den Tiefen, machst mich groß und tröstest mich wieder. Du hast mich von Jugend auf gelehrt und noch jetzt verkündige ich deine Wunder, auch im Alter verlass mich nicht. Ich will deine Kraft verkündigen allen, die noch kommen sollen."

Johannes 9, 1-3: "Und Jesus ging vorüber und sah einen Menschen, der blind geboren war. Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren ist? Jesus antwortete: Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm.- Er ist nicht blind wegen Strafe sondern zum Heilwerden."

Hiob -

Ein Name geht um die Welt für Qualen und Überstehen. Da ist die uralte knappe Erzählung vom aufrechten Hiob. Spätere diskutierten darüber und fügten 38 Kapitel hinzu. Ursprünglich ist nur die Diskussion im Himmel, die Engelischen halten Gott vor, er habe die Erdlinge zu lieb und die danken es nicht; ja, dass überhaupt keiner ihn liebe, sondern sie alle bestenfalls bei Gott lieb Kind machen, damit der Segen weiter rolle. Zur eigenen Verteidigung rückt Gottvater einen Gerechten in das Visier des himmlischen Staatsanwaltes - Leiden über Leiden befallen Hiob, aber er steht zum Herrn:

„Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht annehmen?“ Grandios sein Bekenntnis: Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen, gelobt sei der Name des Herrn“ (Hiob 2,10; 1,21). Und Gott ist erleichtert, erstattet Hiob, der vom Drama im Himmel nichts wusste, alles doppelt zurück. Wie im Märchen endet es: „Hiob lebte 140 Jahre, sah Kinder und Kindeskinder bis ins dritte und vierte Glied und starb lebenssatt“.

Die ursprüngliche Erzählung handelt von Gottes Sehnsucht, um seiner selbst geliebt zu werden. Und der fromme Hiob hat Gott geholfen die Wette zu gewinnen: Ja, es ist Gott doch fähig, den liebenden Menschen zu schaffen. In dieses Märchen, diese ewige Wahrheit, wurde spätere Diskussion eingefügt, anknüpfend an die Freunde in der alten Erzählung. Die gingen zu dem von Geschwüren bedeckten Hiob draußen vor dem Dorf, auf dem Kehrichthaufen, dahin war der unrein gewordene verbannt. „Sie erkannten ihn lange nicht. Dann erhoben sie ihre Stimme und weinten...und saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und redeten nichts mit ihm, denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.“(2, 12ff). Erhaben diese Art von Beileid, das Verstummen, die Stille, das Stillehalten als Trösten. Das Leid wird in seiner Untragbarkeit anerkannt.

Jahrhunderte später mussten Menschen das Schweigen brechen - vor allem konnten sie den stummen Hiob nicht aushalten: Hiob muß reden, sonst wäre er kein Mensch. Auch für unsere Generation, muß Hiob reden, streiten, kämpfen, klagen - er muß Gott fordern, ihn fragen: Warum? Warum muß der Gerechte, der Unschuldige soviel leiden? Garantierst du nicht Gerechtigkeit? Ab Kapitel drei ist das ein anderer Hiob, er ist aufgebracht, er verflucht den Tag seiner Geburt, schreit den Himmel an: „Warum ist das Licht gegeben den Mühseligen... die des Todes warten und er kommt nicht?“ Hiob klagt, die Freunde wollen trösten, die Klage wird zur Anklage, der Trost zur Ermahnung, die Freunde verkehren sich zu Feinden, die vertreten die traditionelle fromme Vorstellung, wo Leid ist, ist Schuld; wo Schuld ist, ist Strafe, das Leid ist Strafe, was hast du getan Hiob? Hiob pocht auf seiner Unschuld. Die Freunde mahnen: Wir sind doch von gestern und wissen nichts. Und du bist doch nicht der erste Leidende, was haben denn Abraham, Jakob, Mose gelitten und die Propheten? Und Eliphas rät: „Ich würde mich an Gott wenden und meine Sache vor ihn bringen“ (5,8) Wen Gott liebt, den züchtigt er auch: Gott verletzt und verbindet, er schlägt und seine Hand heilt“ (5,17).

Hiob ist ein moderner Mensch, „von Anfechtung umlagert, geschichtslos, gemeindelos, ganz auf sich geworfen, die reiche Glaubensüberlieferung spricht zu ihm nicht mehr“.  Hiob kämpft in eisiger Isolierung (G.v. Rad). „Ihr seid mir allzu leidige Tröster“, fegt er die Mühen der drei Theologen hinweg. Modern oder traditionsbewußt - es bleibt doch eine Ahnung, von Recht und Unrecht, und dass man ein Recht auf Gerechtigkeit habe, sonst wäre das Leben eine einzige Schikane – Wir wären allein in einem leeren Universum und nur die eigene Vorstellungskraft, die Kunst, soll uns behausen. Doch dafür sind unsere Seelen mit zuviel Sehnsucht aufgeladen. Wir müssen Zugehören zum einem Guten, Umfassenden, wie auch immer benamt. Auch wenn Gott nicht mehr sich am Abend ergeht im Garten und mit Adam und Eva spricht, dem Noah erscheint, mit dem Jakob ringt bis zum Morgen, mit dem Mose spricht wie mit einem Freund - brauchen wir Gott. Zum Glück erstrahlt von einigen Menschen ein Leuchten bis zu uns - da muß Ewiges drin Gestalt genommen haben, in Christus jedenfalls, wohl auch in Buddah, in Gandhi, in den Genies wie Michelangelo und Mozart hat sich Gott untergestellt. Und ist doch auch dir anonym begegnet in der Güte von bestimmten Menschen, Engel waren auch dir letzte Rettung. Gott ist, sonst wären wir nicht.

Ja, tief im Weltgeschehen verborgen ist er, regiert mittels der Naturgesetze und ihrer Stabilität, und mittels der Gebote und ihrer Dringlichkeit, die aber verschieden stark ausgeprägt ist. Und er regiert mittels der menschlichen Vernunft, die Gemeinschaft baut, die das Böse eindämmt und solidarisches Handeln organisiert, wenn Heiliger Geist bei uns ist. Wenn aber nicht, dann ist Mord und Todschlag nah. Es ist eine Schutzmacht gegen das Böse in der Welt, die Liebe, darum gibt es doch viel mehr Gutes als Böses, darum leben wir noch. Aber warum sind andere von uns weggeflogen so früh, warum so viel Leid und keine sichtbare Schuld. Kein Raucherbein, sondern Brustkrebs; kein Unfall unter Alkohol, sondern ein Augenblick nur unaufmerksam? Die Sehnsucht nach einer heilenden Macht ist höchstes menschliches Gut. Ja, Enttäuschungen kommen zustande, weil man Erwartungen hegt; Aber Gott hegt in uns Erwartungen, Scheitern ist nicht das Ziel der Wege Gottes mit uns.

Doch es bleibt Jammer, wenn ein Unschuldiger leiden muß. Wäre das eine Lösung: Den Guten geht’s gut, den Schlechten schlecht? Aber die Schlechten sind nicht gerne sie. Und die Guten wissen nichts von ihrem Gutsein- Gutsein ist Gnade, muß es noch besonders belohnt werden? Bös sein ist Strafe genug; Da kann man noch so viel Zeug haben, man muß noch mehr haben und wird getrieben, und alle sind hinter einem her, (wo das Aas ist, sammeln sich die Adler). Den Guten geht’s gut, den schlechten schlecht - das ist keine Lösung, sonst hätte sie der Schöpfer uns implantiert. Hiob ist ein guter Mensch, dem es nicht gut geht, Die Freunde bestehen darauf, dass Hiob gesündigt hat, sonst ging es ihm ja gut. Für sie ist Gott der große Belohner, Bestrafer. Für Hiob wandelt sich das Gottesbild, jedenfalls weg vom Garanten der Moral hin, ja wohin? Zum Liebenden, Verborgenen? Hiob leidet: „Die Pfeile des Allmächtigen stecken in mir. Ihr Gift muß mein Geist trinken, und die Schrecknisse Gottes sind auf mich gerichtet“

(6,4). Gott erscheint Hiob als Feind, als Dunkler, dem gegenüber der Mensch immer den Kürzeren zieht: „Hat Gott Lust, mit mir zu hadern, so kann ich ihm auf 1000 nicht eins antworten. Wen er hinreißt, wer will ihm wehren, wer will zu ihm sagen, was machst du?“ (9,12) Den Schritt zum Atheismus tut Hiob nicht. „Sag Gott ab und stirb“, das macht er nicht. Er kommt nicht von ihm los, ist geradezu fasziniert von Gottes Größe, die alle menschlichen Vorstellungen überschreitet. Dann schwankt Hiob wieder, jammert: „Was ist der Mensch, dass du dich um ihn kümmerst? Warum vergisst du mich nicht einfach?“ (7,17). Hiob ist auf die Nachtseite Gottes gestoßen (wie Büchners Woizzek oder Borcherts Unteroffizier Beckmann in „Draußen vor der Tür“). Aber dann wird er wieder in Höhen der Zuversicht getragen, kühn festigt sich in ihm die Überzeugung: „Schon jetzt lebt im Himmel mein Zeuge, zu Gott blickt weinend mein Auge auf, dass er recht schaffe dem Menschen gegen Gott. Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, zuletzt wird er aus dem Staube mich erheben" (19,25) Hiob ruft gegen Gott Gott selber an. Der heile ihrer beiden Zerrüttung.

Das ist die Rettung, die Jesus dann richtig entwickelt: Der, den er anruft: „Warum hast du mich verlassen?“ - dem sagt er zuletzt: „Ich befehle meinen Geist in deine Hände“. In diesem Jesus offenbart Gott, dass die Leiden der Welt an seinem eigenen Leib geschehen, der Verborgene, der scheinbar Alleinlassende ist der Heilende. Er trägt die Sünde der Welt, er lässt nicht Leid zu, sondern unterzieht sich ihm mit.

Gott garantiert nicht, dass guten Menschen nur Gutes widerfährt, dafür hängt alles mit allem zu sehr zusammen - seelische Heilung, Frieden zwischen Gott und Mensch ist nur möglich, wo das Fragwürdige, das Schmerzliche, das Dunkle sowohl in Gott als im klagenden Menschen angenommen wird. Der Mensch hat ein Recht, Gott zu klagen, und Gott, wenn er nicht abhilft, ist kein Quäler. Die Dinge sind komplizierter, Gott ist noch am Schaffen, das sollten wir ihm zugute halten. Hiob weiß eins, und das ist beglückend: Gegen Gott hilft Gott, zuletzt erhebt er uns aus dem Staub. und wenn es erst hinter dem Sterben wäre.

Hiobs Glück : Er wird gewürdigt einer Anrede von Gott, es klingt von oben herab, fast - und ist doch voll Verliebtheit in sein Werk. (K. 40): Das laßt uns genießen; „Lehre du mich, neckt Gott fast: wo warst du denn als ich die Erde gründete, als mich die Morgensterne miteinander lobten? Wer hat das Meer begrenzt, als es heraus brach wie aus dem Mutterschoß , als ich’s mit Wolken kleidete und in Dunkel einwickelte wie in Windeln. Hast du etwa dem Tag geboten zu erscheinen färbst du die Morgenröte bunt wie ein Kleid? Und wer ist des Regens Vater? Wer zeugt die Tropfen des Taus? Wer gibt die Weisheit in das Verborgene, träufelt die verständigen Gedanken? Wer bereitet dem Raben die Speise, wenn seine Jungen zu Gott rufen und irrefliegen, weil sie nichts zu essen haben? Wer hat dem Wildesel seine Freiheit gegeben, der den Lärm der Städte verlacht; fliegt der Adler auf deinen Befehl? Und kannst du den Leviathan - vielleicht ein „Moby Dick“ fangen, mit einer Angel, wer kann die Tore seines Rachens auftun? Sein Niesen spuckt Funken, aus seinem Rachen schlagen flammen, auf seinem Nacken wohnt die Stärke und vor ihm her tanzt die Angst. Er macht, dass die Tiefe brodelt er lässt hinter sich eine leuchtende Bahn, man denkt, die Flut sei Silberhaar." (K 40, 41).

Und wir an diesem Sonnentag - was zählen wir dazu, welche Scherflein des Staunens und der Freude legen wir ein? Schöpfen wir aus der schönen Schöpfung die Verheißung: Wer so liebevoll ist, der hat mehr mit uns vor als Leid und Tod. Ist der Schöpfer so phantasievoll, dann wird er auch wissen, uns heil zu machen. Ich höre daraus: Ja, klage, wenn du musst, aber vergiß nicht: Du richtest dich an den Gott, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, und schöner als das Universum. Ja, klage, wenn du musst auch für andere. Aber vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat und tun wird, der dich krönen wird, krönen wird (Psalm 103). Amen


 




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