Predigt 12. Dezember 2004
Keitumer Predigten Traugott Giesen 12.12.2004
Maria und Joseph - das neue Frauenbild, das neue Mannsbild
Wie soll das gehen, fragen nicht nur Konfirmanden wegwerfend, ahnungslos.
Dabei ist dieses Bild für innen eines der tragenden Geheimnisse der
Menschheit. Die Geschichte von der himmlischen Herkunft befeuert die Wissenden
mit einem Selbstbewusstsein, das nicht von schlechten, von schlichten Eltern
ist.
Geboren von der Jungfrau Maria ist erst mal ein Bild für die Abstammung
des Jesus vom Himmel. Er ist Gottes Sohn, mittels Maria und Josef auf die
Welt gekommen. Das geht auch auf normalem Wege und wüssten wir auch
nichts von seinen Eltern, könnte er doch der Offenbarer Gottes sein.
Aber gut, daß die Leuchtkraft des Jesus auch auf seine Eltern abgestrahlt
hat. Die Urgemeinde erzählt sich, daß diese selbst gute Jünger
des Jesus gewesen seien. Maria hat tatsächlich in der Jerusalemer Urgemeinde
eine wichtige Rolle gespielt.
Die älteste Mitteilung über Maria und Josef unterstreicht das Normale
des Jesus: Geboren vom Weibe und unter das Gesetz getan schreibt
Paulus im Römerbrief 4,4.- Dann Ach der, Josefs Sohn, wir kennen
doch seine Eltern, seine Geschwister, was soll aus Nazareth schon Gutes
kommen (Johannes 1,46)? Bald aber nutzt die Urgemeinde die Eltern Jesu,
um anhand ihrer sich das Neue von Jesu Botschaft klarzumachen. Wer
der Erste sein will unter euch, der sei Diener aller (Matthäus20,26)!
ist ja Jesu grundstürzendes Gebot. Wie daraus ein neues Rollenbild für
Mann und Frau entwickeln? Nicht mehr Adam als das Maß aller Dinge,
die Frau das andere Geschlecht; der Mann, die Männin - so im
Schöpfungsbericht, die Frau aus dem Mann geboren. Ab Christus gebiert
die Frau als Gottes Magd, nicht mehr des Mannes Eigentum, sie gebärt
nicht dem Mann, sondern Gott seine Kinder.
Der Evangelist Matthäus beschreibt an Josef den neuen Mann. Der wird
Diener des Neuen, Behüter, Schützer, Ernährer des Kindes und
seiner Mutter. Josef verliert das Recht der Väter von Urzeiten, das
Kind beim Namen zu nennen, ein Herrschaftsrecht sondergleichen. Gott führte
dem Adam die Tiere zu, daß er ihnen Namen gebe, denn wie er sie
benenne, so sollten sie heißen(1. Mose 2,29) (Namenegebung ist
Rollenzuweisung) Das Recht verliert Josef, der Name Jesus (Joschua - Gott
rettet) wird offenbart und zwar der Maria. Und Josef und damit dem Mann
überhaupt wird das Recht abgesprochen, die Maria, die Frau mit Kind,
sitzen zu lassen. Im neuen Denken, das Jesus in die Welt bringt, ist Vater
der, der das Kind annimmt. Es geht nicht mehr um Weitergabe von Familienbesitz
an Genen und Land und Tafelsilber, auch nicht um Verpflichtung der Jungen
auf Familienehre, nicht sollen mehr die Väter die Söhne in ihre
Kriege schicken und die Töchter um einen Brautpreis verkaufen können.
Josef entdeckt, daß seine Verlobte schwanger ist, will sie verstoßen
nach dem alten Schema, will dann nur um ein weniges weniger hart, sie heimlich
verlassen, aber die rationalen Taggedanken werden durchkreuzt durch
göttliche Weisung; ihm träumt: Das von ihr geboren wird,
das ist vom heiligen Geist empfangen. Es geht um ein neues Bild des
Mannes, der nicht mehr machohaft den Herrn im Hause gibt. So einer könnte
doch auch gar nicht als irdischer Vater des Gottessohnes ausgeguckt sein.-
Der muß auch schon weit voraus in der Geschichte geplant sein, auf
den muß doch die ganze Geschichte Gottes mit den Menschen zulaufen,
die schönsten Verheißungen und die stärksten von der Menschheit
schon gemachten Gotteserfahrungen müssten sich in Jesu irdischem Vater
bündeln. Und tatsächlich ist dem Josef ein Stammbaum vorgegeben,
von Abraham ab, dem Vater des Glaubens, über König David, und darum
aus der Wurzel Isai oder giechisch: Jesse. Das beweist: Josef und damit auch
Jesus ist tief verwurzelt in der Heilsgeschichte Gottes; das Zulaufen des
Stammbaums auf Josef geht selbstverständlich von der irdischen Vaterschaft
des Josef aus. Unverbunden daneben steht auch die Geistzeugung und das dritte
Anliegen des Evangelisten: Josef als Bild des neuen Mannes, den
freundschaftlichen Diener für das Neue.
Und die neue Frau? Die malt der Evangelist Lukas, die neue Eva. Nun war ja
schon in der Urgeschichte die Eva mit Gott ebenbürtig, Adam schuftete
auf dem Acker, Eva verhandelte: Warum, Gott, kannst du dir eine Kostbarkeit
vorbehalten und willst sie nicht mit deiner Tochter teilen? Eva legt sich
mit Hilfe der Schlange, also mit Hilfe des Denkens zurecht: Das Verbot ist
nur zum Schutz, aber ich bin doch erwachsen. Ich muß doch wissen was
gut und böse ist, selbst wenn es weh tut. So übertritt sie die
Gebote und der Mann macht mit. Dann hat aber der Mann doch seine Vormacht
durchgesetzt. Erst zehntausende Jahre später, erst durch Jesus wurde
eine Gleichwertigkeit von Frau und Mann denkbar, die immer noch erst im Werden
ist. Nebenbei: bis 1959 hatte der Vater das letzte Wort bei der Erziehung,
erst seit 1993 kann Mann und Frau ihren Geburtsnamen behalten, noch ist gleicher
Lohn für gleiche Arbeit nicht selbstverständlich,- nur drei Beispiele,
daß wir immer noch Lehrlinge des Jesus sind.
Die Ikone der starken Frau, der zumindest gleichwertigen Frau, vielleicht
die Ikone des neben Jesus wahren Menschen malte Lukas. Maria ist auch von
weither ausgeguckt, sie ist schon angesagt vom Propheten Jesaja: Eine
junge Frau - nicht Jungfrau - eine junge Frau wird den Retter Israels,
den Imanuel den "Gott mit uns" gebären (Jesaja 7,14). Zur Jungfrau wird
diese junge Frau in der griechischen Übersetzung : partenon,
was sowohl Jungfrau als auch junge Frau bedeutet.
Maria hört die Engelsbotschaft: Du sollst schwanger werden und
einen Sohn gebären, den sollst du Jesus nennen.(Lukas 1,31).
Ich weiß von keinem Mann - sagt sie abweisend, und dann
doch offen, für Wunder: Wie soll das geschehen? Sie hört:
Die Heilige Geistkraft wird dich überschatten- Dann sie:
Ich bin des Herren Magd, mir geschehe, wie du gesagt hast - ein
großes Einvernehmen mit der Schöpfung, sagen wir mit dem
Schöpfer - vielleicht das Urbild aller wissenden Frauen, daß sie
letztlich vom väterlich-mütterlichen Lebensgrund empfangen und
dessen Gefährtin sind, Gottes Mitschöpferin, was das Zutun des
Mannes nicht ausschließt, aber doch kleinhält. Er holt ja später
hoffentlich auf.
Die Urchristenheit nutzt das Symbol Jungfrau, um die Gottessohnschaft des
Jesus zu unterstreichen, alles menschliche Verdienst an der Existenz Christi
ist ausgeschlossen. Jesus ist nicht die Krone der Menschheit, sondern Gottes
Fühler und Zeiger bei den Menschen, Gott selbst ist
menschgeborn. Die Jungfräulichkeit Marias wird von
der römisch-katholischen Kirche für nötig gehalten, weil sie
meint, die Sündhaftigkeit des Menschen werde durch die Zeugung
weitervererbt: Ist aber Jesus ohne Sünde, was er für sich geradezu
ablehnte, muß Maria ohne männliche-weibliche Zeugung schwanger
sein, und am besten Maria auch so wunderbar gezeugt sein - die Parallelität
mit Jesus bis hin zur Himmelfahrt Mariens, ja, bis hin zur Himmelskönigin,
ja zur Mutter Gottes - ist reines theologisches Wunschdenken - lassen wir
das. Und das ganze Kapitel von der Unberührten, der Jungfrau, kann auch
was Tröstliches haben, aber sollte fairerweise der Auslegung durch Frauen
vorbehalten sein.
Doch Maria ist schon ein leuchtender Mensch, keine Frau hat so viele Ideale
auf sich gezogen. Voran das Bild der freien Frau, die nur Gott sich beugt,
sonst keinem, und wenn sie dient, gerade damit die Erste bleibt. Sie gibt
auch dem Jesus Bescheid und kriegt von ihm Bescheid. Maria wird unter dem
Kreuz dem Lieblingsjünger Johannes anvertraut und umgekehrt ein
Bild, daß die Kirche Sache von Mann und Frau ist. Maria beweint den
Leichnam Jesu ist so Inbild aller Mütter, die die Gräuel der allermeist
männlichen Gewalttaten und Kriege betrauern. Maria im Himmel als
Schutzmantel aller Flehenden für den Fall, daß Gott und Christus
nicht auch mütterlich gedacht sind. Nochmal Maria als Vorbild für
Kirche - dienend und eben nicht beherrschend.
Maria als das große Leitbild für den freien, den liebenden Menschen
tut jedem gut. Keine andere Figur hat mehr träumerische Gedanken und
Gedichte und mehr Portraits entbunden. Ich sehe dich in tausend Bildern,
Maria, lieblich ausgedrückt. Doch keins von allen kann dich schildern,
wie meine Seele dich erblickt - so Novalis. Maria ist neben Jesus das
Bild eines mit allen Wassern des Lebens gewaschenen, durch Vertrauen doch
heilen Menschen. Sie ist auch geehrt als Madonna der Spitzbuben,
auch Lehrerin der Lehrer , Patronin von Universitäten,
unsere Liebe Frau von der glücklichen Geburt und vom
guten Tod ist sie genannt. Sie ist Sehnsuchtsbild vieler
Zölibatärlebenden. Und Enblem für die christliche Kardinaltugend:
Liebe.
Auch ohne den dogmatischen Überschwang der römischen Kirche ist
Maria eine Traumfrau, ein Traummensch. Auch ohne zu ihr zu beten, kann man
ihr Bild am Hals tragen und wegen ihr sich mehr auf den Himmel freuen. Die
Maria sein dürfen im Krippenspiel oder ihr Josef - das war mal unser
Wunsch. Nicht nur einer der vielen Hirten oder Engel, sondern die Maria und
ihr Josef, der so schön sorgt. Mit dem Kind geben sie das Urbild einer
heilen Familie. Inzwischen sind wir durch die Fegefeuer gegangen und das
Bild ist nicht verloschen. Immer noch leuchtet es wieder... Und die
Hirten breiteten das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt ward.
Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen
Lukas 2. Dieses Geheimnis, das Ewige zu gebären, macht sie schön,
und auf alle Menschen fällt von ihrer Schöne. Auch in uns soll
zur Welt kommen etwas Gutes und Heilsames, das sollen wir wissen, am 3. Advent
und weiter drüberhin.