Traugott Giesen Kolumne 05.08.2000 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Gegen die Rechten hilft nur Befreundung
Ich bin entsetzt über die Gewalt von rechts. KZ-Gedenkstätten
schänden ist wie Konzentrationslager weiter betreiben. Menschen nichtweisser
Hautfarbe zu Tode trampeln, verlängert Hitlers Menschenhass. Wer Gewalt
verherrlicht, macht die Beschädigten nieder, natürlich aus Angst,
selbst mal unten zu sein.
Vielleicht wissen sie alle ihr Untendurchsein in der Gesellschaft und
wollen diese darum strafen. Sie wissen wohl ihre Schwäche im Kopf,
wollen darum kein Gespräch sondern Brüllen. Sie haben es schriftlich,
dass sie beruflich nicht vermittelbar sind. Weil die andern es im Kopf
haben oder Eltern mit Geld, müssen sie es in den Fäusten haben.
Sie haben keine Freunde, die sie um ihrer selbst willen mögen, also
gehen sie hin, wo sie Kader auffüllen.
Wenn man in die Gesichter der rechten Randalierer blickt, dann scheinen
sie erloschen, verbraucht, eisig. Befragungen stellen tatsächlich
eine innere Leere fest, als wäre ihnen alle Hoffnung ausgebrannt.
Ernst Fromm sagt: �Weil der Mensch nicht ohne Hoffnung leben kann, hasst
einer, dessen Hoffnung völlig zerstört wurde, das Leben.� Also
ist es öffentliche Aufgabe, Hoffnung neu zu begründen. Also mehr
Hilfe für überforderte Eltern, vor allem für ledige Mütter.
Mehr Schule, mehr Lehrer, mehr Hinterhergehen bei Schulschwänzern.
Mehr Ausbildungsplätze und mehr Betreutes Wohnen. Was wir den Ärmsten,
den Wehrlosen entziehen an Familienhilfe und schulischer Erziehung müssen
wir alle vielfach mehr bezahlen mit der Angst vor Rechts, mit inhumanem
Klima ringsum und teurem Strafvollzug. Und mit dem schlechten Ruf im Ausland.
Jeder Mensch mit nichtweisser Haut, der hier beleidigt wird, ist unser
aller Schuld. Denn die Rechten schlagen und treten im Namen Deutschlands,
ob wir andern das wollen oder nicht. Wie verhindern wir das?
Das geht nur von Mensch zu Mensch. Jeder einzelne Rechte braucht einen,
mit dem er das Leben noch mal neu lernen kann. Die ehemalige Lehrerin,
der alte Pastor, der Hausarzt, der Onkel, die Tante, der Nachbar, die Freundin
� jeder, der einen Menschen mit rechter Gesinnung kennt, hänge sich
an ihn, rede mit ihm, werde ihm ein Stück weit Freund, gebe ihm wieder
Anteil an etwas Lebendigem, was wächst und Zutrauen entwickelt. �Enttäuschter
Glaube und enttäuschte Liebe zum Leben machen den Menschen zum Zerstörer�,
so E. Fromm. Wenn du einen Rechten kennst, wag ein Stück Nähe,
lass ihn an dich ran. Hilf du ihm, dass er sich freut an eigenem Erfolg,
besorg ihm Chancen, wieder was für sich zu entwickeln. Dann kann er
�auf die Befriedigung durch Zerstörung verzichten� lernen. Und E.
F. noch mal: �Der Wille zu zerstören muss entstehen, wenn der Wille,
etwas zu schaffen, nicht befriedigt werden kann.�
Du, ich, wir können unsern Willen etwas zu schaffen, befriedigen.
Wieviel wir damit auch zerstören, bekommen wir noch mit Wucherzinsen
präsentiert. Vielleicht sind die Rechten nur unsere hässliche
Fratze. Nehmen wir einen zur Brust, stellen mit ihm was Sinnvolles an,
zeig dich, red mit einem noch mal neu.