Traugott Giesen Kolumne 09.02.2002
aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Warum kam Hildegard Knef mit Gottesdienst
zu Grabe?
Wenn uns ein Mensch stirbt, wollen wir ihn in
Gottes Namen begraben und mit Vaterunser von uns lassen. Wir wollen ihm einen
Dank nachrufen und Segen wünschen für die große Reise. Wer
anders hat Vollmacht dafür als die Priester aller Zeiten, die den
Übergang begleiten mit Gottes Wort und schützender Geste.
Was jedoch, wenn der Verstorbene der Kirche
nicht angehörte, die trauernde Gesellschaft aber der Kirche bedarf?
Wer sonst hat Worte des ewigen Lebens, hat Evangelium, gute Nachricht, dass
vor uns Zukunft ist. Alle sonstigen Prognosen verstummen doch am Rande des
Grabes. Nur die Musik reicht weiter und unsere Sehnsucht und das Wort Jesu:
"Ich lebe und Ihr sollt auch leben." Das kann kein Bürgermeister sagen,
doch auch er will, dass es gesagt ist über den lieben Mitmenschen. Selbst
der Marxist will auf dem Sterbebett nicht Marxens Kapital lesen.
Wenn wir Gott nicht nennen können als Born
für unsere Tränen, ihn nicht hätten als letzte Adresse für
unsere Klage - in welche Leere und Nichtheit müssten wir uns
ausschütten! Wem sollen wir danken für die Liebe, die Sonne, die
Freude? Wären das nicht alles "Großwortruinen" (B. Strauss) ohne
diesen letzten Grund, das Geheimherz der Zeit, Gott genannt.
Wir brauchen Kirche in den Krisen; und Tod des
geliebten Menschen ist Krise. Vielleicht meinen wir, uns genüge, verscharrt
zu werden. Aber den Geliebten, den muss man zu Grabe bringen dürfen
wie zu einer Himmelfahrt. Welch Jammer, wenn sich Menschen ein stummes "unter
den grünen Rasen verfügen". Dabei soll die Beerdigung doch ein
festlicher Auszug sein nach Anderland. Und ein Dank-Tag für alles geteilte
Glück und die Vergebung für Versäumtes. Ähnlich der Kirche
bedürftig sind wir bei der Hochzeit. Das Standesamt reicht zum Registrieren
der Namen. Aber wenn sich Zwei vermählen lassen zu einer Geschichte,
wenn zwei sich spannen lassen vor einen Lebenskarren, mit dem Horizont "bis
dass der Tod uns scheide", dann müssen beide wissen: Sie sind von Gott
einander anvertraut und zugemutet. Wie soll man es sonst wagen.
Ebenso: ein Kind bekommen - wer will es wagen
auf eine Kappe? Gut zu wissen: Gott liebt und braucht dich, darum lebst du,
und wir Eltern sind die ersten Mitarbeiter und Engel. Wo wird das klarer
verkündet als bei der Taufe: "Gut, dass du da bist, im Namen des Herrn."
Gesellschaft braucht Kirche. Berlin brauchte Kirche für den Abschied
ihrer Ehrenbürgerin. Zwei von drei Berlinern tragen Kirche nicht mit.
Dank denen, die Kirche lebendig halten. Die bewahrt nicht Asche auf, sondern
hält das Feuer der Zuversicht am Brennen, das jedem leuchtet, auch den
Achtlosen und den Verächtern.