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Traugott Giesen Kolumne 08.06.2002 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg

Von Kränkung lassen

Wir tun uns viel Kränkung an. Dass einem die Vorfahrt genommen wird, mal eben so, ist noch gelinde, weil der Rücksichtslose mich nicht persönlich meinte. Auch warum ich beim Arzt länger sitzen musste als andere, wäre wohl von der Sprechstundenhelferin leicht zu erklären gewesen, wenn ich mich bemerkbar gemacht hätte. Aber wenn ein Freund auf einmal den Argwöhnischen rauskehrt, formal wird, Bedenken vorträgt, statt erst mal das Anliegen mitzufühlen, geht es schon näher an die Person.

Herabgesetzt fühle ich mich, wenn einer mich zum Büttel macht. Oder wenn ich mich setzen will, und einer sagt, der Platz sei für jemand anderes vorgesehen. Oder wenn ich meinem Vorgesetzten nach längerer Zeit mal wieder über den Weg laufe, und er freut sich echt, mich zu sehen: „Man hat ja schlimme Dinge über dich gehört, ziemlich krank, und so.“ Er hätte doch längst angerufen haben müssen. Oder die Geschwister mahnen bei mir die mangelnde Grabpflege des elterlichen Grabes an, statt selbst Hand anzulegen. Oder es bellt einem das Leben lang im Ohr: Du hättest gar nicht geboren werden sollen.

Oder dem bissig-arroganten Talkmaster wirft man vor, er produziere geradezu Verachtung gegen seine Glaubensgeschwister. Als hätte nicht jeder Mensch das Recht, als er selbst und für sich selbst gesehen zu werden. Und als wäre es kein Unrecht, Menschen wegen ihrer Rasse, Religion, Herkunft in Haftung füreinander zu nehmen. Als hätten gerade Deutsche nicht Millionen Juden ermordet, aus angemaßtem Urteil, sie gehörten zu einer unerwünschten Sorte Mensch. Mit Kränkung setzt man herab, um sich emporzuheben. Die Lust besser, schöner, klüger, reicher, beliebter zu sein als andere, steckt in uns, sonst wären wir längst ausgestorben. Aber es geht um mehr als ums nackte: Du oder Ich. Wir brauchen, was die wissenden Vorfahren hatten, eine Brüderlichkeitsethik aus gemeinsamem Menschsein. Wir brauchen die Begabung mitzufühlen. Gerade nicht sind wir da, um uns voreinander zu hüten, in Acht zu nehmen, Abstand zu wahren. Wir können einander ergänzen, unterstützen, wir können einander fördern. Wir können auch um Verzeihung bitten; und das ist nicht „Einknicken“.

Mancher steckt voll Angst, ist oft enttäuscht worden – er zieht sich zurück und öffnet die Tür nur nach vorherigem Anruf. Ich aber will zugute halten anderen auch meine Ungeduld und Nachlässigkeit. Auch ich brauche viel Übersehen. Und auch ich bin nicht auf der Höhe der Wünsche anderer. Auch ich enttäusche und kränke. Jeder bewegt sich in den Grenzen der eigenen Erlebnisfähigkeit. Darum ist Bescheidbekommen und Bescheidgeben hinnehmbar und hilfreich. Sag dem, der dich kränkte deinen Schmerz. Aber mäßige deine Worte, gib keinen Anlass zum Bösen, rette aus Zwangslagen, verhöhne nicht. Wir haben unseren Verstand, damit wir aushelfen können.


 




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