Kolumne 4. Juni 2005
Traugott Giesen Kolumne 4. Juni 2005 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Was willst Du denn?
Wennste weißt, watt de willst, mutte mache, dat Du hinkommst
- sang das herrliche weibliche Comedy-Duo Mißfits. Also
wissen, was ich will, geht vor. Dann kann ich ans Verhandeln gehen, wenn
das, was ich vorhabe, einen Zweiten angeht. Warum ist es schwer zu klären,
was man will. Es ist wohl so, daß wir als erdnahe Wesen lieber liegen
als sitzen, lieber sitzen als stehen, lieber stehen als gehen, lieber gehen
als laufen (W. Churchill). Von Erde sind wir genommen- Davon
haben wir das Sesshafte. Sich bewegen macht Aufwand. Darum ist der Stand
der Dinge mächtig. Wir verharren, bis irgend ein Unbehagen die
Trägheit überwiegt und uns zum Handeln drängt.
Wegen dieser Schwerkraft ist Planen ein Kraftakt. In geordneten Bahnen lassen
wir gern den Dingen ihren Lauf; vertrauen, alles geht richtig. Doch wir sind
auch schon arg unter die Räder gekommen, misstrauen anderen Entscheidern,
wollen selbst unser Schicksal in die Hand nehmen. Und wir haben auch ein
Macherpotential mitbekommen. Wir müssen und können ja uns den
Lebensunterhalt besorgen, und mehr - meist durch Austausch mit anderen. Wir
müssen uns satt bekommen und mehr noch: wir müssen uns zufrieden
kriegen.
Zur Zufriedenheit gehört Frieden mit den Nächsten. Je näher
sie einem stehen, desto mehr muß man mit ihnen Übereinstimmung
finden. Am leichtesten ist es, den anderen ansagen zu lassen, und man selbst
folgt. Dieses Muster liegt so mancher Ehe zugrunde, wo einer den den
Kapitän an Bord gobt. Wenn der allwissend wäre und grundgütig
könnte man sich diese Arbeitsteilung ja gefallen lassen. Aber den
Philosophen als Staatsmann (Plato) gibt es nicht. Und auch in sonstigen
Verhältnissen müssen Willen auf einander einwirken, um das Beste
gemeinsam zu entwickeln. Der Wege sind viele und es ist ein Flickenteppich
von Zielen. Da muß das eigene Ich schon laut sagen was es will. Auch
ist es gegen den eigenen Vorteil des anderen, wenn man sich zuviel von ihm
gefallen lässt. Bekommt man, was man dringend will? Jesus preist den
bergeversetzenden Glauben. Der geht davon aus, ein Recht auf Glück zu
haben. Aber Glück ist nicht von Dauer, wenn es mit Unglück anderer
erkauft ist. Und: nur geteiltes Glück ist eins.
Doch wieder von vorn, was ist dein Glück, was musst du für dich
wollen? Welche Pferde du auch willst, du musst sie reiten können; mit
seinen Leidenschaften leben setzt voraus, daß man sie sich unterworfen
hat (Camus). Du musst für dich klar kriegen, was du willst. Also was
hilft dir und was hindert dich, Du zu sein. Du mußt denken. Im Notfall
bleibt uns nichts, als aus dem Bauch zu entscheiden. Aber jetzt hast du Zeit,
setz dich hin, zähl dir nicht an den Knöpfen deinen Willen ab,
sondern sammle deine Gedanken, lieb deinen Verstand. Und wenn du weißt,
was du willst, berate dich mit dem, den du zum Verwirklichen brauchst und
hör ihm gut zu.