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Traugott Giesen Kolumne vom 14.06.1997 aus Hamburger Morgenpost

Sehnsucht, mal wegzukommen

Warum spötteln wir über Touristen? An Urlaubsorten sieht man schon mal die Aufkleber: "Ich bin kein Touri, ich lebe hier" und auf Parkbänke gesprayt: "Locals only" - nur für Einheimische. Dabei lebt man dort von den Gästen. Und fährt sicher nach der Saison auch mal weg, wo man dann auch Hergelaufener ist.

Zwiespältig ist dies Verhalten: Da hat man was gegen Touristen, ist aber manchmal doch selber einer. Da schaut man verächtlich, wenn die Urlauber aus dem Bahnhof in die Stadt einziehen im großen Pulk. Und vergißt, daß man eben - oder schon länger her, den Jumbo mit bis auf den letzten Platz gefüllt hat.

Natürlich ist es für den Venezianer kein Ohrenschmaus mehr, wenn die Gondolieri (oder ihre Recorder) die Lieder schmettern. Das Einmalige, wenn es alltäglich wird, wird zur Plage. Um so mehr Dank an alle, die Urlaubern das Leben verschönen. Inzwischen soll schon jeder Zehnte sein Geld verdienen im Dienst am Reisenden, am Gast, und die Tendenz ist steigend.

Was treibt uns nur los, auch in Scharen? Es ist die schöne Reiselust vor allem eine Lust der Augen, aber auch aller andern Sinne, die auf neue Anregungen aus sind.

Auch beweisen wir uns, daß wir keine "Couch-Potatoes" sind, keine trägen Klötze, nicht seßhaft wie Bäume. Auch wollen wir selbst an die Tatorte, von denen uns die Freuden des Lebens serviert werden. Vielleicht erwacht ja die Liebe tatsächlich wieder, wenn man in Paris träumt; vielleicht wird man wieder fromm vor indischen Tempeln oder den lichtdurchfluteten Kirchen Roms; vielleicht geht einem das Herz auf angesichts der leuchtenden, lachenden Kinder Afrikas; oder der Tierfreund in uns wird beglückt angesichts der Serengeti. Auch die Weisheit der Geschichte weht uns an am Fuß der Pyramiden oder der Höhlenzeichnungen von Altamira.

Aber auch nahebei ist Wunderland - einfach mein Normales, meine Pflichten, meine Wände verlassen und mich irgendwo eine Zeitlang neu einrichten. Gewohntes sein lassen und Neues anfangen, wegreisen und ankommen im Andersartigen - und staunen, wie ich auch ins Fremde einziehen kann und es mir anverwandle, das verjüngt. Ich baue mir dann eine Urlaubswelt, eine Fest- und Feierzeit räume ich mir ein. Meine Phantasie ordnet die alte Stadt oder die Bergwelt mir zu, - ich spiele König beim Besichtigen der Schlösser, auf Zeit den Förster vom Silberwald.

Auch probier ich mich mit neuen Menschen aus. Zu Hause meint ja jeder mich zu kennen, weiß, was von mir zu erwarten ist, und was vor allem nicht. Auf Reisen nimmt man mich, wie ich gerade erscheine. Ich kann auch sein, wie mir gerade der Sinn danach steht. Auch kann ich andere Menschen kennenlernen, ihren Lebensmut und ihre Mühen. Ich sehe, wie so vieles auch ganz anders geht als gewohnt. Und vieles ist erstaunlich gleich, weil wir alle Menschengeschwister sind. Es ist eine Lebenskunst, das Reisen.


 




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