L e b e n s m u t
 
Herzlich willkommen auf der Homepage von Traugott Giesen, ehem. Pastor in Keitum auf Sylt!

Aktuelles

Predigten
Kolumnen
Bibelenergie
Tägliche Losung
Gastpredigten
 

Archiv

Nachhören
Archiv Predigten
Archiv Kolumnen
Themenverzeichnis
Weitere Texte
Bibelstellen
Aufgelesenes
 

Informationen

Bücher
Links
 

Kontakt
Emailkontakt
Webmaster
Gästebuch
Impressum

Besucher seit
12.03.2001
0961279

Traugott Giesen Kolumne 07.03.1998 aus Hamburger Morgenpost

Jedenfalls aufstehen und anziehen

�Ich bin depressiv� � das hört man jetzt öfter, es scheint die akzeptierte Beschreibung des Nicht-gut-drauf-seins zu sein. Nicht das schwere Krankheitsbild ist gemeint sondern die zeitweilige Unlust rundum; als wäre mir alles schief gelaufen und nichts mehr würde mir noch was bedeuten. Als wären mir die Knochen aus dem Leib gesogen, und das Gesicht wagt man überhaupt nicht anzuschauen, einfach alles erscheint öde.

Dann ist kein Antrieb da, zu nichts hat man Lust, man könnte langsam zuwachsen, alles bleibt liegen � alles scheint egal; ein Koller von Selbsthaß kommt über einen, und Gott kommt einem vor als eine Qualle, die das Zimmer, dann das ganze Haus füllt. Du siehst keinen Grund zum Weitermachen, du hältst die Welt auch ohne dich für vollständig. Du bist dann einfach nur da, weil alles andere zuviel Umstände machen würde.

Auch bist du immer dran zu suchen, was dich abstoßen könnte; wenn dir einer in den Sinn kommt, winkst du ab; das ist in deinen dunklen Tagen überhaupt deine mächtigste Gebärde: diese wegwerfende Vergiß-es-Bewegung. Bleibst du auch liegen, als hielte dich Bleischlamm? Nur nicht aufstehen � sagst du dir das ? � sonst bricht über dich der Tag hinein mit seinen Forderungen. Hast du diese Phantasie: im Bett, da ist noch Kinderland, noch Schonraum, auf den im Bett da schlägt man nicht ein, machst du dich unsichtbar? C. Pavese schrieb mal: �Heute schlechter, verlorener Tag. Erduldete, unlustige, zwecklose Begegnungen. Belastende, schimpfliche, dumme Situation. Nichts erfunden, nichts getan.�

Ach Mitmensch und Freund. Das kann doch nicht alles gewesen sein. Es ist dir noch einiges möglich, du hast noch nicht an genügend vielen Türen geklopft. Auf jeden Fall steh auf, wasch dich, zieh dich an, dann öffne das Fenster, besser: tritt auf die Straße. Dann, wenn du die Luft gerochen hast, Geräusche dich stutzen ließen, du einmal nach irgendwas den Kopf neugierig gedreht hast, dann kannst du ja wieder ins Bett gehen. Bitte, prüf das: Nicht liegen bleiben sondern aufstehen, waschen, anziehen. Dann kann dir die Phantasie von Kaffeeduft die nötigen Griffe eingeben. Dieser Ruck aus der Horizontale in den Stand wird dir Wahlmöglichkeiten bescheren. Angezogen kannst du viele Wege einschlagen; wenn du liegenbleibst, hast du keine Wahl. Und die Wahl zu haben, ist Anfang von Glück.

Bitte räume dir noch Chancen ein, du bist nicht verstoßen. Du hast noch Leuchtendes vor dir. Wenn du gerade traurig bist, denke dir: Unter deiner Schwermut liegt Freude. Die ist deinem Überdruß überlegen. Allein schon dein Gesicht in die Sonne halten � wenn sie man da ist � ist eine Bekehrung.


 




Service

Startseite
Druckvorschau

Presse-Feed EKD

© 1996-2024 Evangelische Kirche in Deutschland
Weitere News...  

 
Online 7