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Traugott Giesen Kolumne 06.06.1998 aus Hamburger Morgenpost

Mit jedem stirbt eine Welt

Dies Entsetzen, diese Erstarrung, es muß ein Hörfehler sein, es darf nicht wahr sein; das Undenkbare trifft dich, du stehst allein. Eben geschah dies Verlöschen viele Male in einem Nu � ein schneller Zug zerbarst. Und Menschen starben ohne Bremsspur, ohne Abschied, ohne irgend etwas zu Ende bringen zu können, ohne Winken, ohne daß sie sich langsam vom Hiersein hätten entfernen dürfen, ohne Krankheit, die einverstanden hätte machen können mit einem erlösenden Ende. Fortgesprengt aus diesem Leben wurden sie. �

Wie das für sie ist, und wie sie für sich sind, und ob sie überhaupt noch ein Sein haben, steht dahin. Ja, wir müssen sie geborgen wissen, in eine andere Welt versetzt, heimgeholt, gekrönt � die Religionen haben schöne schwere Bilder dafür, auch für uns wenig Fromme. � Die uns starben sind auch entronnen, freigesprochen, entlastet, aller Sorgen ledig, wir müssen sie im Glück wissen. Aber wie leben die Zurückbleibenden weiter? Verarmt, beschädigt, verlassen, die plötzlich Verwitwete mit noch kleinen Kindern, im Haus, das der Bank gehört. Wie kann der Großvater weiter, dessen Frau eben bei den Kindern zum Enkelgeburtstag war, die nie wiederkommt zu dem, der noch kaum je alleine war. Und die verwaisten Eltern, die ihr Kind auf frohe Fahrt schickten, die nur einen Sarg überstellt bekommen mit dem entseelten und verstümmelten Körper � und sein Zimmer ist voller Sachen, die doch gleich von ihm wieder in Gebrauch genommen werden wollen. Und der Chef, der einen feinen Auftrag für die Firma an Land gezogen hat, aber wie gestaltet sich jetzt das Unternehmen, wollen Erben Kasse machen? Ja, auf Einzelne wird unverhofft Besitz übertragen, aber viele stehen unversorgt da, taumeln in Verlassenheit, sind nur klaffende Wunde. Da werden Pläne nie mehr wahr, Liebe bleibt ohne Gestalt; da ruft man sich ins Gedächtnis das letzte Wort � wie oft hat man gehört, daß zwei im Streit auseinander rannten, und dann kam einer um, und der Zurückbleibende hat zu allem Schmerz noch die Bitterkeit des grollenden letzten Wortes im Ohr � hatte man sich nicht vorgenommen, immer versöhnt nur aus der Tür zu lassen, und jetzt, welches blieb das letzte Wort?

Schweigen senkt sich über die in Trauer. Schnell spricht sich Unglück rum, die Worte fehlen. Ein Segen, wenn Betroffene seelsorgende Nächste haben, Freunde, die sich hertrauen � die Halt geben, die Tränen aushalten, und die sich hinhalten der Verzweiflung, der Wut, den Warum-Schreien. Oder die ein Essen kochen � irgendwann muß man ja wieder essen. Man kann sich ja nicht daneben legen, wenn man�s auch wollte. Eine Welt stürzt ein, zitternde Leere breitet sich aus. Aber an den Rändern des Schweigens flöten Vögel, Dunkel wird aufgebrochen von gelben Blumen, Kinder erzwingen Kümmern, der Hund formt sich die streichelnde Hand, das Grauen hat einen Schimmer Perlmutt, Trauer ist nicht nur schwarz sondern violett. Eine neue Welt dämmert irgendwann.


 




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