Bibelenergie
Die wichtigsten Bibeltexte - von damals, aber so gar
nicht von gestern - dazu geistvolle Gedanken zum Starkbleiben, dargeboten als
Bibelrolle zum Scrollen
Zuvor
Die Bibel kann niemand auslesen; sie gleicht einer
Quelle, die immer frisches Wasser gibt. Sie beschreibt die Anfänge der
Menschheitssehnsucht vom großen Gott und seiner Liebesgeschichte, die immer
noch im Gange ist. Die Bibel ist zu Recht das “Buch der Bücher“ genannt, es ist
das notwendige Buch überhaupt.
Doch es gibt in ihm vermauerte Türen - abgelaufene
Geschichts- und Gesetzestexte etwa. Und es gibt einladende Zugänge: Erleuchtete
Gebete oder hinreißende Erzählungen.
Die Bibel ist ja erst spät zu einem Buch
zusammengewachsen. Eigentlich ist sie eine
vierzehnhundert Jahre umfassende Bibliothek aus (mehr oder weniger) 66 Büchern und einem
Anhang von 15 Schriften. Ein Wegkundiger ist da hilfreich, um die dringendsten
Texte und schönsten Bibelstellen zu finden.
Aus dem „Kontinent Heilige Schrift“ ist Bibelenergie
für den Tag zu schürfen:
Ein Stück Text, dazu ein paar Ideen von TG, erwachsen aus 39 Jahren Pastordasein und
einem langen Leben; Viel Angelesenes und Erfahrenes ist beigemischt.
Es ist doch so: Gott schafft noch und schreibt seine
Bibel weiter mit uns; Schreiben wir sie mit. Der Luthertext (revidierte Fassung
1984) der Deutschen Bibelgesellschaft in
Auswahl und sehr gerafft und persönlich bearbeitet, liegt dieser Rolle, dieser
Mappe zu Grunde. Die Reihenfolge der
Evangelientexte lehnt sich an „Die Synopse der vier Evangelien“ an,
ebenfalls aus dem Verlag Deutsche Bibelgesellschaft.
B. Brecht lässt einen Weisen sagen: „Ich lehre es,
weil es alt ist, d.h. weil es vergessen werden und als nur für vergangene
Zeiten gültig betrachtet werden kann. Gibt es nicht ungeheuer viele, für die es
ganz neu ist?“
Die meisten Zeitgenossen
wissen nicht mehr, wer Kain und Abel waren und
sie feiern an Weihnachten
christliche Folklore, aber finden die Geburtsgeschichte nicht, auch wenn
man ihnen die Bibel gäbe. Dabei ist die
Bibel doch voll Bilder, die uns Zusammenhalt
einprägen, Bilder als Baken, die uns die uns den Weg weisen.
Ja, „bei der Lektüre der Bibel wieder in eine Art
Goldgräberstimmung verfallen“ (Kardinal Lehmann), das wäre was. Jeder nehme vom großer Schatz, ob als
Offenbarung gelesen oder „nur“ als
Weltliteratur. Diese Auswahl hier hat
ihren Sinn erfüllt, wenn man selbst zur „richtigen“ Bibel greift.
Die Texte des Alten Testamentes erscheinen fortlaufend.
Die Texte des Neuen Testamentes sind gruppiert um
A
Jesus Christus-
1 Jesu Geburt, 2 Jesu Worte und Taten, 3
Jesu Passion- Kreuzigung- Auferstehung.
B
Apostelgeschichte, Briefe, Offenbarung
Die Schöpfung
Am Anfang schuf
Gott Himmel und Erde.
1.Mose 1,1
Vorher war nur Er.
Von Gott her ist alles geworden. Alles erwächst aus ihm, dem Ursprung; alles
ist Erweiterung, Entwicklung, Erfüllung und Vollendung des Angefangenen. So sind wir auch nicht „Früchte des Zorns“,
nicht Treibgut auf dem Fluss Nirgends. Sondern wir sind von Gott Gewollte, erschaffen durch seinen
Willen. Das hebräische Wort, das da für „schaffen“ steht, ist Gott vorbehalten,
und meint „aus dem Nichts ins Sein gerufen“.
Gott schuf,
schafft, schuf, weil er Gegenüber will, Abdruck und Erfindung und Ausgeburt seiner
Selbst.
Tohuwabohu
Und die Erde war
wüst und leer.
1.Mose 1,2
Schuf Gott auch das Wüste, die Leere? Alles Sein ist
Seins. Auch was wenig Wesen hat, schreit nach mehr, will Fülle werden; Wüste
will blühen, Leere will gefüllt sein. Das kommt davon, daß nichts ohne
Erwartung, nichts ohne Gott ist.
Im hebräischen Urtext steht: „tohuwabohu“: wüst und
leer. Ich nehme es als Versprechen,
alles Verquere ist auf Heilwerden ausgestreckt. Es ist eine Heilkraft in der
Welt. Ich will ihr nicht entgegen sein, will einigermaßen in Schrittrichtung
mit ihr im Gang sein. Ich glaube, dass auch mein Chaos heil wird.
Und es war
finster auf der Tiefe
und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.
Das Schweben des Geistes kann man eigentlich nur
musikalisch ausdrücken.- Am Anfang ist geballte Energie, die schon schwanger
geht mit Licht und Wandel.
Immer wieder,
immer noch ist es uns finster. Und wir werden wieder in Dunkles tauchen.
Eingesogen werden wir von Muttermundhaftem- dann ist Ruhe; alles Grelle,
Schreiende, Fordernde wird abgetan sein. Und die Schöpfung geht weiter mit uns.
Und Gott sprach:
1.Mose 1,3
Das ist die Erlösung. Wenn wir verkracht sind und
einer bricht das Schweigen, ist das befreiend. Um Welten größer das Glück, dass
Gott sich endlich äußert, sich kenntlich macht als sprechender Gott. Er hätte
anonym und unpersönlich bleiben können,
nur gewaltig eben, Naturkraft pur, Schöpfer eines Universums ohne Menschen,
ohne Gegenüber und ohne
Zwiesprache. Aber endlich- nachdem Gott
schon einige Milliarden Jahre Entwicklung hat laufen lassen, spricht er. Und fängt
an, sich zu offenbaren. Er ist dabei, ein Sein zu schaffen, das vernehmbar ist;
Klang ist; ja, das Antwort ist. Alles Sein ist Sein-Nehmen., sein Wesen ist Gewolltsein. Er aber ist Sein
gebend. Er gebietet dem Sein zu sein.
„Es werde Licht!“
Und es ward Licht.
1.Mose 1,3b
Gottes erstes
Wort ruft eine Schöpfung herauf, die
Erleuchtung bringt. Die Idee „Licht“ ist
das erste aller Werke. Erst die Idee, später dann das physikalische Material.
Die Lichtkörper sind einer späteren Entwicklungsstufe vorbehalten; sie treten erst
nach und nach in Erscheinung. Sicher schwingt in der Hochschätzung des Lichtes
als erste Schöpfung die Dankbarkeit für die Sonne mit. Ihr Auggehen lässt die
Nacht weichen und richtet uns Menschen zum Tagwerk auf.
Aber vor dem Inswerksetzen muss
Gott auf die Idee kommen.
Hier werden die
Weichen gestellt: Erst der Geist, dann die Materie. Erst auch die Idee zu diesem und jenem bestimmten
Menschen, dann das Mischen der
Chromosomen. So geht dem Leuchtstoff voraus die Idee und der Wille: Licht soll
werden.
Von diesem Willen
lebt das Universum. Wir werden nicht verglühen sondern werden in einem „Licht von
unerschöpftem Lichte“ stehen.
Der erste Tag
Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott
das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht.
Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.
1.Mose 1,4.5
Auf das Qualitätssiegel Gottes kommt es wohl an. Dass
er Vorhandenes gut findet, gibt Dauer und rechte Zuordnung. Finsternis und
Helle tun uns gut, sie stehen uns bei, sie geben uns den Rhythmus des
Gedeihens.
Die Nacht soll für den Schlaf sein- eine der
menschenfreundlichsten Erfindungen ist doch dies kleine alltägliche Sterben,
dann die Auferweckung zum neuen Tag. Ich
darf wieder ich sein, hier sein auf eigenen Beinen und mit tätigen Händen. Jeder
Tag - eine neue Berufung; auch das ist gut.
Das Himmelsgewölbe, die Erde, das Grün
Und Gott schuf im
zweiten Schritt das Himmelsgewölbe, darunter das Wasser für die Erde. Im dritten
Schritt trennte er auf der Erde das Meer und das Land. Und sprach die Erde an,
sie solle Gras und Kraut, das Samen bringe, aufgehen lassen und
fruchttragende Bäume Und Gott sah, dass es gut war.
1.Mose 1,6-13
Die Früheren dachten, es gäbe einen Himmels-Ozean, der
von der irdischen Atmosphäre wie durch eine gläserne Glocke getrennt sei.
Trennen war und ist überhaupt ein besonders wichtiger Akt: Dem Meer ist eine Grenze gesetzt. Das schafft der
Erde Raum für Anwachs. Herrlich, wie die Erde mit schöpferischer Kraft
ausgestattet ist: Gott macht, dass sich die Dinge selber machen (Martin
Luther). Jeder neue Baum und jede neue Sorte
ist aus Gottes Schatz und Willen ohne dass es eine gezielte Entscheidung Gottes braucht. Sein
Ansehen, sein Gutfinden lässt die Schöpfung gelingen.
Die Lichter
Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des
Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und bilden Zeiten, Tage, Monate und
Jahre- das war am vierten Schöpfungstag. Und Gott sah, dass es gut war.
Gelehrte des Gottesglaubens brachten
vor wohl 2500 Jahren das Schöpfungswerk
in diese Worte und diese Abfolge. Ihnen war es dramatisch wichtig, die
Gestirn-Götter der Nachbarvölker, Sonne und Mond, klein zu machen. Sie
erniedrigten Sonne und Mond zu
„Lampen“. Leuchtkörper haben zu dienen,
haben keinen eigenen Willen und sind keine Verehrung wert.
So sollen wir auch nicht der Sonne danken sondern für
die Sonne. Und die Sterne sind Leuchten aber keine Schicksalsmächte.
Und Gott sprach am fünften Welttag: Es wimmle das
Wasser von lebendigem Getier, und Vögel sollen fliegen auf Erden unter der
Feste des Himmels. Und im sechsten Abschnitt sprach Gott: Die Erde bringe
hervor lebendiges Getier, ein jedes nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere des
Feldes. Und Gott sah, dass es gut war; und er segnete sie und sprach: Seid
fruchtbar und mehret euch und erfüllet das Wasser, die Luft, die Erde.
1.Mose 1,20-25
Es muss uns begeistern, dass schon vor
zweieinhalbtausend Jahren die Frommen das Schöpfungswerk als ein „work in
progress“, als in Arbeit, ansahen, in Entwicklung (eben wollen Forscher
entdeckt haben, daß die Phönix-Galaxie täglich zwei neue Sonnen ausspuckt). Eins fußt auf dem anderen, geht aus dem
andern hervor: Das Wasser als Wiege; nach den Fischen, aus den Fischen die
Vögel, dann die Landtiere. „Die Erde bringe hervor!“- heißt auch: Die Erde
nutze das Vorhandene für neue Arten.
Nicht „Schöpfung oder Entwicklung“, sondern Schöpfung
als Entwicklung, mittels Entwicklung; nicht die Entwicklung ist das Schöpferische,
„die Entwicklung ist kein denkendes Wesen“ (I. Kant) wie auch das Kochen nicht
das Essen macht. Was setzt das Werden in Gang, hält es in Gang? Wer setzt die
Naturgesetze? Der Koch der Schöpfung entwickelt das Werden in Schritten und
Gängen. Und zielt auf das Ihm Ähnliche.
Zum Bilde Gottes
Und Gott sprach:
Lasst uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über
die Tiere. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf
er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.
Das alte Israel dachte sich Gott als die Summe vieler
Gottheiten und als Person. Damit war ein gewaltiger Schritt in der Entwicklung
des menschlichen Denkens getan- die uralten Gottheiten des Krieges und der
Liebe, des Regens und der Ernte, der Künste
und des Todes, des Meeres und der verschiedenen Stämme waren zusammengefasst.
In dem Einen klingen die vielen noch nach-„lasset uns Menschen machen“ –spricht
Gott, der Viele, ja, der Alles ist.
Die dunklen Kräfte wurden früher einem Teufel, einem
Gegengott zugeschrieben. Aber Israels Glaube ist auch darum groß, weil er an
einen Großen, an Einen, den Einen, den Ganzen glaubt. Der umfasst auch das
Schattenhafte, Dunkle, Böse.
Gott ist mehr als nur der Gute, er ist der Ganze. Der
schafft sich ein Wesen, das er mit der Sehnsucht ausstattet, vollständig zu
werden und Vollkommenes zu bauen, und einmal im Ganzen aufzugehen. Alle Lust
strebt darum über das hier notgedrungen Bruchstückhafte hinaus und will Ewigkeit (Friedrich Nietzsche). Der Menschensinn strebt in Kunst und Wissenschaft
und noch im Schrebergärtlein Abbild von Ganzheit an.
Das Wesen Mensch ist nicht wie das Tier eins und einig
mit der Natur. Der Mensch sucht sein Gegenüber, mit dem er ein Ganzes bilden
kann. Die Ellipse mit den zwei Brennpunkten, die mal weit auseinander treiben,
mal zusammenfallen in einem Punkt und eine Kugel bilden, sind das Traum- Bild
für das Menschenpaar.
Doch der Mensch ist so plastisch veranlagt, daß er nicht
auf eine einzige Ergänzung festgeschweißt
ist. Er kann sich weitläufig befreunden und kann einen Reigen mit den
Menschengeschwistern bilden. Weil Gott in keiner Weise monoman ist, hat er uns
so spannend in uns selbst gemacht. Gott ist nicht autark, nicht glücklich in
sich selbst. Darum will er Wesen, mit denen er sprechen und schaffen kann;
Wesen, denen Selbsterkenntnis möglich ist, weil sie ein Gegenüber haben, in dem dieses Selbst sich
erkennen kann.
Segen für Tier und Mensch
Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid
fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und macht sie euch untertan.
Tiere und Menschen bekommen den Segen, der beauftragt
und Geleit zusagt. Allem Menschenrecht und Tierschutz geht als Begründung voraus: Mensch und Tier
unterstehen Gottes Segen und dem Befehl, sich zu mehren.
Dass der Zeugungsauftrag des Menschen höchste Pflicht sei,
ist nicht gesagt. Die jetzige Überfülle der Erde bewirkt Leid aus Mangel und
Krankheit und Enge, was nicht von Gott gewollt ist. Nicht Zeugen und Gebären ist höchstes Gebot
sondern mütterlich, väterlich alle Kinder an den Gütern des Lebens zu
beteiligen.
Dem auf Gott hörenden Menschen ist geboten, die Natur sich untertan zu machen. Dieser Auftrag
hat zu Wissenschaft und Technik angeleitet mit all den Wohltaten und
Schattenseiten der Moderne Der Mensch
hat sich Mittel zur Umwälzung der Natur zugelegt. Verliert er sich als
Mitarbeiter Gottes aus den Augen und
weiß nicht mehr die höchste
Instanz, der er verantwortlich ist, dann wird der Mensch sich und der Natur und
der Mutter allen Seins zum Feind. Weil der Mensch geneigt ist, selbstherrlich die Natur auszubeuten, muss der Segen Gottes
uns immer wieder neu anleiten zu geistvollem Handinhand mit der Natur.
Von der Natur könnten wir Modernen die Strategie
lernen, „zu wachsen und dabei immer komplexer und reicher zu werden, ohne
pleite zu gehen“ (Michael Succow). Aber
blind gegen unsere Natureinbettung und ertaubt gegen Gottes Auftrag zur pfleglichen
Mitgestaltung lebt der Mensch sein
„Untertanmachen“ als „Prinzip Ausnutzen“
bis zur Zerstörung. Ob Gott diesen möglichen Niedergang mit bedacht hat, als er
den Menschen so hoch begabte? Gott hat in der Entwicklung der Arten nicht Halt
gemacht beim Menschenaffen sondern er
schritt weiter zum Affenmenschen und
darüber hinaus zum Homo sapiens. Diese Schöpfung ist noch im Gang und zielt auf
eine heile Welt mit uns und gegen uns aber immer für uns katastrophenhafte,
wunderbare Menschen. Auch in einer Pfütze kann sich der Himmel spiegeln. Wir
sind noch zu retten mit Heiligem Geist.
Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und es
war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.
Uns beginnt der Tag am Morgen und geht abends zur
Neige. Wir gehen vom Hellen ins Dunkle. Für Israel hebt der neue Tag am Abend
an. Israel geht vom Dunkel ins Helle. Das ist ein starkes Bild für die
Werdewelt, die erst noch licht wird.
Dass Gott alles Gemachte für sehr gut hält, meint
nicht, dass die Welt schon perfekt sei. Sondern sie ist sehr gut für Weiteres;
ihr Rahmen, ihre „Naturkonstanten“ sind sehr gut.
Der alte Bibel-Text hat noch das Weltbild seiner Zeit:
Was gut wird, ist am Anfang gut gewesen, darum hat es eine Chance. Der Baum
muss aus guten Samen stammen. Das Goldene Zeitalter ist der Ursprung, dann
kommt der Abfall, dann das Gericht und neuer Anfang auf höherer Ebene. Wir denken heute anders: Sicher muss der
Anfang gut sein, aber wir sind auf dem Weg, wir sind in einer guten Geschichte,
die auf den Frieden Gottes mit aller Kreatur zugeht. Wir dürfen sagen: Gott
segnet die Anfänge und den Weg und treibt das Werden zum Ziel.
Gott wird feiern
Und am siebenten
Tage ruhte er von allen seinen Werken. Und segnete diesen Tag besonders.
1.Mose 2,1-3
Die sieben Tage
meinen nicht 168 Stunden sondern Weltzeiten, Epochen. Die Woche gehört zu den
ganz wenigen Zeitabschnitten, die im Bewusstsein der Menschen schon früh verankert waren. Die sieben
Schöpfungstagen meinen sieben Phasen.
Es ist hier auch das Wissen von damals mitgeteilt,
aber es ist dargeboten als Lobgesang, als große Liturgie der Anbetung. Es geht
den Verfassern um den unbedingten Willen, den es zu preisen gilt. Goethe sagt
es spielerisch: „In wenigen Stunden hat Gott das Rechte gefunden“.
Natürlich ist diese Poesie dem naturwissenschaftlichen
Denken zu ungenau. Es lässt nur Objektives –also in Wiederholung Zählbares,
Messbares- gelten. Dieses Weltbild ist
nicht falsch aber eng, es kann auch von der Liebe nur ihre chemischen und
physikalischen Ausläufer erfassen.
Das Wiegbare, Messbare ist nur eine von
mehreren Sprachen Gottes, wie auch Sternkunde
und Mathematik neben der Bibel
den Willen Gottes ausdrücken.
Der siebte Tag wird keinen Abend haben. Es ist die
Feierzeit Gottes mit aller Kreatur, „da Fried und Freude lacht“. Noch sind wir
auf dem steinigen Weg zur Vollendung, sind noch am sechsten Tag, sind noch in Arbeit,
auch Gott ist noch in Aktion. Doch der Anfang ist gemacht.
„Der siebte Tag siebt das Schaffen der sechs durch das
Sieb der Ruhe“ (Ludwig Strauss). Als Anbruch von ewigem Glück, als messianische
Insel im Meer der unerlösten Zeit hat
Gott den Sabbat bzw. den Sonntag
gestiftet. Da soll der Mensch ruhen, und die Nutztiere auch.
Der Ruhetag nach sechs Arbeitstagen ist eine der
frühesten sozialen Errungenschaften der Menschheit. Israel zählte ihn unter die
drei Gaben, die der Mensch aus dem Paradies mitnehmen durfte: Die Sonne, den Sabbat
und die Liebesumarmung.
*
Als Gott der Herr Erde und Himmel machte, waren alle
die Sträucher noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch
nicht gewachsen; denn Gott der Herr hatte noch nicht regnen lassen auf Erden,
und kein Mensch war da, der das Land bebaute; aber ein Nebel stieg auf von der
Erde und feuchtete alles Land.
1.Mose 2,4-6
Das ist eine andere, ältere Darstellung vom Anfang. Sie unterscheidet sich stark von der schon wissenschaftlich zu nennende
Reihung im ersten Kapitel. Dieser Bericht ist
wohl geschrieben 950 Jahre vor Christi Geburt. Die Bilder reichen in
graue Vorzeit zurück. Da konnte man sich dem Nichts gedanklich nur nähern,
indem man aufzählte, was alles noch nicht da war. Vor allem war anfangs der
Mensch noch nicht da, durch dessen Feldarbeit recht eigentlich die Schöpfung
anfängt, jedenfalls für ein Bauernvolk.
Gott verehren und das Land bebauen sind die zwei
Seiten der einen Medaille, und haben im Lateinischen nur ein Wort: colere-
wovon Kultur kommt. Der Mensch ist Gottes einziger Zeuge.
Der Boden ist schon da, aber der ist so gut wie
Nichts, ist Wüste, die eigentliche Schöpfung
beginnt mit der Feuchtung. Für die Menschen im Norden ist der Anfang gleichbedeutend
mit dem (Wieder)kommen der Sonne. Die Menschen am Rande der Wüste finden das immer wieder sich erneuernde
Schöpfungswunder im Aufblühen des Landes
nach dem großen Frühjahrsregen.
Für uns fängt die Schöpfung damit an, dass eine
absichtsvolle Intelligenz die Welt
irgendwann ins Sein ruft und die Startbedingungen unfassbar genau einstellt,
die Naturkonstanten, die Schwerkraft etwa und dann die koordinierte Mutation.
Die Welt mit ihrer Geschichte von Zufall und Notwendigkeit ist selbst etwas uns
Zufallendes, uns Zugeworfenes, ein Einfall, ein freies Geschenk Gottes, nicht
der Natur, die ja selbst Geschenk ist.
Da machte Gott den Menschen aus Erde vom Acker und
blies ihm den Atem des Lebens in seine Nase. Und so wurde der Mensch ein lebendiges
Wesen.
Töpfe und Schmuck waren die ersten Herstellungen des
Menschen. Darum lag es für die Früheren nahe, sich Gott als Töpfermeister und
Künstler vorzustellen, der liebevoll die
Körper des ersten Menschenpaares formt. Als Material (Mater = Mutter) bot sich
Erde an- schon aus der Erfahrung, dass der Leib ja wieder zu Erde zerfällt. Aber zum Körper muss hinzukommen der Atem,
der auch für uns noch viel mit Seele zu tun hat.- Hier wieder ein liebevolle
Zeichen: Gott gibt von seinem Atem dem Menschen ab.
Wir wissen heute, dass der Schöpfer statt Erdmaterial
eine schon entwickelte Sorte Natur genutzt hat. Ob Erde oder Menschenaffe- ob
aus Erde geformt oder aus einer Affenherde liebevoll hochgezüchtet, das kann
Christen gleich recht sein. Der Sprung
vom Menschenaffen zum Affenmenschen ist ein Quantensprung an Qualität: Etwas
von Gottes Inwendigem muss dem Menschen implantiert sein, dass er gedeihen
kann.
Man kann naturwissenschaftlich wohl keinen Sinn
beweisen, kein Ziel, um dessen Willen die Welt entstand. Das spricht nicht
gegen die Existenz von Gott und Sinn. Die meisten Menschen sprechen ihrem
Dasein einen Sinn zu. Wer sich aber beschränkt auf das zwar nicht falsche aber
enge Weltbild aus rein physikalischen,
chemischen, biologischen Erkenntnissen, der kann wenigstens erwägen: “Möglicherweise
wurde der Mensch so selektiert, dass er seinem Leben einen Sinn geben muss“ (S.
Hibbeler). Das nackte „Selektieren“ –also „heraussuchen“ oder auch „züchten“
schreit für weiterdenkende Menschen geradezu nach einem „Treiber des Werdens“.
Martin Luther sagt „Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat samt allen
Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen und Ohren, Vernunft und alle Sinne gegeben
hat und noch erhält.“ Nimm dies als
Spitzensatz auch deines Glaubens. Man kann das so denken: Beweis für die
Existenz Gottes sei dir dein Existieren.
Garten Eden
Und Gott pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin
und setzte den Menschen hinein, dass er den Garten bebaue und bewahre.
Der Mensch inmitten gartenhafter Schöpfung, Gott
selbst als Der Große Gärtner!- Noch der Stolz
von Hobbygärtnern über die schönste Rose, den dicksten Kürbis erinnert
von Ferne an die Leidenschaft Gottes, dass das Lebendige ihm gut gedeihe.
Wieder ist die Wüstenerfahrung Hintergrund für das alte
Weltbild, in dem die Oase Wunder und Glück ist. Ähnlich wir Modernen: Die
Astronauten berichten von ihrem Dank, ihrer
Bewunderung für den blauen
Planeten inmitten von Schwärze und funkelnder Kälte.
Die Erde zu bebauen und zu bewahren ist schon vor 3000
Jahren dem Menschen aufgegeben. Diese Weisung muss mitklingen, wenn wir den
Auftrag, die Erde uns untertan zu machen, hören: Nicht zerstörerisches
Ausbeuten sondern das bewahrende Nutzen ist Menschheitsberuf.
Aufs Du
angelegt
Und Gott sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch
allein sei; ich will ihm einen Gefährten machen, der mit ihn lebt. Und Gott schuf
aus Erde alle die Tiere auf dem Felde und alle die Vögel unter dem Himmel und
brachte sie zu dem Menschen, dass er sähe, wie er sie nenne; denn wie der
Mensch jedes Tier nennen würde, so sollten sie heißen. Und der Mensch gab einem
jeden Vieh und Vogel unter dem Himmel und Tier auf dem Felde seinen Namen.
Aber der erste Mensch war zunächst allein.
Das ist ein Urwissen von uns allen und auch Gott erklärt es ausdrücklich für ein
Defizit und nicht als eine Leistung, allein klar kommen zu wollen. „Wer einsam
ist, der hat es gut, weil keiner ist, der ihm was tut“ (W. Busch), ist eine
wehmütige Erkenntnis. Sie wird behoben dadurch, dass wir wieder und wieder uns
als beziehungsfähig erweisen. Wir sind für andere brauchbar und nötig und
liebenswert geschaffen. Weil es nicht gut ist, allein zu sein, sollen wir auch
nicht allein lassen.
Damals dachte man, Gott habe erst einen geschaffen-
dann den anderen. In Israel war der erste Mensch als Mann gedacht, in andern
Kulturkreisen ist die Frau zuerst da. Jedenfalls begründet die Geschichte von Adam und Eva keinen Vorrang
für den Mann.
Schon die Vorfahren wussten, dass Mensch und Tier aus
gleichem Stoff sind. Der Mensch aber hat den Auftrag, die Tiere zu benennen,
also sie sich zuzuordnen. Früher war der Abstand zu den Tieren noch klein, es
war ein langer Kampf, bis sich die Vorherrschaft des Menschen erwiesen hat und
die Gefahr gebannt war, von den wilden
Tieren ausgerottet zu werden. Die Vorstellung, dass der Mensch seine Ergänzung
im Tier finden könne, ist in den Märchen noch bewahrt. Aber der Mensch braucht
den Menschen.
Ein Fleisch
Da ließ Gott einen tiefen Schlaf fallen auf den
Menschen, und er schlief ein. Und er nahm eine seiner Rippen und schloss die
Stelle mit Fleisch. Und Gott baute eine Frau aus der Rippe, die er von dem
Manne nahm, und brachte sie zu ihm. Da sprach der Mann: Das ist doch Bein von
meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Und
darum wird wieder und wieder der Mensch Vater und Mutter verlassen und
seinem Gefährten anhangen, und sie werden ein Gutesganzes (ein Fleisch) werden.
Und sie waren beide nackt, der Mann und seine Frau,
und sie schämten sich nicht.
Die Ur- Schöpfung wiederholt sich in jeder Biographie.
Auf dem Weg zum Erwachsenwerden ziehen wir
mehrfach uns in uns selbst zurück.
Die Mädchen wollen zu den Pferden, die Jungen zieht es zu Kampfspielen
untereinander. Bevor wir offen werden fürs andere Geschlecht, müssen wir im
Tiefschlaf aus dem Unbewussten schöpfen. Da tut sich die Erkenntnis auf, wir
müssen von uns abgeben, um doppelt zurückzubekommen.
Das Bild von der verloren gegangenen Rippe kann von
einer der uralten Geschichte herrühren: Die Männer am Feuer erzählen sich von den Kämpfen der
Vorfahren mit den wilden Tieren, und wie dem Urvater die Wahl gelassen war
zwischen Unverwundbarkeit und Frau. So
gab er die Hälfte seines Körperpanzers, der ehemals auch den Bauch
geschützt hat, für die Erschaffung seiner Eva. –Dieses Märchen bebildert ideal
die Erfahrung der Liebe: Das plötzliche Erwachen aus dem Schlaf des
Alleinseins, es fällt einem wie Schuppen
von den Augen: „Das ist ja Fleisch von meinem Fleisch“, das bin ich selber noch
einmal anders: Du, meine bessere Hälfte!
Diese Geschichte erzählt nicht, wie, sondern dass Gott
den Menschen gemacht hat, ergänzungsbedürftig und beziehungsfähig. Irgendwann wird aus dem Kind der Eltern die Frau oder der Mann zu dem
Menschen, dem er dann zugehört und anvertraut und zugemutet ist, oder den er
auch verfehlt.
Obwohl zu jeder Trauung ganz zu Recht dieser Bibeltext
gelesen wird, ist dieser nicht die Gründungsakte unseres mitteleuropäischen
Eheverständnisses, geschweige denn das Einsetzungswort für ein „Ehesakrament“.
Es gibt nicht die Ehe, es gibt
viele Formen, einander Gehilfe und liebender Mensch zu sein.
Erkenntnis
Und Gott ließ
aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen,
und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten
und Bösen. Und Gott gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen
Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst
du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes
sterben.
Mindestens zwei Geheimnisse treiben den Menschen um:
Warum können wir nicht ewig leben? Und: Kann ich das Gute tun und das Böse
lassen? Auf beide Fragen antwortete je eine Erzählung aus uralten Zeiten. Der Mensch
aß verbotenerweise vom Baum des ewigen Lebens; Und er aß vom Baum der
Erkenntnis des Guten und des Bösen, beides konnte er nicht lassen. Die ganz früher getrennten Erzählungen
handelten von zwei Bäumen im Paradies. Aber die Probleme, die mit
den Bäumen (Baum = Leben) kamen, gehören
zusammen und die Strafe ist eine. So
konnte man gut die beiden Bäume als Lebensbaum ineins sehen. Der Mensch ist sterblich, weil er erkennt,
dass er sterblich ist. Er gewinnt Erkenntnis; damit verliert er das den Tieren
ähnliche ewige Kindsein. Er wird „Hirnhund“(G. Benn), er muss denken, sich
mühen, sich größer machen, er muss das Paradies des Nichtdenkenmüssens
verlassen. Und er will versuchen, will
alles ausprobieren. Erst war er veranlagt, eben wie ein Tier nur zu müssen.
Jetzt ist ihm Spielraum gewährt, zu wollen, zu entscheiden.
Sollte Gott gesagt haben
Aber die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem
Felde, die Gott gemacht hatte, und die sprach zu der Frau: Ja, sollte Gott
gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?
Der wohl abgründigste Dialog der Menschheitsgeschichte
steht in diesen knappen Zeilen. Die Schlange ist uraltes Symbol für Kommen aus
dem Urgrund, für Erstickenmachen durch
(Jagd)List, aber auch für Häutung und Wandlung, Heilung. Und für ein Denken,
das nicht weiter kommt: Die Schlange
beißt sich in den Schwanz. – So ist die Schlange auch Symbol der ewigen
Wiederkehr des Gleichen- ohne Fortschritt und Erweiterung.
Die Schlange spricht, was der Mensch auch in sich
selbst sprechen hört: Ja, sollte Gott
das wirklich gesagt haben? Sollte mein geliebter Vater seiner geliebten Tochter
schönste Früchte vorenthalten- das kann doch nicht wahr sein: genießt alleine,
ohne mit seiner Tochter zu teilen?
Die Schlange ist Bild für das menschliche Argwöhnen
gegen Gottes Güte. Dies Argwöhnen haben die Alten durch das Auftreten der Schlange
als von außen kommend beschrieben. Und tatsächlich ist der Argwohn gegen Gott,
dass er uns quälen könnte, indem er uns
Glück willentlich vorenthielte und Unglück uns zufügte, himmelschreiend. Ist
der Mensch zu diesem Argwohn fähig, ist er dazu fähig gemacht. Keiner hat sich
selbst geschaffen. Diese Erkenntnis oder Ausrede schiebt die Schuld für unser
Schuldigwerden in Richtung Gott. Durch
Auftritt der Schlange, die ja Gottes Geschöpf auch ist, zeigen die
Alten: Gott befähigt und verurteilt uns zum
schuldig werden können und -müssen.
Wer handelt, muss auch Versäumnisse und Fehler und
Schuld auf sich laden. Damit, daß Gott uns das Wissen um Gut und Böse einräumt,
räumt er uns auch das Recht auf Schuld ein. Wir dürfen, was wir nicht dürfen:
gegen das Wissen des Guten gegen an handeln.
Da sprach die Frau zu der Schlange: Wir essen von den
Früchten der Bäume im Garten; aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten
hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht
sterbet!“
Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet keineswegs
des Todes sterben, sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden
eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse
ist.
Wissen, was gut und böse ist, ist eine Gottesqualität.
Diese Begabung hat uns Gott von immer her zugedacht. Tatsächlich kommen wir
irgendwann im Kindesalter dazu, unsere Eltern zu belügen und zu bestehlen. Und
fühlen in dem Augenblick uns stärker als sie. Jedenfalls fühlen wir unser
Gewissen- wir wissen: Das darfst du nicht. Und doch schmeckt es gut. Unsere
Augen werden uns aufgetan für die Ahnung, wie schwer das Leben ist, wir lieben
die Eltern und verletzen sie doch.
Diese Erfahrung von uns allen, haben unsere biblischen
Vorfahren übertragen auf Gott und in
einer Szene vom Garten und den verbotenen Früchten nachgestellt. Immer wünschen
wir, es gut zu haben und doch nicht schuldig zu sein.- Aber im Angesicht der
Hungernden dieser Welt ist keine
schuldlose Nische zu haben: Mein
Vergeuden macht die Welt mit krank. Und mein Erfolg ist oft mit dem Scheitern Anderer
erkauft. Wir wissen um uns, wissen daß wir verantwortlich sind- letztlich Gott,
dem wir Rede und Antwort stehen müssen, schon jetzt. Denn unser Gewissen ist im
Dialog mit ihm.
Sehen, was klug
macht
Und die Frau sah,
dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre
und verlockend, weil er klug machte.
1. Mose 3,6
Da ist ein Verbot von dem aufgestellt, dem alles
gehört. Aber Frau Mensch sah. Ihre Lebensbereitschaft neigt dazu, die Verhältnisse zu ihren Gunsten zu
nutzen. Sie lässt sich die Dinge zum
Besten dienen. Sie geht davon aus, dass Gott gut ist. Der wird nicht einen Baum in die Mitte des Gartens
stellen, dessen Früchte Glück verheißen aber vergiftet sind. Auch wird mein geliebter Vater –so Eva- keine
Versuchsanordnung aufbauen, nur um mich zu testen. Er weiß doch. Also will er
mich klug machen. Darum macht er, daß Lust mir in die Augen springt.
Als die Menschheit noch in den Kinderschuhen steckte,
gab es eine Entwicklungsstufe ohne Gebote, ohne Gut und Böse, ohne Wahl. Die
Schöpferkraft musste entscheiden, ob es beim Menschenaffen sein Bewenden haben
sollte. Oder ob Gott sich ein Partnerwesen heranerziehe. Dann muss dies vor
allem Spielraum haben, selbst zu wählen, was es für Gut und Böse hält. Gott
kann ihm zwar seine Sicht der Dinge sagen. Aber erst wenn der Mensch aus freiem
Willen das göttliche Maß für sich gelten lässt- und nicht etwa aus Angst vor
Strafe- lebt er ebenbildlich mit Gott.
Die Menschen vor uns legten für sich fest: Gott ließ
den Erdling mitentscheiden, ob er mit Gewissen gekrönt und beladen sein will.
So viel Schmerz und Hass und Gewalt kommt dadurch in die Welt, dass der Erdling
Mensch wird- also nicht nur „das Findigste aller Tiere“ bleibt, sondern
„Invalide höherer Kräfte“ (Helmuth Plessner) ist.
Auch wollte Gott die Entscheidung, welche auch Bitternis
mitbringt, nicht alleine treffen.
Natürlich leidet die Mutter des Lebens, wenn ihre Kinder ihr ins Angesicht
widerstehen und sich gegenseitig Böses antun. Hätte Gott uns schonen wollen,
hätte er uns unwissend, hätte unsere Vorfahren Menschenaffen bleiben lassen.
Aber der Blitz des Heiligen Geistes
half ersten Affenmenschen zur
Welt. Sie lernten, aufrecht zu gehen und
Gebote des Herrn zu vernehmen.
Und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann
auch davon, und er aß.
Das sollen wir uns so vorstellen: Lange steht Eva da,
allein, wortlos, es arbeitet in ihr. Was die Schlange sagte, ist ja eine Stimme
in ihr. Ob sie vielleicht Gott näher kommt, wenn sie das Gebot überspringt? Ob
sie nicht vertraut werden soll mit dem Wissen von Allem? Ob sie vielleicht Gott
besser versteht, wenn sie ihn nicht wörtlich nimmt? Soll ich meine Fähigkeiten
auszuweiten?
Aber dann liegt Schuld und Unschuld glasklar offen,
frei scheint sie wählen zu können, ob sie den Apfel greift oder es sein lässt.
Eva vor dem verlockenden Baum- wir spüren das Gefälle
hin zum selbstverständlichen Tun des
Verbotenen: Köstlich ist die Augenweide, und dazu noch das Versprechen, dadurch
klug zu werden. Da darf man doch nicht ablehnen. Sie nimmt. Und die Verführte
wird zur Verführenden. Sie nimmt, isst, gibt. Und er isst.-
Dass die Frau den ersten Griff tut, ist kein Zeichen
von Mehrschuldsein und Zweitrangigkeit, die der Frau so lange aufgedrückt
wurde. Im Gegenteil scheint sie mehr Partner Gottes zu sein, schöpferischer und
intelligenter, aktiver als der vor sich hinarbeitende Mann. Für ihn ist ja
typisch, nichts verlieren zu wollen, während die Frau auf Gewinnen setzt. Die
Frau scheint immer über das Geheimnis des Lebens zu walten. „Durch Männer lernt
man höchstens, wie die Welt ist, durch Frauen jedoch, was sie ist“ (Cees
Nooteboom). Die lange Geschichte männlicher Herrschaft geht Hand in Hand mit der Dummheit des Adam.
Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie
wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und
machten sich Schurze.
Ihnen wurden wahrlich die Augen geöffnet. Aber sie
fanden kein selbstbewusst erblühtes Ich. Die Unschuld war entzaubert, die
Kindheit verloren. Es kommen auf sie die Mühen des Wissens: Sie lernen sich als
Mängelwesen kennen, die geschlechtliche Stelle
legt die Ergänzungsbedürftigkeit bloß. Durch Verdecken schaffen sie die
Angewiesenheit nicht aus der Welt, es
bleibt bei ihnen die Scham- eine innere Entherrlichung, ein Erschrecken, nicht
leuchtend wie Gott für einander zu sein sondern zerrissen, argwöhnisch,
selbstsüchtig, hungrig nach Liebe. In der Umarmung werden sie für Augenblicke von
ihrer Eigensucht zu einem Ganzsein erlöst.
Mensch, wer bist Du
Adam und Eva
hörten Gott, der sich im Garten erging, als der Tag kühl geworden war. Und sie
versteckten sich vor dem Angesicht Gottes unter den Bäumen im Garten. Und Gott
rief: Adam, wo bist du? Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete
mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich.
Und Gott sprach:
Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Du hast
gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon
essen. Da sprach Adam: Die Frau, die du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum
und ich aß.
Da sprach Gott
zur Frau: Warum hast du das getan? Die Frau sprach: Die Schlange betrog mich,
sodass ich aß.
Da sprach Gott zu
der Schlange: Weil du das getan hast, sollst du auf deinem Bauche kriechen dein
Leben lang; Feindschaft soll sein zwischen deiner Brut und den Menschenkindern.
Und zur Frau sprach er: Unter Mühen sollst du Kinder gebären und Verlangen
sollst haben nach dem Mann. Und zum Mann
sprach er: Unter Mühen sollst du den Acker bestellen, im Schweiße deines
Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zur Erde zurückkehrst,
davon du genommen bist.
Und Adam nannte
seine Frau Eva, Mutter des Lebendigen.
„Adam, Mensch, wo bist du, wer bist du“?- ist der Ruf
nach mir selbst. Was ist mit mir los; ist es ein Glück, dass ich bin? So müssen
wir fragen. Es ist damit ein Horchen auf Antwort in uns eingegeben, ein Streben
hin, bestätigt zu werden. Es ist der, die Andere, das Gegenüber, das mich zum
Ich macht.
Durch Mitmenschen hindurch ruft Gott nach mir: Ich muss
aus mir herauskommen, aus dem Dickicht des Unbewussten, ich muss mich outen,
mich kenntlich machen durch das, wofür ich einstehe.
Mich verkriechen geht nicht, Scham vor der eigenen
Dürftigkeit gilt nicht. Ich muss mich zeigen, anbieten, meine Begabung ausgeben,
muss mich zu erkennen geben, ich muss Ich werden in dauernder Fühlung mit Gut und Böse.
Das Ableiten von Schuld ist menschlich; Adam belastet
die Frau, die Du, Gott, mir gegeben hast. Er beschuldigt also letztlich Gott.
Das macht auch die Frau: Die Schlange hast
Du doch auf mich angesetzt!
Die schweren Menschenlasten sahen die Vorfahren im
Schuldigwerden begründet: die Angst vor giftigem Getier; die Mühe mit dem
Nachwuchs und der Geschlechtlichkeit, die Mühe ums tägliche Brot, der dauernde
Blick in Richtung Vergeblichkeit und Tod.
Beides gilt: Die Menschen sehen letztlich Gott haftbar
für die schwierigen Umstände. Diese aber besetzt Gott auch mit Hoffnung. Und
Gott nimmt den Menschen in die Verantwortung: In den schwierigen Umständen
wächst der Mensch, kommt zu sich selbst. Der Mann, der erst seine Frau von sich
stößt, nennt sie dann Mutter alles Lebendigen- darin steckt Liebe und Trotz und
Stolz: Der Mann sieht sich als Gefährten der Mitschöpferin, der Partnerin
Gottes.
Das Wissen um
Gut und böse ist unser Adel
Und Gott sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie
unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Das ist die Vertreibung aus dem
Garten Eden, unter Schmerzen soll er Leben weitergeben, unter Mühen die Erde
bebauen. Und Gott machte Adam und seiner Frau Röcke von Fellen und zog sie
ihnen an. Cheruben versperren mit
flammenden Schwertern den Weg zurück zum Paradies.
1.Mose 3, 21 -24
Das Wissen um Gut und Böse macht den Menschen anders als
alle andere Kreatur. Es geht nicht mehr, das Leben aus dem Bauch; und wie es
kommt, ist es gut- das ist vorbei. Von den vielen Möglichkeiten müssen wir die
am wenigsten Schädliche ermitteln und tun. Einigermaßen nur wollen, was man
darf und einigermaßen können, was man muss, das ist die alltägliche Gnade. Und
Gelingen ist tägliches Wunder.
Uns sind Felle mitgegeben; wir können uns schützen vor
dem Erfrieren, auch seelisch. Gut, dass Gott uns selbst umkleidet vor der
Scham- von der es viele Sorten gibt; und immer hat Scham was von Schuld- oder
Mängelwissen. Vor
Allem, was uns Schuldverlorensein in die Seele drückt-
da sei Gott vor, bitte.
Der Weg zurück ins Paradies ist uns verschlossen- wir
müssen durch die Geschichte durch. Leben ist eine Dienstreise, wir können
sterben, wenn wir das Menschsein durchlaufen haben. Spätestens dann werden wir
erkennen: Das Paradies liegt vor uns.
„Der Cherub steht nicht mehr davor“- das wissen wir
von Christus. Auf der Rückseite der Zeit hat Gott noch viel mit uns vor.
Anders erzählt
John Milton (geb.1609): Als Adam gewahr wird, daß Eva von der verbotenen Frucht
gekostet hat, wendet er sich zunächst entsetzt ab. Doch dann wird ihm klar:
Auch er muss nun den Apfel nehmen, weil er andernfalls allein zurückbliebe.
Adam ist kein Opfer des Bösen, sondern er entscheidet sich bewusst für den
Sündenfall. Sein Vergehen ist, daß er die Liebe zu Eva höher stellt als das
Gesetz. Der Dichter lässt Adam und Eva aus dem Paradies treten; und „die Welt
liegt ihnen zu Füßen“. –Es wäre dies ein Lobgesang auf die (von Gott uns
eingeräumte) Willensfreiheit, auf die Liebe und die Lust, etwas aufzubauen.
Letztlich hat ja Gott sich einen Partner erschaffen, indem er uns abkoppelt vom
kindlichen Unwissen hin zum Gewissen des erwachten Menschen.
*
Kain und Abel
Und Adam erkannte
seine Frau Eva, und sie wurde schwanger und gebar den Kain. Danach gebar sie
Abel. Und Abel wurde ein Schäfer, Kain aber wurde ein Ackermann.
Die deutsche Sprache hat für die Liebesumarmung
eigentlich nur das behutsame
“Miteinander- Schlafen.“ Das hebräische
„Erkennen“ dagegen feiert das geistige Ereignis, das mit dem Lieben einhergeht:
ausgeliefert aneinander nehmen wir uns wahr, von Angesicht zu Angesicht.
Der Mensch ist geliebter Sünder- dafür steht das erste
Menschenpaar. Das erste Brüderpaar ist einander feind- auch das kennzeichnet
die von Anfang an bedrohte Schöpfung; sie muss erst noch heil werden.
Schäfer und Bauer sind ehemals Konkurrenten- sie
stehen für Rivalität aller Art. Der wirtschaftliche Kampf ums Überleben macht
auch vor Geschwistern nicht Halt.
Zum Erntedank
brachte Kain dem Herrgott Opfer von den Früchten des
Feldes, Abel brachte Jungtiere von
seiner Herde. Und Gott sah Abel
und sein Opfer gnädig an, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Da
ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick.
1.Mose 4, 3-5
Beide Brüder wissen, dass sie ihre guten Ernten Gott
verdanken. Auch ihre Gesundheit, ihre Familien, die Zeit, die Freude, ja, sich
selbst verdanken sie Gott. Aber wie ein Blitz aus eben noch heiterem Himmel
fährt ein Hass in die Welt, fällt in des Menschen Herz. Kain
sieht seine Sympathie bei Gott und dem Schicksal verloren. Vielleicht
war es ein nichtiger Anlass nur- sein Opferfeuer qualmte, während Abels Feuer
herrlich prasselte. Er sieht sich zurückgesetzt, sieht Abel bevorzugt. Und
schon lodert Argwohn in Kain auf, Grimm überzieht seine Seele, Neid und Gewalt brechen
hervor.
Die Geschichte lässt Gott den Urheber auch des Grimms
sein, er verteilt seine Gunst ungerecht („Die Wege des Herrn sind
unerforschlich“-sagte man früher.) Wir sind heute mit solcher Schuldzuweisung
vorsichtig. Jesu lehrte uns, Gott nicht als Autor von Bösem zu sehen, sondern
als Miterleider und Erlöser.
Da sprach Gott zu Kain: Warum ergrimmst du? Und warum
senkst du deinen Blick? Es ist doch so: Wenn du ohne Arg bist, kannst du frei
den Blick erheben. Sinnst du aber Böses, so lauert die Sünde als Dämon an der
Tür. Auf dich hat er es abgesehen. Du aber werde Herr über ihn.
1.Mose 4,6.7
Kain ist nicht automatisch seiner Aggression
ausgeliefert. Im Gewissen hört er sich infrage gestellt. Warum denn der Hass?
Ist in dir ein Verlangen zu zerstören? Willst du gewinnen durch Kleinmachen und
Vernichten? Sünde kann monströs Macht über uns gewinnen; wir sehen uns als
Opfer eines Dämons, der auf uns zufliegt, von uns Besitz ergreift Aber du
Mensch, beherrsche deine Lust, zu unterwerfen. Benutz kein Böses, auch nicht
als Mittel für angeblich gute Zwecke - so lockt Gott und würdigt uns eines
ziemlich freien Willens.
Es gibt böse Mächte, Dämonen, Hexen- aber sie können nicht
in dein Haus, es sei denn, du lässt sie ein. Schlimm ist, sie noch einzuladen.
Wir haben Entscheidungsspielräume, haben immer wieder Möglichkeiten, zu wählen.
„Wer A sagt, muss nicht B sagen, er kann auch erkennen, dass A falsch war“
(Bert Brecht).
Bruders Hüter
Doch Kain sprach zu
seinem Bruder Abel: Lass uns aufs Feld gehen! Und als sie auf dem Felde waren,
griff Kain seinen Bruder Abel an und schlug ihn tot.
Da sprach Gott zu
Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach: Was weiß ich? Soll ich meines Bruders
Hüter sein?
Abgründig, dass Menschen Ihresgleichen umbringen
können. Dann sind alle Sperren niedergerissen von der einen Gier, diesen aus
dem Weg zu räumen. Um sich seine
Lebenskraft oder seinen Besitz, seine Würde, seine Macht anzueignen. Tief in
uns wissen wir, dass wir einander zu Hütern bestellt sind. Mord ist fast
Selbstmord. Lebenslänglich wird man das Töten bei sich haben, Sein Schrei, sein
Niedersinken schiebt sich in jeden künftigen Gedanken. Die Räume des Schreckens
wird man nie mehr los.
„Jeder Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt einen,
wenn man herabsieht“(Georg Büchner). Kain ist tief gekränkt. Er sieht sich als
Opfer, zum Versager gemacht, er tötet den Zeugen seiner Schmach. In einer
Eruption aus Wut auf sich selbst-dass er so danebenlag in seiner Einschätzung-
und Zorn : warum ich und nicht er- und Angst,wie kleingemacht soll es jetzt
weitergehn neben dem triumphierenden Bruder- schlägt er zu, gegen seinen
Willen, seine Vorsätze, seine Vernunft.
Fluch
Gott sprach:
Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der
Erde. Verflucht sollst du sein. Wenn du
den Acker bebauen wirst, soll er dir hinfort seinen Ertrag nicht geben. Ruhelos
und flüchtig sollst du sein auf Erden.
Das ist der Fluch der bösen Tat: Man kann sich seines
Lebens nicht mehr freuen. Nähe mit dem Mörder wird gemieden, seine Mitarbeit wird nicht gewollt. Die einzige
Chance ist die garstige Fremde. Wo man ihn erkennt wird man Steine nach ihm
werfen. Und er muss weiter. Es gilt das Wort aus Weisheit 11,16: „Womit einer
sündigt, damit wird er auch bestraft.“
Todesstrafe abgelehnt
Gott sprach: Aber totschlagen soll ihn keiner. Und
Gott gab Kain ein Zeichen, dass ihn niemand erschlüge. Und Kain ging weit weg, jenseits von Eden, wo er
meinte, er sei dem Herrn aus dem Blick.
1.Mose 4,13-16
Die Sensation
ist, dass schon ganz früh die Menschen wussten: Todesstrafe geht nicht. Das Leben,
auch des Mörders, ist des Herrn. Fürchterlich, dass sich doch immer wieder
Menschen anbieten zu Henkern, um anmaßend „im Namen des Herrn“ Leben
auszulöschen.
Aber auch Gott
ist gezeichnet mit dem Kainsmal. Das ist ein Versprechen: Auch jenseits von
Eden bleiben Gottes Augen über Bruder Kain. Und dem Abel ist ein
unverbrüchliches Gedenken gewidmet in all den Mühen um Geschwisterlichkeit.
Geschichten wie
die von Kain und Abel erzählen, das kann man eigentlich nur, wenn man starken
Mutes ist. Denn es braucht Kraft, die Räume des Schreckens zu vermessen und den
Hang zur Gewalt in uns zu merken; Geben wir nicht auf, mitten im Winter die
Keime des Frühlings zu glauben. Entzünden wir kleine Feuer der Liebe, helfen
wir dem Pflänzchen Humanität zum Überleben. Retten wir Menschen aus ihrer
Sprachlosigkeit. Hilde Domin sehnt sich, das Vertrauen zwischen den Brüdern
noch einmal herzustellen, damit es eine zweite Chance gibt: „Abel steh auf/
damit Kain sagt/damit er sagen kann/Ich bin dein Hüter/ Bruder/wie sollte ich
nicht dein Hüter sein.“
Und hat nicht der
alte Indianer recht der seinem Enkel von dem Bösen und dem Guten in der Welt
erzählt und davon, dass in einem jeden von uns ein guter und ein böser Wolf
steckt? Und der Enkel fragt: „Welcher Wolf siegt denn“? Und der Indianer
antwortet: „Der, den du fütterst“.
Doch Zukunft
Und Kain und
seine Frau bekamen den Henoch, der baute eine Stadt. Nachkommen wurden
Viehzüchter, andere Zither –und Flötenspieler, andere Eisenschmiede.
1.Mose 4,17.20f
Der
schuldbeladene Kain geht an die Arbeit, vielleicht will er wiedergutmachen und
der Schuld entkommen. Christian Morgenstern sagte: „Wer sich groß verfehlt, hat
auch große Quellen der Reinigung in sich.“ Kinder ins Leben rufen und sie erziehen, das
baut Zukunft, Kains Kindern schreibt man die Erfindung der Stadt zu, der
sozialen Einrichtung überhaupt. Und sie machten Musik und Waffen und
Geschmeide.
Wir stammen von
Mördern ab,wir sind Sieger, stammen ab von Siegern. Unzählbar die, die starben, ehe sie Eltern
wurden.
Ein Tiefpunkt der
menschlichen, der männlichen Großmannssucht klingt auf in dem grölenden
Triumphlied des Kain-Nachkommen Lamech: Ada, Zilla, meine Frauen! Merkt auf,
was Lamech zu sagen hat: Ich erschlage
einen Mann für meine Wunde, einen Jungen für meine Beule. Na und? Ich
sage: Kain sollte siebenmal gerächt werden aber der große Lamech soll siebenmal
siebzigfach gerächt werden.
Wir kommen aus Zeiten, da galt das Recht des
Stärkeren. Der nahm, was er wollte und stillte seine Mordlust, bis er erschöpft
war. Hunderttausend Jahre wohl brauchte
Gott, um dem Menschen Gewissen einzutrichtern: ein Um- sich- selbst- wissen:
Mensch, du bist für dein Tun verantwortlich. Du bist gewürdigt und
verpflichtet, einer höheren Instanz Antwort und Rechenschaft zu geben. (
So kann man eigentlich nicht sagen: „Vor meinem Gewissen hab ich mir nichts
vorzuwerfen“. Ich stehe ja mit meinem Gewissen vor einer Instanz, der ich
verantwortlich bin.)
Ein Meilenstein in der Erziehung des
Menschengeschlechtes ist die Begrenzung der Rache auf ein strenges: „Wie du
mir, so ich dir.“ „Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben um Leben“ (2.Mose 21,23f).
Nicht mehr, nicht weniger, kein Pogrom aber auch keine Gnade. Die Zeitenwende
brachte Jesus: „Wenn dich jemand auf die rechte Backe schlägt, biete ihm auch
die linke. Will einer deinen Mantel, gib ihm auch dein Hemd.“ (Matthäus 5,39).
Der Mensch wird zur Feindesliebe fähig, wenn er an Jesu Hand den Racheherrn und den Gesetzesrichter hinter sich lassen darf und hinfindet zum
„Gott der Geduld und des Trostes“ (Römerbrief 15,5).
*
Sintflut - die größte anzunehmende Traurigkeit
Als aber Gott sah, dass die Bosheit der Menschen groß
war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immer
und immer, da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und
es bekümmerte ihn in seinem Herzen und er sprach: Ich will die Menschen, die
ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis hin zum Vieh und
bis zum Gewürm und bis zu den Vögeln unter dem Himmel; denn es reut mich, dass
ich sie gemacht habe. Aber...
1.Mose 6,5-7
Es ist vielleicht der gewalttätigste Satz über die Menschheit.
Niederschmetternder haben wir nicht von uns gesprochen und von Gott: Wir,
unsere Spezies, ein Missgriff eines scheiternden, gebrochenen Gottes. Der Satz, ist wie eine gewaltige Flut, mit
der der Herr seinen Stall ausmistet, seine Welt hinwegspült.
Immer wieder kamen und kommen Fluten, Feuersbrünste,
Hungerkatastrophen, Vulkanausbrüche über die Menschheit. Und Menschen fragen:
Warum? Und sagen, um Gott zu schützen:
Wir sind selbst schuld. Wären wir Gott, hätten wir mit Unsereins auch Schluss
gemacht.
Doch an den Vernichtungssatz schließt sich ein Aber,
das leuchtendste Aber. Vielleicht, am Ende des Tunnels, Licht; nicht vom
entgegenkommenden Zug sondern von Noah,
der Arche, dem Regenbogen, dem Bund.
war ein frommer Mensch und ohne Tadel zu seinen Zeiten;
er lebte mit Gott. Zu ihm sprach Gott:
Das Ende allen Lebens ist bei mir beschlossen, denn die Erde ist voller
Frevel; ich will sie alle verderben mit
der Erde.
Du aber mache dir einen Kasten von dreihundert Ellen,
dreißig Ellen Höhe, mit Stockwerken, Ställen, Kammern, Fenstern. Ich will eine
Sintflut kommen lassen. Alles, was auf Erden ist, soll untergehen.
Aber mit dir will ich meinen Bund aufrichten, und du
sollst in die Arche gehen mit deinen Söhnen, mit deiner Frau und mit den Frauen
deiner Söhne.
In die Arche sollt ihr bringen von allen Tieren, von
allem Fleisch, je ein Paar, Männchen und Weibchen, dass sie leben bleiben mit
dir. Genug Verpflegung und Futter nimm mit!
Und Noah tat, was Gott gebot. Und die Tiere gingen zu
Noah in die Arche, paarweise. Dann kamen
die Wasser der Sintflut. Alle Brunnen der großen Tiefe brachen auf und es taten
sich die Fenster des Himmels auf. Es
regnete vierzig Tage und vierzig Nächte.
Die Rettung liegt bei einem, der mit Gott lebt. Einer
bleibt übrig, einer kehrt um, einer baut die Arche. Die Vielen können irren.
Einer aber sieht Gott kommen. Einer weiß, was zu tun ist: Retten, Bergen, in
Sicherheit bringen, alles verlassen um des einen Auftrags willen. So einen fand
Gott; Und so einen findet Gott immer wieder in den großen und kleinen
Katastrophen. Lasst uns nicht sagen: „Nach uns die Sintflut“. Bauen wir Archen,
Freundschaften, Inseln zum Überleben.
Solange die Erde steht
Nach dem lange nicht enden wollenden Regen gedachte
Gott an Noah und an alles Getier, das mit in der Arche war, und ließ die Winde los
auf Erden und die Wasser fielen.
Noah wurde ungeduldig- er ließ einen Raben ausfliegen;
der flog immer hin und her und kam zurück. Auch eine Taube fand nichts
Trockenes und kam zurück. Später ließ er erneut eine Taube fliegen, die kam um
die Abendzeit zurück, und trug einen Ölzweig in ihrem Schnabel. Da merkte Noah,
dass die Wasser sich verlaufen hätten und Land in Sicht war.
Dann redete Gott mit Noah und sprach: Geh aus der
Arche, du und die Deinen und alles Getier, auf dass sie sich mehren auf Erden.
So ging Noah heraus mit allem, was bei ihm war. Und er
baute Gott einen Altar und dankte und
feierte ihn. Gott aber sprach: Ich will
hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen. Auch wenn das
Machen und Tun des menschlichen Herzens
böse ist, will ich hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt. Solange die
Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und
Winter, Tag und Nacht.
Und Gott segnete Noah und die Seinen und schloss einen
Bund mit Noah und seinen Nachkommen und mit allem lebendigen Getier und sprach:
Es soll keine Sintflut mehr kommen, welche
die Erde verderbe. Ich setze meinen
Bogen in die Wolken. Den will ich
ansehen und gedenken und den sollt ihr ansehen und gedenken: Es ist ein Zeichen
des Bundes zwischen Gott und Schöpfung.
1. Mose 8 -9,17
Böse von Jugend auf, der Mensch.- Das kann nicht wahr
sein, denn wir stammen doch aus Gottes Willen.
Aber wir können böse werden, furchtbar hassvoll. Und Gott konnte seine
Freude an uns Menschen verlieren. Aber dann bekehrt sich Gott wieder zu seiner
Kreatur. Gott will mit uns auskommen, auch wenn er an uns leidet. Das ist eine
Art Wandel in Gott, ist aber eher doch
ein Quantensprung in der Gotteserkenntnis des Menschen.
Und verzichtet Gott hiermit nicht auf jegliche
gewaltsame Einmischung? Jedenfalls werden wir gänzlich in Verantwortung
genommen. Verhängt Gott keine Strafaktionen mehr, müssen wir die Folgen unseres
Tuns um so mehr prüfen – und ausbaden.
Tief zurück liegen
Zeiten schauerlicher Göttervorstellungen. In vielen Schöpfungssagen der
Menschheit steht eine Urflut am Anfang. Alle Völker am Meer haben Sintfluten im
Volksschatz, immer war Sünde schuld, um nicht ganz irre zu werden am
Verhängnis. Immer war es göttliches Erbarmen, das neuen Anfang machte.
Wunderbar: Der Regenbogen, den auch Gott ansehen will
als seinen Eid, als seine Unterschrift: Ich will mit euch Menschen durchhalten,
auch wenn ihr schwierig seid. Und auch die Natur soll euch aushalten. In aller
Gefährdung ein rettendes Wort!
Noah aber, der Ackermann, pflanzte als Erstes einen
Weinberg.
Und da er von dem Wein trank, wurde er betrunken und
lag im Zelt aufgedeckt.
Als nun Ham die Blöße seines Vaters sah, sagte er's
seinen beiden Brüdern draußen. Da nahmen Sem und Jafet ein Kleid und legten es
auf ihrer beider Schultern und gingen rückwärts hinzu und deckten ihres Vaters
Blöße zu; und ihr Angesicht war abgewandt, damit sie ihres Vaters Blöße nicht
sähen.
1.Mose 9, 21-23
In den ersten
Kapiteln der Bibel klingen die Grundthemen des Menschlichen an; dazu gehört
auch das Schmerzliche am Altwerden: die Hilfsbedürftigkeit. Noah zecht mit
seinen Söhnen, er fällt um, kommt von Sinnen, liegt entblößt da. Ein Sohn tut
das Nötige: Ohne des Vaters in seiner Schwäche ansichtig zu werden, tritt er zu
ihm und verhüllt ihn gnädig mit einer
Decke. -Vater und Mutter im Alter die Ehre zu bewahren ist dringend.
Denn die jetzt schwach werden, waren vorher stark und nährten und lehrten die
nächste Generation sicher an die zwanzig Jahre. Auch sind die Alten alle Achtung
wert, weil sie in ihren Mühen das Leben durchgehalten haben- was bei den Jungen
ja noch offen ist. An den Alten kann man üben, die notwendige Fürsorge
sicherzustellen und ihnen ihre Freiheit zu bewahren –kann also üben, so zu
handeln, wie man selbst mal „behandelt“ sein will.
*
Von den Nachkommen Noahs kommen die Völker her.
Und alle Welt hatte einerlei Zunge und
Sprache. Die nach Osten zogen, fanden eine Ebene im Lande Schinar und ließen
sich dort nieder. Sie sprachen untereinander: Lasst uns Ziegel streichen und
brennen! - und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel und taten sich
zusammen: lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den
Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen; sonst verlieren wir uns in
alle Länder.
Da fuhr Gott hernieder, Stadt und Turm der Menschen zu besehen. Und erschrak: Das ist
erst der Anfang- wenn die so weitermachen, werden sie entgrenzt. Verwirren wir ihre
Sprache, dass sie sich nicht verabreden können!
Daher heißt ihr Name Babel, weil Gott da verwirrt hat
aller Länder Sprache und sie von dort zerstreut hat in alle Länder.
Die lange vor uns lebten, dachten den Ursprung der
Welt als Einheit: Ein erster Mensch, ein erstes Menschenpaar, eine Urflut nach
der Noah der erste Mensch war, von ihm zweigen alle Völker ab, am Anfang auch
eine Ursprache; Die verwirrende Vielsprachigkeit galt als Strafe für den
Größenwahn der Ahnen, ebenso die schrumpfende Lebenszeit erklärte man sich als Ermattung
und Strafe.
Am Anfang dachten die Alten war Fülle und Goldenes
Zeitalter. In unvordenklicher Zeit war eine Zeit der Ursprünge. Dann kamen die
Abstiege bis zum ausstehenden Weltuntergang. Aber dann ist mit neuem Aufstieg
zu rechnen bis in die Fülle des Himmels. Und dessen Ewigkeit ist dann die gesammelte
und geheilte Zeit (Augustin).
Der Turm zu Babel
galt wie andere Weltwunder des Altertums
als Zeichen für die hohe Leistungsfähigkeit der Vorfahren. Dass nur Reste vom Turm zu Babel blieben, nahmen spätere
Generationen als Zeichen: Die wollten zu hoch hinaus. Ihr Scheitern blieb Mahnung,
selber nicht in Hybris zu fallen.
Die „Babylonische Sprachverwirrung“ bleibt Warnung,
die Sprache nicht zum Herrschaftsmittel verkommen zu lassen. Auch fängt der
Friede mit der Wahrheit der Worte an. Wenn Menschen einander nur kommandieren
und verhören, können sie sich nicht verstehen.
Die stärkste Gegengeschichte ist die von Pfingsten
(Apostelgeschichte 2). Der Heilige Geist der Kommunikation brennt in den ersten
Christen.
*
Gott erwählte sich einen Menschen, namens Abram (später
Abraham) aus Haran. Den sprach er an:
Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deiner
Eltern Haus in ein Land, das ich dir zeigen werde. Ich will dich zum großen
Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du
sollst ein Segen sein; ja, in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf
Erden.
Abraham glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur
Gerechtigkeit an.
1.Mose 12, 1-3; 15,6
Im grandiosen
Zeitraffer schildern die Schriftgelehrten vom Tempel Salomos (um 950 v. Chr.)
die Vorzeit. Nach Schöpfung und Zeit der Riesen (1.Mose 6) und Sintflut
schließt Gott mit Noah den Bund fürs Leben: Leben soll weitergehen. Und in
Abraham schließt er den Bund des Glaubens. Abraham soll Vater Israels werden,
des Volkes, dem die Gottessorge und die Erwartung des Messias aufgetragen wird. Der Segen über
Abraham ist aller Menschheit gewidmet: Bewusste
Gotteskenntnis ergießt sich von Abraham an in die Welt: Der Schöpfer hat mich
geschaffen, und in ein besonderes, nahes Verhältnis zu sich gefügt. So kann ich
Gott vertrauen, ich gehöre ihm. Im Innersten bin ich „Kind Gottes“. Nicht weil
ich so gehorsam bin sondern weil ich dazu bestimmt bin und geliebt bin. Diese
Gewissheit ist der Glaube, den Gott uns schenkt und bei uns sucht.
Abraham wird rausgerufen aus seinem Zuhause, seinem
Mondgottglauben, seinem Eingebettetsein in ein kreisendes Hier und Jetzt. Dann wird er losgeschickt „in ein Land, das ich dir
zeigen werde“. Und er packt mit Frau Sara sein Hab und Gut zusammen. An der
Gartenpforte weiss er noch nicht, ob es
nach rechts oder links geht. Einen
Schritt weiter ist er auf einen Weg geleitet, der Jahrhunderte später Israel
ins Gelobte Land führt. Abraham lässt
sich auf die Verheißung Gottes ein und kann darum alles verlassen. Vor ihm:
Zukunft, Weg, Ziel statt ewige Wiederkehr des Gleichen. Abraham entdeckt den
Gott der Geschichte, der auch Schöpfer ist, aber eben auch der mitgehende Behüter.
*
Wir sind doch Brüder
Da zog Abraham aus mit seiner Frau Sara und aller Habe,
und Schwager Lot und dessen Familie zog mit. Abraham war fünfundsiebzig Jahre
alt, als er aus Haran zog, um im Land Kanaan zu wohnen. Er baute bei Sichem
einen Altar und östlich der Stadt Bethel, danach zog Abraham weiter ins
Südland. In den langen Jahren der Wanderzeit (als Nomade) wurde er reich an Vieh, Silber und Gold.
Lot hatte auch viele Schafe, Rinder und Zelte. Aber das Land konnte beide nicht ertragen, immer war Zank zwischen den
Hirten von Abrahams Vieh und den Hirten von Lots Vieh.
Da sprach Abraham zu Lot: Lass doch nicht Zank sein
zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten. Wir sind doch
Brüder! Steht dir nicht alles Land offen? Trenne dich doch von mir! Willst du
zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich
zur Linken.
Da erwählte sich Lot die ganze wasserreiche Gegend am
Jordan und zog nach Osten. Also trennte sich einer vom andern.
Abraham wohnte im Lande Kanaan und Lot in den Städten
am unteren Jordan, bis nach Sodom zog er mit seinen Zelten. Die Leute von Sodom
aber waren böse.
Streit zwischen Brüdern, Familien, Mitarbeitern
geschieht. Das Kunstwerk ist nur, wie damit hinreichend friedlich zu leben?
Abraham macht das vorbildlich. Er schlägt Trennung vor, lässt aber Lot die
erste Wahl. Das Geheimnis seiner und
aller Großzügigkeit ist das Wissen, gesegnet zu sein. Und darum gönnen können.
*
Sara, Abrahams Frau, bekam keine Kinder. Sie hatte
aber eine ägyptische Magd, die hieß Hagar. Und Sara sprach zu Abraham: Siehe,
Gott hat es verfügt, dass ich nicht schwanger werde. Geh zu meiner Magd, ob ich
vielleicht durch sie zu einem Sohn komme. Und Abraham hörte auf Sara.
Er schlief mit Hagar, die ward schwanger. Da fing sie
an, ihre Herrin zu verachten. Da sprach Sara zu Abraham: Das Unrecht, das mir
geschieht, komme über dich! Ich habe meine Magd dir in die Arme gegeben; nun
sie aber sieht, dass sie schwanger geworden ist, bin ich in ihren Augen verachtet. Gott sei Richter
zwischen mir und dir. Und Sara demütigte sie, da floh sie von ihnen weg in die
Wüste.
Aber der Engel Gottes fand sie bei einer Wasserquelle
in der Wüste und sprach zu ihr: Den Sohn,
den du gebären wirst, sollst du Ismael
nennen.- was heißt: „Der Herr hat dein Elend erhört“. Und Hagar nannte fortan
den Herrn: “Du bist ein Gott, der mich
sieht.“
Später wurde Sara doch noch schwanger. Und als sie
ihr Kind geboren hatte, sprach sie zu
Abraham: Treibe Hagar von uns mit ihrem Sohn; denn der Sohn dieser Magd soll
nicht erben mit meinem Sohn Isaak. Das Wort missfiel Abraham sehr um seines
Sohnes Ismael willen.
Aber Gott sprach zu ihm: Lass es dir so gefallen.
(17,19) Ich will Sara segnen und nach Isaak soll dein Geschlecht benannt
werden. Er soll zu einem großen Volk werden. Aber auch den Sohn der Magd will
ich zu einem Volk machen, er ist auch dein Sohn.
Da stand Abraham früh am Morgen auf und nahm Brot und
einen Schlauch mit Wasser und legte es Hagar auf die Schulter, dazu den Knaben,
und schickte sie fort. Da zog sie hin und irrte in der Wüste umher bei
Beerscheba.
Als nun das Wasser in dem Schlauch ausgegangen war, setzte
sie den Knaben unter einen Strauch ab und wartete gegenüber, einen Bogenschuss
weit; denn sie sprach: Ich kann nicht ansehen des Knaben Sterben. Und sie erhob
ihre Stimme und weinte.
Und der Engel Gottes rief Hagar vom Himmel her und
sprach zu ihr: Steh auf, nimm den Knaben und führe ihn an deiner Hand; denn ich
will ihn zum großen Volk machen. Und Gott tat ihr die Augen auf, dass sie einen
Wasserbrunnen sah. Und sie gab dem Knaben zu trinken.
Groß, die Geschichte der zwei alttestamentlichen Frauen.
Sara ist kinderlos. Sie gibt ihre Sklavin Hagar dem Abraham in die Arme: Er
soll mit ihr als Leihmutter für Sara ein Kind zeugen. Die stolze Ägypterin
Hagar triumphiert wohl, Sara staucht sie zurecht. Das Kind wird geboren. Später
wird Sara auch schwanger, sie gebiert den Isaak. Jetzt will sie Hagar und deren
Söhnchen aus den Augen haben. Sie veranlasst den Abraham, beide vom Hof zu
treiben. Nah am Verdursten, rettet sie ein Engel, eine Quelle lag offen vor
ihren Füßen.
Gott gibt dem erst Kinderlosen zwei Söhne. Auch Ismael
soll ein großes Volk werden. Aber aus Isaak soll das besondere Volk Gottes
werden, ein Segen für alle Geschlechter auf Erden. Und doch sind auch die von
Ismael stammenden Völker doch Völker Gottes. Abraham wird der Vater der
Ökumene: Vater des Glaubens von Juden und Christen und Moslems zugunsten der
ganzen Menschheit. -
Der islamischen Tradition gilt Ismael als Ahnherr der
Araber. Schon das alte Testament kennt den palästinensischen Stämmeverbund der
Ismaeliten als Feinde Israels. Der Islam beruft sich auf den Segen, den Gott
auch für Ismael hat. Beide - Israel und Araber haben in Abraham den einen
gemeinsamen Stammvater des Glaubens, sie sind Brudervölker.
Der Koran führt die Geschichte von Hagar in der Wüste
so weiter: Als die Quelle Semsem vor Hagar aufsprang, wusste sie, daß Gott
diesen Ort heiligte und ließ sich dort im Tal Kaaba nieder. Später baute
Abraham und Ismael dort ein Heiligtum. Ismael empfing vom Erzengel Gabriel den
bis heute in Mekka aufbewahrten Stein, der aus Trauer über den Götzendienst in
der Welt zum „Schwarzen Stein“ geworden ist.
Die Rivalität der Weltanschauungen heute hat tiefe
Wurzeln. Auch die Christenheit hat aufzuholen im Verständnis des Islams. Lange
galt der Islam den christlichen Kirchen als Häresie oder böswillige Verdrehung
christlicher Wahrheiten. Dabei gewann der Prophet Muhammed (+632) durch
Visionen die Gewissheit, er müsse die Basis des jüdischen und des christlichen,
ja des ganzen Menschheitsglaubens wieder zur Geltung bringen: die völlige
Hingabe (das arabische Wort dafür: Islam) an den allmächtigen und barmherzigen
Gott. Eine weltliche Sphäre jenseits von
Gottes Heiligkeit und Ruf in den Gehorsam gibt es nicht: Der Mensch hat
ungeteilt Gott zu dienen, alles Tun ist Gottesdienst und untersteht einer Geistlichen
Aufsicht.
Eine Sensation gelang der Türkei unter Atatürk. In
einem islamischen Land setzte er die Trennung von Moschee und Staat durch. Bis
heute kämpfen ungezählte Schattierrungen von Islam um die Wahrheit. Die der
Moderne zugewandte Seite hält Demokratie und Gleichberechtigung der Frau für
durchaus vereinbar mit dem Islam, der Sufismus verehrt Gott als die reine Liebe, im Iran gewinnt gerade eine
Richtung die Oberhand, der Toleranz und Freizügigkeit als gotteslästerlich gilt.
Wir Europäer, durch die Nietzsche-Marx- und Feuerbäche
Gegangenen, die wir nichts Heiliges mehr zu wissen scheinen außer unserer Ruhe,
lächeln beim Thema „Gotteslästerung“ meist nur müde. Das Thema Gottesverachtung ist durch Auschwitz und die Atombombe und die Millionen
Hungertoten jährlich ziemlich aufgebraucht. Darum fiel uns die Karikatur vom Propheten mit Bombe im
Turban erst auf, als viele Moslems diese Zeichnungen als Schändung Ihres
Glaubens lasen. Wir hier müssen verstehen lernen.
*
Und Gott erschien Abraham, während er an der Tür
seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war. Drei Männer standen vor ihm.
Vor denen neigte er sich zur Erde und sprach: Ich will euch bewirten, dass ihr
euer Herz labt; danach mögt ihr weiterziehen. Und er trug Kuchen, Butter und
Milch auf, schlachtete ein Kalb und bereitete es zu. Dann setzte er es ihnen
vor und wartete ihnen auf. Er blieb dabei stehen vor ihnen unter dem Baum und
sie aßen.
Da sprach Gott: Ich will wieder zu dir kommen übers
Jahr. Dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter der
Tür des Zeltes. Sie lachte bei sich selbst und sprach: Nun ich alt bin, soll
ich noch der Liebe pflegen, und mein Abraham ist doch auch alt! Der Herr
sprach: Ihr werdet sehen, übers Jahr soll Sara einen Sohn haben.
1. Mose 18, 1-15
(Diese Geschichte steht zwischen Ismaels und Isaaks
Geburt) Eigentümlich diese Begebenheit: In drei Gestalten der eine Gott- ein
starkes Inkognito. Abraham fremdelt nicht, er ist sofort gastfrei, sicher hat
er die gottvolle Aura gespürt. Ein Kind
wird ihnen verheißen, Sara lacht; sie, wissend, hält es für unmöglich. Sara
lacht- das ist auch ein Lockruf, auch im Alter Neues zu erwarten.
Die Dreifach-Erscheinung hier hat später die Kirche aufgenommen als Vorbild für die
trinitarische (drei in eins) Idee von Gott. Die wundersame Mutterschaft der
Sara wiederholt sich bei Maria.
*
Abrahams Handel mit Gott
Und Gott sprach zu Abraham: Es ist großes Geschrei
über Sodom und Gomorra, dass ihre Sünden sehr schwer sind. Ich will hinabfahren
und sehen und strafen.
Abraham aber sprach: Willst du denn den Gerechten mit
dem Gottlosen umbringen? Es könnten vielleicht fünfzig Gerechte in der Stadt
sein; kannst du die umbringen und dem Ort nicht vergeben trotz fünfzig
Gerechter?
Gott sprach: Finde ich fünfzig Gerechte in der Stadt,
so will ich um ihretwillen dem ganzen Ort vergeben. Abraham antwortete und
sprach: Ach siehe, ich habe mir herausgenommen, zu reden mit dem Herrn, wiewohl
ich von Erde genommen bin.
Es könnten vielleicht fünf weniger als fünfzig
Gerechte darin sein; und dann? Würdest
du die ganze Stadt verderben um der fünf willen? Er sprach: Finde ich
darin fünfundvierzig, so will ich sie nicht verderben.
Und er fuhr fort mit ihm zu reden und sprach: Man
könnte vielleicht nur vierzig darin finden. Er aber sprach: Ich will ihnen
nichts tun um der vierzig willen.
Abraham sprach: Zürne nicht, Herr, dass ich noch mehr
rede. Man könnte vielleicht nur dreißig darin finden. Er aber sprach: Finde ich
dreißig darin, so will ich ihnen nichts tun.
Und er sprach: Ach siehe, ich habe mich getraut, mit
dem Herrn zu reden. Man könnte vielleicht zwanzig darin finden. Er antwortete:
Ich will sie nicht verderben um der zwanzig willen. Und er sprach: Ach, zürne
nicht, Herr, dass ich nur noch einmal rede. Man könnte vielleicht nur zehn
darin finden. Er aber sprach: Ich will sie nicht verderben um der zehn willen.
1.Mose 18, 20-32
Gott hält viel von Abraham, er zieht ihn ins Vertrauen
über Sodoms Schuld. Uralt ist die Vorstellung, Gott müsse erst mal an den
Tatort, um zu wissen. Modern dagegen ist fast schon, dass Abraham wagt, wie ein
Teppichhändler auf dem Bazar mit Gott zu feilschen. Es ist, als würde Gott vom
Menschen lernen, dass Kollektivhaftung
nicht gottgewollt sein kann; klar, dass Gott nicht die Gerechten mit den
Ungerechten umkommen lassen darf. Bei Gott gibt es wohl eine umgekehrte
Kollektivhaftung: Die wenigen erlösen die vielen.
Ergreifend auch: Gott lässt mit sich reden- er braucht
das Gespräch mit seinen Auserwählten.
*
Eine wüste
Geschichte
Zwei Engel kamen
nach Sodom am Abend; Lot aber sah sie, er stand auf, ging ihnen entgegen und
neigte sich bis zur Erde und sprach: Ihr lieben Herren, kehrt doch ein im Hause
eures Knechts und bleibt über Nacht.
Aber als sie einkehrten, kamen Leute der Stadt Sodom und umgaben das
Haus,
und riefen Lot
und sprachen zu ihm: Wo sind die Männer, die zu dir gekommen sind? Führe sie
heraus zu uns, dass wir uns über sie hermachen. Lot ging heraus zu ihnen vor
die Tür und sprach: Ach, liebe Brüder, tut nichts Böses den Fremden!
Siehe, ich habe
zwei Töchter, die wissen noch von keinem Manne; die will ich herausgeben unter
euch und tut mit ihnen, was euch gefällt; aber diesen Männern tut nichts, denn
sie sind unter den Schatten meines Daches gekommen.
Die Engel-Männer
griffen aber hinaus und zogen Lot herein ins Haus und schlossen die Tür zu. Und
sie schlugen die Leute vor der Tür des Hauses mit Blindheit, sodass sie es
aufgaben, die Tür zu finden.
Und die Männer
sprachen zu Lot: Hast du hier noch Verwandte? Die führe mit weg aus dieser
Stadt. Denn wir werden diese Stätte verderben.
Als nun die
Morgenröte aufging, drängten die Engel Lot zur Eile und sprachen: Rettet euer
Leben und seht nicht hinter euch. Da ließ Gott Schwefel und Feuer regnen vom
Himmel herab auf Sodom und Gomorra Und Lots Frau sah hinter sich und wurde zur
Salzsäule.
Es kann ein Vulkanausbruch gewesen sein, mittels
dessen die Städte Sodom und Gomorra in Schutt und Asche fielen. Man verstand
die Katastrophe als Strafe Gottes für die sprichwörtlich gewordene sodomitische
Unzucht.
Wir tun recht daran, Unglück mit unserem Tun in
Verbindung zu bringen. Leben ist ja Konflikte lösen und Unglück ist auch immer
ein Lehrstück für Versagen und
Bessermachen. Katastrophen sind ja immer auch menschgemacht, jedenfalls
wurden immer Warnungen überhört aus Sorglosigkeit und Selbstsucht. Man braucht nicht ein direkte Eingriffe
Gottes in die Geschichte anzunehmen, die Menschheitsgeschichte ist auch so
Gottes Geschichte mit den Menschen.
Boten mit Vollmacht werden gesandt, um Lot und die
Seinen zu retten. Die Boten werden von Leuten aus Sodom angegriffen. Lot bietet
seine Töchter als „Freiwild“ an, die Gastfreundschaft war ihm den Verrat an den
Töchtern wert. Frauenhandel und
Kindesmissbrauch waren noch üblich. Die patriarchalische Mannesehre galt viel.
Mag sein, daß die Frau des Lot an den ungeweinten Tränen ihrer Mitwisserschaft
erstickte. Ihr Zurückschauen, ihr Gebanntbleiben in Vergangenheit wurde ihr zum
Verhängnis.
*
Kein
Menschenopfer mehr
Gott stellte Abraham auf eine fürchterliche Probe. Er
sprach: Abraham! Und der antwortete: Hier bin ich. Und er sprach: Nimm Isaak,
deinen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn
dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir zeigen werde.
Da stand Abraham früh am Morgen auf, spaltete Holz zum
Brandopfer, bepackte den Esel und nahm seinen Sohn Isaak und sie machten sich auf.
Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah
die Stätte von ferne. Er legte das Holz
zum Brandopfer dem Sohn auf. Er nahm das Feuer und das Messer; und gingen die
beiden miteinander.
Da sprach Isaak zu seinem Vater: Mein Vater! Abraham
antwortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer und
Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer?
Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen
ein Schaf zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander. Und als sie an die
Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und
legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben
auf das Holz und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen
Sohn schlachte.
Da rief ihn der Engel des Herrn vom Himmel und sprach:
Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich.
Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu
ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Ehrfurcht zu Gott hegst und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont
um meinetwillen.
Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder
hinter sich in der Hecke mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den
Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt. Und Abraham
nannte die Stätte »Der Herr sieht«. Daher sagt man bis heute: Morija- der Berg,
da der Herr sieht.
Daß Gott uns auf die Probe stellt, um unser
Gottvertrauen auszuloten, das soll uns unvorstellbar sein- Und doch sehen sich Menschen in Versuchung geführt,
sehen sich vor Entscheidungen gestellt, die nicht unschuldig lassen. Auch dann haben wir mit Gott zu tun. Entscheidungen
klären uns, sie zeigen unser wahres Gesicht, zunächst uns selbst, dann auch den
Mitmenschen und natürlich Gott, der um uns aber immer schon weiss.
Sicher hat Gott nicht dem Abraham den Sohn abverlangt,
um seinen Glauben zu testen. Aber Menschen haben sich lange ausgeliefert
gesehen wilden, herrischen Göttern; Menschenopfer waren gang und gäbe- an
Götter oder fürs Vaterland oder den Familienclan.
Jedenfalls ist dies die Geschichte von der Ablösung
des Menschenopfer durch das Tieropfer, wenn auch verpackt in einen
schauerlichen Befehl.
Israel und viele andere Menschen in Verzweiflung nahmen
„Vater Abraham“ zum Vorbild: Wenn Gott auch das Pfand seines Glücks-Versprechens
uns aus der Hand windet, hat er doch Wege, seine Verheißung zu erfüllen. Müssen
wir auch durch Finsternisse, sind diese nicht Endstation. In diesem Sinne darf die Bitte: „Führe uns nicht in
Versuchung“ so verstanden werden: „Vater, führe uns durch die Versuchungen“.
*
Eine Frau für
Isaak
Abraham war alt geworden, seine Sara war gestorben, er
hat sie in der Höhle Machpela, dem Erbbegräbnis östlich von Hebron, begraben.
Überreich hatte Gott sie gesegnet.
Abraham sprach zu seinem Großknecht Elieser: Zieh zu
meiner Verwandtschaft und nimm meinem Sohn Isaak dort eine Frau. Gott wird
seinen Engel vor dir her senden, dass du die Richtige findest. Wenn aber die
Frau dir nicht folgen will, so bist du vom Auftrag befreit.
Elieser nahm zehn Kamele und noch allerlei Güter
seines Herrn und machte sich auf und zog nach Mesopotamien, zu der Stadt Nahor.
Abraham lässt bei seiner Verwandtschaft in seiner
alten Heimat nach einer Frau für Isaak suchen. Er scheint sich des Findens
sicher zu sein: Gott wird einen Engel vor dir hersenden, sagt er dem
Brautwerber. Traumhaft, diese sonnige Gewissheit, daß die Richtige schon da
ist. Herrlich auch der Respekt vor der Selbstbestimmtheit der Frau: Wenn die
Richtige aber nicht in die Fremde mit will, dann kann man nichts machen.
*
Nach langer Reise ließ Elieser die Kamele sich lagern
draußen vor der Stadt Nahor bei dem Wasserbrunnen des Abends um die Zeit, da
die Frauen kamen um Wasser zu schöpfen.
Und er sprach: Du Gott Abrahams, lass es mir heute
gelingen. Das erste Mädchen das zum Wasserschöpfen kommt, und bereitwillig mir
zu trinken gibt und meinen Tieren, die soll mir als von Dir bestimmt gelten.
Und ehe er ausgeredet hatte, kam ein Mädchen heraus, schön von Angesicht, und trug
einen Krug auf ihrer Schulter. Die stieg hinab zum Brunnen, füllte den Krug und
stieg wieder herauf. Da bat sie Elieser um Wasser.
Und sie sprach: Trinke, mein Herr! Und eilends ließ
sie den Krug hernieder auf ihre Hand und gab ihm zu trinken. Dann sprach sie:
Ich will deinen Kamelen auch schöpfen, bis auch sie getrunken haben.
Elieser aber betrachtete sie und schwieg still, abwartend,
ob Gott zu seiner Reise Gnade geben werde. Dann
nahm er einen goldenen Stirnreif und zwei goldene Armreifen und sprach:
Wessen Tochter bist du? Sie sprach zu ihm: Ich bin Rebekka, die Tochter
Betuëls, des Sohnes der Milka, den sie dem Nahor, dem Bruders Abrahams geboren
hat. Und Raum zur Herberge haben wir auch
genug. Da neigte sich Elieser und betete zu Gott.
Das Mädchen aber lief und sagte alles in ihrer Mutter
Hause. Und Rebekka hatte einen Bruder, der hieß Laban; und Laban lief zu dem
Mann draußen bei dem Brunnen. Und sprach: Komm herein, du Gesegneter des Herrn!
Und man lud ihn ein zum Essen. Er sprach aber: Ich
will nicht essen, bis ich zuvor meine Sache vorgebracht habe. Sie antworteten:
Sage an! Und Elieser sagte von Abraham, von seines Herrn Auftrag, dass er für
den Sohn aus der Verwandtschaft um eine Frau werben solle und es habe sich
gefügt, daß diese junge Frau vom Herrn erwählt scheint, denn sie kam als erste
zum Brunnen und stillte meinen Durst.
Da antworteten Laban und Betuël und sprachen: Das kommt
von Gott, darum können wir nichts weiter dazu sagen. Wir sind einverstanden,
dass sie die Frau werde des Sohnes deines Herrn.
Am Morgen aber sprach er: Lasst mich ziehen zu meinem
Herrn, haltet mich nicht auf, denn Gott
hat Gnade zu meiner Reise gegeben. Da sprachen sie: Wir wollen das
Mädchen rufen und fragen, was sie dazu sagt.
Und sie riefen Rebekka und sprachen zu ihr: Willst du
mit diesem Manne ziehen? Sie antwortete: Ja, ich will es.
Da ließen sie Rebekka ziehen mit Abrahams Knecht und ihre
Amme ging auch mit. Und sie segneten Rebekka und sprachen zu ihr: Du, unsere Tochter,
unsere Schwester wachse vieltausendmal tausend, und dein Geschlecht nehme die
Tore von Gottes Feinden ein.
So machte sich Rebekka auf und zog mit Abrahams Knecht
davon.
Diese freundliche Erzählung hat noch die Anmut der orientalischen
Märchenerzähler. Die wollen unterhalten und
belehren. Erst später wurde die ursprünglich selbstständige Geschichte
in die Sammlung der heiligen Schriften
eingearbeitet.
Spannend bleibt, wie Elieser herausfindet, dass Gott
Gnade zu seiner Reise gegeben hat. Erstens geht er davon aus, dass er im
Dienste des Herrn unterwegs ist. Und zweitens schlägt er Gott ein
Erkennungs-Schema vor. Er wagt, Gott festzulegen, um sich Kenntnis zu
beschaffen. Aber es bleibt die Freiheit Gottes gewahrt. Und auch die Frau muss
zustimmen. Ihr sofortiges Mitgehen zeigt, dass auch die Frau, von Gott sich
auserwählt weiss und damit Geschichte nicht als
Leere sieht oder als klumpigen Haufen von Komplikationen. Geschichte
leuchtet hier auf als von Gottes
Willen und menschlichem Zutun gemeinsam Geschichtetes.
*
Und Abraham starb in einem schönen Alter, alt und
lebenssatt, und wurde zu seinen Vätern und Müttern versammelt. Isaak nahm die Rebekka zur Frau und sie gewannen sich lieb. Und Gott
segnete sie. Und Rebekka wurde
schwanger, es waren Zwillinge, die stießen sich schon im Mutterleib.
Der erste, der herauskam, war rötlich, ganz rau wie mit
Fell, und sie nannten ihn Esau. Danach kam sein Bruder heraus; der hielt mit
seiner Hand die Ferse des Esau, und sie nannten ihn Jakob (d.h. Fersenhalter).
Esau wurde ein tüchtiger Jäger, ein Mann der Natur. Jakob aber wurde ein Mensch des Nachdenkens
und der Häuslichkeit.
Und Isaak hatte Esau lieb, er aß gern von seinem
Wildbret; Rebekka aber hatte Jakob lieb.
Von Abraham und
Isaak zu Jakob führt der Segen Gottes: Jakob gilt als Stammvater der zwölf Söhne, von denen die zwölf Stämme Israels
abstammen. Wie verquer, wie am seidenen Faden, wie wunderbar die Geschichte Israels von Anfang an lief,
das erzählte sich Israel in all seinen bedrohten Zeiten:
Es begann schon mit der langen Kinderlosigkeit des
Abraham und der Sara. Verheißen war, dass aus ihnen ein Volk wird, aber ein
Volk fängt mit zumindest einem Nachkommen an. Als der dann endlich da war,
waren Gefahren die Fülle zu bestehen, in
denen Gott den Verheißenen zurück zu fordern schien.
Dann wurde Isaak erwachsen, Der Segen sollte
weitergehen, aber schien schon bei den Zwillingen zu stocken. Schon im
Mutterleib befehden sie sich, liefern sich ein Wettrennen um die Rangfolge. Und
die Eltern befehden sich wegen ihrer jeweiligen Lieblinge. Der Segen der Väter
steht dem Ältesten zu, hätte Gott den nicht gewollt, hätte er ihn ja als
Zweiten zur Welt kommen lassen können.
Beglückend:1.Mose 25,7:Abraham starb in schönem Alter,
lebenssatt. Das ist der Traum vom friedlichen Sterben, dankbar zur Ruhe kommen
nach Mühe und Arbeit und heimkehren zu
den Vorangegangenen.
*
Und Jakob kochte ein Gericht. Da kam Esau vom Feld und war müde
und sprach zu
Jakob: Lass mich essen das rote Gericht; denn ich bin müde. Und Jakob sprach:
Verkaufe mir deine Erstgeburt, sofort jetzt.
Esau antwortete: Ich muss sowieso sterben; was soll mir da die
Erstgeburt?
Jakob sprach: So
schwöre mir, du trittst sie mir ab. Und Esau
schwor ihm und verkaufte Jakob seine Erstgeburt. Da gab ihm Jakob das
Linsengericht, und er aß und trank und stand auf und ging davon.
Bis heute ist Esaus verächtlicher Umgang mit einem
hohen Gut sprichwörtlich. Da stürmt dieser Raubauz ins Haus. Der Duft seiner
Lieblingsspeise erregt seinen Heißhunger. Jakob macht sich diese Gier zu Nutze,
nimmt ihm den Eid ab, daß er als Ältester auf sein Erstgeburtsrecht verzichte.
Vielleicht war ihm die Verheißung Gottes vom großen Volk eine Nummer zu groß
und er fühlte sich für die großen Pläne Gottes zu klein, wollte nicht ins
Rampenlicht, wollte gern sein eigener Herr bleiben. Gott schien ihn verstanden
zu haben und ließ ihn später auf andere Weise Karriere machen.
*
Mutter und Sohn täuschen Isaak
Als Isaak alt geworden war und seine Augen schwach,
rief er Esau, seinen älteren Sohn, und sprach zu ihm: Mein Sohn! Geh aufs Feld
und jage mir ein Wildbret und mach mir ein Essen, wie ich’s gern habe, und
bring mir’s herein, dass ich esse, auf dass dich meine Seele segne, ehe ich
sterbe.
Rebekka aber hörte diese Worte, ging zu Jakob, ihrem
Sohn, und sprach: Tu, was ich dir sage. Geh hin zu der Herde und hole mir zwei
gute Böcklein, dass ich deinem Vater ein Essen davon mache, wie er’s gerne hat.
Das sollst du ihm auftischen, dass er esse und dich segne vor seinem Tod.
Jakob aber sprach zu seiner Mutter Rebekka: Siehe,
mein Bruder Esau ist rau, doch ich bin glatt; mein Vater könnte mich betasten,
und ich würde vor ihm dastehen, als ob ich ihn betrügen wollte, und brächte
über mich einen Fluch und nicht einen Segen.
Da sprach seine Mutter zu ihm: Der Fluch komme über
mich, mein Sohn; verlasse dich auf mich.
Da ging er hin und holte die Zicklein und brachte sie seiner Mutter. Die
machte ein Essen, wie es sein Vater
gerne hatte.
Und sie nahm Esaus Feierkleider und zog sie Jakob an.
Und Felle von den Zicklein tat sie ihm
um seine Hände und wo er glatt war am Halse. Dann gab sie das Mahl in seine Hand. Er ging
hinein zu seinem Vater und sprach: Mein Vater! Er antwortete: Hier bin ich. Wer
bist du, mein Sohn? Jakob sprach zu seinem Vater: Ich bin Esau, dein Erstgeborener;
komm nun, setze dich und iss von meinem Wildbret, auf dass mich deine Seele
segne.
Isaak aber sprach zu seinem Sohn: Wie hast du es so
schnell gefunden, mein Sohn? Er antwortete: Der Herr, dein Gott, bescherte
mir’s. Da sprach Isaak zu Jakob: Tritt herzu, mein Sohn, dass ich dich betaste,
ob du mein Sohn Esau bist oder nicht. So trat Jakob zu seinem Vater Isaak. Und
als er ihn betastet hatte, sprach er: Die Stimme ist Jakobs Stimme, aber die
Hände sind Esaus Hände. Und sprach: Bist du mein Sohn Esau? Er antwortete: Ja,
ich bin’s.
Da sprach er: So bringe mir her, mein Sohn, zu essen
von deinem Wildbret, dass dich meine Seele segne. Da brachte er’s ihm und er
aß; und er trug ihm auch Wein hinein und er trank.
Und Isaak, sein Vater, sprach zu ihm: Komm her und
küsse mich, mein Sohn! Er trat hinzu und küsste ihn. Da roch er den Geruch
seiner Kleider und segnete ihn und sprach: Siehe, der Geruch meines Sohnes ist
wie der Geruch des Feldes, das der Herr gesegnet hat. Gott gebe dir vom Tau des
Himmels und von der Fruchtbarkeit der Erde und Korn und Wein die Fülle. Völker
sollen dir dienen, und Stämme sollen dir zu Füßen fallen. Sei Herr über deine
Brüder. Verflucht sei, wer dir flucht; gesegnet sei, wer dich segnet!
Als nun Isaak den Segen über Jakob vollendet hatte und
Jakob kaum hinausgegangen war von seinem Vater Isaak, da kam Esau, von der Jagd
und machte auch ein Essen und trug’s hinein zu seinem Vater und sprach zu ihm:
Richte dich auf, mein Vater, und iss von dem Wildbret deines Sohnes, dass mich
deine Seele segne.
Da antwortete ihm Isaak, sein Vater: Wer bist du? Er
sprach: Ich bin Esau, dein erstgeborener Sohn. Da entsetzte sich Isaak über die
Maßen sehr und sprach: Wer? Wo ist denn der Jäger, der mir zuvor aufgetischt
hat, und ich habe von allem gegessen, ehe du kamst, und habe ihn gesegnet? Und
er wird auch gesegnet bleiben.
Als Esau diese Worte seines Vaters hörte, schrie er
laut und wurde über die Maßen traurig und sprach zu seinem Vater: Hast du denn
nur einen Segen, mein Vater? Segne mich auch, mein Vater! Und er weinte sehr.
Da antwortete sein Vater: Von deinem Schwerte wirst du dich nähren, und deinem
Bruder sollst du dienen. Aber einst wirst du sein Joch von deinem Halse reißen.
Und Esau war voll Hass und sprach bei sich:
ich will meinen Bruder Jakob umbringen.
Das wurden Rebekka hinterbracht. Und sie ließ Jakob
warnen: Dein Bruder Esau droht, dich umzubringen. Mach dich auf und flieh,
flieh zu meinem Bruder Laban nach Haran.
Wie Menschen falsch spielen können- dafür ist Rebekka
ein Beispiel. Sie weiß, daß sie Unrecht einfädelt und will den Fluch, wenn er
denn komme, auf sich ziehen. Doch Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade.
Er nutzt unsere Taten und Untaten. Besessene Mutterliebe fädelt das
Schurkenstück ein, das nötig ist, um den Vatersegen auf den Gottgewollten zu
lenken. Wird Rebekka von Gott verführt zum Unrecht? Wir müssen davon ausgehen, dass
Rebekka tat, was sie wollte. Und Gott damit machte, was Er wollte.
Wir sehen nicht, was wird. Uns bleibt nur die
Hoffnung, dass vom Ende her das Geschehen seine Rechtfertigung findet und das Ende in ein Ziel mündet, welches die
Auflösung aller Verwicklungen bringt.
Schon Esau wird im Laufe der Zeit seinen Frieden mit
dem Dieb machen, auch weil er lernt, dass Jakob nur tat, was er tun musste.
Letztlich ist es doch Gott, der zusammenfügt das Finden des innersten Wesens
und das Eintreffen der äußeren Zufälle. Doch werden zu als der man gedacht ist,
ist harte Arbeit.
*
Jakob machte sich auf nach Haran und kam an eine
Stätte, die zum Nachtlager einlud- die Sonne war untergegangen. Und es träumte
ihm, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und
Engel stiegen daran auf und nieder.
Und oben stand Gott und sprach: Jakob, ich bin der
Gott Abrahams und Isaaks und will auch dein Gott sein. Das Land, darauf du liegst,
will ich dir und deinen Nachkommen geben, die sollen zahlreich werden wie der Staub auf Erden, und durch
dich und deine Nachkommen soll die ganze Menschheit gesegnet werden. Ich bin
mit dir und will dich behüten und will dich nicht verlassen, bis alles
eingetroffen ist, was ich dir zugesagt habe.
Als nun Jakob von seinem Schlaf aufwachte, schauderte
ihn. In Ehrfurcht eingehüllt sprach er: Hier ist ein Ort Gottes, hier ist die
Pforte des Himmels. Und Jakob nahm den Stein, auf dem sein Haupt geruht hatte,
und richtete ihn auf und baute einen
Altar. Er nannte die Stätte Bethel -
Haus Gottes.
1. Mose 28, 10-21
Im Traum eine Leiter sehen, an der die Engel auf und
nieder steigen: Jakob sieht sich in einer
nicht enden wollenden Verbindung zu Gott. Engel bilden eine Art
Räuberleiter (Peter Handke). Ihm geschieht Verknüpfung. Er beschafft sie nicht
durch gute Taten oder Geheimwissen. Gott setzt sich mit ihm in Verbindung,
erwählt ihn, überschüttet ihn mit Glücksverheißung. Und keiner geht dabei leer
aus; alle Welt soll davon profitieren.
Auch uns kann der Weg zum Himmel offen stehen. Bedenk
deine Bilder, in denen Gott sich dir nahte. Wo du leer vor Glück warst, da
warst du gottvoll. Wir können uns einander Himmelsleiter sein, uns heil machen,
ein Stück weit.
Am Leben sein, heißt, auf dem Weg sein. Obwohl Jakob
einen Ort findet voll Heiligkeit, geht er weiter. Er baut einen Altar zum
bleibenden Gedächtnis aber geht weiter, gewiss, dass sein Gott mit ihm
unterwegs ist.
*
Jakob ging weiter nach Osten. Nach langen Tagen kam er
an einen Brunnen. Herden waren versammelt und Hirten. Jakob sprach zu ihnen:
Liebe Brüder, wo seid ihr her? Sie antworteten: Wir sind von Haran. Er sprach
zu ihnen: Kennt ihr auch Laban, den Sohn Nahors? Sie antworteten: Ja, wir
kennen ihn. Er sprach: Geht es ihm auch gut? Sie antworteten: Es geht ihm gut;
und da kommt seine Tochter Rahel mit den Schafen.
Als Jakob aber Rahel sah, die Tochter Labans, des
Bruders seiner Mutter, trat er hinzu und tränkte ihr die Schafe. Und er küsste
Rahel und weinte laut.
Dann sagte er, dass er ihres Vaters Verwandter wäre
und Rebekkas Sohn. Da lief sie und sagte es ihrem Vater. Als aber Laban hörte
von Jakob, seiner Schwester Sohn, lief er ihm entgegen und herzte und küsste
ihn und führte ihn in sein Haus. Da erzählte er Laban alles, was sich begeben
hatte.
1. Mose 29,1-12
Der Kranz der Jakobserzählungen ist hinreißend schön.
Sie sind wahr. Sie sind Menschheitswissen. Beglückend- wie aus der Flucht eine
Brautschau wird. Der Gottesliebling findet die richtige Frau, aber es sind
zwei.
Erst mal tut Jakob instinktiv das für den guten Weg
Nötige- an der Meute der staunenden Hirten vorbei verschafft er der Richtigen
Vortritt zum Wasser, dann tränkt er das Vieh, was gemeinhin als Frauenarbeit
galt. Dann küsst er sie und jetzt erst stellt er sich als Verwandten vor. Er
geht mit großem Selbstbewusstsein zu Werke, er weiß sich mit Gott im Bunde und
nutzt diese Beziehung zielstrebig.
*
Jakob war schon einen Monat im Haus und hatte sich
nützlich gemacht. Dann sprach Laban zu
Jakob: Bleib hier, du machst gute Arbeit. Sage, was willst du an Lohn haben?
Laban hatte zwei Töchter; die ältere hieß Lea, die jüngere Rahel. Aber
Leas Augen waren ohne Glanz, Rahel dagegen war schön von Gestalt und von
Angesicht. –
Jakob hatte Rahel schon liebgewonnen und sagte zu
Laban: Ich will dir sieben Jahre um
Rahel dienen. Laban antwortete: Abgemacht. So diente Jakob um Rahel sieben
Jahre, und es kam ihm vor, als wären’s einzelne Tage, so lieb hatte er sie.
Und nach sieben Jahren sprach er zu Laban: Gib mir nun
meine Braut; denn die Zeit ist da. Da lud Laban alle Leute des Ortes ein und
machte ein Hochzeitsmahl. Am Abend aber nahm er seine Tochter Lea und brachte
sie zu Jakob; und sie feierten eine
herrliche Hochzeitsnacht. Am Morgen aber, siehe, da wars Lea.
Da sprach Jakob zu Laban: Warum hast du mir das
angetan? Habe ich dir nicht um Rahel gedient? Laban antwortete: Es ist nicht
Sitte in unserm Lande, dass man die Jüngere weggebe vor der Älteren. Halte mit
dieser die Hochzeitswoche, so will ich dir die andere auch geben für den
Dienst, den du bei mir noch weitere sieben Jahre leisten sollst. Und so geschah
es. Und er hatte Rahel lieber als Lea.
Unvorstellbar für uns Heutige, wie Vater Laban beide Töchtern an den Mann
brachte. Aber die Mehrehe war (und ist) auch eine soziale Institution, sie
geschah sicher im Einverständnis der Frauen. Und Jakob musste wohl zwei Frauen
lieben, um eben diese Kinder zu erden, die Gott genau durch Jakob und seine
Frauen zur Welt gebracht haben wollte.
Verzaubernd die orientalischen Hochzeitsbräuche, welche
die Braut verhüllt sein lassen, bis es zu spät ist für Rücktritt und Rückgabe.
Hier steht auch eine der wohl schönsten
Liebeserklärungen überhaupt: Die sieben Jahre Warten auf Rahel kamen ihm vor
wie nur sieben einzelne Tage, so lieb hatte er sie.
*
Und Lea wurde schwanger und schwanger. Sie gebar Ruben
und Simeon, Levi und Juda, Issachar und Sebulon; und Töchter, darunter die
Tochter Dina. Die von ihrer Magd Silpa geborenen Gad und Asser zählten auch als
Leas Eigene.
Rahel war lange kinderlos. Die von ihrer Magd Bilha geborenen
Dan und Naftali zählten als Rahels Eigene, waren ihr aber nur ein schwacher
Trost.
Dann erhörte Gott die Rahel und sie wurde schwanger
und gebar einen Sohn und sprach: Gott hat meine Schmach von mir genommen; sie
nannte ihn Josef. Und sprach: Gott, gib
mir noch einen Sohn dazu! Und sie gebar noch Benjamin.
Dramatisch hing früher Wohl und Wehe der Frauenwürde
von der Mutterschaft ab. Kinder galten als höchstes Gut des Mannes. Darum wurde
auch Jakobs Liebe zu Rahel auf eine harte Probe gestellt. Er musste auch Lea
lieben lernen, denn „Kinder sind eine Gabe Gottes“ (Psalm 127,3) - die Mutter
vieler Kinder galt als vom Herrn gesegnet. Später gebar auch Rahel noch; Jakob
und Benjamin wurden die Lieblingssöhne
auch des Jakob- und damit nimmt der Streit zwischen den Brüdern der einen und
der anderen seinen Lauf.
Uns will nicht in den Kopf, und braucht es auch nicht,
daß Gott so willkürlich mit der Zeugungs- und Gebärfähigkeit hantieren sollte.
Unsere Vorfahren im Glauben hatten eine andere Tendenz: Nicht sind wir
Spielball göttlicher Neigungen, sondern: Gottes Wege sind wunderbar: Die
Geliebte, die Schöne hat keinen Nachwuchs, die weniger Schöne strahlt durch
Kinder. So sind die Gaben verschieden, aber es ist ein Geber. Und der hat in
allem die Hand im Spiel.
*
Als Rahel den Josef geboren hatte, sprach Jakob zu
Laban: Lass mich zurück in mein Land
gehen. Laban aber sprach zu ihm: Bitte, bleib. Ich spüre, dass mich Gott segnet
um deinetwillen. Bestimme den Lohn, den ich dir geben soll.
Jakob sagte: Du weißt, wie ich dir gedient habe und
was aus deinem Vieh geworden ist unter mir. Nun wird es Zeit, daß ich für mein
Eigenes sorge.
Laban sagte: Ich gebe dir viel. Jakob antwortete: Du
sollst mir gar nichts geben; Lass mich machen, wie ich’s meine, so will ich
deine Schafe weiter hüten. Alle Schafe und Ziegen sind Deine, nur das Gefleckte
oder Schwarze soll mein sein. Und Laban: Es sei, wie du gesagt hast.
Und Jakob nahm frische Stäbe von Pappeln, Mandelbäumen
und Platanen und schälte weiße Streifen daran aus, sodass an den Stäben das
Weiße bloß wurde, und legte die Stäbe, die er geschält hatte, in die
Tränkrinnen, wo die Herden hinkommen mussten zu trinken, dass sie da empfangen
sollten, wenn sie zu trinken kämen. So wurden die Herden über den Stäben
trächtig und brachten viel mehr Gesprenkelte, Gefleckte und Bunte zur Welt.
Daher wurde Jakob über die Maßen reich,
sodass er viele Schafe und auch Mägde und Knechte, Kamele und Esel hatte.
Jakob aber täuschte Laban damit, dass er ihm nicht
ansagte, dass er ziehen wollte. So glich
sein Weggang eher einer Flucht. Auch hatte Rahel den Hausgott ihres
Elternhauses- eine kleine Statue- heimlich mitgehen lassen.
Laban jagte mit einer Mannschaft Jakob nach- und stellte sie am Gebirge
Gilead.
Aber Gott war zu Laban im Traum gekommen und sprach zu
ihm: Hüte dich, mit Jakob anders zu reden als freundlich. Laban sprach zu
Jakob: Warum bist du heimlich geflohen und hast mich hintergangen und hast mirs
nicht angesagt, dass ich dich geleitet hätte mit Freuden, mit Liedern, mit
Pauken und Harfen? Und hast mich nicht einmal lassen meine Enkel und meine Töchter
küssen? Nun, du hast töricht getan. Und wenn du schon weggezogen bist und
sehnst dich so sehr nach deines Vaters Hause, warum hast du mir dann meine Gottesstatue gestohlen?
Jakob antwortete und sprach zu Laban: Ich fürchtete
mich und dachte, du würdest deine Töchter von mir reißen. Bei wem du aber deine
Gottesfigur findest, der soll sterben. Jakob wusste aber nicht, dass Rahel sie gestohlen
hatte.
Da ging Laban in die Zelte Jakobs und Leas und Rahels
und fand nichts. Rahel aber hatte den Hausgott genommen und unter den
Kamelsattel gelegt und sich darauf gesetzt. Da sprach sie zu ihrem Vater:
Ich kann nicht aufstehen vor dir, denn
es geht mir nach der Frauen Weise. Daher fand er den Hausgott nicht, wie sehr
er auch suchte.
Nach langem Hin und Her kamen sie überein, einen Bund zu schließen
mit Gott als Zeugen: Und Laban sprach: Gott wache als Späher über mir und dir, dass
wir nicht in böser Absicht uns aufsuchen. Und dass du meine Töchter nicht
bedrückst oder andere Frauen dazunimmst zu meinen Töchtern. Und sie aßen und
gingen auseinander.
Warum bedient sich
Gott eines solchen Gauners? Und schützt ihn auch noch vor dem gerechten
Zorn? Wird damit Gott nicht auch Handlanger von Hinterlist? Es ist wohl so:
Gott ist nicht nur der Gute. Er ist der Ganze. Unter dem resoluten Singular
„Gott“ bricht sich im Menschenbewußtsein Bahn die eine, umfassende Energie. Die
ist für alles zuständig, aus ihr kommt auch das Vergewaltigten und Missbrauchen.
Der durchtriebene Jakob mästet sich an fremdem Gut, damit er dann Vater vieler
werden kann und selbst viele ernährt.
Gott ist ja ins Werden der Welt eingefleischt und ins
Werden dieser Familensaga hineingebunden, er ist auch auf leidvolle Weise an
die Hybris von Menschen gefesselt, eben weil er die Menschen liebt, auch die
Gauner.
*
Wie Jakob dem Esau die Wut abkauft
Am Morgen stand Laban früh auf, küsste seine Enkel und
Töchter und segnete sie und zog hin in seine Heimat. Auch Jakob zog seinen Weg. Und es begegneten ihm
die Engel Gottes. Er betete: Gott meines
Vaters Abraham und Gott meines Vaters Isaak, Du hast gesagt: Ich will dir
wohltun und deine Nachkommen zahlreich machen wie den Sand am Meer. Nun aber
kommt mein Bruder Esau mir entgegen, mich und die meinen umzubringen; rette
mich, Herr.
Und er blieb die Nacht da und bereitete von dem, was
er erworben hatte, Geschenke vor für
seinen Bruder Esau: zweihundert Ziegen und dreißig säugende Kamele mit ihren
Füllen, vierzig Kühe und zehn junge Stiere, zwanzig Eselinnen und zehn Esel.
Und beauftragte seine Knechte:
Geht vor mir her und lasst Raum zwischen den Herden.
Und sagte dem
ersten Knecht: Wenn dir mein Bruder Esau
begegnet und dich fragt: Wessen Eigentum ist das, was du vor dir hertreibst?
sollst du sagen: Es gehört deinem Knechte Jakob, der sendet es als Geschenk
seinem Herrn Esau und zieht hinter uns her. Ebenso gebot er auch dem zweiten
und dem dritten und allen, die den Herden nachgingen, und sprach: Wie ich euch
gesagt habe, so sagt zu Esau, wenn ihr ihm begegnet, und sagt ja auch: Siehe,
dein Knecht Jakob kommt hinter uns.
Denn er dachte:
Ich will ihn gnädig stimmen mit den Geschenken, die ich vor mir herschicke.
Danach will ich ihn sehen; vielleicht wird er mich annehmen. So ging das
riesige Geschenk vor ihm her; er aber blieb diese Nacht im Lager.
Nach wohl zwanzig Jahren wagt Jakob die Rückkehr. Und
er rechnet damit, dass Esaus Wut über die Segenprellerei noch frisch ist, wie
am ersten Tag. Jakob fleht zu Gott, der möge ihm beistehen gegen seinen Bruder.
Und gleichzeitig ist er höchst geschickt, seinen Bruder gnädig zu stimmen. Er
schickt, raffiniert gestaffelt, Berge von Geschenken- in der Hoffnung, dass
Esau, erschöpft vom Staunen, für die
Rache schlicht zu müde sei. Diese doppelte Vorsorge: Gott bitten und sich
selbst mühen, schlägt sich auch in einem Bildwort aus unserer Zeit nieder: Bete
zu Gott aber fahre fort, ans andere Ufer zu rudern.
*
Gesegnete hinken
Jakob stand auf in der Nacht und nahm seine beiden
Frauen und die beiden Mägde und seine elf Söhne und die Töchter und zog an die
Furt des Jabbok und führte sie über das Wasser, sodass hinüberkam, was er hatte.
Er aber ging noch mal allein zurück.
Da rang ein männliches Wesen mit ihm, bis die
Morgenröte anbrach. Und als er sah, dass er ihn nicht niederringen konnte,
schlug er ihn auf seine Hüfte. Und er sprach noch dringlicher: Lass mich gehen,
denn die Morgenröte bricht an. Aber Jakob antwortete: Ich lasse dich nicht, du
segnest mich denn.
Er sprach: Wie heißt du? Er antwortete: Jakob. Er
sprach: Du sollst nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel; denn du hast mit
Gott und mit Menschen gekämpft und hast gesiegt. Und er segnete ihn. Und Jakob
nannte die Stätte Pniël: Der Ort, da ihm die Sonne aufging.
1.Mose 32, 23-33
Jakob brachte seine Familie und seine Habe ans andere
Ufer, ging aber noch mal zurück, wollte wohl an der Schwelle zur Zukunft noch
mal im Gebet stille sein und nächtigte allein.
Ein Flussgott soll mit ihm gerungen haben, Jakob weiß
selbst nicht, wer genau; nur spürt er, dass es Segenskräfte sind, die Hand an
ihn legen. Es ist eine heilende Energie, die er nicht fahren lassen darf- er muss
kämpfen um sein Glück. Er bekommt Schläge, aber er will von Gott nicht lassen.
Er verkrallt sich richtig in das
Gegenüber, presst ihm den Segen ab. Dann,
als ihm die Sonne aufging, ist er getauft auf seinen neuen Namen:
Gotteskämpfer.
„Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn“ -kann
auch stehen für einen lebenslangen Kampf um das Gute oder um Gewissheit oder um
Gottes- und Selbsterkenntnis. Lebenslang wird Jakob hinken- Gesegnete haben
immer einen Schaden. Und die mit Schaden
haben auch ihre Portion Segen.
*
Jakobs Versöhnung mit Esau
Dann war es soweit- Jakob sah in der Ferne seinen
Bruder Esau kommen mit vielen Männern. Da stellte er seine Frauen und Kinder
auf und sich davor und sie gingen Esau entgegen, immer wieder sich bis zur Erde
beugend. Esau aber lief ihm entgegen und herzte ihn und fiel ihm um den Hals
und küsste ihn und sie weinten.
Und Esau sprach: Du hast mir Herden entgegen
geschickt, was soll das? Er antwortete: Ich möchte so gern Gnade finden vor
meinem Herrn - ich sah dein Angesicht, als Spiegel für Gottes Angesicht-
freundlich hast du mich angesehen. So nimm doch diese Segensgabe.
Er nötigte ihn, dass er sie nahm und sie gingen versöhnt
voneinander. Esau zog an jenem Tage wiederum seines Weges nach Seïr. Jakob aber
siedelt sich bei Sichem an. Er kaufte das Land für hundert Goldstücke und
errichtete dort einen Altar und betete
an.
1. Mose 33
Hinreißend, wie Jakob seine Familie als Schlachtreihe
aufbaut. Er will dem Esau die noch vorhandene Wut abhandeln, will ihm auch sein
Gesegnetsein vorführen. Er will Esau vor Augen führen, daß dieser es mit einem
Schützling Gottes zu tun hat. Gleichzeitig hofiert er Esau ebenfalls als einen Günstling des Herrn, macht ihm geradezu
ein atemberaubendes Kompliment: Nicht nur nähert er und seine Familie sich mit
Kniefall, sondern er nimmt dessen Antlitz als Spiegel Gottes. Er nimmt Esau in
die Haftung für Gottes Freundlichkeit. So kann Esau gar nicht anders als seinem
Bruder vergeben.
Die vorauseilende Unterwürfigkeit Jakobs hat sicher dazu
beigetragen, Esau freundlich zu stimmen.
Aber Esau weiß seinen eigenen Weg. Und kann darum vergeben.
*
Jakob aber wohnte im Lande, in dem sein Vater ein
Fremdling gewesen war, im Lande Kanaan. Er wohnte dort mit seinen Söhnen und
deren Familien und sie hüteten große Herden.
Jakob hatte Josef lieber als alle seine andern Söhne, weil er der Sohn
seines Alters war. Er schenkte ihm ein edles Kleid.
Die Brüder aber hatten
kein freundliches Wort für ihn übrig. Denn er überbrachte ihrem Vater Schlechtes
von ihnen. Einmal hatte Josef einen Traum und erzählte ihn seinen Brüdern; da
wurden sie ihm noch mehr Feind.
1.Mose 37,1-5
Der große Bogen der Geschichten von Josef und seinen
Brüdern ist ein Meisterstück antiker Erzählung. Die Kapitel 37-50 des 1.Buch Mose nahm Thomas Mann zur Basis für seinen
dreibändigen grandiosen Roman „Joseph und seine Brüder“.
Josef wird der Retter des „den Gott der Väter“ verehrenden kleinen Stammes.-
Aber menschliche Schwächen gefährden und begleiten die den Weg zur Größe.
Unheilvoll bevorzugt der alte Jakob den (zunächst) einzigen Sohn seiner über
alles geliebten Rahel. Josef geht gekleidet in „einem bunten Rock“. (Vielleicht
geschneidert aus Rahels Hochzeitskleid - dies eine dichterische Phantasie des
Thomas Mann). Jedenfalls nutzt der Vater ihn als Informant über Ungehörigkeiten
der Brüder. Josef bekommt früh
beigebracht, sich für was Besseres zu halten, dem dann auch mehr Ehrerbietung
und größere Bildung zustehen.
*
Traumtänzer
Josef sprach zu seinen Brüdern: Hört doch, was mir geträumt hat.
Wir banden Korn
zu Garben auf dem Felde, und meine Garbe richtete sich auf und stand; eure
Garben aber stellten sich zum Kreis und neigten sich vor meiner Garbe. Da
sprachen seine Brüder zu ihm: Willst du unser König werden und über uns
herrschen?
Und er erzählte
ihnen noch einen zweiten Traum; Die Sonne und der Mond und elf Sterne neigten
sich vor mir.
Seine Brüder hassten ihn der
Träume wegen. Auch sein Vater nahm ihn
sich vor: Was ist das für ein Traum, den du geträumt hast? Sollen wir alle vor
dir niederfallen?
1.Mose 37,6-10
Dem Josef drängte sich in Träumen seine hervorragende
Stellung auf. Gott werde viel vorhaben mit ihm- so musste er die Träume
verstehen. Ja, Josef bekommt schon das Ergebnis der kommenden
Erkenntnisabenteuer zu Gesicht- geradezu überrealistisch sinnlich wird sein kleines
Ego aufgebaut: Einst wird man ihm zu Füßen liegen.
Der Leser bangt mit, ob Josef die Hervorhebung ohne
Hochmut bestehen wird. Aber dass er seine Träume rausposaunt, statt sie in sich
reifen zu lassen, ist bedrohlich.
*
Wieder einmal sprach Jakob zu Josef: Geh hin nach
Sichem zu deinen Brüdern und sieh, ob’s gut steht um sie und das Vieh, und sage mir dann, wie sich’s
verhält.
Als sie ihn von ferne kommen sahen, sprachen sie
untereinander: Seht, da kommt der Träumer! Wir werden ihn uns vom Halse
schaffen; wir sagen, ein böses Tier habe ihn gefressen; so wird sich zeigen,
was seine Träume wert sind.
Ruben aber sprach zu ihnen: Vergießt nicht Blut,
sondern werft ihn in die nächste Zisterne! Er wollte ihn aus ihrer Hand
erretten und ihn seinem Vater wiederbringen.
Als nun Josef zu seinen Brüdern kam, griffen sie ihn,
zogen ihm seinen Rock aus und ließen ihn
herab in einen Brunnen, der gerade kein
Wasser hatte. Und sie setzten sich nieder, um zu essen.
1.Mose 37,12-24
Josef wird von
den Brüdern zum Abstieg in den Brunnen gezwungen- und dann setzen die sich wie
nach getaner Arbeit zum Essen nieder. Ihr Grölen wird dem Josef noch lange in
den Ohren liegen; es dürstet ihn, er ist hungrig, er friert, er weint- aus den
Träumen wird nichts werden, er wird seine Träume verfluchen. Oder aber die
halten ihn aufrecht, stärken ihn wie ein Pfand. Er hatte ja schon viel von der
Verheißung gehört, die von Abraham über Isaak zu Jakob gekommen war und jetzt
doch bitte Gestalt gewinnen soll in ihm.
Josef ist gewiss, dass er in Gottes Plänen eine
wichtige Rolle zu spielen hat. Und so kann es nicht schon mit ihm aus sein,
sein Leben fängt doch gerade an zu sprießen. Vielleicht legt ihn Gott in ein
Grab, wie eine Raupe in eine Puppe, ehe sie zum Schmetterling wird. Nachts
sieht Josef den gestirnten Himmel über sich, sieht sich gekrönt und redet sich
in Gott hinein und in den Schlaf, bis er Stimmen hört.
*
Verkauf nach Ägypten
Eine Karawane von Ismaelitern war auf dem Weg mit
ihren Kamelen; die trugen kostbare Ware und zogen hinab nach Ägypten. Da sprach
Juda zu seinen Brüdern: Was hilft’s uns, dass wir unsern Bruder töten? Lasst
uns ihn den Händlern verkaufen, dann vergreifen sich unsere Hände nicht an ihm
- er ist doch unser Bruder, unser Fleisch und Blut. Und sie gehorchten ihm und
verkauften Josef für zwanzig Silberstücke nach Ägypten.
Dann nahmen sie Josefs Rock und schlachteten einen
Ziegenbock und tauchten den Rock ins Blut und ließen seine Kleider ihrem Vater bringen und sagen: Dies haben wir
gefunden; sieh, ob’s deines Sohnes Sachen
sind oder nicht. Jakob erkannte das Kleid und schrie: Es ist meines
Sohnes Rock; ein böses Tier hat ihn gefressen, ein reißendes Tier hat Josef
geschlagen! Und Jakob zerriss seine Kleider und trug Leid um seinen Sohn lange
Zeit.
Aber die Midianiter verkauften ihn in Ägypten an
Potifar, des Pharao Kämmerer und Obersten der Leibwache.
Wie sich Schicksal fügt. Aber wir sind Ruderer, wir
fahren mit dem Rücken zur Zukunft (Sören Kierkegaard). Erst im Nachhinein weist
sich, wie notwendig genau diese Wege waren. Josef wusste in der Brunnentiefe
nicht, was wird. Er konnte sich nur nicht denken, daß das alles gewesen sein
soll. Auch Vater Jakob konnte es nicht glauben, daß Josef tot, aus und vorbei
sei. Im tiefsten Winkel seines Herzens gab es eine Ahnung. Aber unter tiefer
Trauer über Jahre war diese Hoffnung nur ein Flämmchen und keine Aussicht.
Die Brüder handeln verbrecherisch an ihrem Bruder.
Wer, wenn nicht Geschwister, sind einander zur Hilfe gedacht? Doch „Scham macht
Männer zu Gaunern“ (Robert Musil). Die Brüder sehen sich gedemütigt durch den
Hochmut des Einen. Das erklärt nichts, aber macht es verstehbar.
*
Und Juda gab seinem ersten Sohn eine Frau, die hieß
Tamar. Der Mann starb, ohne Kinder zu hinterlassen. Tamar tat, was damals
üblich war: Sie bat ihren Schwager Onan, seinem toten Bruder Nachkommen zu
zeugen. Er schlief auch mit ihr, zog sich aber zurück, sodaß sie nicht
schwanger werden konnte. Das missfiel Gott und er ließ ihn auch sterben.
In jener alten Zeit war Kinderzeugen ein Dienst an der
Großfamilie. Darum gehörte es sich nicht, daß die Witwe kinderlos blieb. Sie
hatte geradezu ein Recht auf Nachwuchs aus der Sippe des verstorbenen Mannes.
Diese und andere Sitten und Ordnungen galten als gottgegeben. Damit ist nicht
gesagt, daß Gott diese Anordnug getroffen und den Vollzug verlangt hätte. Damit ist nur gesagt, daß die
Menschen damals ihre Gesetze als vom Himmel diktiert hielten. In unserer Zeit die Selbstbefriedigung als
von Gott verboten zu erachten, ist absurd.
*
Viele Tage waren vergangen im Leben der Witwe Tamar.
Da starb Judas Frau. Und nachdem Juda ausgetrauert hatte, ging er hinauf, seine
Schafe zu scheren nach Timna. Da wurde der Tamar gesagt: Siehe, dein
Schwiegervater geht hinauf nach Timna.
Da legte sie die Witwenkleider ab, verhüllte sich mit
einem Schleier und setzte sich vor das Tor an dem Wege nach Timna. Als Juda sie
nun sah, meinte er, es sei eine Hure- sie hatte auch ihr Angesicht verdeckt.
Und er ließ sich mit ihr ein, nicht wissend, dass es
seine Schwiegertochter war. Sie antwortete: Was willst du mir geben, dafür, daß
du mit mir schlafen darfst?
Er sprach: Ich werde dir einen Ziegenbock senden. Sie
antwortete: So gib mir dein Siegel zum
Pfand, bis ich ihn habe. Da gab er’s ihr und kam zu ihr; und sie ward
von ihm schwanger.
Später sandte Juda den Ziegenbock durch seinen Freund,
damit er das Pfand zurückhole von der Frau. Doch der Freund kam zurück zu Juda
und sprach: Ich habe sie nicht gefunden; dazu sagen die Leute des Ortes, es sei
keine Hure da gewesen. Juda sprach: Sie mag’s behalten, damit wir nur nicht in
Verruf geraten! Siehe, ich habe den Bock gesandt, und du hast sie nicht
gefunden.
Nach drei Monaten wurde Juda angesagt: Deine
Schwiegertochter Tamar hat Hurerei getrieben; und siehe, sie ist davon
schwanger geworden. Juda sprach: Führt sie heraus, dass sie verbrannt werde.
Und als man sie hinausführte, schickte sie zu ihrem Schwiegervater und sprach:
Von dem Mann bin ich schwanger, dem dies gehört. Juda erkannte sein Siegel und
sprach: Sie ist gerechter als ich. Und bekannte sich zu seiner Vaterschaft.
1. Mose 38, 11-26
Eine der Geschichten, um deretwillen das Alte
Testament im üblen Ruf steht- völlig zu Unrecht. Das Alte Testament ist grandios ehrlich- ist also auch ein
Abbild unserer menschlichen Schwächen.
Und betont, daß Gott sich einlässt auf genau diese verruchten und
geschickten Menschen.
Die Witwe weiß sich ihrem verstorbenen Gatten zum
Erhalt der Familienehre durch Nachwuchs verpflichtet. Und erwirkt sich die
Schwangerschaft durch List. Der Mann, der die Hure besuchte, spricht sie des
Todes schuldig. Dann weist sie aber das Siegel vor, das der Freier als Pfand
zurückließ. Beschämt bekennt Juda seine Verfehlung. Und setzt Tamar in ihre
Rechte ein.
Es ist eine der Geschichten, die den Männern
beibringen, daß sie die Frau zur Hure machen. Die Frau zu bestrafen, als wäre
der Mann das Opfer ist mit dieser
Geschichte als sündhaft gebrandmarkt. Es ist ein hohes Gut des Gottesglaubens,
dass diese Ehrung der Tamar aufgeschrieben blieb, obwohl es den Stammvater des
großen jüdischen (Nord) Reiches in schlechtem Licht zeigt. Und Tamars Sohn
Perez gehört in den Stammbaum Jesse, der dann auf Jesus zuführt (Lukas 3,33).
*
Mit den Kaufleuten
kam Josef nach Ägypten. Dort verkauften sie ihn an den Haushalter des
Pharao mit Namen Potifar. Und Gott war mit Josef, sodass er ein Mensch wurde, dem
alles glückte.
Sein Herr sah, dass Gott mit ihm war; da gab er ihm
Vollmacht über sein Haus; und alles, was er hatte, vertraute er ihm an. Aber
Josef war schön an Gestalt und hübsch von Angesicht.
So fügte es sich, daß, dass die Gemahlin des Potifar
ihr Auge auf Josef warf und sprach: Lieb mich!
Er weigerte sich aber und sprach zu ihr: Wie könnte
ich das Vertrauen meines Herrn so missbrauchen und gegen ihn und Gott sündigen?
Sie aber bedrängte Josef tagtäglich mit heißen Worten. Aber er blieb stark und war
ihr nicht zu Willen.
Eines Tages war kein Mensch sonst im Haus. Und sie
verstellte ihm den Weg und sagte: Komm jetzt! Aber er riss sich los, und ließ
sein Obergewand in ihrer Hand und floh zum Hause hinaus. Da war sie so sehr
gekränkt, daß sie auf Rache sann.
Sie rief die Leute zusammen und sprach zu ihnen: Der
hebräische Kerl wollte mich vergewaltigen. Als ich schrie, da floh er – sein
Gewand hielt ich fest. Da ist es. Und sie legte sein Kleid neben sich, bis ihr
Gemahl heimkam.
Als sein Herr nach Hause kam und die Anklage seiner Frau hörte, wurde er sehr zornig. Er
ließ ihn ins Gefängnis werfen.
1. Mose 39,1-20
Daher also das Wort vom „keuschen Josef“. Er wollte
einfach das Vertrauen seines Herrn nicht mißbrauchen. Eigentlich reicht in
heiklen Situationen das einfache Wort „nein“ und jeder vernünftige Mensch
stellt bei handfester Klarheit das Werben ein. Allerdings ist Faszination ein
explosiver Stoff. Sieht sich ein Mensch zurückgestoßen, so kann er rasend
werden.
Josef als Glückskind wird sich noch oft bewähren
müssen. Und „wem viel anvertraut ist, dem wird viel abverlangt“ (Lukas 12,48).
Auch die Gnade ist zwar umsonst aber ist nicht billig.
*
Gott neigte die Herzen der Menschen dem Josef zu. Auch
das Vertrauen des Gefängnis-Vorstehers
gewann er schnell, bald waren ihm alle Gefangenen unterstellt und ohne sein
Wort passierte nichts. Es geschah aber, dass sich der Mundschenk des Königs von
Ägypten und der Oberste Bäcker versündigt hatten an ihrem Herrn. Und der Pharao
ließ sie ins Gefängnis werfen, wo Josef auch war. Und es träumte ihnen beiden
Träume voller Bedeutung. Und sie erzählten Josef ihre Träume. Bald darauf kamen
sie frei- was Josef ihnen in Aussicht gestellt hatte.
Die Verfasser dieses wunderbaren Erzählreigens sehen
den Verlauf der Geschichte normal laufen. Keine Gottheit greift mit Blitz und
Donner von außen ein, wie man sich in grauer Vorzeit etwa des Geschickes Mächte
so gewalttätig vorstellte. Hier in der vergleichsweise modernen Novelle ist
Josef von guten Mächten wunderbar geborgen. Hinter den Kulissen ahnt man einen
„guten Vater“, der langfristig die guten Energien stärkt und die bösen Kräfte
schwächt.
Gott neigte dem Josef die Herzen zu. Das ist doch das
Geheimnis aller Sympathie und allen
Charmes- das sie nicht erklärlich sind, sondern Zuneigung wird von höheren
Ortes verfügt, sie zählen zu den Rohstoffen des Herzens und sind eigentlich
Gemeineigentum. Warum auch niemand sich etwas einbilden sollte auf die
Zuneigung, die er findet.
Josef deutet den Mitmenschen ihre Träume. Wir sollten damit sehr behutsam sein.
Am besten kann man ja seine Träume selber deuten, wenn man nur hinfühlt und
achtet auf die im Traum vorweggenommene Entschlossenheit.
*
Nach zwei Jahren hatte der Pharao einen Traum, der ihn
furchtbar berührte. Er ließ alle Wahrsager in Ägypten rufen und alle Weisen.
Aber da war keiner, der dem Pharao seine Träume verstehbar machen konnte.
Da redete der oberste Mundschenk zum Pharao und
sprach: Ich muss heute an meine Sünden denken: Als der Pharao mich mit dem
obersten Bäcker ins Gefängnis brachte, da träumte uns beiden in einer Nacht
einem jeden sein Traum. Es war bei uns damals ein hebräischer Jüngling, des
Amtmanns Knecht, dem erzählten wir’s. Und er deutete uns unsere Träume. Und wie
er uns deutete, so ist’s gekommen.
Da sandte der Pharao hin und ließ Josef rufen, und sie
holten ihn eilends aus dem Gefängnis. Er ließ sich frisieren und zog andere
Kleider an und kam hinein zum Pharao.
Da sprach der Pharao zu ihm: Ich habe einen Traum
gehabt und es ist niemand, der ihn deuten kann. Ich habe aber von dir sagen
hören, wenn du einen Traum hörst, so kannst du ihn deuten.
Josef antwortete dem Pharao und sprach: Das steht
nicht bei mir; doch lege sie dar.
Die Erzählung von Josef, der die Träume des Pharao deutet, nimmt einen
langen Anlauf. Weit ist der Umweg übers Gefängnis, doch „es gibt keine
Zufälle“. Josef musste dorthin, weil Jahre vorher dort ein Probelauf in
Traumdeutung ihm abverlangt wurde. Daraufhin konnte später der Mundschenk sich
an den Kundigen erinnern.
Gott gestaltet Geschichte mit großer Übersicht und
meist inkognito. Von langer Hand wird Rettung in die Wege geleitet. Dabei muss
nicht jeder Schritt einzeln von Gott konstruiert sein, die Allmacht ist auch
wirksam, indem sich die Dinge selber machen. Einer hat seinen Traum gut
gedeutet bekommen, vergisst dieses Wunder, aber zur rechten Zeit erinnert er
sich und kann die Fügung weiter anschieben.
*
Der Pharao sprach zu Josef: Mir träumte, ich stand am
Ufer des Nils und sah aus dem Wasser steigen sieben schöne, fette Kühe; die
gingen auf der Weide im Grase. Nach ihnen stiegen sieben dürre, sehr hässliche
und magere Kühe heraus und fraßen die sieben fetten Kühe.
Und ich sah noch einen andern Traum: Ich sah sieben
Ähren auf einem Halm wachsen, voll und dick. Danach gingen sieben dürre Ähren
auf, dünn und versengt. Und die sieben dünnen Ähren verschlangen die sieben
dicken Ähren. Und die Wahrsager können es mir nicht deuten.
Josef antwortete dem Pharao: Die sieben schönen Kühe
und die sieben guten Ähren sind sieben gute Jahre fetter Ernten. Die sieben
mageren Kühe und die sieben versengten Ähren stehen für sieben Jahre des
Hungers. In beiden Träumen verkündet Gott dem Pharao, was bevorsteht: Nach
sieben Jahre Fülle werden sieben Jahre
Hunger über Ägypten kommen.
Nun suchte der
Pharao einen verständigen und weisen Menschen, den er über Ägyptenland setze.
Der sollte die richtigen Beamten einsetzen. Die sollen den fünften Teil in
Ägyptenland in den sieben reichen Jahren von allem einsammeln. Sie sollen vom
Ertrag der guten Jahre, die kommen werden, Getreide aufschütten in des Pharao
Kornhäusern zum Vorrat in den Städten und es verwahren. Damit für Nahrung
gesorgt sei für das Land für die schlechten Zeiten.
Und der Pharao sprach zu Josef: Weil dir Gott dies
alles kundgetan hat, ist keiner so verständig und weise wie du, in keinem wohnt
der Geist Gottes wie in dir. Dich setze ich
über mein Haus. Und er tat seinen Ring ab von seiner Hand und gab ihn
Josef an seine Hand und kleidete ihn mit kostbarer Leinwand und legte ihm eine
goldene Kette um seinen Hals und ließ ihn auf seinem zweiten Wagen fahren und
ließ vor ihm her ausrufen: Der ist des Landes Vater! Und setzte ihn über ganz
Ägyptenland. Und Josef war dreißig Jahre alt.
Prophezeiende Wahrträume geschehen. Verstehende
Menschen nehmen sie als Wink des Schicksals, Vorkehrungen zu treffen. Träumend
schärft sich in uns auch der Sinn für Nötiges. Zu Gesicht gebracht wird mir
möglicherweise Kommendes, und Zurückliegendes klärt sich, entwirrt sich.
Wir sind zuständig im Rahmen unserer Kräfte. In des
Regierenden Pflicht steht es, vorausschauend vorzusorgen. Klar umrissene,
hellsichtige Prognosen sind Gnade; auch Wissende zu finden für
verantwortliches Handeln ist Gnade. Die richtigen Dinge zu tun, lehrt Josef.
Die Dinge richtig zu tun, wurde Josef aufgegeben.
Alles zieht unablässig und miteinander verkettet
weiter, die einen Dinge reißen die anderen mit, und alle wissen sie nichts
voneinander. Doch letztlich geschieht es, damit Sein Wille geschehe.
*
Und das Land trug in sieben reichen Jahren die Fülle,
brachte Getreide wie Sand am Meer. Und Josef ließ sammeln die ganzen Ernten der
sieben Jahre des Überflusses und verwahrte sie in neu errichteten Kornhäusern.
Und Josef und seiner Frau Asenat wurden zwei Söhne
geboren: Manasse- das heißt: Gott hat mich vergessen lassen all mein Unglück,
und Ephraim- das heißt: Gott hat mich wachsen lassen in dem Lande meines
Elends.
Als nun die sieben reichen Jahre um waren im Lande
Ägypten, da fingen die Hungerjahre an, auch in den Ländern ringsum. Als nun ganz Ägyptenland Hunger litt, schrie
das Volk zum Pharao um Brot. Da tat Josef die Kornhäuser auf und verkaufte den
Ägyptern; und der Hunger wurde je länger je größer im Lande. Und alle Welt litt
Hunger und sie kamen nach Ägypten, um bei Josef zu kaufen.
1.Mose 41, 47-57
Josefs Blick in die Geschichte beschaffte dem Pharao
unermessliche Macht, die Bevölkerung aber überlebte und- verarmte. Ganz Ägypten
geriet in die Leibeigenschaft. Dank Josefs Strategie des Hortens in den Zeiten
des Überschusses, konnte er bei Anziehen der Nachfrage nach Belieben den Preis
anheben, auch die Ware verknappen. Und immer mehr mussten die Menschen geben,
um immer weniger, aber doch wenigstens das Nötigste bekommen zu können.
Hier wird zum ersten mal Kapitalismus im großen Stil betrieben. Einer
hat die bessere Information und das Startkapital und den festeren Willen, die
Zukunft mit zu gestalten. Einer häuft Reichtum –also Gestaltungsmöglichkeit-
an, andere verarmen. Sicher eine fragwürdige Art des Umgangs mit Menschen, den
Gott da fördert. Immerhin entstehen so Völkerzusammenschlüsse, Austausch,
Handel, Wandel. In Ägypten geschah eine Blüte der Menschheit an Geist, Religion
und Kunst. Und das Volk und vor allem
auch Israels Ursprungsfamilie
überlebte.
*
Auch in Kanaan und in Sichem bei Jakobs Familie wurde Essbares knapp. Es hatte sich aber
rumgesprochen, daß in Ägypten Getreide noch zu haben sei. Da sprach Jakob zu
seinen Söhnen: Kauft uns Getreide, dass wir leben und nicht sterben. Was sitzt
ihr hier und macht lange Gesichter; zieht hinab und kauft das zum Überleben Notwendige.
Da zogen die Brüder Josefs los, um in Ägypten Getreide
zu kaufen. Aber den Benjamin, Josefs kleinen Bruder, ließ Jakob nicht mit
seinen Brüdern ziehen.
So kamen die zehn Söhne Jakobs aus ihrer Heimat nach Ägypten.
Josef gewahrte seine Brüder schon von ferne. Sie fielen vor ihm nieder zur
Erde.- Er erkannte sie, aber sie erkannten ihn nicht.
Er stellte sich fremd gegen sie und redete hart mit
ihnen: Woher kommt ihr? Sie sprachen: Aus dem Lande Kanaan um Getreide zu
kaufen. Er verdächtigte sie: Spione seid ihr und wollt das Land ausforschen.
Sie antworteten ihm: Nein, Herr! Deine Knechte sind
gekommen, Getreide zu kaufen. Wir sind alle eines Mannes Söhne; redlich und
keine Spione. Wir, deine Knechte, sind zwölf Brüder, und der jüngste ist noch
bei unserm Vater, und einer ist nicht mehr vorhanden.
Josef sprach zu ihnen: Und doch seid ihr Spione.
Ich will euch prüfen: Ihr sollt nicht
von hier wegkommen, es komme denn her euer jüngster Bruder! Sendet einen von
euch hin, der euren Bruder hole, ihr aber sollt gefangen sein. Und sie mussten
sich damit abfinden.
Sie sprachen aber untereinander: Das ist die Strafe
für unser Unrecht! Wir sahen die Angst der
Seele unseres Bruders, als er uns anflehte, und wir wollten ihn nicht
erhören; darum kommt nun diese Trübsal über uns. Nun wird sein Blut von uns
gefordert.
Sie wussten aber nicht, dass es Josef verstand; denn
er redete mit ihnen durch einen Dolmetscher. Und er wandte sich von ihnen und
weinte.
Als er sich dann wieder zu ihnen wandte und mit ihnen
redete, nahm er aus ihrer Mitte Simeon und ließ ihn binden vor ihren Augen. Und
gab Befehl, ihre Säcke mit Getreide zu füllen und ihnen ihr Geld wiederzugeben,
einem jeden in seinen Sack, dazu auch Zehrung auf den Weg; und so tat man
ihnen.
Sie aber erschraken, als sie unterwegs das Geld
fanden. Und sprachen: Warum hat Gott uns das angetan?
Dies Kapitel will sagen, dass Böses seine Strafe
findet. Man sieht sich immer zweimal. Und dann sind die Verhältnisse umgekehrt,
dann hat das Leben, hat Gott die herrischen Brüder zu demütig Bittenden
umgekehrt. Und der einst flehte, wird Herr über Leben und Tod. Gespannt soll
der Leser auch sein, ob der Freund Gottes mit seiner Machtfülle großmütig
umgehen wird. Josef wird hoffentlich Gott am Werk sehen, auch im unrechten Tun
der Brüder- und darum nicht anders können, als vergeben. Und ja- Schritt für
Schritt wird die Versöhnung vorbereitet, die Brüder werden geängstigt wie sie
ängsteten und hoffentlich werden sie sich geläutert zeigen.
*
Als sie nun heimkamen zu ihrem Vater Jakob ins Land
Kanaan, sagten sie ihm alles, was ihnen begegnet war, und sprachen: Der Mann,
der im Lande Herr ist, ist hart. Er will Benjamin auch sehen- und behielt
Simeon als Pfand.
Da sprach Jakob: Ihr beraubt mich meiner Kinder! Josef
ist nicht mehr da, Simeon ist nicht mehr da, Benjamin wollt ihr auch wegnehmen-
das geht alles über meine Kräfte.
Irgendwann aber drückte die Hungersnot zu sehr und der
Vater schickte sie los: Kauft ein wenig Getreide. Nur mit Benamin, sprach da
Juda; Zu sehr hat uns der fremde Herr eingeschärft: Ihr sollt mein Angesicht nicht sehen, es sei
denn, ihr bringt den Bruder mit.
Da fing Jakob noch einmal an zu jammern: Warum habt
ihr überhaupt gesagt, dass ihr noch einen Bruder habt? Sie antworteten: Der
Mann forschte so genau nach uns und unserer Verwandtschaft und sprach: Lebt
euer Vater noch? Habt ihr auch noch einen Bruder? Da antworteten wir ihm. Wie
konnten wir wissen, dass er sagen würde: Bringt euren Bruder mit herab?
Da sprach Juda zu Vater Jakob: Lass den Knaben mit mir
ziehen, dass wir nicht sterben, wir und du und unsere Kinder. Ich will Bürge
für ihn sein; von meinen Händen sollst du ihn fordern. Aber jetzt lass uns
endlich gehen. Hätten wir nicht gezögert, wären wir wohl schon zweimal
wiedergekommen.
Da sprach Jakob: Wenn es denn so ist, so tut’s und
nehmt von des Landes besten Früchten in eure Säcke und bringt dem Manne
Geschenke hinab, Balsam und Honig, Harz und Myrrhe, Nüsse und Mandeln. Dazu
nehmt euren Bruder. Der allmächtige Gott gebe euch Barmherzigkeit vor dem
Manne, dass er mit euch ziehen lasse Simeon und Benjamin. Ich aber muss sein
wie einer, der seiner Kinder völlig beraubt ist. Da nahmen sie die Geschenke
und doppeltes Geld mit sich, dazu Benjamin, machten sich auf, zogen nach
Ägypten und traten vor Josef.
Ein Kampf tobt zwischen Vater und den Söhnen. Nur der
schiere Hunger ließ Jakobs Hartnäckigkeit erlahmen. Irgendwann blieb ihm nichts
übrig, als sie ziehen zu lassen und sie Gott und der Barmherzigkeit des Herrn
der Brote anzubefehlen. Der Vater weiß noch nicht, daß seine Söhne ihn des
Josefs beraubt haben. Aber er setzt sich und die Brüder und ihre Familien lange dem Hunger aus und lässt lieber den Simeon
im Gefängnis in der Fremde schmoren- nur, um
den geliebten Benjamin bei sich halten zu können, der ja von der selben Mutter ist wie Josef,
von der geliebten, früh gestorbenen Rebekka. Jakobs blinde Leidenschaft zu
seiner ersten Liebe und den zwei Kindern aus dieser Ehe verursachen zunächst
den Neid der älteren Ehefrau Lea, dann den ihrer Söhne. Jetzt wird viel gebüßt.
Auch Jakob versteht sein Loslassenmüssen als Strafe: „Ich muss sein, wie einer,
der seiner Kinder ganz und gar beraubt ist.“ Strafe annehmen ist wohl eine
heilige Arbeit.
*
Als Josef sie kommen sah mit Benjamin, sprach er zu
seinem Haushalter: Führe die Männer ins Haus und schlachte und richte zu, denn
sie sollen mit mir essen.
Sie fürchteten sich aber um des Geldes willen, das in
den Säcken das vorige Mal obenauf lag.
Der Hauhalter aber sprach: Seid guten Mutes, fürchtet euch nicht! Euer Gott und
eures Vaters Gott hat euch einen Schatz gegeben in eure Säcke. Und er führte
Simeon zu ihnen heraus.
Dann gab er ihnen Wasser, dass sie ihre Füße wuschen,
und gab ihren Eseln Futter. Sie aber richteten die Geschenke zu- sie hatten gehört, dass sie mit ihm essen
sollten.
Als nun Josef ins Haus trat, fielen sie vor ihm nieder
zur Erde. Er aber grüßte sie freundlich und sprach: Geht es eurem alten Vater
gut, lebt er noch? Sie antworteten: Es geht deinem Knechte, unserm Vater, gut
und er lebt noch.
Und er hob seine Augen auf und sah seinen Bruder
Benjamin. Da stürzte Josef hinaus; denn sein Herz entbrannte ihm gegen seinen
Bruder, und er suchte zu verbergen, daß er weinte. Als er dann sein Angesicht
gewaschen hatte, ging er wieder zu ihnen und ließ auftischen.
Und man setzte sie ihm gegenüber der Reihe nach, vom
Erstgeborenen bis zum Jüngsten. Sie aber
wunderten sich, wie genau er die Altersfolge kannte. Und man trug das
Essen auf und sie tranken und wurden fröhlich mit ihm.
Der Haushalter Josefs verkündet ihnen ein Zeichen
dafür, daß letztlich die Geschichte gut ausgehen wird: Gott selbst habe ihnen
den Kaufpreis erstattet. Dann kann ja keine Strafe warten: die Scheu weicht.
Josef ist so gerührt vom Wiederfinden seines jüngsten Bruders- er muß sich erst
mal zurückziehen. Und dann werden die Brüder genau nach Alter an der Tafel
platziert, das legt doch das Mitwissen des Josef und Göttliche Fügung nahe.
Sie werden fröhlich miteinander, Josef gibt ein Stück
seiner Unnahbarkeit auf. das Drama strebt noch erst seinem Höhepunkt zu. Das
Wechselbad aus Fremdheit und neuer Vertrautheit hält an.
*
Und Josef befahl seinem Haushalter und sprach: Fülle
den Männern ihre Säcke mit Getreide, soviel sie fortbringen, und lege jedem
sein Geld wieder oben in seinen Sack.
Und meinen silbernen Becher legt oben in des Jüngsten
Sack mit dem Gelde für das Getreide. Der tat, wie ihm Josef gesagt hatte.
Am Morgen ließen sie die Männer ziehen mit ihren
Eseln. Als sie aber zur Stadt hinaus waren und noch nicht weit gekommen, sprach
Josef zu seinem Haushalter: Auf, jage den Männern nach und wenn du sie
erreichst, so sprich zu ihnen: Warum habt ihr Gutes mit Bösem vergolten? Warum
habt ihr den silbernen Becher gestohlen, den,
aus dem mein Herr trinkt und aus dem er wahrsagt? Ihr habt übel getan.
Sie fanden den Becher in Benjamins Sack und führten
die Brüder zurück in die Stadt. Und sie fielen vor Josef nieder auf die Erde.
Josef aber sprach zu ihnen: Wie habt ihr das tun können? Juda sprach: Gott hat
die Missetat deiner Knechte gefunden. Siehe, wir und der, bei dem der Becher
gefunden ist, sind von nun an deine Sklaven .
Er aber sprach: Der, bei dem der Becher gefunden ist,
soll mein Sklave sein; ihr aber zieht hinauf mit Frieden zu eurem Vater.
Da trat Juda zu ihm und sprach: Mein Herr, lass deinen
Knecht ein Wort reden vor den Ohren meines Herrn, und dein Zorn entbrenne nicht
über deinen Knecht, denn du bist groß wie der Pharao. Lass mich hier bleiben an
des Knaben statt als Sklave meines Herrn und den Knaben lasst gehen mit seinen
Brüdern. Ich könnte den Jammer nicht sehen, der über meinen Vater kommen würde,
käme ich ohne Benjamin heim.
1. Mose 44, 1-33
Josef lässt die Brüder nachleben, was
sie ihm einst angetan haben. Doch sie haben gelernt. Einst opferten sie den
Einen zur Genugtuung für ihr Zurückgestelltsein beim Vater. Nun stehen sie
gemeinsam für den Jüngsten, den Schwächsten ein. Noch einmal werden sie in
Versuchung geführt, fein davon zu kommen. Doch sie schlagen das Angebot, den
(vermeintlich) schuldigen Benjamin seiner gerechten Strafe zu überlassen, aus.
Juda bietet sich als Opfer an. Damals hatte es ihnen nichts ausgemacht, dem
Vater die furchtbare Nachricht vom zerrissenen Sohn Josef zu überbringen. Jetzt
will Juda lieber lebenslänglich Sklave sein, als das Leid des zu Tode
erschrockenen Vaters über den Verbleib des Jüngsten in Ägyptens Gewahrsam
mitzuerleben.
*
Da konnte Josef nicht länger an sich halten und rief:
Lasst mich mit den Männern allein. Und kein Fremder war Zeuge, als sich Josef
seinen Brüdern zu erkennen gab. Laut weinte er, sodass es die Ägypter und das
Haus des Pharao hörten, und sprach zu seinen Brüdern: Ich bin Josef, euer
Bruder, den ihr nach Ägypten verkauft habt. Lebt mein Vater noch? Und seine
Brüder konnten ihm nicht antworten, so erschraken sie vor seinem Angesicht.
Er aber sprach zu seinen Brüdern: Nun bekümmert euch
nicht mehr und denkt nicht, dass ich darum zürne, dass ihr mich hierher
verkauft habt; denn um eures Lebens willen hat mich Gott vor euch hergesandt.
Es sind noch viele Hungerjahre vor uns. Gott hat mich durch euch hierher
geschickt, dass er euch übrig lasse auf Erden und euer Leben erhalte zu einer
großen Errettung.
Nun eilt und zieht hinauf zu meinem Vater und sagt
ihm: Das lässt dir Josef, dein Sohn, sagen: Gott hat mich zum Herrn über ganz
Ägypten gesetzt; komm herab zu mir, säume nicht!
Du sollst im Lande Gosen wohnen und nahe bei mir sein,
du und deine Kinder und deine Kindeskinder; komm mit allem, was du hast. Ich
will dich dort versorgen. Und er fiel seinem Bruder Benjamin um den Hals und
küsste alle seine Brüder und weinte an ihrer Brust. Danach redeten seine Brüder
mit ihm.
Und als das Gerücht kam in des Pharao Haus, dass
Josefs Brüder gekommen wären, gefiel es dem Pharao gut und allen seinen Großen.
Und Josef gab ihnen Wagen nach dem Befehl des Pharao
und Zehrung auf den Weg und gab ihnen allen, einem jeden ein Feierkleid, aber
Benjamin gab er dreihundert Silberstücke und fünf Feierkleider. Und seinem
Vater sandte er zehn Esel, mit dem Besten aus Ägypten beladen. Damit entließ er
seine Brüder und sie zogen hin. Und er sprach zu ihnen: Zankt nicht auf dem
Wege!
1.Mose 45,1-24
Jetzt war Josefs
Strafaktion auch genug. Sie hatten ihr Lehrgeld bezahlt. Und Josef konnte
seiner Liebe freien Bahn lassen. Da standen sie, die Brüder, “wie Klötze“ (Th.
Mann). Josef musste erst mal den Schauder von ihnen nehmen. Was er für sich
längst erkannt hatte, offenbarte er seinen Brüdern: Euern Neid, eure Wut auf
mich Bevorzugten hat Gott genutzt: Um euer Leben zu retten, hat Gott mich vor
euch her gesendet.- Großmütig entschuldet Josef die Brüder, er behaftet Gott,
daß letztlich er diesen Deal eingefädelt habe. Und dann ist große Versöhnung
und überirdische Freude. Väterchen soll nachgeholt werden. Zuletzt wird Josef
wieder der Mahner: Haltet Frieden auf dem Weg.
*
Jakobs Reise nach
Ägypten.
So kehrten die
Brüder heim zu ihrem Vater Jakob und verkündeten ihm: Josef lebt noch und ist
Herr über ganz Ägyptenland! Aber sein Herz blieb kalt, er glaubte ihnen nicht.
Da sagten sie ihm
alle Worte Josefs, und als er die Wagen sah, die ihm Josef gesandt hatte, um
ihn zu holen, wurde der Geist Jakobs lebendig. Und er sprach: Ich will hin zu
Josef und ihn sehen, ehe ich sterbe.
Und er brachte
Opfer dar dem Gott seines Vaters Isaak. Da geschah ihm des Nachts eine
Offenbarung: Ich bin Gott, der Gott deines Vaters; fürchte dich nicht, nach
Ägypten hinabzuziehen; denn daselbst will ich dich zum großen Volk machen. Ich
will mit dir hinab nach Ägypten ziehen und will dich auch wieder heraufführen,
und Josef soll dir mit seinen Händen die Augen schließen.
Da machte sich Jakob auf von Beerscheba mit
allem Eigentum; und alle Seelen des
Hauses Jakobs, die mit nach Ägypten kamen, waren sechsundsechzig..
1.Mose 45,25-28;
46,1-4.26
Die Nachricht,
Josef sei am Leben, kann den versteinerten Jakob nicht gewinnen. Erst die Geschenke aus Ägypten erwecken die Lebensgeister wieder. Sie
zeigten ihm: Die Zumutung, als alter Mensch das gesegnete Stück Erde zu
verlassen, muss von Gott selbst gewollt sein. Die direkte Willenskundgabe von
oben her war so verpflichtend, daß sich der alte Herr langsam zur Reise
anschickte. Er will Josef sehen, wenn er gewiss sein darf, jedenfalls in
Heimaterde begraben zu werden. Der tiefere Grund der Reise aber ist die
Heilsgeschichte: An Jakob, Sohn von Isaak und Rebekka und Enkel von Abraham und
Sara soll sich doch erfüllen, was „der Gott der Väter und Mütter“ verheißen
hat: Sie sollen zu einem großen Volk werden. Diese Großfamilie Jakobs mit Lea
(und im Gedächtnis die verstorbene Rahel) bilden die Urzelle des Volkes Israel.
Die Patriarchen
sind mythische Wesen. Die Historie der Stammväter Abraham, Isaak und Jakob
liegt im Dunkel der Geschichte. Die Glaubens –und Lebenserfahrungen von
Jahrhunderten sind literarisch verdichtet in diesen idealen Gründerfiguren.
Kern des Glaubens von Jakob und Josef ist: Gott geht mit ihnen, auch ins
fremdgläubige Ägypten. Das ist der
Anfang des Jesus-Vertrauens, dass Gott auch mit in den Tod geht. „Vater des
Glaubens“ aber ist Abraham, der aus dem Nichts heraus- also ohne Vorerfahrung
mit Gott, diesem gehorchte und losging.
*
Und Josef ließ
seinen Wagen anspannen und zog seinem Vater entgegen. Und als er ihn sah,
weinte er lange an seinem Halse. Da sprach Jakob zu Josef: Ich will nun gerne
sterben. Ich habe dein Angesicht gesehen.
Josef ging zu
Pharao und sagte ihm an: Mein Vater und meine Brüder, ihr Kleinvieh und
Großvieh und alles, was sie haben, sind gekommen aus dem Lande Kanaan. Der
Pharao sprach zu Josef: Es ist dein Vater und es sind deine Brüder, die zu dir
gekommen sind. Das Land Ägypten steht dir offen, lass sie am besten Ort des
Landes wohnen, lass sie im Lande Gosen wohnen, und wenn du weißt, dass Leute
unter ihnen sind, die tüchtig sind, so setze sie über mein Vieh.
Josef brachte auch seinen Vater Jakob hin vor den
Pharao. Der Pharao aber fragte Jakob: Wie alt bist du? Jakob sprach zum Pharao:
Die Zeit meiner Wanderschaft ist hundertunddreißig Jahre; wenig und böse ist
die Zeit meines Lebens und reicht nicht heran an die Zeit meiner Väter in ihrer
Wanderschaft. Und Jakob segnete den Pharao und ging hinaus von ihm.
Josef ließ seinen Vater und seine Brüder in
Ägyptenland wohnen und gab ihnen Besitz am besten Ort des Landes, im Lande
Ramses, wie der Pharao geboten hatte. Und er versorgte seinen Vater und seine
Brüder und das ganze Haus seines Vaters mit Brot, einen jeden nach der Zahl
seiner Kinder. Und sie wuchsen und mehrten sich sehr. Und Jakob lebte noch
siebzehn Jahre in Ägyptenland, sodass sein ganzes Alter wurde
hundertundsiebenundvierzig Jahre.
Und Josef brachte seine in Ägypten geborenen Kinder zu
ihrem Großvater. Und Jakob segnete Ephraim und Manasse. Und er segnete Josef
und sprach: Der Gott, vor dem meine Väter Abraham und Isaak gelebt haben, der
Gott, der mein Hirte gewesen ist mein Leben lang bis auf diesen Tag, der Engel,
der mich erlöst hat von allem Übel, segne dich und die Knaben. Siehe, ich
sterbe; aber Gott wird mit euch sein und wird euch zurückbringen in das Land
eurer Väter. Und Jakob segnete auch all
seine anderen Söhne mit einem besonderen Segen und verkündigte ihnen ihre
Zukunft.
1.Mose 46,28-30;
47,1-49,28
Majestätisch
fast schreitet Jakob beim Pharao ein. Der mag mehr Macht haben, aber Jakob
verfügt über eine hellsichtige Gottesbeziehung. Der Viehbesitzer segnet ungebeten den, der sich als Gottkönig weiss.
Dieser aber scheint über eine abgeklärte Größe zu verfügen- er lässt sich den
Segen des ihm fremden Gottes geschehen.
Als es zum
Sterben ging, segnete Jakob Söhne und Enkel. Sicher blieb der weibliche Teil
der Familie auch nicht ungesegnet. Jakob verbürgt sich für die große Zukunft
der zwölf Stämme Israels. Er bezeugt mit seiner Erfahrung Gott als Hirten, als
Engel, als Erlöser. Das hohe Alter gilt als Qualitätssiegel eines gottgemäßen
Lebens.
*
Als Jakob starb und zu seinen Vätern und Müttern
versammelt wurde, da bestattete man ihn mit großem Geleit im Grab der
Vorfahren, der Höhle Machpela, östlich von Mamre im Lande Kanaan. Als sie ihn
nun begraben hatten, zog Josef mit seinen Brüdern wieder nach Ägypten.
Die Brüder Josefs aber fürchteten, jetzt könne Josef
zur Vergeltung schreiten. Darum sagten sie ihm, es sei des Vaters letzter
Wunsch gewesen, dass er Vergebung walten lasse. Sie baten ihn: Vergib doch
deinen Brüdern die Missetat, dass wir so übel an dir getan haben. Und Josef
weinte, als sie solches zu ihm sagten.
Josef aber sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Stehe
ich denn an Gottes Statt? Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott
gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben
zu erhalten ein großes Volk.
Und Josef sprach zu seinen Brüdern: Bald werde ich
sterben; aber Gott wird sich euer annehmen. Und er wird euch aus diesem Lande
führen in das Land, das er Abraham, Isaak und Jakob zu geben geschworen hat.
Und Josef starb, hundertundzehn Jahre alt.
1.Mose 50
„Zu den Vätern (und Müttern)
versammelt werden“ ist frühes Zeugnis für eine Jenseitserwartung, wie auch
immer. Jedenfalls hatten die Gottgläubigen schon früh eine Hoffnung, die über
das Familiengrab hinausreicht; auch wenn es ihnen wichtig war, in jener Höhle
Makpela begraben zu werden. Die hatte Abraham als einzigen Grundbesitz im
künftigen Gelobten Land erworben- ein Grab als Pfand für ein großes Reich. Josef
vergibt den Brüdern endgültig. Festgehalten bleibt, dass Schuld benannt werden muss
und sie sich nicht einfach auflöst. Und Versöhnung will gelebt werden. Dazu
leitet Josef sich und die Brüder an durch Verweis auf Gott. Der lässt mittels
des Bösen Gutes werden. Was nicht heißt:
Der Zweck heiligt die Mittel. Höchstens heiligt Gott das Mittel, den Verkauf in
die Fremde, zum edlen Zweck der Bewahrung vor Hunger. Wir würden uns an Gottes Statt
stellen, wenn wir Böses säen zum Zwecke einer
Ernte des Guten. Dafür sind wir zu klein, und haben zu wenig Überblick.
Josef stirbt schon in weniger hohem
Alter als Jakob und die davor. Damit deuten die theologischen Schreiber dieses
Buches an, daß sie die goldene Zeit der Gottesvertrautheit der Patriarchen zu
Ende gehen sehen.
* *
2.Buch
Mose
Israels
Bedrückung in Ägypten und Auszug
Josef und seine Brüder waren schon lange gestorben.- Die Nachkommen
Jakobs zeugten Kinder und mehrten sich und wurden überaus stark, sodass von
ihnen das Land voll wurde. Da kam ein neuer König auf in Ägypten, der wusste
nichts von Josef und sprach zu seinem Volk: Siehe, das Volk Israel ist mehr und
stärker als wir. Wir müssen sie kurzhalten, dass sie nicht noch mehr werden.
Denn wenn ein Krieg ausbräche, könnten sie sich zu unsern Feinden schlagen und
gegen uns kämpfen. Und man bedrückte sie mit Zwangsarbeit. Sie bauten dem
Pharao die Städte Pitom und Ramses. 2.Mose
1
Wie
im Zeitraffer werden Jahrhunderte der Volkwerdung Israels in Ägypten gerafft in
wenige Zeilen: Ein neuer König, ein neuer Pharao weiß nichts von Josef. Schnell
vergilben Verdienste. Vergünstigungen hängen an Personen: Wechseln die
Herrschaften, wechseln auch die Bevorzugungen. Auch
die Eingewanderten der nächsten Generationen sind anders dran: Sie müssen sich
in der Gegenwart ihre Stellung neu erkämpfen. Die Kinder Israels bleiben in
Ägypten Fremde, sie machen wegen ihres vielen Nachwuchses den behäbigen Eingesessenen
Angst. Man zwingt sie zu niedriger Arbeit, dann zum Frondienst an den
Pyramiden.
Auch
das zweite Buch Mose ist hochwichtig. Das erste Buch Mose (Genesis- Werdung)
legt den Grundstein unseres Denkens: Der Mensch von Gott geschaffen und zum Mitgestalten
berufen.- Das zweite Buch Mose (Exodus- Auszug) zeigt die Richtung: Wir, Israel
und damit die Menschheit ist mit Gott auf dem Weg aus der Gefangenschaft, aus
der Sklaverei von Sünde und Tod und Vergeblichkeit hin ins „Gelobte Land“.
Entdeckt
wird für die Menschheit, daß wir nicht zum Zeitvertreib hier sind, sondern
schwanger gehen mit Leid und Segen; unsere Seelen sind ausgespannt auf Fülle. Ausdehnung des Glücks ist der Sinn
der Schöpfung, Bau von Gerechtigkeit der Weg. Der Auszug aus der Gefangenschaft
in die Freiheit der Kinder Gottes ist
ein Projekt jeder Generation und jedes Einzelnen. Wir sind zu einem
Lebensgefühl erhoben, das aus der Idylle in das Drama gerufen ist und aus der
Behaglichkeit in das Gestalten von Freiheit. Die politische und persönliche
Freiheit leuchtet als großer Wurf Gottes an die Menschen auf. Es wird denkbar,
daß wir nicht als Biomasse, nicht als gesichtslose Verbrauchende gedacht sind,
sondern Gedankenfreiheit, Schönheit und Liebe leben dürfen.- Denn kein anderer ist
Gott, als der, der aus der Knechtschaft herausführt. Immer noch. Der Auszug
Israels ist Modellfall für die Menschheit. Die ist unterwegs mit dem
vorausgehenden Gott. Mit ihm Schritt zu halten ist immer neuer Auftrag.
Liebevoll
erzählt Israel fünf bis acht
Jahrhunderte nach dem dunklen Aufbruch ihrer Pilgerväter und -mütter die
Rettung aus Ägypten. Wie bedrohlich auch die jeweilige Gegenwart scheint, sie
ist ein Stück Weg, den Gott mitgeht.
*
Moses
wunderbare Errettung
Und der König von Ägypten befahl den hebräischen Hebammen- eine hieß
Schifra, die andere Pua: Wenn ihr den hebräischen Frauen helft und bei der
Geburt seht, dass es ein Sohn ist, so tötet ihn; ist’s aber eine Tochter, so
lasst sie leben.
Ein
Mann vom Hause Levi aber nahm ein
Mädchen aus dem Hause Levi zur Frau. Und sie ward schwanger und gebar einen
Sohn. Und sie verbarg ihn drei Monate. Als
sie ihn aber nicht länger verbergen konnte, machte sie ein Kästchen von Rohr und
verklebte es mit Erdharz und Pech und legte das Kind hinein und setzte das
Kästchen in das Schilf am Ufer des Nils, wo die Tochter des Pharaos zu baden
pflegte. Und seine Schwester hielt
Wache, um zu erfahren, wie es weitergehe.
Und
die Tochter des Pharao stieg hinab und wollte baden, und ihre Freundinnen
gingen am Ufer auf und ab. Und sie sahen das Kästlein im Schilf und holten es. Als
sie es öffneten, sahen sie das Kind- es weinte. Da jammerte es sie und sie
sprach: Es ist eins von den hebräischen Kindlein. Und doch soll es leben.
Da trat die Schwester aus dem
Schilf zu der Tochter des Pharao und sprach: Soll ich eine hebräische Frau
rufen, die gerade stillt, dass sie dir das Kindlein versorge?
Die
Tochter des Pharao sprach zu ihr: Tu das. Das Mädchen ging hin und rief die
Mutter des Kindes. Da sprach die Tochter des Pharao zu ihr: Nimm das Kindlein
mit und stille es mir und zieh es groß; ich will es dir lohnen. Die Frau zog
das Kind groß. Und als das Kind groß war, brachte sie es der Tochter des
Pharao, und es ward ihr Sohn und sie nannte ihn Mose; was heißt: „aus dem
Wasser gezogen“.
2.Mose 1,15; 2, 1-10
Dem großen Mose gebührt eine wunderbare Geburt. Die Rettung im
Schilfkorb ist starkes Zeichen der Bewahrung und der Erwählung. Und ist auch
ein Lobgesang auf die Mütter dieser Erde, die oft genug ihre Kinder unter
widrigsten Umständen gebären und durchbringen. Mose ist natürlich von Herkunft
aus jüdischer Familie. Gleichzeitig ist er am ägyptischen Hof erzogen. Die
Findelkindgeschichte flicht beide Wahrheiten zusammen.
*
Moses
Flucht nach Midian
Als
Mose herangewachsen war, ging er öfter hinaus zu seinen hebräischen Brüdern und
litt mit an ihrem Frondienst. Einmal
schlug ein ägyptischer Aufseher einen Hebräer. Das brachte Mose so auf, daß er-
kurz nach allen Seiten prüfend, ob es Zeugen gäbe- den Ägypter erschlug. Er verscharrte ihn im Sande und ging davon.
Am nächsten Tag ging er wieder hin und sah zwei hebräische Männer miteinander
streiten und sprach zu dem, der im Unrecht war: Warum schlägst du deinen
Nächsten?
Er aber sprach: Wer hat dich zum Aufseher oder Richter über uns gesetzt?
Willst du mich auch umbringen, wie du den Ägypter umgebracht hast? Da fürchtete
sich Mose und floh ins Land Midian. Dort setzte er sich nieder bei einem
Brunnen.
*
2. Mose 2, 11-15
Dass dieser
einzigartige Religionsheld so unbeherrscht war und dies auch noch spätere
Generationen nicht schönten, spricht für
die große Menschlichkeit der Bibel und ihres Glaubens. Wieder macht Gott eben
keinen Heiligen zu seinem großen Sprecher, sondern ruft einen mit dunkler Herkunft:
ungeduldig, jähzornig, zerrissen in sich selbst- als Hebräer auf Seiten der
Geschundenen, als Adoptivenkel des Pharaos gewöhnt, kurzen Prozess zu machen.
Mose hatte gemeint, der Sympathien der Hebräer sicher sein zu können. Aber
Mordblut an den Händen ist nicht abzuwaschen; man geht auf Distanz zu dem, der zurecht
bringen will mittels Unrecht. Der Zweck heiligt die Mittel nicht.
Kain
wird der große Städtebauer; Mose ist das
Modell für Ausbruch aus Knechtschaft; Gott reduziert Menschen nicht auf ihre
böse Tat. Er schafft Vergebung und neuen Anfang.
*
Ein Priester namens Reguel
in Midian hatte sieben Töchter; die kamen, Wasser zu schöpfen, und füllten die
Rinnen, um die Schafe ihres Vaters zu tränken. Da kamen Hirten und stießen sie
weg. Mose aber stand auf und half ihnen und tränkte ihre Schafe. Und als sie zu
ihrem Vater kamen, sprach er: Warum seid ihr heute so bald gekommen? Sie
sprachen: Ein ägyptischer Mann stand uns bei gegen die Hirten und schöpfte für
uns und tränkte die Schafe.
Er sprach zu seinen
Töchtern: Wo ist er? Warum habt ihr den Mann nicht eingeladen? Lauft, bittet
ihn zu uns. Und Mose willigte ein, im Haus des Priesters von Midian zu bleiben.
Und er gab Mose seine Tochter Zippora zur Frau. Die gebar einen Sohn und er
nannte ihn Gerschom; was soviel heißt wie:
„ich bin ein Fremdling geworden im fremden Land“.
2. Mose 2,16-22
Der
große Mose muß wie Jakob und Josef erst in die Fremde, muß dort seine Frau
finden und um sie dienen. Zweierlei ist
prägend: Mose drängt auf Gerechtigkeit, er hilft den Frauen; und seine
Frömmigkeit gedeiht in der Fremde, er hat keine Berührungsangst vor der
Interpretation des Göttlichen in
ägyptischer und midianitischer Vielfalt. Das Fremdlingsein ist mühsame aber
kostbare Chance, das Eigene zu finden.
*
Mose hütete die Schafe
seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian. Einmal trieb er die Schafe
über die Steppe hinaus und kam an den Gottesberg Horeb.
Da erschien ihm der Engel
Gottes in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch
im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. Da sprach er bei sich: Ich will
hingehen und die wundersame Erscheinung ansehen; ich will wissen, warum der Busch
nicht verbrennt. Als aber Gott sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn
aus dem Busch an und sprach: Mose, Mose!
Er antwortete: Hier bin ich.
2. Mose 3,1-4
Eine der tiefgründigsten
Gotteserscheinungen bahnt sich an. In der Wüste Sinai an einem „Unort“, weglos,
wasserlos- nur Felsen und bizarre Luftspiegelungen- sieht Mose eine Glut, die
sprüht und leuchtet- aus der Ferne vielleicht ein Dornbusch in Blütenpracht.
Mose will wissen, was mit dem wunderlichen Busch los ist. Da geht ihn eine
Stimme an, ein Ruf stülpt sich über ihn, er hört sich bei seinem Namen gerufen.
Er weiß sich aufgerufen, er ist gemeint, ist erkannt. Er sieht sich gestellt
vom Geheimnis der Welt.
Gott sprach: Tritt nicht
herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist
heiliges Land! Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott
Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein
Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott zu schauen.
2.Mose 3,5.6
Nicht, dass Moses den Herrn gesehen hätte. Der
brennende, sich nicht verzehrende Dornbusch ist ein Bild für die Anwesenheit
Gottes. Doch Er ist nicht besehbar, wohl
aber ist seine Aura, seine Energie, sein Indienstnehmen erfahrbar. Es mag in
etwa so sein, wie mit der Sonne: wir können nicht in die Sonne sehen, können
nur ihre Wirkung spüren; ja, wir leben mittels ihrer.
Orte der Gottesbegegnung sind energetisch aufgeladen,
sind heilige Bezirke- Das Ausziehen der Schuhe ist ein Zeichen von Demut, von
Entwaffnung und Verehrung.
Verheißung eines Landes voll Milch und Honig
Und Gott sprach: Ich habe
das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger
gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. Ich will sie erretten aus der Hand der
Ägypter und sie herausführen aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, in
ein Land, darin Milch und Honig fließt. Dich aber will ich zum Pharao senden,
damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.
2. Mose 3, 7-10
Hier legt Gott dem Mose
seinen Rettungsplan dar und spannt ihn ein. Es sieht aus, als nähme sich Gott
Zeit, um die Tiefe der Leiden gewahr zu werden. Als müsse das Gewissen der Welt
erst mühsam sich ein Bild machen! Wir sollten immer wissen, daß unser Meinen
über Gott nur ein Ahnen ist auf den
Schultern derer, die vor uns Erfahrung mit ihm machten. Die uns den Bericht vom
Auszug Israels geben, sind ja die Anfänger unseres Glaubens. Und wir, die wir
so viel Rückblick auf passierte, gedeutete Geschichte haben, tasten auch noch,
wie denn das Geleit Gottes uns geschieht.
Von der Wüste aus gesehen
ist das fruchtbare Land das Paradies auf Erden, das Land, wo Milch und Honig
fließt. Aber jedes irdische Ziel, wenn es erst mal mühsam erreicht ist, stellt
sich heraus als Vorhof, als Skizze für das „Gelobte Land, „da Fried und Freude
lacht“. Wir sind hier Gäste, bleiben auf dem Weg voll Heimweh; „Wir haben hier
keine bleibende Stadt sondern die zukünftige suchen wir“ (Hebräer 13,14).
Mose sprach zu Gott: Wer
bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten? Gott
sprach: Ich will mit dir sein. Und das soll dir Zeichen sein, dass ich dich
gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott
opfern auf diesem Berge.
2.Mose 3,11.12
Das blieb über die Jahrhunderte der nur mündlichen
Weitergabe deutlich: Moses drängte sich nicht, Gottes Vormann zu werden. Er
scheute sich, hielt sich für unfähig, sicher auch für unwürdig. Aber Gott
übergeht dessen Einspruch und sagt ihm zu: „Mit mir kannst du alles, bist du
alles.“ Gott malt ihm den Erfolg glühend vor Augen: Du wirst nach gelungener
Mission hier opfern. So bürgt die Zukunft für die Gegenwart. Weil jetzt die
erste Stufe Richtung Heile Welt ist, ist
das Jetzt die Ouvertüre des Heilwerdenden. Uns ist aufgegeben, im Gegenwärtigen
Heilendes anzubahnen. Sind wir damit voll beschäftigt, fallen viele Sorgen
hinter uns zurück.
Doch, spricht Moses weiter
zum Herrn, wenn ich zu den Israeliten komme und sage zu ihnen: Der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams,
der Gott Isaaks, der Gott Jakobs hat mich zu euch gesandt!, dann werden sie mir
sagen: Wie ist sein Name? Und was soll ich ihnen dann sagen?
2. Mose 3,13
Mose gibt sich nicht
zufrieden mit dem Erinnerungsgott, dem Gott der Vorfahren. Heute soll er sich
erweisen, als eben ihr Gott und nicht sich zitieren als „Der von Damals“. Es rettet
uns auch nicht, Gott als Starter am Anfang der Welt zu wissen. Sein Schaffen
heute muss uns leuchten. Und unser Mittun jetzt braucht einen Namen, der jetzt
Energie ausstrahlt. Darum Dank an Moses, dass er drängt auf Gottes persönliches
Sichbekanntmachen.
Der „Gott bei uns“
Gott sprach zu Mose: „Ich
werde für euch da sein, als der ich für euch da sein werde“ so ist mein Name.
Sag den Israeliten: Der »Ich werde für euch da sein« hat mich zu euch gesandt.
2.Mose 3,14
Gottes Selbstoffenbarung
ergeht in der Sprache Israels und heißt: „Jahve“. Das übersetzt die griechische
(alttestamentliche) Septuaginta (etwa um 300 v. Chr): „Ego eimi ho Oon“- „Ich bin der Seiende.“ Dynamischer und
liebevoller aber ist die Übersetzung „Ich bin für euch da“. – „Ich bin der für
euch Existierende, wie auch immer ich mich euch zeigen werde, wie immer ich
euch auch geschehe“.
Sicher ist Gott auch Der, Die,
Das Seiende, aber vor allem ist er Liebe. Er ist für uns da. Wie verschlungen
unsere Wege auch sind, er geht sie mit. Zuneigung ist sein Wesen. Schade, daß
sich als Eigenname bei uns das „Jahve“- (in falscher Vokalisierung:“Jehova“)-
„Der Gott mit uns“ nicht durchgesetzt hat. Aber “Vaterunser“ meint dasselbe.
Und Gott sprach zu Mose:
Geh mit den Ältesten Israels hin zum König von Ägypten und fordere die Freigabe
der Kinder Israels. Und Moses sagte: ´Die Kinder Israels werden nicht auf mich
hören, sie werden sagen: Gott ist dir nicht erschienen.
2.Mose 3,18; 4,1
Moses erweist sich als
ebenbürtiger Gesprächspartner Gottes. Der legt sich mächtig ins Zeug, um Moses
zu begeistern: Er soll Botschafter dessen werden, der den Geknechteten eigenes
Land verheißt. Gott weiht seinen Helden in die künftigen Mühen ein, und Moses
den Herrn auch.
Wird Moses ein Spiegelbild
Gottes- vor Jesus schon eine Art Abbild?
Was muss sich Gott mühen, Israel frei zu bekommen; was muss sich Mose
mühen, das störrische Israel auf dem Weg zu halten. Man wird den Eindruck nicht
los, daß die beiden sich nicht um ihren
Job reißen- Gott stöhnt oft bei Moses und Moses beim Herrn- Es wird
spannend, zu sehen, wie sie sich
gegenseitig aufrecht halten.
Erst mal widersteht Moses
noch: Ach, mein Herr, ich bin von jeher nicht beredt gewesen, auch jetzt nicht,
seit du mit deinem Knecht redest; ich hab eine grobe Sprache und eine schwere
Zunge.
Gott sprach zu ihm: Wer hat
dem Menschen den Mund geschaffen, wenn nicht ich? So geh jetzt: Ich will mit
deinem Munde sein und dich lehren, was du sagen sollst. Mose aber sprach:
Sende, wen du senden willst, aber nicht mich. Da wurde der Herr zornig.
2.Mose 3,10 –14
Das Widerständige des Moses
ist eine Kraftquelle. Wir dürfen mit Gott streiten, unsere Bedenken haben vor
ihm Platz. Wenn uns aber Gott in die Pflicht nimmt, dann sind nicht unsere
Begabungen der Grund sondern Gottes Wille. Weil Gott den Moses will, taugt der
für sein Amt. Das aber kann Moses nicht begreifen, der sich noch sieht unter
den abschätzigen Blicken der Andern. Und wird halsstarrig.
Gott sprach: Dein beredter
Bruder Aaron wird mitgehen. Du sollst zu ihm reden und die Worte in seinen Mund
legen. Und ich will mit deinem und seinem Munde sein und euch lehren, was ihr
tun sollt. Und er soll für dich zum Volk reden; er soll dein Mund sein und du
sollst für ihn „Gott“ sein. Und diesen Stab nimm in deine Hand, mit dem du die
Zeichen tun sollst.
2.Mose 3,15-17
Zürnt Gott? Es schmerzt ihn
unsere geistlose Schwerfälligkeit. Er weiß doch, dass wir „Staub„ sind, nur
durch seinen Willen eine Handbreit über dem Chaos gehalten. So stellt Gott dem zaudernden
Mose dessen Bruder zur Seite; eine berühmte Partnerschaft wird begründet: Mose
ist Gottes Knecht; Aaron sein Gehilfe. Das Gefälle zwischen Menschen kommt auch
daher, daß Menschen mehr oder weniger Nähe zu Gott haben. Wir sollen mit unsern
verschiedenen Gaben gemeinsame Sache machen. Spannungen sind programmiert. Aber
kein von Gott Beauftragter geht ungerüstet. Moses erhält einen Stab; ob Hirtenstab, Marschallstab,
Hoheitszeichen- wunderträchtig, machtvoll; er geht nicht mit leeren Händen.
*
Und Gott sprach zu Mose: Zieh wieder nach
Ägypten, tritt vor Pharao und sprich zu ihm: So spricht der Herr: Israel ist
mein erstgeborener Sohn; ich gebiete dir: Lass du meinen Sohn ziehen, dass er
mir diene. Wirst du dich weigern, so will ich deinen erstgeborenen Sohn töten.
Mose aber hörte Gott auch
sagen: Ich will des Pharaos Herz
verstocken, dass er das Volk nicht ziehen lassen wird.
Aus 2.Mose 4
Hochdramatisch ist Moses Auftrag: Er weiß, daß der
Pharao Israel nicht ziehen lassen will. Und wird es dann doch tun müssen.
Zunächst „verstockt“ ihn Gott. Kann das angehen, daß Gott Menschenherzen versteint? Ja- müssen wir nicht hoffen, daß letztlich auch die Mörder nicht
freien Willens ihre Untaten tun, sondern auch Hitler „nur“ verstockt war, nur
Gottes „Geschirr“ war? Die Menschheit hat immer gewusst, dass die Leiden der
Zeit „verhängt“ sind. Nicht nur die Schuld Einzelner bildet das Gewicht der
Welt sondern wir häufen und tragen alle am überpersönlichen Schuldberg mit; wenn
einer auch unschuldig sein sollte, schuldlos ist er nicht. Das kommt „ans Licht
der Sonnen“ im größenwahnsinnigen Nationalstolz (1.und 2. Weltkrieg), jetzt
in Klimakatastrophe und Hungerelend.
Wir sind Verstockte, das merken wir an unserm „Weiter
so“, obwohl wir es bejammern. So hinfällig wir auch sind, Gott würdigt, schuldig
werden zu können. Doch im allertiefsten Grund sind wir nicht die Verursacher
sondern die, „die nicht wissen , was sie tun“, wie rotzige, imponiersüchtige
Jugendliche. Letztlich haftet Gott- das will wohl die Idee von der
Verstocktheit sagen. Und unsere Schlechtigkeiten haben nicht das letzte Wort –
letztlich kommt Rettung, wenn auch über
Tod und Ruinen hin.
Dann gingen Mose und Aaron
hin und sprachen zum Pharao: So spricht der Herr, der Gott Israels: Lass mein
Volk ziehen, dass es mich feiere in der Wüste.
Der Pharao antwortete: Wer
ist der Herr, dass ich ihm gehorchen müsse und Israel ziehen lasse? Ich weiß
nichts von deinem Herrn, will auch
Israel nicht ziehen lassen. Geht hin an eure Pflichten!
Und der Pharao befahl am selben Tage den
Aufsehern: Ihr sollt dem Volk nicht- mehr Häcksel geben, dass sie Ziegel
machen, wie bisher; lasst sie selbst das Stroh dafür zusammensuchen. Man drücke
die Leute mit Arbeit, dass sie zu schaffen haben und sich nicht um falsche
Reden kümmern.
Mose aber kam wieder zu Gott
und sprach: Herr, warum tust du so übel an diesem Volk? Denn seitdem ich
hingegangen bin zum Pharao, um mit ihm zu reden in deinem Namen, hat er das
Volk noch härter geplagt, und du hast dein Volk nicht errettet.
2.Mose 5
Mit großem Mut ausgerüstet,
geht Moses zum Pharao und sagt ihm an: „Lass mein Volk ziehen“. Es ist wohl der
stärkste Rettungssruf der Menschheit: „Let my people go!“ Viele Befreiungsbewegungen berufen sich auf
diese Szene des Mose vor Pharao. Noch meint
der ahnungslose Herrscher, den Ruf nach Freiheit wegwischen zu können. Pharao ist Modell für
die Taubheit der Mächtigen: Wie einst Lenin schnippisch fragte: “Wieviel
Divisionen hat der Papst?“- so hielt Pharao das Freiheitsbegehren nur für
Einflüsterung, für „falsches Reden“. Und
das Rezept der Tyrannen heißt: Satteln wir Bedrückung drauf, das wird die
Murrenden zur Vernunft bringen.
Aber Pharao wird den Herrn
Israels kennenlernen. Das muss auch Moses glauben- er muss in das zukünftige
Wirken Gottes sich hineinhoffen.
Erst mal beschwert er sich,
er will die Rettung sofort.
Da sprach Gott zu Mose und
Aaron: Die Ägypter sollen innewerden, dass ich der Herr bin- ich werde meine
Hand über Ägypten ausstrecken und die Israeliten aus ihrer Mitte wegführen.
Geht hin, mit dem Pharao zu reden. Der
Pharao wird dann verlangen: Weist euch aus durch ein Wunder! Dann sag zu Aaron:
Nimm deinen Stab und wirf ihn hin vor dem Pharao, dass er zur Schlange werde!
Da gingen Mose und Aaron
hinein zum Pharao und sie taten, wie ihnen Gott geboten hatte. Und Aaron warf
seinen Stab hin vor dem Pharao und vor seinen Großen und der wurde zu einer
Schlange. Da ließ der Pharao die Weisen und Zauberer rufen und die ägyptischen
warfen auch jeder seinen Stab hin, da
wurden Schlangen daraus; aber Aarons Stab verschlang ihre Stäbe. Doch das Herz
des Pharao blieb verstockt.
2.Mose 7,5- 13
Es blieb im Gemeinschafts-
Gedächtnis Israels haften, dass der Pharao nur mit enormem Kraftaufwand zu
überwinden war. Gott musste sich mit aller Macht ins Zeug legen, um sein Israel
in die Freiheit zu führen. Und weil er solche Mühe mit Pharao hatte, ist die
Rettung dann ja auch eine Zweite Schöpfung: Gott erschafft Israels durch Erhebung aus dem Sklavenstand
hinauf zur Gotteskindschaft. Darum ist auch im Nachhinein die Mühe um die
Rettung so detailliert erzählt;
erst ziehen die ägyptischen
Zauberer mit Aarons Stabwunder gleich-
dann siegt Gottes Bote doch noch durch eine gesteigerte Machtdemonstration. Ausgesuchte Qualen mussten auf Pharao gehäuft
werden, ja Gott musste alle Fiesheit aufbieten, um letztlich zu
triumphieren.
Erst Jesus Christus hat uns
Gott nahegebracht- anders gesagt: er hat uns offenbart, daß der Zweck die
Mittel nicht heiligt, Gott nicht durch Strafen bekehrt. Andrerseits ist
Verstocktheit oft nicht durch Zureden sondern nur durch Gewalt zu brechen- wie
etwa Deutschlands Besessenheit von Hitler nur ausgetrieben werden konnte durch
völlige Entmachtung. Auch Gott hatte hier kein anderes Mittel parat, als mit Gewalt
zuzuschlagen.
*
Um die Verstockung zu brechen,
kamen große Plagen.
Mose schlug mit seinem Gottesstab aufs Wasser, da
verwandelte der Nil sich in stinkendes Blut, sieben Tage lang. Dann wimmelte
der Nil von Fröschen, die bis in die Backtröge und die Betten krochen. Dann
kamen Mücken, setzten sich an die Menschen und an das Vieh; aller Staub der
Erde wurde zu Mücken in ganz Ägyptenland. Als
vierte Plage kamen die Stechfliegen, dann die Viehpest. Dann kamen die
Blattern, dann Hagel, dann führte der Ostwind die Heuschrecken herbei. Sie
fraßen alles, was im Lande wuchs und ließen nichts Grünes übrig an den Bäumen
und auf dem Felde in ganz Ägyptenland. Dann fiel eine so dicke Finsternis
auf das ganze Land drei Tage lang, dass
niemand den andern sah noch weggehen konnte von dem Ort, wo er gerade war. Aber
bei allen Israeliten war es licht in ihren Wohnungen. Da rief der Pharao nach
Mose und sprach: Zieht hin und dient dem Herrn.
Und noch mal mehr verstockte der Herr das Herz des
Pharao, dass er sie doch nicht ziehen lassen wollte. Und Gott
sprach zu Mose: Eine zehnte Plage will ich noch über den Pharao und
Ägypten kommen lassen. Dann wird er euch ziehen lassen, und nicht nur das,
sondern er wird euch von hier sogar vertreiben.
Und Mose sagte Pharao an: Um Mitternacht will Gott
durch Ägyptenland gehen, und alle Erstgeburt in Ägyptenland soll sterben, vom
ersten Sohn des Pharao an, der auf seinem Thron sitzt, bis zum ersten Sohn der
Magd, die hinter ihrer Mühle hockt, und alle Erstgeburt unter dem Vieh. Und es
wird ein großes Geschrei sein in ganz Ägyptenland, wie es nie zuvor gewesen ist
noch werden wird; aber gegen ganz Israel soll nicht ein Hund mucken, auf dass
ihr erkennt, dass Gott einen Unterschied macht zwischen Ägypten und Israel.
2.Mose 8-11
Die ägyptischen Plagen sind
sprichwörtlich geworden für Naturkatastrophen zuhauf. Es ist diese Häufung
sicherlich erzählerisches Mittel und nicht historische Abfolge. Auch das Auf
und Ab zwischen der himmlischen und der weltlichen Macht ist dramatische
Gestaltung. Pharao ist jedermann. Mitten im Schrecken gibt Pharao klein bei;
sobald das Leid etwas gelockert ist,
zieht er sein Wort zurück, bis eine weitere Plage ihn zum Nachgeben
bringt. Doch sobald der Druck nachlässt,
fühlt sich Pharao wieder machtvoll. Braucht es da viel Verstockung? Ist es
nicht unsere banale Sünde, von der Macht, vom Gewohnten nicht lassen zu wollen.
Wieviel Plagen rufen wir hervor? Und lasten wir uns auf, ehe wir uns ändern?
Wann gestehen wir Scheitern? Erst wenn das Unbehagen ganz und gar gesättigt
ist, sind wir wohl zur Umkehr bereit.
Wenn man liest, wieviel
Leid über Ägypten kommen soll, damit die
Welt erkenne, wieviel geliebter Israel sei- dann kann einem schon der Atem
stocken angesichts der fortgesetzten Friedlosigkeit in Nahost. Jedenfalls hat
die angebliche Bevorzugung Israels so viel Leid auf Israels Haupt gebracht.
Wenn Israel „Gottes erste Liebe“ ist, so ist es eine unglückliche Liebe- die
auf Heilung wartet wie die ganze Menschheit Heilung braucht.
*
Einsetzung des Bundesfestes
Gott aber sprach zu Mose
und Aaron in Ägyptenland: Sagt der ganzen Gemeinde Israel: Am zehnten Tage
dieses Monats nehme jeder Hausvater ein Lamm und schlachte es gegen Abend. Und
von seinem Blut sollen sie beide Pfosten an der Tür und die obere Schwelle
bestreichen an den Häusern, in denen sie’s essen. So sollt ihr’s aber essen: Um eure Lenden
sollt ihr gegürtet sein und eure Schuhe an euren Füßen haben und den Stab in
der Hand und sollt es essen als die Hinwegeilenden mit ungesäuertem Brot.
Ihr sollt diesen Tag als
Gedenktag halten und sollt ihn feiern als ein Fest für mich, den Herrn, ihr und
alle eure Nachkommen, in ewiger Ordnung.
Und Mose berief alle
Ältesten Israels und sprach zu ihnen: Wenn ihr in das Land kommt, das euch der
Herr geben wird, wie er gesagt hat, so haltet diese Tradition. Und wenn eure
Kinder zu euch sagen werden: Was habt ihr da für eine Überlieferung?, sollt ihr
sagen: Es ist das Passah-Opfer des Herrn, der an den Israeliten vorüberging in
Ägypten, als er die Ägypter schlug und unsere Häuser errettete. Da neigte sich
das Volk und betete an.
Und zur Mitternacht schlug
der Herr alle Erstgeburt in Ägyptenland vom ersten Sohn des Pharao an, bis zum
ersten Sohn des Gefangenen im Gefängnis und alle Erstgeburt des Viehs.
Da stand der Pharao auf in
derselben Nacht und alle seine Großen und alle Ägypter, und es ward ein großes
Geschrei in Ägypten; denn es war kein Haus, in dem nicht ein Toter war.
Und er ließ Mose und Aaron
rufen in der Nacht und sprach: Macht euch auf und zieht weg aus meinem Volk,
ihr Israeliten. Nehmt auch mit euch Schafe und Rinder und Schmuck, nehmt was
ihr braucht. Und geht hin und bittet auch um Segen für mich.
Und die Ägypter drängten
das Volk und trieben es eilends aus dem Lande; denn sie sprachen: Sonst sind
wir alle des Todes. Also zogen die Israeliten aus von Ramses nach Sukkot,
sechshunderttausend Mann und die Frauen und Kinder.
2.Mose 12
Das wichtigste Fest Israels
– das Passa- ist gestiftet in der Rettung Israels aus Ägypten. Das Blut des
geschlachteten Lammes an den Balken ließ den Todesengel die jüdischen Häuser
verschonen. Das ungesäuerte Brot erinnert an die in Eile Aufgebrochenen, die
keine Zeit mehr hatten für ordentlich mit Sauerteig angesetztes Brot.
Das jährliche Passafest
versammelt die jüdische Familie und nächste Freunde zu gebratenem Lamm und
grünen Kräutern und weißem Brot. Kompott wird dazu gereicht aus Feigen und
Trauben, die Symbol sind für die Backsteine, die die Hebräer in der ägyptischen
Gefangenschaft herstellen mussten. Das Mahl beginnt mit einem Becher Wein, über
den der Hausvater zwei Segenssprüche spricht, anschließend wird der Becher
weitergereicht. Ein Wasserbecken geht vorher von Hand zu Hand für die
vorgeschriebene Reinigung, Der Älteste der Familie erklärt dem jüngsten
Tischgenossen die verschiedenen Riten, dann bricht er das Brot, das Mahl
beginnt- es wird gerahmt von Lobgesängen aus den Psalmen.
Auch Jesus hat mit seinen
Jüngern das Passamahl gehalten. Die Christen haben dann das letzte Mahl Jesu zum
Abendmahl- (kath: Eucharistie)
umgeformt: Paulus setzt Jesus mit dem Lamm gleich. Brot und Wein geben
sich die Menschen weiter in Vorfreude auf das
gemeinsame Fest im Reich Gottes.
*
Die Wolken- und Feuersäule
Als nun der Pharao das Volk hatte ziehen lassen,
führte sie Gott nicht den Weg durch das Land der Philister, der am nächsten
war; denn Gott dachte, es könnte das Volk gereuen, wenn sie Kämpfe vor sich
sähen, und sie könnten wieder nach Ägypten umkehren wollen.
Darum ließ er das Volk einen Umweg machen und führte
es durch die Wüste zum Schilfmeer. Und Gott zog vor ihnen her, am Tage in einer
Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer
Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten.
Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage noch die Feuersäule bei
Nacht.
2.Mose 13, 17,18,20-22
Warum bewahren die Erzähler den Umstand, daß Gott das
Volk auf Umwegen ans rote Meer führte?- Sollte Gott mehr Interesse an der
Befreiung Israels gehabt haben, als diese selber. Es ist so menschlich, dass wir
das gewohnte Unglück vorziehen dem Kampf um die ungewohnte Freiheit. Es ist
anrührend, wie Gott sein Völkchen an der Strippe hat, sie keinen Augenblick mit
ihren Ängsten alleine lässt.
Wir dürfen uns auch der Gegenwart Gottes sicher sein
in den Alltäglichkeiten und den dramatischen Zeiten. Wie sich uns Wolken- und
Feuersäule gestalten, dafür bekommen wir keine Schnittmuster im Voraus. Aber im
Nachhinein haben wir die Treue Gottes erfahren, doch sicher.
*
Als dem Pharao angesagt
wurde, dass das Volk geflohen sei, wurde er wieder verstockt und es reute ihn:
Warum haben wir Israel ziehen lassen, sodass sie uns nicht mehr dienen? Und er
spannte seinen Wagen an und nahm sein Kriegsvolk mit und sechshundert
auserlesene Kampfwagen.
Die Israeliten waren unter
der Macht einer starken Hand ausgezogen. Doch
Pharao war ihnen auf den Fersen. Da schrien sie zu dem Herrn und
sprachen zu Mose: Waren nicht Gräber genug in Ägypten, dass du uns wegführen
musstest, damit wir in der Wüste sterben? Haben wirs dir nicht schon in Ägypten
gesagt: Lass uns in Ruhe, es ist besser,
den Ägyptern zu dienen, als in der Wüste zu sterben?
Da sprach Mose zum Volk:
Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der Herr heute an
euch tun wird. Denn wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie niemals
wieder sehen. Der Herr wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein.
Und Gott sprach zu Mose:
Sage den Israeliten, dass sie weiterziehen. Und der Engel Gottes, der vor dem
Heer Israels herzog, kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels.
Dort war die Wolke finster und hier erleuchtete sie die Nacht, und so kamen die
Heere die ganze Nacht einander nicht näher.
2.Mose 14, 5-20
Wieder dies Murren und Schwanken- jetzt fürchten sie,
ihnen ständen Gräber in der Wüste bevor; Da wären sie lieber in Unfreiheit
altgeworden. Aber Mose steht ihnen ein für den rettenden Gott. Der wird für sie
streiten.
Wir brauchen auch solche Bürgen, Prediger,
Seelsorgende- die uns den Engel des Herrn geben: Der beleuchtet die Szene, daß
uns das Böse nicht fressen kann und wir uns im Erleuchteten wahrnehmen.
*
Als nun Mose seine Hand
über das Meer reckte, ließ es der Herr zurückweichen durch einen starken
Ostwind die ganze Nacht und die Wasser teilten sich, dazwischen war Trockenes
Und die Ägypter folgten und zogen hinein ihnen nach, alle Rosse des Pharao,
seine Wagen und Männer, mitten ins Meer.
Als nun die Zeit der
Morgenwache kam, schaute der Herr auf das Heer der Ägypter aus der Feuersäule
und der Wolke und brachte einen Schrecken über ihr Heer und hemmte die Räder
ihrer Wagen und machte, dass sie nur schwer vorwärts kamen. Da sprachen die
Ägypter: Lasst uns fliehen vor Israel; der Herr streitet für sie gegen Ägypten.
Aber der Herr sprach zu
Mose: Recke deine Hand aus über das Meer, dass das Wasser wiederkomme und
herfalle über die Ägypter, über ihre Wagen und Männer. Da reckte Mose seine
Hand aus über das Meer, und das Meer kam gegen Morgen wieder in sein Bett, und
die Ägypter flohen ihm entgegen. So stürzte der Herr sie mitten ins Meer,
sodass nicht einer von ihnen übrig blieb. Aber die Israeliten gingen trocken
mitten durchs Meer, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur
Linken.
So errettete der Herr an
jenem Tage Israel aus der Ägypter Hand. Und sie sahen die Ägypter tot am Ufer
des Meeres liegen.
2.Mose 14, 21-30
Die Nachkommen Jakobs und Leas, Rahels waren in fünf
bis zehn Generationen zu einem Völklein herangewachsen. Sie wurden mehr und
mehr versklavt und beim Pyramidenbau geschunden. Dann riefen sie zu Gott und
der führte sie aus dem „Knechthaus“ Ägypten. Unter Moses Führung gelang ihnen die Flucht durchs Rote Meer.
Ob das Meer wie in Mauern
rechts und links Spalier stand, ist nicht sicher. Vielleicht ist der
historische Kern ein Seenebel, der den
Ägyptern die Sicht versperrte auf eine Furt durchs Wattenmeer. Und als sich der
Nebel verzog, war Israel schon am anderen Ufer, während die Streitwagen
Ägyptens in der nahenden Flut untergingen.
Jedenfalls bricht für Israel mit
diesem Auszug der Aufbruch ins Gelobte Land der Verheißung an. Tatsache und
Bedeutung- das eine ist das Geschehen, das andere: Was es mir bedeutet. Der
Glaube stützt sich auf Fakten, die dem Menschen Rettendes bedeuten. Ohne Glauben
des Mich-Rettenden sind die Fakten nur nackte physikalische Sachverhalte.
Der Anfang von Rettung wird immer um so leuchtender
dargestellt, je düsterer die Gegenwart scheint. Und der Anfang, voller Zauber,
bürgt dafür, dass das Gelobte Land auch
erreichbar ist- selbst wenn der Weg weit ist.
Der Durchzug durchs Rote Meer ist ähnlich
bedeutungsschwanger wie Jesu Auferweckung von den Toten: Wenn das Rote Meer Grüne
Welle hat – so ein Kirchentagsschlager der siebziger Jahre- und der Tod uns vor
Gott hinträgt, ist der Weg gesegnet, wie mühevoll er auch eben ist.
*
Ich will Gott singen, denn er
hat eine herrliche Tat getan;
Ross und Reiter hat er ins Meer
gestürzt.
Der Herr ist meine Stärke und
mein Heil. Der Herr ist der rechte Kriegsmann,
Des Pharao Wagen und seine
Macht warf er ins Meer,
seine auserwählten Streiter
versanken im Schilfmeer.
Die Tiefe hat sie bedeckt, sie
sanken auf den Grund wie die Steine.
Herr, deine rechte Hand tut große Wunder; Durch dein
Schnauben türmten die Wasser sich auf, die Fluten standen wie ein Wall; die
Tiefen erstarrten mitten im Meer. Herr, wer ist dir gleich unter den Göttern? Wer
ist dir gleich, der so mächtig, heilig, schrecklich, löblich und wundertätig
ist?
Und Mirjam, die Prophetin, Aarons Schwester, nahm eine
Pauke in ihre Hand und die Frauen folgten ihr mit Pauken im Reigen. Und sie sangen:
Lasst uns dem Herrn jubeln, denn er hat eine herrliche Tat getan; Ross und Mann
hat er ins Meer gestürzt.
2.Mose 15,1-20
Gott ist mehr als der Gute, Gott ist der Ganze.
„Mächtig, heilig, schrecklich, löblich und wundertätig“ - meint ganz und gar Umfassendes. Aber Gott als
„Kriegsmann“? Wenn wir gerettet werden
aus Krankheit, feiern wir Gott als Arzt, wenn wir gesättigt werden, ist er
unser aller Mutter. Wenn er uns vor unsern Feinden in Sicherheit bringt, ist er
unser Schirm und Schild. Israel fand seinen Gott unter Wogen und zertrümmerten
Streitwagen.. Fortan feiern sie ihn als den Kriegshelden vom Roten Meer.
Und die Ägyptischen Soldaten liegen geschlagen zuhauf.
Eine jüdische Legende geht so: Gott, voll des Jammers, klagt: Ihr feiert so
ausgelassen den Sieg. Und ich weine über
meine erschlagenen ägyptischen Kinder. Das sei uns Warnung: Wir dürfen Gott
nicht auf unsere Fahnen schreiben, er ist kein Vereinsgott. Unsere Feinde sind
auch seine geliebten Menschen.
*
Mose ließ Israel ziehen vom
Schilfmeer hinaus zu der Wüste Schur. Und sie wanderten Tage lang in der Wüste
und fanden kein Wasser.
Dann kamen sie nach Mara;
aber sie konnten das Wasser von Mara nicht trinken, denn es war s bitter. Da
murrte das Volk wider Mose und sprach: Was sollen wir trinken?
Er schrie zu dem Herrn und
der Herr zeigte ihm ein Holz; das warf er ins Wasser, da wurde es süß. Und
Israel vernahm: Wirst du der Stimme des Herrn, deines Gottes, gehorchen und
tun, was recht ist vor ihm, und halten alle seine Gebote, so will ich dir keine
der Krankheiten auferlegen, die ich den Ägyptern auferlegt habe; denn ich bin
der Herr, dein Arzt.
2.Mose 15, 22-26
Schon nach wenigen Tagen geht den wunderbar Geretteten
das Wasser aus. Da murren sie zu Gott wie verwöhnte Kinder. Sie werden noch
lernen, daß es nicht bequem ist, Gottes Lieblingskinder zu sein.
All die Rettungen müssen nicht auf die zauberähnlichen
Weisen passiert sein, wie die Jahrhunderte später entstandenen Texte es sagen.
Diese Texte sind geschrieben, nicht um zu sagen, wie es gewesen ist, sondern um
der gegenwärtigen Gemeinde Vertrauen zu
geben in seiner von Gott geführten alltäglichen Gegenwart: Israel soll wissen: Was
damals so groß anfing, das versickert jetzt nicht im banalen Scheitern. In der
Herausführung aus Ägypten, eingeschlossen die zahlreichen Bewahrungen des
Wüstenweges, hat Israel für alle Zeit die Garantie, dass Gott zu ihm steht.
Besonders für Zeiten der Anfechtung ist diese entfaltete
Rettungserzählung geschrieben- Ursprünglich fand Israel endlich Wasser-
begeistertes Erzählen schmückt dann die Rettung aus zur Stärkung der
gegenwärtige Gemeinde
Die ausführliche Darstellung der Rettung aus Ägypten wird
wohl erarbeitet als Israel ein Königtum und einen Tempel hatte mit Priesterschaft und Theologen und gebildeten
Schreibern –lange nach 950 vChr. Da, als der Staat gegründet war, suchte man
nach seinen Ursprüngen und fand etwa das
Miriamlied und die Gebote als älteste Schrift-Texte vor. Aber zu einem großen
Gesamtwerk fand man erst die Kraft, als ein zweiter Auszug bevorstand- nämlich
die Rückkehr Israels aus dem Exil von Babylon und dann die Neuaufrichtung des
Tempels. Also vielleicht tausend Jahre liegen zwischen Auszug aus Ägypten und
der Buchwerdung dieser Geschichte. Die Tendenz ist klar: Der Gott , der soviel
Rettung schon an Israel vollbracht hat, der hat ein neues vor, neue Rettung,
neue Größe.
Auch uns
Heutigen können die Rettungsgeschichten Israel noch Mut machen: Gott ist
mit uns unterwegs zu Heil und Frieden. Und er sagt dir: Mittels aller
Medikamente, Mediziner und Helfenden – ich bin der Herr, dein Arzt.
*
Und einige Zeit später murrte
die ganze Gemeinde wieder gegen Mose und Aaron in der Wüste. Und sie sprachen:
Wären wir doch in Ägypten geblieben und da dann auch gestorben Wir saßen
an den Fleischtöpfen und hatten Brot die
Fülle. Was habt ihr uns herausgeführt in
diese Wüste, dass ihr uns hier an Hunger
sterben lasst?
Da sprach der Herr zu Mose:
Siehe, ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen, und werde euch am Abend
Fleisch in Fülle geben. Und am Abend kamen Wachteln herauf und bedeckten das
Lager. Und am Morgen lag es in der Wüste rund und klein wie Reif auf der Erde
und Israel fragt: Man ha? (Was ist das?) So nannten sie dann das Wüstenbrot
„Manna“, es schmeckte nach Semmeln mit Honig und Koriandersamen.
Und Mose sprach zu ihnen:
Sammelt nur, was ihr heute esst. Niemand hebe etwas auf bis zum nächsten
Morgen. Aber etliche ließen doch davon übrig bis zum nächsten Morgen; da wurde
es voller Würmer und stinkend.
Und die Israeliten aßen
Manna vierzig Jahre lang, bis sie in bewohntes Land kamen; bis an die Grenze
des Landes Kanaan aßen sie Manna.
2.Mose 16
In diesem Schlusswort ist Wunder und Verzweiflung
gebündelt. Die Wüstenzeit war Plackerei- da hat Israel sich zwischendurch oft
zurückgesehnt nach dem zwar unfreien aber doch versorgten Alltag in
Ägypten. Und “Ägypten“ schien, je weiter
es zurücklag, immer weniger drohend.
Beschwerlich wurde der Weg, der sich über Jahrhunderte
hinzog- ganze Generationen hatten die
Verheißung nur noch als dünnes Gerücht bei sich- aber dann erinnerte man wieder die großen
Geschichten von dem rettenden Gott und man rappelte sich auf und zog weiter,
ausgeliefert an die Gnade Gottes, wenn sie sich denn zeigte.
Erst im Zusammenleben mit
Gott und den Zehn Geboten lernte Israel (und damit die Menschheit) Freiheit und
Menschenwürde zu schätzen. Aber der Weg in die Freiheit war und ist immer noch Mühe und Arbeit.
*
Es kam das Volk Amalek und
kämpfte gegen Israel in Refidim. Da sprach Mose zu Josua: Erwähle uns Männer, zieh
aus und kämpfe gegen Amalek. Morgen will ich oben auf dem Hügel stehen, und
euch segnen.
Und Josua tat, wie Mose ihm
sagte, und kämpfte gegen Amalek. Mose aber und Aaron und Hur gingen auf die
Höhe des Hügels.
Und wenn Mose seine
segnenden Arme emporhielt, siegte Israel; wenn er aber seine Arme sinken ließ,
weil sie ihm schwer wurden, siegte Amalek.
Da nahmen die beiden einen Stein und legten ihn
so, dass Mose sitzen konnte. Aaron aber und Hur stützten ihm die Arme, auf
jeder Seite einer. So blieben seine Arme
erhoben, bis die Sonne unterging. Und Mose baute einen Altar und nannte
ihn: Der Herr ist mein Siegeszeichen.
2.Mose 17,8-15
Für uns ist es schwierig, Gott als Kriegsherrn zu
denken. Wir haben als Deutsche viel zu viele
Kriege geführt, und die Soldaten „im Namen Gottes“ an die Waffen
geschickt. „Mit Gott für Kaiser und Vaterland“ hieß die Parole; eine
andere:„Gott strafe England“. Und wir sind umgeben von Fundamentalisten, die im
Namen Allahs den Krieg gegen westliche Freizügigkeit ausrufen und bei uns die,
die meinen, „das Reich des Bösen„ sei zu bekämpfen.
Israel hat aus kleinsten Anfängen sich sein Gelobtes
Land erobern müssen, tut es bis heute noch. Israel sieht sich von seinem Gott
angetrieben und befördert. Israel geht davon aus, daß ihm das Land vom
Urbesitzer der Erde versprochen ist. Völker, die diesem Vorhaben Gottes im Weg
stehen, wurden (und werden?) von Israel beiseite gedrängt. Israel sieht sich
kämpfend an der Seite des für Israel kämpfenden Gottes.
An Jesus geschult, sagen Christen heute: Krieg darf
nicht sein. Ob wir aber uns selbst daran halten? Essen wir nicht mittels unserer
Zahlungskraft die Tische anderer leer? Kaufen wir den Armen nicht ihren Mais
weg um Futtermittel für unser Schlachtvieh zu haben oder Benzin?
Doch, es ist ein starkes Bild, wie Mose mit segnenden
Armen seine Krieger stärkt, und wie ihm Helfer die Schultern darbieten, dass er
gestützt, die Arme weiter zum Himmel heben kann. Der Segen ist eine bittende
Gebärde, welche die Kräfte Gottes auf die Mitmenschen herabfleht. Ob
tatsächlich gute Kräfte auf uns kommen, das bleibt Gott vorbehalten; uns bleibt
nur starkes Bitten und Sehnen und Mitdenken
in Richtung des Erhofften. Klar ist, nicht Menschen segnen sondern
bitten um Segen.
*
Sie lagerten in der Wüste
am Berg Sinai. Der aber rauchte, der Herr fuhr herab auf den Berg im Feuer; und
der Rauch stieg auf wie der Rauch von einem Schmelzofen und der ganze Berg
bebte sehr. Und der Ton einer Posaune wurde immer stärker.
Als nun Gott niedergekommen war auf den Berg Sinai,
rief er Mose hinauf auf den Gipfel des Berges und Mose stieg hinauf.
2.Mose 19, 18-20
Die Geschichte Israels hat hier ihre Mitte. All der
Kämpfe hatte es bedurft, all die Mühen und Verzichte waren nötig, auch Gottes
Langmut war letztlich nur gewährt für dies eine Ziel: Die Zehn Gebote. Gott
schenkt Israel und durch Israel der Menschheit
die Grundlagen der Humanität. Israel sieht sich als Hüter des Willens Gottes.
Dieser gipfelt in den Geboten und dem
menschlichen Vermögen, sich für das Gute zu entscheiden.
Noch viele andere Gebotskataloge bewahrt die Bibel,
sie bewahrt Reinigungsgebote und Essensgebote und Baugebote und Sabbatgebote
die Fülle, daß nur ja nicht die Heiligkeit Gottes beschmutzt werde. Aber die
Zehn Gebote, der Dekalog, ist ethischer Sockel für die ganze abendländische
Gesetzgebung.
Majestätisch ist diese Szene. Nicht einfach vom Himmel
gefallen sind die ehernen Worte. Sondern das Volk lagert sich um den
Gottesberg. Mose steigt dem Herrn entgegen, Wolken entziehen ihn dem Blick des
Volkes.
*
Das erste Gebot
Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus
Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe. Du sollst keine anderen Götter
haben neben mir. (Du hast keine andern Götter neben mir)
2.Mose 20, 2.3
Wer darf das sagen: „Ich
bin dein Gott“? Damit steht und fällt doch unser Selbstbewusstsein, daß kein
Mensch sich als unser Herr aufwerfen kann. Und wenn ein Mensch uns zwingt, ihm
zu Willen zu sein, dann tut er Unrecht. Und ich tu Unrecht, wenn ich ihm aus
der Hand fresse. Ich darf keinen Menschen aufblähen und verzerren zu
Gottähnlichem.
Gott definiert sich als
der, „der dich aus der Knechtschaft Ägyptens erlöst hat“. Das galt zuerst für
Israel, aber meint jeden Menschen, gerettet aus der Nichtigkeit, aus dem
Nichtvorhandensein. Gott ist der, der dich aus dem Nichtsein erlöst hat, der
dich ins Sein gerufen hat, der dir das Selbstbewusstsein begründet. Nur der ist
es wert, seinem Willen zu folgen. Gemessen an ihm, dem Erschaffer aller Dinge,
ist alles Andere Nichtgott.
Dies erste Gebot sichert allen
Menschen die selbe Würde zu, unabhängig Besitz und Einfluss. Jeder soll sich
wichtig nehmen, weil er von Gott gewollt ist. Keiner soll sich kommandieren
lassen, nicht sich abfüllen lassen mit Parolen, keiner soll verächtlich denken,
von sich nicht, von andern nicht, keiner soll eines andern Herr sein. Wir haben
nur einen Herrn, ansonsten sind wir
Brüder und Schwestern. Aus diesem Grundsatz gilt es, auf eine geschwisterliche
Menschheit hin zu leben.
Du sollst dir kein Bildnis
von Gott machen. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht
missbrauchen.
2. Mose 20, 4.7
Kein Abbild von Gott, kein
Imitat, kein Ideal, keine Vision, keine Definition! Wir sollen uns Gott nicht
vorstellen, da ja alle Vorstellungen aus dem Irdischen genommen sind und nur
ein gesteigertes Irdisches darstellen. Aber auch im Sandkorn ist die Energie Gottes
präsent. Kein Bild kann Gott fassen. Er ist größer als die Welt in ihrem
Jetztzustand. Was wir mit Gott meinen ist, „ alles, was nicht in unserer Macht
steht“.
Die Ikone Gottes ist Jesus
Christus, mit ihm haben wir Gott vor Augen, wie er zu uns ist; Und vielleicht
hält sich Gott an Jesus Christus, wenn er mal wieder an den realen Menschen
irre zu werden droht.
Keiner darf sich zum Heros
oder zur Diva ausrufen lassen, keiner darf Unterwerfung verlangen oder
genießen. Im Überschwang kann der Reporter schon mal den Schützen des
Siegestores einen Fußballgott nennen- aber schnell werden diese Größen vom
Sockel gestoßen- das zeigt den himmelweiten Unterschied zwischen Schöpfer und
Geschöpf.
Und eben Irdisches nicht
vergotten, vor allem nicht das Geld, den Götzen Mammon.
*
Ich, der Herr, dein Gott,
bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter und Mütter heimsucht bis ins
dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, aber
Barmherzigkeit erweist an tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.
2.Mose 20, 5.6
Gott ist Treiber des
Werdens, er betreibt die Geschichte als Weg zum Reich Gottes, „wo Fried und
Freude lacht“. Geschichte ist immer noch
das Gegeneinander von Skrupellosen und Wehrlosen, aber mit scharfem Drang zur
Versöhnung. Denn Gott will uns heil machen. Diesem Ziel dient auch
die Bestrafung der Missetaten der Väter und Mütter noch an den nächsten
Generationen. So ist die Verachtung Deutschlands in der Welt nach Hitler für,
zwei, drei Generationen
verständlich. Und die Umweltkatastrophe
fordert mit Wucherzinsen über die Generationen hin, was unser In- Saus- und
Brausleben verdirbt.
Diese Heimsuchungen sind
nicht willkürlich prasselnde Strafen
sondern Folgen unseres Tuns. Gott setzt uns den Folgen unseres Tuns aus. Dies
jedoch mit unvergleichlich starker Tendenz
zum Retten und Zurechtbringen. Ungeheure Energien von Liebe strahlen in die
menschliche Gesellschaft ein; wir werden doch alle mehr geliebt, als wir
lieben.
Wir kommen aus dunklen
Zeiten. Strafaktionen lagen näher als Lob und Anerkennung. Tief saß der
Selbsthass, dass wir böse seien von Jugend auf. Dabei gilt doch Jesu
Mitteilung: Gott liebt dich, Kind; dein ist das Himmelreich (Matthäus 19,14).
*
Das 3. Gebot
Du sollst den Feiertag heiligen. Sechs Tage sollst du
arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Tag des
Herrn. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein
Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt
lebt. In sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und ruhte am
siebenten Tage und segnete ihn.
2.Mose 20,8-11
Die Woche zu sieben Tagen
ist das älteste Zeitschema. Unveräußerliches Kennzeichen des Menschlichen ist,
daß er einen Rhythmus für Arbeiten und Ausruhen und gemeinsames Feiern hat.
Auch ist es ein Akt des Vertrauens in die Lebensgrundlagen, daß sechs Tage
Arbeit genügen für das Auskommen an
sieben Tagen.
Und der Mensch braucht Zeit
für die Seele, für Meditation, Gebet, Feier, Freude, zweckfreie Gemeinschaft.
Es ist ein hohes Gut, daß in unser aller Kalender der Sonntag (der Sabbat) rot
angestrichen und herausgehoben ist. Auch wenn wir nicht zum Gottesdienst gehen,
werden wir wollen, daß Gottesdienst gehalten wird und das „Vaterunser“ auch für
uns mit gesprochen wird.
Und der Ruhe wird ein
Freiraum geschaffen. Diese freie Zeit möglichst mit Vielen teilen, ist ein
hohes Gut. Achten wir darauf, mit Dienstlichem nicht in die private Zeit der
Mitmenschen vorzudringen. Achten wir auch uns selbst der Ruhe wert. Eine
Rundumereichbarkeit bieten oder fordern steht uns nicht zu. Die Tendenz ist
stark, die Sonntagsruhe zugunsten von Spaß und einer
Allzeit-Bedarfsbefriedigung aufzuheben.
Denen, die wirklich notwendigen Dienstleistungen am Sonntag erbringen, gebührt großzügige Honorierung.
Das 4. Gebot
Du sollst Vater und Mutter
ehren
2.Mose 20, 12
Eltern achten, schätzen,
ehren als die ersten Mitarbeiter Gottes- dies Gebot ist die Brücke vom Gottwürdigen hin, auch den Nächsten zu achten.
Die Eltern haben uns empfangen, haben uns auf die Welt gebracht und
großgezogen. Wir waren/sind ihnen anvertraut und zugemutet.
Eigenartig, daß schon vor
dreitausend Jahren dies Gebot mit ehernen Lettern den Erwachsenen ins Herz
gemeißelt wurde. Anscheinend war es immer nötig, der im Saft stehenden
Generation die Alten fürsorglich ans Herz zu legen. Kinder müssen ihre Eltern
nicht lieben aber sie ehren; Kinder müssen ihre der Fürsorge bedürftigen Eltern
nicht selbst pflegen, aber ihr würdevolles
Behüten sicherstellen, dazu sind sie verpflichtet.
Aber auch die Alten werden
noch besser lernen müssen, die Jungen zu ehren.
Vielleicht stehen die rüstigen Rentner auf und
lassen in der Vorortsbahn den Platz der müden Alleinerziehenden oder dem
Erschöpften mit dem fahlen Gesicht. Auch erinnere man sich an den Umgang mit
den eigenen Eltern; ist es nicht so, dass der Dank nicht zurück sondern nach
vorn in die nächste Generation gegeben wird?
Ehren wir die Alten mit
ihrer Erfahrung und die Jungen mit dem weiten Raum, den sie noch zu bestellen
haben.
Das 5. Gebot
Du sollst nicht töten.
2.Mose 20,13
So klar, so ganz ohne
Einschränkungen steht das Tötungsverbot auf den Gesetzestafeln der Menschheit.
In Indien heißt das Gebot: Du sollst nichts Lebendigem den Atem nehmen- und
meint auch die Tiere.
Schon aus Eigeninteresse muss
ich die Verpflichtung hochhalten, niemandem ans Leben zu gehen. Aber wenn einer
sich schon wie tot fühlt, er sich zombiehaft, seelenlos, verachtet vorkommt,
dann wiegt ihm des Andern Leben auch nicht schwer. Wir müssen einander zum
Leben helfen, schon, weil jedes Leben Gott gehört.
Und der Staat muss
darauf beharren, daß es in jedem Fall
böse ist, einen Menschen zu töten; folglich kann der Staat auch keine Menschen
töten, um zu lehren, daß es böses ist, Menschen zu töten.
Das 6. Gebot
Liebe! Und schütze Ehen. -Du
sollst nicht ehebrechen.
2.Mose 20 ,15
In
der frühen Fassung der Gebote ging es nicht um Liebe sondern um Besitz; die
Frau galt als Eigentum des Mannes. Inzwischen haben wir von Jesus gelernt und
wissen, daß wir einander nicht gehören. Bestenfalls gehören wir zueinander,
wissen uns einander anvertraut, wollen uns schützen vor Herzeleid. Die Ehe, hat
mal einer gesagt, ist das letzte große Abenteuer: Zwei wollen sich immer wieder
einig werden, wollen die Freuden und Mühen des Lebens –inklusiv Kinder, wenn
sie gewährt sind- gemeinsam zu tragen, und wünschen, gemeinsam alt zu werden.
Die Liebe ist Gottes Atem, und der weht, wo er will. Wir können
bestenfalls jetzt (im Trauversprechen) sagen: „Ich will dich lieben und ehren
bis daß der Tod uns scheidet.“ Ohne dieses intensive Wollen darf man gar keine
Ehe eingehen. Aber wir können nicht sagen: „Ich werde dich lieben,bis…Können nd
sollen nicht schwören. Ob wir uns bis zum Tode lieben können und dürfen, das ist offen.
Wieviel Befreundung neben der Ehe möglich ist, muß jeder Mensch, jedes
Paar selbst für sich ausloten. Wichtig ist es, keinen, auch nicht sich selbst,
aus seiner Ehe herauszubrechen, sondern gerade auch des Anderen Bindung zu
achten und zu schützen.
Das siebte bis zehnte Gebot
Du sollst nicht stehlen, lügen,
gieren, rauben
2.Mose 20,15- 17
Dem Andern das Seine nicht
nehmen sondern „ihm sein Gut und Nahrung helfen bessern und behüten“, ist uns
aufgegeben; nicht belügen sondern „entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles
zum Besten kehren“ (Martin Luther). Sein Hab und Gut nicht anrühren, auch seine
Ehre nicht- aber es ist ein dauerndes Ringen um Mein und Dein. Die Liebe der
Eltern,der Gefährten, die Anerkennung
der Freunde, die Zuneigung, die Achtung steht immer auf dem Spiel. Und ob ich
erarbeiten kann, was ich nötig zu haben meine, muss in Konkurrenz zu andern
erworben werden. Anerkennung und Zeit und berufliche Chancen sind knappe Güter,
da kann man schon in Versuchung sein, mit rauem Ton und harten Bandagen das Seine zu beschaffen. Am meisten wegnehmen
lässt sich mit Sprache: Über den Mund fahren, die Früchte der Arbeit für sich
reklamieren, Beziehungen spielen lassen,
anschwärzen, Schuld abschieben, den Vorteil sich zurechtlügen. Wie lassen wir
dem Andern Seins, und sind mit dem Eigenen zufrieden?- Was dir genügt, lass dir
genug sein. Das ist eine Lebensarbeit.
Die Gebote zeigen Gottes
Handschrift
Und als Gott mit Mose zu Ende geredet hatte auf dem
Berge Sinai, gab er ihm die beiden Tafeln des Gesetzes; die waren aus Stein und
beschriftet von dem Finger Gottes.
2.Mose 31,18
Uralt ist die Vorstellung, Gott habe eigenhändig die
Gebote in Stein gegraben. Es ist dies ein starkes Bild für die heilige
Urheberschaft: Die Gebote haben höchste Autorität.
Staat und Gesellschaft
schätzen die ethischen Gebote auch ohne Gottesbezug hoch. Dabei bilden
die theologischen Gebote I-III ja den Sockel für alle übrigen. Aus dem
Zugottgehören folgt, daß ich keinen Menschen aus seinem Gotteszusammenhang
reißen darf. Eigentum verpflichtet. Besitz, Ehe und Ehre sind Gaben, darum ist Stehlen,
aus der Ehe Brechen und Ehrabschneiden auch ein Angriff auf Gott.
Das Recht auf Mundraub ist schon in der Bibel gewährt.
Wer erst stehlen muß um nicht zu verhungern, an dem geschieht Unrecht. Wer
lügen muss, um nicht unterzugehen, der ist näher an der Wahrheit als der, der herrisch auf Ehrlichkeit
pocht.
*
Als aber das Volk sah, dass
Mose lange nicht vom Berg zurückkam, sprachen sie zu Aaron: Auf, mach uns einen
Gott, der vor uns hergehe! Denn wir wissen nicht, was Mose widerfahren ist, der
uns aus Ägyptenland geführt hat.
Und Aaron gebot: Nehmt ab
die goldenen Ohrringe eurer Frauen, Söhne, Töchter und bringt sie zu mir. Und
er nahm das Gold von ihren Händen und bildete eine Form und goss ein Goldnes Kalb. Und sie
sprachen sich zu: Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt
hat! Und sie brachten dazu Dankopfer dar. Dann setzte sich das Volk, um zu
essen und zu trinken, und sie standen auf zu wilden Spielen.
2.Mose 32,1-6
Auch wieder eine Menschheits-Urgeschichte: Der große
Führer scheint verloren gegangen und mit ihm der Garant für die Nähe des
Unsichtbaren Gottes. Das Nichtgreifbare, das Unbegreifliche Gottes auszuhalten,
braucht einen starken Glauben. Gott ist unsichtbar, aber seine Wohltaten sind
erkennbar- vor allem, wenn ein Mittler da ist,
der die Gottesgnade im Konkreten benennen kann. Mose war einer der
größten Mittler der Menschheit. In ihm geschah die Heiligkeit anfaßbar, unter
seiner Führung wurde aus dem Herumirren ein Weg und aus dem Schreien zu Gott
die Ahnung von Rettung.
Aber sobald das Bild Gottes, seine Ikone bei den
Menschen, fehlte, wurden sie ungeduldig und unsicher und wollten ein Faustpfand
für Gott, wollten einen Gott zum Anfassen. Und so „verwandelten sie die
Herrlichkeit Gottes in das Bild eines Ochsen, der Gras frisst“ (Psalm 106,20).
Besitz und Zeugungsfähigkeit sind des Menschen
stärkste Mächte. Besitz gibt Herrschaft und Sexualität gibt Leben. Der Stier
steht für Zeugungskraft, die ins Leben
zwingen kann. Gold steht für Macht und
Herrlichkeit. Der „Tanz ums Goldne Kalb“ ist sprichwörtlich geworden für
Anbetung von nackter Gier.
Als Mose vom Berg
herabstieg und das infernalische Spektakel sah, wandte er sich an Gott. Der
sprach: Das Volk vergisst schnell, was ich ihm Gutes tat, ich zürne über sie.
Mose aber flehte: Ach Gott,
warum will dein Zorn entbrennen über dein Volk, das du mit großer Kraft und
starker Hand aus Ägyptenland geführt hast? Warum sollen die Ägypter sagen: Er
hat sie zu ihrem Unglück herausgeführt, dass er sie umbrächte? Lass dich des
Unheils gereuen. Und Gott ließ ab von seinem Zorn.
2.Mose 32,7-14
Dies Rettende hat Israel oft erfahren: Der Grund aller
Dinge, obwohl oft enttäuscht über seine Menschenbrut, kann sie nicht von sich stoßen, er hat zuviel
Herzblut an sie –besonders an Israel- verwandt. Mose spricht diesen inneren
Konflikt in Gott an. Und wahrlich, wir zehren auch von Gottes Großmut. Er darf
die Erde nicht verloren geben, darf uns um seiner Liebe willen nicht fallen
lassen. Das dürfen wir aber nicht
ausnutzen. Die Liebe leidet, das ist ihre Tragik. Wehe, wir wären nur grinsende
Zuschauer des Niedergangs der Erde.
Als Mose aber nahe zum
Lager kam und das Gold- Kalb und das wüste Tanzen sah, entbrannte sein Zorn und
er nahm das Kalb, das sie gemacht hatten, und ließ es im Feuer zerschmelzen und
zermalmte es zu Pulver und streute es aufs Wasser und gab’s den Israeliten zu saufen.
2.Mose 32,19.20
Auch ein Urbild der Menschheit: Den eigenen Mist
fressen müssen, den man angerichtet hat: Das Gold, mit der Asche zu Pulver
vermahlen, wird denen, die Gott vergessen haben, eingetrichtert. Sie müssen an
dem ersticken, was sie zu ihrer Glorie aufrichteten. Es ist eine andere Art des
zerbrochenen Babylonischen Turmes. Turm
und Stier sollten Bauwerke sein, die der Menschen Größe demonstrieren. Aber
Größe aus Gottvergessenheit kann nur zu Fall kommen. So müssen wir unsern
eigenen Unrat ausfressen.
*
Gott redete mit Mose wie ein Mensch mit seinem
Freund redet. Gott sprach zu ihm: Du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und
ich kenne dich mit Namen. Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen!
Und Gott sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen
lassen und will vor dir kundtun mein Wesen: Gnade und Erbarmen ist mein Wesen.
Aber mein Angesicht kannst du nicht
sehen; denn kein Irdischer kann mein Antlitz aushalten. Aber meine Nähe sollst
du erfahren. Es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. Wenn
dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und
meine Hand über dich halten, bis ich vorübergegangen bin.
Dann will ich meine Hand
von dir tun und du darfst hinter mir her sehen.
2.Mose 33, 11,17-23
Wir können nur Gottes Wohltaten
sehen, nicht Ihn von außen. Grandios, wie Mose das „gesteckt bekommt“ - für uns
mit. Obwohl Mose einer der Nächsten zu Gott ist, zeigt Gott sich ihm nicht. Den
Abglanz seines Antlitzes legt er auf die Gesichter der Säuglinge und der
Liebenden, aber er will verborgen bleiben in allen Gesichtern und Blumen und
allem Sonnenleuchten. Es gibt Ereignisse, da haben wir Gottes Nähe unmittelbar
gespürt, da ist uns die Beglückung der
Gegenwart Gottes geschehen- es ist, als wären wir in einem Spalt gesessen, den
Gott beim Erscheinen uns verdunkelt hat. Es ist seine Hand, mit der er sich uns
verstellt. Wir können Gott hinterher sehen - wie er uns das Kind in den Arm
gelegt hat oder uns neu geboren hat nach einem Unfall. Das ist doch viel.
Manchmal schon zu viel.
*
Und Gott redete mit Mose
und sprach: Rede mit der ganzen Gemeinde der Israeliten und sprich zu ihnen:
Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr, euer Gott.
Du sollst deinen Nächsten
lieben wie dich selbst; ich bin die Quelle
des Lebendigen. Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den
sollt ihr nicht bedrücken.
Er soll bei euch wohnen wie
ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn
ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Das sage ich euch, euer Gott,
der ich euch aus Ägyptenland geführt habe.
3.Mose 19.1.2.18b,33.34
Viele Gebote und Gesetzessammlungen aus verschiedenen
Epochen werden unter die Autorität des
Mose gestellt. Besonders wichtig ist das Gebot der Nächstenliebe und das der
Fremdenfreundlichkeit. Den Nächsten lieben wie man sich selbst liebt- das rückt
den Andern sehr, sehr nahe. Jedenfalls ist es eine eherne Messlatte: Was
wünschst du dir an seiner Stelle? Es bleibt Auftrag, auch die dir Lästigen zu
achten und dem Rivalen fair zu begegnen.
Mitgesetzt mit diesem Gebot ist: Du sollst dich selbst
lieben. Du sollst dich achten als Gottes geliebte Schöpfung- also meine es gut
mit dir und beschädige dich nicht selbst.
Als Testfall für die Nächstenliebe wird uns der Fremde
aufgegeben. Sein obdachloses Außenseiterdasein zu wenden, ist Menschenpflicht.
Wir waren ja auch schon Fremde - und wie
gut tat da der eine, der uns herwinkte und Platz anbot und einfädelte in
Gesprächsrunde oder Nachbarschaft.
*
Alle siebenmal sieben Jahre
ist die Zeit der sieben Sabbatjahre. Im siebten
und im fünfzigsten Jahr sollst du die Posaune blasen lassen durch euer ganzes
Land und ihr sollt das siebte und das fünfzigste Jahr heiligen. Ihr sollt eine
Freilassung ausrufen im Lande für alle, die darin wohnen; es soll ein
Erlassjahr für euch sein. Da soll ein jeder wieder zu seiner Habe kommen und wenn
er sich verkauft hat in Leibeigenschaft, soll er wieder frei sein.
3.Mose 24, 8-10
Alle sieben und alle fünfzig
Jahre war Israel ein Neuanfang verordnet.- Der Ur-Anfang liegt weit zurück: Als
Nachklang der Schöpfung und als kreative Wiederholung ist der Sabbat
eingesetzt, Ruhe für alle. Es gelte:„Alles zurück auf Null“. Jeder Neuanfang
ist voll besonderer Würde- einer der stärksten Anfänge ist der Auszug aus Ägypten: Gott nahm für Israel das
Gelobte Land ein und teilte es an die zwölf Stämme Israels und ihre Familien auf. Aber immer bleibt Jahwe Herr der Schöpfung und
der Besitzer des Landes. Israel und die
ganze Menschheit hat alles nur als Leihgabe,
es ist uns anvertraut nur auf Zeit.
Um dies zu erinnern, rief man in Israel jedes siebte Jahr zum Sabbatjahr aus- der
Acker blieb unbestellt und hatte seine Ruhe. Und jedes fünfzigste Jahr galt als
Erlassjahr: Alle Schulden wurden den
Stammesgeschwistern erlassen, alle ursprünglichen Besitzstände wurden wieder
hergestellt, alle Ungleichheit durch Verschuldung wurde wieder aufgehoben.
Wie diese Regelung gelebt
wurde in Israel, liegt im Dunklen. Aber Sabbat- und Erlassjahr erinnern, daß
uns Zeit, Gesundheit, Kraft, Besitz nur vorübergehend anvertraut sind. Diese Überzeugung bewirkt im Gläubigen einen verantwortlichen und
großzügigen Umgang mit den Dingen- wenn, ja wenn „der Geist unserer Schwachheit
aufhilft“ (Römer 8,26).
Die Schuldenkrise der
Gegenwart rückt die Rezepte der Vorfahren wieder in den Blick: Es muss ein
Erlass von Schulden eingeräumt werden, sonst sammelt sich bei immer weniger
Reichen immer mehr. Dabei muss immer
mehr Menschen das Existenzminimum von der Gemeinschaft eingeräumt werden, ein
Grundgehalt unabhängig von der Leistungsfähigkeit- und willigkeit ist
nötig- weil Gott uns das tägliche Brot
heute geben will, bedingungslos. Und wir sind alle zuständig, dass Gottes Wille
geschehe je im Rahmen unserer Fähigkeiten.
Christen gehen vorweg, auch ,
auch indem sie gern Steuern, auch
Erbschaftssteuern bezahlen. Durch „Brot für die Welt“ können wir
unmittelbar den Hunger auf der Erde
lindern. Verschenken wir doch mehr.
*
Gott redete mit Mose und
sprach: Sage Aaron und seinen Söhnen: So sollt ihr sagen zu den Israeliten,
wenn ihr sie segnet:
„Der Herr segne dich und behüte
dich;
der Herr lasse sein Angesicht
leuchten über dir und sei dir gnädig;
der Herr erhebe sein Angesicht
über dich und gebe dir Frieden.“
Ihr sollt meinen Namen auf die
Israeliten legen, dass ich sie segne.
4.Mose 6,22-27
Segnen
fleht die heilenden Kräfte Gottes auf Menschen und Kreaturen herab. Mit großer
Inbrunst spannt der Segenspender die Arme aus, oder berührt mit beiden Händen
seitlich den Kopf des zu Segnenden, er spricht intensive Behütungsworte als
Widmung, als Weihe, als Gebet, als Gelübde fast. Und Christen schlagen zur
Bekräftigung das Kreuz über Gemeinde oder Paar oder dem Einzelnen. Die Bibel
sagt es noch genauer: Es gilt, den Namen Gottes aufzulegen, dass Gott segne.
Also nicht Priester oder Eltern segnen, sie bitten um den Segen, sie stellen
unter Gottes Schutz, unter dem der Betroffene ohnehin steht, aber sie
vergewissern, sie benennen noch einmal das Haus aus Segen, das Gott tagtäglich
neu errichtet mit seiner Schöpfungsenergie. Gut, wenn wir beim Abschied dem
geliebten Menschen mehr zu bieten haben als die Mahnung: “Pass auf dich auf.“
Geben wir ihm mit: „Bleib behütet; Du bist „von guten Mächten wunderbar
geborgen.“
*
Sehnsucht
nach dem verheißenen Land
Nach
vielen Jahren Wüstenzug schickte Mose Kundschafter los in Richtung Gelobtes
Land. Und sie kamen bis an den Bach Eschkol und schnitten dort eine Weinrebe ab
und trugen sie zu zweit auf einer Stange, so groß war sie; dazu auch
Granatäpfel und Feigen. Und nach vierzig Tagen, als sie das Land erkundet
hatten, kehrten sie um, und brachten Kunde, wie es stand, und sie zeigten die
Früchte des Landes vor und erzählten und sprachen: Wir sind in das Land
gekommen, in das Gott uns schickt; es fließt wirklich Milch und Honig darin und
dies sind seine Früchte.
4. Mose 13, 23,25-27
Durch das Volk Israel hat Gott viel der
Menschheit beigebracht: Gott ist ohne Abbild, darum ist auch die Natur nicht
als „Double“ Gottes zu ehren, sondern
sie ist dem Menschen zu Nutz freigegeben (und anvertraut). Und die Gebote, das ethische
Grundgesetz der Menschheit ist uns ausgegeben.. Und eine Befreiung vom Ring der
ewigen Wiederkehr hin zu einer Geschichte mit Ziel; die Menschheit wird
ausgerichtet auf die Zukunft und stark mit Hoffnung imprägniert.
Israel
verdanken wir starke Bilder zukünftiger Freude: Etwa das Goldene Jerusalem, von
dem gutes Recht ausgeht. Und die dem Menschen völlig dienende Natur, abgebildet
in der nur von zwei Männern zu tragenden Rebe und dem Land, darin Milch und
Honig fließt. So stark die Bilder auch sind- sie werden an die Wand der Zukunft
geworfen. Sie wollen eingelöst werden in Befreundung von Gott und Mensch. Sie
sind Utopie (ou topos= hat noch kein Ort), die Verheißungen Gottes gelten jeder
Generation und brauchen in jeder Generation Annäherung, Wegmarken in Richtung
Frieden.
*
Diese Erzählung ist sechshundert bis tausend Jahre
jünger als der Wüstenaufenthalt Israels.
Die Priester-Schreiber haben ihre Gegenwart im Blick. Im Exil wartet Israel als
verlorener Haufen, wieder kommt die Kriegsgeneration nicht heim, aber
hoffentlich die Enkel, die Urenkel. Wieder kann es nicht sein, daß Gott sie
vergessen hat. Wie würde Er sonst vor den Völkern blamiert dastehen, daß Er
sein Volk an den Wassern Babylons sich
totweinen lässt. Wieder lehren die
Propheten wie vorher Mose, daß mangelndes Gottvertrauen das ganze Schlamassel
heraufgeführt hat.
Die Wüstenzeit ist für
Israel die Traumzeit, das Ideal der Verlobungszeit
des Volkes mit seinem Gott. Dort lernten sie: „Gott wird für euch streiten und
ihr werdet stille sein“ (2. Mose 14,14). Aber die ferne Wüstenzeit war auch
Vorbild für eine Hoffnung mit bitterem Geschmack. Was nur Übergang
sein sollte, Wegstück vom Auszug aus dem Knechtshaus Ägypten bis zum
Einzug nach Kanaan- wurde Schmerzenszeit,
zerdehnte Zeit, bleierne Zeit- man war des ewigen Anfangs müde geworden (Manes
Sperber).
Ganze Generationen lagen
wüst, ohne Gottesdienst, ohne Aussicht, Gott und ein gelobtes Land zu schauen,
ohne überhaupt Spuren zu hinterlassen. Aber irgendwann schlug eine Generation
Feuer aus der Asche, ein Heerführer hörte Gottes Ruf: Jetzt geht’s über den
Jordan.
*
Ach Gott,
Du bist das Lebendige in allem
Fleisch
4.Mose 16,22
Wohl die grandioseste Bestimmung, wer, was Gott sei!
Nah dran ist der Hinweis: Gott hauchte dem Adam seine Seele ein, also gab von
seinem Atem einen Hauch, gab von seinem Wesen dem Menschen ab (1.Mose2,7). Darum
ist Sterben auch das Zurückgeben der Seele in seine Hände (Lukas 23,46).
*
Der Herr, unser Gott, hat einen
Bund mit uns geschlossen am Sinai
und hat nicht mit unsern Eltern diesen Bund
geschlossen, sondern mit uns, die wir heute hier sind und jetzt leben. Er hat
von Angesicht zu Angesicht mit euch aus dem Feuer auf dem Berge geredet.
Den Priestern im 6. Jahrhundert
v.Ch. war die aktuelle Gottesbegegnung so wichtig- jetzt geschieht die wahre Verkündung
der Gebote.
Das sei uns Beispiel, heute
Gott gegenwärtig zu erfahren. Jetzt ist Sinai, und wir gehorchen oder nicht.
*
Wenn dich nun deine Kinder
morgen fragen werden: Was sind das für Mahnungen, Gebote und Rechte, die euch
unser Gott geboten hat? Dann sollst du sagen: Ein umherirrender Aramäer war
mein Vater, dem Umkommen nahe, und zog hinab nach Ägypten und war dort ein
Fremdling mit wenigen Leuten und wurde dort ein großes, starkes und zahlreiches
Volk. Aber die Ägypter behandelten uns schlecht und bedrückten uns und legten
uns harten Dienst auf.
Da schrien wir zu dem
Herrn, dem Gott unserer Väter und Mütter. Und der erhörte unser Schreien und
sah unser Elend, unsere Angst und Not und führte uns aus Ägypten mit mächtiger
Hand und ausgerecktem Arm und mit großem Schrecken, durch Zeichen und Wunder,
und brachte uns an diese Stätte und gab uns dies Land, darin Milch und Honig
fließt.
5.Mose 26,5-9
Unseren Glauben schütteln wir uns nicht aus dem Ärmel.
Wie man die Stadt nicht gebaut hat, in der man wohnt, so ist man auch in den
Glauben eingezogen, der einen trägt, an dem man auch weiterbaut, der aber seine
Wurzeln, seine Basis in unsern Vorfahren
hat.
Heute mit schnellem Internet und Patchwork- Familien
verflüchtigt sich die Tradition. Wer erbt schon noch einen Jahrhunderte alten
Bauernhof mit eingeschnitztem Stammbaum der Vorfahren. Allein schon das gedankenlose
Aufgeben der Großeltern-Gräber zeigt ein vollkommenes Aufgehen in der
Gegenwart. Jetzt gilt es die Chancen zu ergreifen, jetzt muss man überzeugen,
jetzt flexibel und gewinnend sein, jetzt glücklich. Die einzige Tradition, die noch zählt, scheint
das Geld zu sein.
Und doch sehnen wir uns, zu einem guten Ganzen zu
gehören. Aber die Fußballbegeisterung etwa und Vereinstreue geben nicht genug
Halt. Gut, wer seine Familie hat, und weiß, wo er hingehört. Aber auch die
Kleinfamilie kann nicht ewig bleiben.
Gibt es was, was immer hält?
Was mich hält und trägt?
Als der Rest des zerschlagenen Israels nach
Vertreibung und Exil wieder in seine alte Heimat kam, war diese verwüstet und
leer. Was hatte man da an innerem Halt?
Was konnte einem Kraft für Zukunft geben? Die Priesterschaft rief den Bau eines
neuen Tempels aus und verklärte die Rückkehr aus Babylon als erneuten Auszug aus Ägypten und als neue Verkündung des Bundes mit seinem
Gott. Dazu half es, daß Israel sich identifiziert mit den Vätern und Müttern
des Glaubens und dem Volk Israel, das ins gelobte Land Einzug hielt.
Ähnlich sangen sich die schwarzen Sklaven auf den
Tabak-Feldern Virginias ihrer Befreiung entgegen, indem sie sich gleichsetzten
mit dem Israel, das vor Pharao auszog.
Wir sind mit
der Kirchengliedschaft auch dieser langen Tradition zugehörig. Darum ist es so
wichtig, daß wir Eltern und Großeltern unsere Kinder und Enkel einweihen in das
Zusammengehören mit Israel und den frühen Christen und den Generationen, in denen Kirche die
Gesellschaft geprägt hat.
*
Und Mose stieg aus dem
Jordantal auf den Berg Nebo, gegenüber Jericho. Und Gott zeigte ihm das ganze
Land Gilead bis hin nach Dan und das ganze Naftali und das ganze Land Ephraim
und Manasse und das ganze Land Juda bis an das Meer im Westen und das Südland
und die Gegend am Jordan, die Ebene von Jericho, der Palmenstadt, bis nach
Zoar.
Und Gott sprach zu ihm:
Dies ist das Land, von dem ich Abraham, Isaak und Jakob geschworen habe: Ich
will es deinen Nachkommen geben. - Du hast es mit deinen Augen gesehen, aber
hinübergehen sollst du nicht.
Mose starb im Land Moab,
und Gott begrub seinen Knecht dort. Und niemand hat sein Grab erfahren bis auf
den heutigen Tag.
Mose war hundertundzwanzig
Jahre alt, als er starb. Seine Augen waren nicht schwach geworden und seine
Kraft war nicht verfallen. Und es stand hinfort kein Prophet in Israel auf wie
Mose, mit dem Gott sprach von Angesicht zu Angesicht,
5.Mose 34
Mit
Wehmut schließt die große Geschichte von Mose. Viel Idealisierung ist im Laufe
der Jahrhunderte an seine Person angewachsen. Doch schon die Urfigur muss große
Kraft gehabt haben. Mose hat Gott mit Geschichte und Recht
und mit Israel verbunden. Mose ist der Architekt des Bündnisses: „Ich
will euer Gott sein und ihr sollt mein Volk sein“(2.Mose 19,5.6). Bei allem Ungehorsam gibt er Israel und damit der
Menschheit ein Existieren vor Gott „auf Augenhöhe“. Gott muss ihn sehr geliebt haben. Dabei hat Mose gemordet, hat
gezweifelt und gehadert. Dem Volk Israel blieb immer im Gedächtnis, daß dieser
Große draußen vor der Tür bleiben
musste. Aber Gott hat ihn von eigener Hand beerdigt- was meinen kann, Gott hat
ihn mitgenommen; Mose ist immer bei ihm.
* *
Nachdem Mose gestorben war,
sprach Gott zu Josua, dem Sohn Nuns, Moses Diener: Mein Knecht Mose ist
gestorben; so mach dich nun auf und zieh über den Jordan, du und dies ganze
Volk, in das Land, das ich den Israeliten, zugesagt habe.
Von der Wüste bis zum
Libanon und von dem großen Strom Euphrat bis an das große Meer gegen
Sonnenuntergang, das ganze Land der Hethiter, soll euer Gebiet sein.
Es soll dir niemand
widerstehen dein Leben lang. Wie ich mit Mose gewesen bin, so will ich auch mit
dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen. Siehe, ich habe
dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und
entsetze dich nicht; denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun
wirst.
Josua („Gott ist Retter“)
ist die sagenhafte begnadete Figur, mit der Gott seinem Volk Heimatland
beschafft. – Das biblische Buch Josua ist Teil des großen Geschichtswerkes, das
die fünf Bücher Mose, die Bücher Josua, Richter, Samuel und Könige umfasst- 417 von den 906 Seiten des Alten
Testamentes. Es hat die Zeit vom Schöpfungsanfang bis zum Ende des Reiches
Israel zum Thema. Es wurde geschrieben in der babylonischen Exilgemeinde- nach 587
war ja Jerusalem und sein Tempel zerstört und die gesamte Oberschicht
war nach Babylon verschleppt worden. Dort hatte die Priesterschaft Zeit,
nachzudenken den Weg Gottes mit seinem störrischen Volk. Und sie wagten eine
Prophetie auf künftige Heimkehr hin und neues Erstarken unter Gottes Führung.
So nahm man die ferne
Erinnerung an die Landnahme als Hoffnungsmaterial für den Blick nach vorn. Man
wartete auf einen neuen Führer und einen erneuerten Glauben.
Natürlich haben die
Geschichten des Josua einen historischen Kern. Der aber ist nicht mehr isoliert
zu finden. Was geblieben ist, ist das starke Gewebe des Glaubens an den
geschichtsmächtigen Gott, der mit seinem Volk durch Leid zur Freude geht. Darum
sind auch uns die Erfahrungen Israels, sei es aus dem 12. oder 6. Jahrhundert
v. Chr., hilfreich. Jeder ist eingeladen,
sich in der wiederholten Geschichte mit eingebettet zu finden. Jeder
darf auf sich die wunderbare Zusage Gottes an Josua beziehen. Etwa zur
Konfirmation wird dieses starke Segenswort weitergesagt in die nächste Generation:
„Gott mit dir!“ Du bist nicht allein. Es ist eine starke Energie bei dir. Du
kannst beherzt an deine Sache gehen.
Natürlich ist Gottes
Beistand kein Freibrief für Dummheit und Angeberei. „Gott bei dir“ - das mache dich sanft, klug, barmherzig, es entfeinde
dir die Welt; du provozierst nicht. Aber es braucht eine lange
Zeit in der Schule Gottes, ihn eben nicht als Volks-Gott oder deinen
Privat-Gott, als Garant für deine Vorteile zu sehen. „Gott mit dir“ macht dich
nicht zum Sieger.- Das hat Israel in
seiner langen Geschichte mühsam gelernt, das hat Deutschland gelernt, dessen
Soldaten einst Koppelschlösser mit der Aufschrift „Gott mit uns„ trugen. Und
wird jeder lernen, der meint, auf Erfolg und Gesundheit ein Recht zu
haben.
*
Josua sandte zwei
Kundschafter aus: Geht hin, seht das Land an, auch Jericho. Sie gingen hin und
nahmen Herberge im Haus der Hure Rahab. Das wurde dem Fürst von Jericho
angezeigt. Der verlangte von Rahab, die
Männer herauszugeben, es seien Spione. Aber die Frau verbarg die beiden; Sie
hatte sie aufs Dach steigen lassen und unter Flachsstängeln versteckt.
So schwört mir nun bei
Gott, weil ich an euch Barmherzigkeit getan habe, dass auch ihr an mir
Barmherzigkeit tut, und gebt mir ein sicheres Zeichen, dass ihr leben lasst
meinen Vater, meine Mutter, meine Brüder und meine Schwestern und alles, was
sie haben, und uns vom Tode errettet.
Die Männer sprachen zu ihr:
Belohnen wir dich nicht, wenn uns Gott das Land gibt, so wollen wir selbst des
Todes sein, sofern du unsere Sache nicht verrätst.
Da ließ Rahab sie an einem
Seil durchs Fenster hernieder; denn ihr Haus war an der Stadtmauer. Die Männer
sagten „Lebewohl“ und vesprachen: Wenn wir ins Land kommen, so sollst du dies
rote Seil in das Fenster knüpfen, durch das du uns herniedergelassen hast, und
zu dir ins Haus versammeln deinen Vater, deine Mutter, deine Brüder und deines
Vaters ganzes Haus.
Sie sprach: Es sei, wie ihr
sagt!, und ließ sie gehen. Und sie gingen weg. Und sie knüpfte das rote Seil
ins Fenster. Die Männer kamen heil zurück zu
Josua und sprachen: Gott hat uns das ganze Land in unsere Hände gegeben.
Das Land steht offen für uns.
Rahab, die „Männerfreundin“
hat im Jüdischen Heiligenkalender einen guten Namen. Sie hat Gott geholfen,
seinem Volk zur Heimat zu verhelfen. Rahab spiegelt, wie Israel das Heilswerk
gerne sieht: So gewaltig ist Gottes
Einsatz für sein Israel, daß die andern Völker nur zittern können, ja, zur
Verfügungsmasse „Heiden“ herabgestuft
werden. Die sehen Israels Gott als
allmächtig- im Vergleich zu ihren kleinen Lokalgöttern und sagen: „Unser Herz
ist verzagt und es wagt keiner mehr, vor euch zu atmen; denn euer Gott ist
allmächtig.“-
So darf es Israel wohl
sehen, aber der an Jesus geschulte Glaube weiß, daß Gott nicht das Glück der
einen Kinder mit dem Unglück seiner anderen Kinder erkauft. Wohl sind die
Vorräte an Land, Wasser, Nahrung knapp, und wir Menschen finden uns in Volks- und Interessenverbänden zusammen –um
unseren Anteil uns zu sichern, auch gegen andere. Aber Gott will nicht Krieg, will auch nicht
vereinnahmt werden als „unser“ Gott.
Und doch haben immer
Menschen für Siege gedankt und für Niederlagen Buß- und Bettage ausgerufen.
Israels Einzug ins gelobte Land war ein Jahrhunderte lang dauerndes langsames
Einsickern und Sichfestkrallen. Erst im Rückblick wurde es zum kurzen großen
Triumphzug, wobei die Einnahme Jerichos und die Hilfe Rahabs ein Markstein war.
Eine kleine Kostbarkeit am
Rande: Der rote Faden, den wir oft
brauchen, hat hier einen frühen Ort.
*
Unter Josua waren sie ins
Land Kanaan gezogen. Sie hatten den Jordan durchquert, hatten die Bundeslade
mit den Gesetzestafeln mitten im Fluss abgesetzt, und die Fluten stauten sich,
dass sie hindurchziehen konnten. Und sie kamen zur großen Stadt Jericho.
Jericho aber war verbarrikadiert
vor den Israeliten.
Aber Gott sprach zu Josua: Sieh, ich gebe Jericho samt
seinem Fürsten und seinen Kriegsleuten in deine Hand. Lass eure Kriegsmänner
rings um die Stadt herumgehen, einmal sechs Tage lang. Und lass sieben Priester
sieben Posaunen tragen vor der Lade her, und am siebenten Tage zieht siebenmal
um die Stadt und lass die Priester die Posaunen blasen. Und wenn man die
Posaune bläst und es lange tönt, so soll das ganze Kriegsvolk ein großes
Kriegsgeschrei erheben, wenn ihr den Schall der Posaune hört. Dann wird die
Stadtmauer einfallen und das Kriegsvolk soll hinaufsteigen und die Stadt
einnehmen. Und so geschah es.
Die Posaunen, die Jerichos
Mauern wanken ließen, sind berühmt. Sie stehen für die Hand Gottes, die auch
das Unmöglichscheinende möglich machen kann. Wenn sie will. Dürfen wir Gott
bitten, zu unserm Vorteil und anderer Nachteil ins Geschehen einzugreifen?
Gottes Wesen ist Kraftvergeudung, ist Verschwenden von Liebe. Gott weiß auch
unsere Wünsche zu sortieren. Er tut nichts Unrechtes. Darum erfüllt er unsere
Wünsche mehr, indem er es anders macht als wir erhoffen. Hinterher sehen wir, was richtig war.
Ob die Mauern wankten durch
den Hall der Posaunen? Israel erzählt es. Wenn ein hoher Ton Gläser splittern
lassen kann, können auch Posaunen Mauern eindrücken, warum nicht? Israel
erzählt, daß der Einzug ins gelobte Land eine Kette von Wundern war. Ist mein,
dein Leben nicht auch wunderbar?
Die „Posaunen von Jericho“
sind auch ein Bild für Geisteskraft, die siegt. Nicht nur „Heer oder Macht“
sondern Gottvertrauen und Willen
und geistiges Ringen bewegen die
Welt.
Welche Mauern müssen bei
dir einstürzen, daß dir neues Leben blüht?
*
Josua sprach zum Volk.
Achtet Gott, dienet ihm recht und lasst die falschen Götter fahren. Gefällt es
euch aber nicht, dem einen Gott zu dienen, so wählt euch heute, wem ihr dienen
wollt: Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen.
Es muss entschieden sein.
Gott dienen- das ist zuerst ein Nein, dem Geld zu dienen, der Karriere, dem
Siegersein, dem kleinen, eigenen Vorteil. Gott dienen heißt, seiner Schöpfung
dienen- Mitmensch, Mitkreatur sein- nicht zertreten sondern zum Gedeihen
helfen, was mutmaßlich der Herr gedeihen lassen will. Gott dienen- ist auch,
sich seiner Wohltaten bedienen, ist Taugen, jenseits von Leistung; ist Sich
schwach zeigen dürfen; neu anfangen können. Täglich gibt es vielmals ein
Entweder-Oder. Machen wir es richtig.
*
Und nach langer Zeit, als
Gott Israel Ruhe verschafft hatte vor allen seinen Feinden ringsumher und Josua
nun alt war, rief er ganz Israel zusammen und redete diese Worte: Ich bin alt,
und ihr habt alles gesehen, was euer Gott euch Gutes getan hat gegen alle diese Völker; euer Gott, hat selber für
euch gestritten.
Die Völker, die noch nicht unterworfen sind
ringsum, die teile ich euch durchs Los zu; einem jeden Stamm sein Erbteil. Und der Herr, euer Gott, wird sie vor euch
vertreiben, und ihr werdet ihr Land einnehmen, wie euch euer Gott, zugesagt
hat.
So haltet nun ganz fest
daran, dass ihr alles tut, was geschrieben steht im Gesetzbuch des Mose, und
nicht davon weicht, weder zur Rechten noch zur Linken, damit ihr euch nicht
mengt unter diese Völker, die noch übrig sind bei euch, und nicht anruft und
schwört bei dem Namen ihrer Götter noch ihnen dient noch sie anbetet, sondern
dem Herrn, eurem Gott, sollt ihr anhängen, wie ihr bis auf diesen Tag getan
habt.
Der Herr hat vor euch große
und mächtige Völker vertrieben, und niemand hat euch widerstanden bis auf
diesen Tag. Einer von euch jagt tausend; denn euer Gott, streitet für euch, wie
er euch zugesagt hat. Darum achtet ernstlich darauf um euer selbst willen, dass
ihr den Herrn, euren Gott, lieb habt.
Israel blickt zurück auf
seine glücklichste Zeit: Die Zeit der Landnahme – ging aber nicht so ideal und
schnell vonstatten. Als Israel sesshaft
geworden ist unter seinen Königen ab 1000 vor Chr., da schuf sich Israel seine
Ideale Geschichte- im traumhaften Rückblick war Gott der wunderbare Held
gewesen, der den zwölf Stämmen Israels Heimstatt gab.
Unter dem Namen Josua ist die
Jahrhunderte dauernde Landnahme zusammengezogen, zusammengeschnurrt. Das Land
hat Gott für sein Volk beschafft –ein Leben in Gehorsam wäre die einzige
richtige Antwort. Die Priester des 6. Jahrhunderts schreiben das große
Geschichtswerk von der Schöpfung bis zum Heimatfinden Israels im Gelobten Land.
Die Gegenwart sieht anders
aus, sie ist gezeichnet von Armut, Mutlosigkeit, Ungehorsam und Verweltlichung.
Die Propheten müssen Schwerstarbeit leisten, um Gott noch Gehör zu verschaffen.
Ein Wiedererrichten des Tempels steht an. Da ist es gut zu erinnern, welchen
allmächtigen Gott Israel an seiner Seite hat, auch wenn die goldnen Zeiten
innigen Einvernehmens weit zurückliegen.
Es sollen umkommen, Gott,
alle deine Feinde! Die dich aber lieb haben, sollen sein, wie die Sonne aufgeht
in ihrer Pracht!
Im Buch Richter sind Geschichten der Eroberung Kanaans
durch Israel versammelt. Immer wieder taucht der Satz auf „und sie konnten
nicht einnehmen“. Doch auch ermutigende Geschichten sind hier überliefert. Groß
ist der Stoßseufzer: „umkommen sollen alle Feinde Gottes!“ Israel sieht sich als Streiter für die Ehre
des Allmächtigen. Israel hält es für ausgeschlossen, diesem Gott nicht die Ehre
zu geben. Aus Sicht Israels ist es ein Gott zum Lieben, weil er sich für dieses
kleine Volk so müht. Und sie selber
sollen strahlen, die Gottes Namen zum Strahlen bringen. Dass
Gott nicht seine Feinde umbringt sondern sie bekehrt zu sich- ja, dass Gott keine Feinde hat,
schlimmstenfalls Verblendete- das hat
Jesus aufgetan.
* *
Ruth
Zu der Zeit, als Richter richteten, entstand eine
Hungersnot im Lande. Und ein Mann von Bethlehem in Juda zog aus ins Land der
Moabiter, um dort als Fremdling unterzukommen mit seiner Frau und seinen beiden
Söhnen.
Der hieß Elimelech und seine Frau Noomi und seine
beiden Söhne Machlon und Kiljon; die waren Efratiter aus Bethlehem in Juda. Und
als sie ins Land der Moabiter gekommen waren, blieben sie dort. Und Elimelech,
Noomis Mann, starb und sie blieb übrig mit ihren beiden Söhnen. Die nahmen
moabitische Frauen; die eine hieß Orpa, die andere Ruth. Und als sie ungefähr
zehn Jahre dort gewohnt hatten, starben auch die beiden, Machlon und Kiljon,
sodass die Frau beide Söhne und ihren Mann überlebte.
Da machte sie sich auf mit ihren beiden
Schwiegertöchtern und zog aus dem Land der Moabiter wieder zurück; denn sie
hatte erfahren im Moabiterland, dass Gott sich seines Volkes angenommen und
ihnen Brot gegeben hatte.
Und sie ging aus von dem Ort, wo sie gewesen war, und
ihre beiden Schwiegertöchter mit ihr. Und als sie unterwegs waren, um ins Land
Juda zurückzukehren, sprach sie zu ihren beiden Schwiegertöchtern: Kehrt um,
eine jede ins Haus ihrer Mutter! Der Herr tue an euch Barmherzigkeit, wie ihr
an den Toten und an mir getan habt.
Der Herr gebe euch, dass ihr Ruhe findet, eine jede in
eines neuen Mannes Hause! Und sie küsste sie. Da erhoben sie ihre Stimme und
weinten. Ruth aber blieb bei ihr.
Sie aber sprach: Siehe, deine Schwägerin ist umgekehrt
zu ihrem Volk und zu ihrem Gott; kehre auch du um, deiner Schwägerin nach.
Ruth antwortete: Rede mir nicht ein, dass ich dich
verlassen und von dir weggehen soll.
Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du
bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein
Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Nur der
Tod wird mich und dich scheiden.
Später fand sie einen guten Mann namens Boas und gebar
noch einen Sohn, namens Obed, der wurde Vater des Isai, der aber wurde Vater
Davids.
Ruth 1,1- 17; 4,13.22
Zu den Helden der Menschheit, die uns das Alte Testament
überliefert, gehören auch die großen Frauen: Sara, Rebecca, Lea, Rael, Mirjam,
die Schwester des Mose und auch Ruth, die Urgroßmutter des David. Ruth singt
ein hohes Lied der Treue, das zwar ihrer Schwiegermutter gilt und doch zum
Hochzeitswort erster Klasse geworden ist: Ein Weg, eine Bleibe, ein Volk, ein
Glaube, eine Zukunft, (ein Konto) ein Grab- inniger kann sich Liebe nicht
ausdrücken- Über Volk und Einzelnem steht das Paar, die intensive Befreundung,
die nur der Tod zu scheiden vermag.
*
*
1.Samuel
Ein starkes Lied
Hanna und
Elkana hatten keine Kinder. Aber nach viel Warten und Beten wurde Hanna
schwanger und gebar Samuel-„ich habe ihn von Gott erbeten“.
Sie jubelte und sprach:
Mein Herz ist fröhlich in Gott, er hat gemacht, daß
ich wieder erhobenen Hauptes dastehe. Niemand ist heilig wie der Herr, außer
dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist.
1.Samuel 1.20; 2,1.2
Eine ganz persönliche Not
wird gewendet. Und ein jauchzendes Lied findet ins Freie, ein Triumphlied, in
das ein Volk seine Not und Rettung mit einzeichnen kann. Es ist ein Heilsruf
voller Kraft bis heute.
Die Geburt eines Kindes
wird als Schöpfungswerk erlebt. Hanna sieht ihren persönlichen Mangel gewendet,
sieht sich als Mitarbeiterin Gottes, als Mitschöpferin. Hat nicht jede Frau,
die ein Kind geboren hat, dieses grandiose Gefühl, den Sohn, die Tochter Gottes
zur Welt gebracht zu haben? Hanna jedenfalls sieht sich erhoben. Und erlebt
sich als Verkünderin des Glanzes Gottes.
*
Der das Wechselbad des Lebens
anrichtet
Der Bogen der Starken ist zerbrochen, und die
Schwachen sind umgürtet mit Stärke. Die da satt waren, müssen um Brot dienen,
und die Hunger litten, hungert nicht mehr.
Die Unfruchtbare hat sieben
geboren, und die viele Kinder hatte, welkt dahin.
1.Samuel 2,4.5
Es ist eine besondere Leidenschaft Gottes, die
Erniedrigten aufzuheben. Und die Hungrigen wieder zu sättigen. Starke sollen nicht
stark bleiben, schwache nicht schwach. Wandel treibt die Geschichte. Die
Mächtigen haben keine Garantien; “ein Wörtlein kann sie fällen“ (Martin Luther).
Bonhoeffer schreibt, „dass die prinzipielle Aufhebung
der göttlichen Gebote im vermeintlichen Interesse der Selbsterhaltung gerade
dem Interesse der Selbsterhaltung entgegenwirkt… Es ist so eingerichtet in der
Welt, dass die grundsätzliche Achtung der letzten Gesetze und Rechte des Lebens zugleich der Selbsterhaltung am
dienlichsten ist.“ Wird grundsätzlich gesündigt, kommt man zu Fall,
unerbittlich, es ist nur eine Frage der Zeit.
*
Beides
Der Herr tötet und macht lebendig, er führt hinab zu
den Toten und wieder herauf.
Gott macht arm und macht reich;
erniedrigt und erhöht.
Er hebt den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den
Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten. Denn die Grundfesten
der Welt sind sein.
1.Samuel 2,6-8
Alle Macht, alle Energien
gehören Gott. Leben anrichten, es erhalten und dann auch ausgehen lassen ist
seine Sache. Aber er hat keine Freude an Schmerzen, Jammer, Tränen. Seine
Leidenschaft ist Freude, Liebe, Gelingen, Entwickeln. Doch der Lauf der Natur
zerstört auch, und seine geliebten Menschen können zu Mördern werden. Und es
ist seine Natur und es sind seine Menschen.
Gott übernimmt für alles
letztlich die Haftung. Der Fluß des Lebens fließt in ihm, alles Grauen fällt
auf Gottes Seele. Darum aber hat aller Jammer Hoffnung am Horizont, alle Tränen
der Nacht warten auf den neuen Morgen. Es ist Aussicht auf Besserung. Schon werden viele Arme gerettet.
Schon ist viel mehr Freude als Hass, sonst wären wir längst untergegangen. Das
kommt davon, daß Gott eine Tendenz zum Guten ins Werden eingesät hat. Diese aufspüren
und sie mehren und sie feiern ist unser Auftrag.
*
König Saul
Der Prophet Samuel sprach zu Saul: Gott hat mich
gesandt, dass ich dich zum König salben soll über sein Volk Israel.
Nach Jahren der Herrschaft Sauls geschah ein anderes
Wort Gottes zu Samuel:
Es reut mich, dass ich Saul zum König gemacht habe;
denn er hat sich von mir abgewandt und meine Befehle nicht erfüllt.
Darüber wurde Samuel zornig und schrie zu Gott die
ganze Nacht. Dann ging er zu Saul und richtete ihm Gottes Wort aus: Du hast
Gottes Weisung verworfen. Weil du sein
Wort verworfen hast, hat er dich auch verworfen, dass du nicht mehr
König seiest.
Und Samuel wandte sich um zum Weggehen. Da ergriff ihn
Saul bei einem Zipfel seines Rocks; aber der riss ab. Da sprach Samuel zu ihm:
Gott hat das Königtum Israels heute von dir gerissen und einem anderen gegeben,
der besser ist als du. Und Samuel sah Saul fortan nicht mehr bis an den Tag
seines Todes. Aber doch trug Samuel Leid um Saul, weil es Gott gereut hatte,
dass er Saul zum König über Israel gemacht hatte.
1. Samuel 15,1.11;23,27.28.35
Das Werden des Königtums in Israel liegt im
Dunkeln. Aus den Großfamilien mit ihren Patriarchen wurden Volksstämme mit
charismatischen Führern. Etwa 1100- 1000 v.Ch. hatten die Stämme Israels soweit
zusammengefunden, dass sie wie die Ländern ringsum, einen Bund unter einem
König wollten.
Der erste König Saul war
glücklos. Der Prophet Samuel, der eigentlich im Königtum einen Abfall vom
einzigen König, Gott allein, sah, hatte widerwillig Saul zum König gesalbt. Als
er jetzt diesem die Kündigung überbringen sollte, war ihm Saul ans Herz
gewachsen und er haderte mit Gott, fügte sich dann aber doch.
Israel hatte ein einzig
inniges Verhältnis zu Gott, Israel konnte mit Gott schimpfen und ihm auch
unterjubeln, er sei wankelmütig. Wenn Israel annimmt, Gott könne auch Fehler
machen, dann ist es nur menschlich von Gott gedacht, dass ihn auch was reuen
kann.
Seit Jesus denken wir da
anders drüber. Gott weiß, was aus was wird. Und er will sich nie mehr die
Schöpfung des Menschen gereuen lassen. Er steht zu seinem Werk und wird es
vollenden. Bis dahin leidet er die Grausamkeiten seiner Menschen und das Leid
aller Kreatur mit.
*
Gott sprach zu Samuel:
Fülle dein Horn mit Öl: Ich will dich senden zu dem Bethlehemiter Isai; denn
unter seinen Söhnen hab ich mir einen zum König ersehen.
Und Samuel kam nach
Bethlehem. Und sprach: Mein Kommen bedeutet Heil. Kommt mit mir zum Opfer. Und
er segnete den Isai und seine Söhne.
Als sie nun kamen, sah er
zunächst den Eliab an und dachte: Fürwahr, das ist der Gesalbte.
Aber Gott sprach zu Samuel:
Schau nicht auf sein Aussehen und seinen hohen Wuchs. Menschen sehen, was vor
Augen ist; Gott aber sieht das Herz an.
Da rief Isai den Abinadab
und ließ ihn an Samuel vorübergehen, ebenso seine anderen Söhne. Aber Samuel
sprach zu Isai: Gott hat keinen von ihnen erwählt. Aber sag: Sind das alle Knaben?
Er aber sprach: Es ist noch übrig der jüngste; der hütet die Schafe. Da sprach
Samuel zu Isai: Lass ihn holen; Und als er kam, sprach Gott: Auf, salbe ihn,
denn der ist’s.
Da nahm Samuel sein Ölhorn
und salbte ihn mitten unter seinen Brüdern. Und der Geist Gottes geriet über
David von dem Tag an.
1.Samuel 16, 1-13
Eine Geschichte mit Hintergrund: Schon bald entwickelt
sich in Israel ein Königtum der Erbfolge- die Erinnerung entschwand, daß Gott
selbst der König Israels sei und sogar als Heerführer dem streitbaren Volk
vorausging. Die ersten beiden Könige werden noch erwählt durch den Propheten.
Der weiß, wen Gott meint. Doch auch er ist bedroht, durch augenscheinliche
Begeisterung. Auch er muss lernen, dass für Gott die inneren Werte zählen.
Hinter der Herde hervorgegriffen wird der später so
große David. Es soll eingeschärft bleiben, daß der Mensch zum Helden wird,
indem Gott ihn besetzt und begeistert.
„Von Jesse kam die Art“ singt das Weihnachtslied „Es
ist ein Ros entsprungen“- Die „Wurzel Jesse“ (Isai) aus Bethlehem weist zurück
auf Jesu Vorfahren, die glaubensstarke Ruth, Jakob und Abraham- den „Vater des
Glaubens“. Durch Jesu Geburt in Bethlehem wird später klargestellt, daß der irdische
Vater Jesu, Josef, „aus dem Hause und
Geschlechte Davids“ stammt, also von weit her gewollt ist.
*
Der Geist des Herrn aber
wich von Saul und ein böser Geist von Gott her ängstete ihn.
Da sprach Saul zu seinen
Leuten: Seht euch um nach Einem, der des Harfenspiels kundig ist, dass er mir
spiele, wenn der böse Geist Gottes über mich kommt. Einer der Berater Sauls
wusste, daß ein Sohn Isais Harfe spielen
konnte. Man rief ihn und so kam David zu Saul und diente ihm. Und Saul gewann
ihn sehr lieb und er wurde sein Waffenträger.
Und sooft der böse Geist von Gott über Saul kam,
nahm David die Harfe und spielte darauf. So wurde es Saul leichter und es ward
besser mit ihm und der böse Geist wich von ihm.
1. Samuel 16,14-23
Bedrückend ist der Verfall,
den ein Mensch erleiden muss, sehenden Auges. Saul weiss um sich. Er fühlt
seine guten Kräfte schwinden und dass böse Ängste ihn besetzen. Ist Gott
Urheber aller Macht, ist auch böser Geist
aus seinem Schatz- und wenn es nur so ist, daß der gute Geist nachlässt
und dadurch die dem Menschen eingegebenen dunklen Instinkte durchbrechen. Wenn
alle guten Kräfte von Gott kommen, ist der Mangel guter Kräfte auch von Gott –
er bleibt zuständig und verantwortlich. Wahrlich schwer ists- Gott zu sein.
Zu den guten Kräften gehört
sicher die Musik. Ein guter Gesang wischt die Angst vom Herzen- schon
mitsingen, mitklingen dürfen, verschafft Luft gegen die Erstickung an sich
selbst. Luther sagte: „Die Musik ist aller Bewegung des Herzens eine
Regiererin. Nichts auf Erden ist stärker, die Traurigen fröhlich, die
Fröhlichen nachdenklich, die Verzagten mutig zu machen und die Überheblichen
zum Maßhalten zu führen- und Neid und
Hass zu lindern als die Musik.“
Die Philister sammelten ihr
Heer und auch die Männer Israels unter König Saul rüsteten sich zum Kampf. Da
trat aus den Reihen der Philister ein Riesenkerl auf mit Namen Goliat. Der war mit
Helm, Schuppenpanzer und Bein-Schienen geschützt, er trug einen eisernen
Wurfspieß auf seiner Schulter, ein Schildträger ging ihm voran.
Der Riese baute sich vor
Israels Heer auf und rief: Erwählt einen unter euch, der zu mir herauskommen
soll. Kann er mich besiegen, so wollen wir eure Knechte sein; vermag ich aber
über ihn zu siegen, so sollt ihr unsere Knechte sein und uns dienen. Als Israel
diese Rede des Philisters hörte, fürchteten sie sich sehr.
Es gab da aber einen
Jüngling namens David, Sohn des Isai aus Bethlehem Efrata in Juda. Der hütete
noch die Schafe der Eltern. Einmal
brachte er wieder seinen Brüdern, die in den Diensten Sauls standen, zu essen.
Und als er sich noch mit ihnen unterhielt, da kam der Goliat herauf und redete
Hohn und Spott gegen Israel.
König Saul aber lobte hohe Belohnung aus: Wer ihn
erschlägt, den will der König reich machen und ihm seine Tochter geben und will
ihm seines Vaters Haus frei machen von allen Steuern.
Da sprach David zu den
Männern: Bringt mich vor Saul. Und man brachte ihn zum König.
Und David sprach zu Saul: Wegen
dem lasse keiner den Mut sinken; dein Knecht wird hingehen und mit diesem
Philister kämpfen. Ich habe als Hirte Löwen und Bären erschlagen, und der Gott,
der mich von Löwen und Bären errettet hat, der wird mich auch erretten von diesem
Philister. Und Saul sprach zu David: Geh hin, Gott sei mit dir!
Und David nahm seinen Stab
in die Hand und wählte glatte Steine aus dem Bach und tat sie in die
Hirtentasche, und nahm die Schleuder in die Hand und ging dem Philister
entgegen.
Der sprach zu David: Bin
ich denn ein Hund, dass du mit einem Stecken zu mir kommst? Und der Philister
fluchte dem David bei seinem Gott. David aber sprach zu dem Philister: Du
kommst zu mir mit Schwert, Lanze und Spieß, ich aber komme zu dir im Namen des
Herrn der himmlischen Heerscharen, den du verhöhnt hast. Heute wird dich Gott
in meine Hand geben.
Und er nahm einen Stein aus
der Tasche und schleuderte ihn- er traf den Philister so, dass der Stein in
seine Stirn fuhr und er zur Erde fiel auf sein Angesicht.
So überwand David den
Philister mit Schleuder und Stein und traf und tötete ihn. Als aber die
Philister sahen, dass ihr Stärkster tot war, flohen sie alle.
David gegen Goliat –das ist
bis heute Muster für das ungleiche, feindliche Paar. Der Riese steht für Macht,
der Kleine für Gewitztheit. Der eine für Getöse und große Reden, der andere für
Gottvertrauen. David ist auch der Held für steinewerfendes Jungvolk gegen
Militär und Panzer; der entgegenstürmende David steht auch für Partisanen, die große Militärmaschinen
überrumpeln. Und David steht für alle, die für eine Überzeugung streiten; ja, die im Namen ihres Gottes
kämpfen.
Fraglich ist, ob David
einen oder fünf Steine bei sich hatte- ob er mehrere Versuche veranschlagt oder
alles auf eine Karte setzt. Wenn Gott diesen Krieg kämpft, reicht einer, könnte
man denken. Aber auch der zweite oder
dritte Versuch kann gesegnet sein.
Diese Geschichte ist auch
Modell für das Sich nicht unterkriegenlassen
in aussichtslos scheinenden Lagen. Wenn du glaubst, daß Gott für dich
kämpft, dann setz auf Geduld, Vernunft, Entgegenkommen, auf Argumente statt Waffen. Alle Zukurzgekommenen
dürfen immer noch Gott auf ihrer Seite wissen. Da kann ein Wörtlein die Sache
wenden. Im Lutherfilm spielte Peter Ustinow den Kurfürsten Friedrich, der mit Geschick und List und Zeitverzögerung dem
großen Kaiser Maximilian den Mönch
abluchste und in die Sicherheit der Wartburg verbrachte. Und so wurde die
Reformation.
* *
2.Samuel
Gottes Verheißung für David
und sein Königtum
Eines Tages, als der König
in seinem Hause saß und Gott ihm Ruhe
gegeben hatte vor allen seinen Feinden, sprach er zu dem Propheten Nathan: Das
kann doch nicht angehen: Ich wohne in einem Zedernhause , und die Lade Gottes
Das ist ein großes Stück
Theologie, ein abschließendes Denkstück
von der Vertrautheit Davids mit Gott und dessen weitreichender
Verheißung.
Gut möglich, daß David voll
überschäumender Dankbarkeit mal Gott ein großes Haus bauen wollte. Der gute
Wille aber wird von Gott selbst vertagt auf den Nachfolger. Eine entscheidende
Korrektur wird festgeschrieben: Nicht Gott bekommt ein Haus- höchstens der Name
bekommt – eine Schatulle? Dies klärt, daß die Gegenwart Gottes nicht hinter
Schloss und Riegel festgesetzt sein kann.
Gott legt sich auch fest
auf Israel als Sein Volk- und den König als Seinen Sohn. Der König wird zum
Sohn Gottes adoptiert- was später ein Denkmuster für die Gottessohnschaft Jesu
abgibt.
*
Eines Abends erging sich
David auf dem Dachgarten des Königshauses; da sah er gegenüber eine Frau sich
waschen; und die Frau war von sehr schöner Gestalt. Und David ließ nach der
Frau fragen und man sagte: Das ist Batseba, die Frau des Hauptmanns Uria.
David ließ sie holen und
schlief mit ihr. Und die Frau wurde schwanger und ließ David das ausrichten. Da
schickte David Nachricht an Joab, den Kommandanten der Truppen, die gegen die
Ammoniter im Krieg waren: Gib Uria ein paar Tage frei, daß er sich um seine
Frau kümmere, gib ihm Geschenke mit.
Uria ging zwar nach
Jerusalem, aber er legte sich schlafen vor der Tür des Königshauses, wo andere
Kriegsleute seines Herrn auch lagen, und ging nicht hinab in sein Haus.
Als man das dem David
ansagte, ließ er Uria kommen und fragte ihn, warum er es sich nicht gut gehen
lasse bei dem kurzen Heimaturlaub. Uria aber sprach zu David: Die Kameraden
liegen auf freiem Felde, und ich sollte in mein Haus gehen, um zu essen und zu
trinken und bei meiner Frau zu liegen? So wahr Gott lebt: Ich tue es nicht.
David aber lud ihn ein, und machte ihn betrunken. Und trotzdem ging er nicht hinab in sein Haus.
Am andern Morgen schrieb
David einen Brief an Joab und sandte ihn durch Uria. Er schrieb in dem Brief:
Stellt Uria an die vorderste Front; dort, wo der Kampf am härtesten ist, und
zieht euch hinter ihm zurück, dass er erschlagen werde und sterbe.
Als nun Joab die Stadt
belagerte, stellte er Uria dorthin, wo er wusste, dass dort eine Übermacht war.
Und Uria starb, wie geplant.
Und als Urias Frau hörte,
dass ihr Mann Uria tot war, hielt sie Totenklage um ihren Ehemann. Sobald sie
ausgetrauert hatte, sandte David hin und ließ sie in sein Haus holen, und sie
wurde seine Frau und gebar einen Sohn. Aber Gott missfiel die Tat, die David getan hatte.
Auch der von Gott Erwählte ist nicht vor Sünden geschützt.
Ja, bei den großen Lichtern des Herrn ist auch viel Schatten. Aber Gott
geht mit dem Menschen und seiner Last. Es bleibt die Frage, warum Gott uns in die Falle von Schuld so tappen
lässt. Das ist wohl des Menschen Glanz und Elend- dass ihm vorgelegt wird Gut
und Böse und er entscheiden muss. Und er kann sein Leben ändern, kann ein
anderes Leben erhalten, wenn er imstande ist, mit seinem ersten Leben gründlich
aufzuräumen. Aber das bekannte Unglück
ist einem näher als das unbekannte Glück. Darum bleiben wir meist, die wir
sind.
An David zeigt sich die
Versuchung der Macht. Er ist gierig, die Frau sich zu Willens zu machen; die
Liebesnacht wird vom Schicksal, von Gott zur Zeugung genutzt. Der im Krieg
weilende Ehemann wird nach Haus beordert, ein Lieben der Eheleute soll den
Seitensprung vertuschen. Der Mann will aber keine Vorzugsbehandlung, er geht
nicht nach Hause- so wird er leider umgebracht- und transportiert vorher
unwissentlich den ihn betreffenden Mordbefehl.
Und der Feldherr kuscht und
die Frau kuscht und der König feiert nach der Schamfrist Hochzeit mit der Witwe
des Ermordeten.
Gut, dass Gott weiss. Wäre
Gott nicht, wäre alles erlaubt, so Dostojewski. Aber Gott missfiel… ist die
Rettung.
Nathans Strafrede.
Und Gott sandte den Propheten Nathan zu David. Der
sprach zu ihm: Höre zu: Es waren zwei
Männer in einer Stadt, der eine reich, der andere arm.
Der Reiche hatte viele Schafe und Rinder; aber der
Arme hatte nichts als ein einziges kleines Schäflein. Das nährte er, auf dass
es groß würde zugleich mit seinen Kindern. Es aß von seinem Bissen und trank
aus seinem Becher und schlief in seinem Schoß und er hielt’s wie sein Kind.
Als aber zu dem reichen Mann ein Gast kam, brachte
er’s nicht über sich, von seinen Schafen und Rindern zu nehmen, um dem Gast
etwas zuzurichten- sondern er nahm das Schaf des armen Mannes und richtete es
dem Mann zu, der zu ihm gekommen war.
Da geriet David in großen Zorn über den Mann und
sprach zu Nathan: So wahr Gott lebt: Der Mann ist des Todes, der das getan hat!
Da sprach Nathan zu David: Du
bist der Mann!
So spricht Gott: Es soll von deinem Hause das Schwert
nimmermehr lassen und auch dir soll die Frau genommen werden. Da sprach David
zu Nathan: Ich habe gesündigt gegen Gott.
Nathan sprach dann zu David: So hat auch Gott deine
Sünde weggenommen; du wirst nicht sterben. Aber weil du die Ungläubigen durch
diese Sache zum Lästern gebracht hast, wird der Sohn, der dir geboren ist, des
Todes sterben.
Grandios ist Nathans
Bußpredigt- ein Muster an Entlarvung Der eben noch meinte, Richter zu sein,
erkennt sich als Täter. Sein Richtspruch trifft ihn selbst. David bekennt sich
schuldig und bereut. Er übernimmt Strafe.
Das Sterben des Kindes als
Strafe ist uns nicht nachvollziehbar. Aber die Früheren billigten dem Kind noch
keinen Eigenwert zu. Die Frau war noch Besitz des Mannes und das Kind Besitz
des Vaters. Erst in längerem Umgang Gottes mit den Menschen wird erkennbar, daß
die Würde jedes Menschen unantastbar ist.
David führte Krieg um
Krieg, er gründete das Königreich Israel, mit „seiner“ Stadt Jerusalem als
Mittelpunkt und Klammer der beiden Reiche Israel und Juda. Israel hatte eine
Ausdehnung die nie mehr überboten wurde,
was Grund war für die später immer wieder aufflammende Sehnsucht nach der
Wiederkunft eines neuen Davids.
Die Söhne Amnon und Absalom
starben. Nach langem Zögern in hohem Alter setzt er seinen Sohn Salomo als
Nachfolger ein. Dessen heilsames Singen und Saitenspiel war berühmt, viele
Psalmen sollen auf ihn zurückgehen. Von ihm gilt wohl: Glücklich, wer sich Glücken
geschehen lässt.
Salomo hat Gott lieb
Und als Salomo erwachte,
siehe, da war es ein Traum. Und er kam nach Jerusalem und trat vor die Lade des
Bundes des Herrn und opferte Brandopfer und Dankopfer und machte ein großes
Festmahl.
1.Könige 3, 1-15
König Salomos Regierungszeit von 962-926 war Israels
große Zeit. Salomo muß wohl klug und fromm gewesen sein- eine glückhafter
Mischung. Klugheit lehrt, die Wirklichkeit zu nutzen in den Grenzen des
Erlaubten. Die Gebote sind ihm Leitlinien für gelingendes Leben. Großmut und
Dankbarkeit gegen Gott und das Leben zeichnen ihn aus. Er kann Dienen und
Genießen zusammenhalten, kann leuchten ohne zuviel Schatten zu werfen. Seine Weisheit
ist sprichwörtlich geworden.
*
Vernunft und gesunder
Menschenverstand, Menschenkenntnis und hellsichtige Wachheit sind Gaben Gottes-
König Salomo wurde weise genannt, Seine Sprüche, seine Sentenzen und diese
Geschichte machten ihn weltberühmt.
Zwei Frauen streiten um ein
Kind, beide geben sich als die Kindsmutter aus.
Im „Kaukasischen Kreidekreis“ (nach Bert Brecht) sollen die Mütter eine
Entscheidung herbei führen, indem sie eigenhändig das Kind zu sich zerren sollen. Ob Schwert oder
Reißen- eine Frau gibt nach: Lieber will sie verzichten als dem Kind Leid
zufügen. Und der weise König ernennt sie
zur wahren Mutter.
Damit ist ein
Grundsatzurteil zugunsten des Kindes gefällt: Mutter ist, wer mütterlich mit
dem Kind umgeht, nicht unbedingt die, die geboren hat. Nicht Fleisch und Blut
sondern die Liebe macht einander verwandt.
Das ist die zweite
Schwächung des Blut- und Bodenrechtes der Urzeit. Vorangegangen war schon das
Verbot des Kindesopfers. Abraham darf den Sohn Isaak nicht opfern, selbst wenn
er den Befehl dazu von seinem Gott erhalten haben sollte; das ist Gottes
Auftrag. Also dürfen die Väter auch nicht mehr die Söhne in ihren Krieg
schicken.
Sowohl bei Abraham als bei
Salomo fängt die Erkenntnis an zu keimen: Die Eltern sind für die Kinder da,
die Gegenwart soll der Zukunft Chancen einräumen. Ein weites Feld.
*
Salomo baut den Tempel
Salomo war Herr über alle Königreiche vom Euphratstrom
bis zum Philisterland und bis an die Grenze Ägyptens. Er hatte Frieden mit
allen seinen Nachbarn ringsum, Juda und Israel wohnten sicher, jeder unter
seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum, Und Salomo ging daran, dem Namen
des Herrn, seines Gottes, ein Haus zu bauen.
Aus 1.Könige 5-8
Der erste jüdische Tempel war ein Werk edler Baukunst
und ehrfurchtgebietender Ausstrahlung. Er löste die vielen kleinen Kultstätten
im Land ab und gab den zentralen Ort für den blühenden jüdischen Glauben. An diesem Zentrum wuchs in enger Bindung ans Königshaus eine
starke Kaste der Priesterschaft. Neben Gottesdiensten und Opferhandlungen war
die Rechtsauslegung beim Tempel angesiedelt. Eine wissenschaftliche Elite erstellte, kopierte,
sammelte die Heiligen Schriften und stritt um die Theologie- das rechte
Verständnis von Gottes Geschichte mit den Menschen und um das rechte Menschsein im Alltäglichen.
Später ging es immer mehr um die korrekte Anwendung der Gebote. Vor allem durch
immer genauere Unterscheidung von rein und unrein hoffte Israel das besondere
Rechtsverhältnis mit Gottes sichern zu können. Die Propheten kämpften bald für
einen Herzensgehorsam, jenseits von
opernhaft dargebrachten Opfern.
*
Wo wohnt Gott
*
Prophet Elia verkündete dem König Ahab : Wegen eures
Götzendienstes entzieht euch der wahre, der einzige Gott den Regen, ein ganzes Jahr lang. Dann floh Elia. Gott hatte
ihm geboten, zum Bache Krit zu gehen, der werde Wasser bereit haben für Elia
und Raben würden ihn versorgen.
1.Könige 17,1-3
Es war 100 Jahre nach dem Tempelbau in Jerusalem:
Israel ist groß geworden und hat sich weite Teile von Kanaanäer-Land
unterworfen. Dort aber, auf dem Land, glaubte man noch an Baalsgötter, die in Zeugen und Gebären ihren angestammten
Offenbarungsort hatten. Elia aber war berufen, den Glauben an den Gott Israels
auszubreiten. Der ist auch Schöpfer, aber vor allem ein Fordernder, ein
Erziehender: Die Gebote sollen das Volk zu einem Gottesstaat heranentwickeln.
Elia bleibt Israel im Gedächtnis als rigoroser
mächtiger Gottesstreiter. Er muss Gott klar auf seiner Seite gewusst haben,
darum hat er für den wahren Glauben so geberserkert. Drei Geschichten zeigen
den Weg der Erkenntnis Elias: Es ist der Weg vom herrischen zum behutsamen Gott
und vom Gewalt- Propheten zum meditativen Schweiger.
Elia muss fürchterliche Dürre ansagen vom strafenden
Gott, wird aber selber wunderbar
erhalten.
*
Dann kam das Wort des Herrn
zu ihm:
Mache dich auf und geh nach
Zarpat - ich habe dort einer Witwe geboten, dich zu versorgen. Und er machte
sich auf und ging hin. Doch die Witwe sagte: Ich habe nur eine Hand voll Mehl
im Topf und ein wenig Öl im Krug. Ich will ein letztes Brot backen, das wir
essen - und sterben.
Elia sprach zu ihr: Fürchte
dich nicht! So spricht der Gott Israels: Das Mehl im Topf soll nicht ausgehen,
und dem Ölkrug soll nichts mangeln bis auf den Tag, an dem der Herr wieder regnen
läßt. Und sie buk. Und der Mehlvorrat wurde nicht verzehrt, und dem Krug ging
das Öl nicht aus – wie Elia es gesagt
hatte.
1. Könige 17, 10-13
Gott kann aus nichts was
machen- und seinen Getreuen soll die Hoffnung nicht ausgehen. Es sollen seine
Geliebten nicht hungern. Die Wehmut ist groß, wenn die Hoffnung doch
versiegt. Das mobilisiert in Elia Kräfte; er sagt Nahrung zu, gegen den
Augenschein der leeren Töpfe wettet er auf
Rettung. Wir müssen auch bis zum letzten Augenblick auf Rettung setzen und
uns in diese Richtung mühen mit allen Kräften.
*
Und der Sohn der Witwe
wurde krank, so sehr, dass kein Atem mehr in ihm blieb. Und sie sprach zu Elia:
Was hab ich mit dir zu schaffen, du Mann Gottes?
Er sprach zu ihr: Gib mir
deinen Sohn! Und er nahm ihn von ihrem Schoß und ging hinauf ins Obergemach, wo
er wohnte, und legte ihn auf sein Bett und rief Gott an: Mein Gott, was tust du der Witwe, bei der
ich ein Gast bin, so Böses an?
Und er legte sich auf das
Kind drei Mal und rief Gott an und
sprach: Lass Leben in dies Kind zurückkehren! Und Gott erhörte die Stimme Elias
und das Kind wurde wieder lebendig.
1. Könige 17, 17-21
Vom Leid überhäuft werden
–das kann gerade auch Menschen treffen, die Gottes nahe Mitarbeiter sind. Und
Helfer scheinen ohnmächtig. Elia wird der Witwe unheimlich. Erst beschafft der
die Güte Gottes in Gestalt des nicht ausgehenden Brotes. Und dann scheint er
nichts mehr zu können, oder schlimmer noch- ist er einer, an dem man sich
verbrennt?
Elia verzweifelt über den
Tod des Knaben. Er sieht die Willkür eines Gottes, der mit der einen Hand
schenkt, mit der anderen nimmt. Und will dies Gottesbild nicht mehr. Will nicht
mehr Prophet eines gut-bösen, bös-guten Weltenherrschers sein, er kämpft mit ihm. Er identifiziert
sich mit dem Toten, will ihn wiederbeleben. Tatsächlich kehrt Leben in das Kind
zurück. Es ist, als wandele sich hiermit
das Gottesbild: Es kann nicht sein und
wir dürfen es nicht mehr denken, daß Gott mutwillig ein Kind sterben macht. Gott tut nichts
Böses. Gott lässt die in die Schöpfung gelegten Regeln geschehen, schmerzliche
Komplikationen eingeschlossen. Aber wir sollen bis zum Erweis des Gegenteils
auf Rettung setzen und in diese Richtung wirken.
*
Elia erhielt den Auftrag:
Versammle zu mir ganz Israel auf den Berg Karmel und auch die heidnischen
Propheten. Und als sie versammelt waren, trat Elia vor das Volk und sprach: Wie
lange hinkt ihr auf beiden Seiten? Was neigt ihr euch mal Gott zu, mal zu den
Götzen. Entscheidet euch. Tut die Götzen und ihre Diener von euch.
Hilfe zur Entscheidung
liefere ein Gottesurteil: Wir wollen zwei Stieropfer bereiten und wollen sehen, welches Feuer fängt vom
Himmel. Und die Priester Baals schrien
vom Morgen bis zum Mittag: Baal, erhöre uns! Aber es war da nicht Stimme noch
Antwort.
Da sprach Elia zu allem
Volk: Kommt her zu mir! Und rief Gott
an: Du, Gott Abrahams, Isaaks und Israels, lass heute kundwerden, dass du Gott
bist und ich dein Knecht. Da fiel Feuer des Herrn herab und entzündete das
Brandopfer.
Und alle
fielen auf ihr Angesicht und sprachen: Der Herr ist Gott, der Herr ist
Gott!
Elia aber sprach zu ihnen:
Greift die Propheten Baals, dass keiner von ihnen entrinne! Und der Himmel
wurde schwarz von Wolken und Wind und es kam ein großer Regen.
Aus weiter Ferne gesehen
wird Elia zum grandiosen Gottesstreiter. Aber gerade seine Machtdemonstrationen
haben das alttestamentliche Gottesbild entstellt. Und haben Zauberei und die
heillose Praxis der mittelalterlichen Gottesurteile befördert. Man sollte diese Geschichte lesen als
Museumsstück aus der Frühzeit des Glaubens. Da meinte man, Gott sei versehen
mit Machogehabe wie die anderen Götter
im Umfeld Israels. Doch im Laufe der Geschichte Israels stellte Gott sich in
anderen Bildern vor. Und ließ erkennen,
daß er seine Sache nicht durch Machtspielchen betreibt.
Das Schlachtfest des Elia
am Berg Karmel lebt noch aus dem alten götzenähnlichen Gottesbild. Schon in der
nächsten Geschichte gibt es eine völlige Abkehr von den alten göttlichen
Gewaltpraktiken.
Vermutlich hat Elia einen
Gegenzauber angewandt Er entkräftet die Götzenmacht, er beweist, daß die Macht
der Priester hohl ist, beweist, daß er im Dienst des einzig mächtigen Gottes
steht.
Die Bekehrung geschieht in
zwei Stufen: Erst wird die böse Magie von der guten Magie besiegt, etwa im
Urteil am Karmel. Man geht dabei aber nur von einem Raum der Angst in den
anderen Raum der Angst, man bleibt magisch gebannt. Dann aber streicht der
Glaube die ganze Furcht vor böser oder guter Magie durch: Gott ist das einzige
rechtmäßige „Objekt“ unserer Ehrfurcht,
wir verlassen uns darauf daß er uns vor jeder Magie abschirmt. –Diese Klärung
musste aber immer neu erkämpft werden. Der Abschied von der (guten) Magie- etwa
verkörpert in der geweihten Hostie- gelang erst im Gefolge der Reformation. Und
immer noch müssen wir uns magischer Praktiken erwehren, indem wir sie einfach
für uns als ungültig und taub erklären, weil wir unter Gottes Schutz uns
wissen.
*
Königin Isebel sandte einen
Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mich vernichten, wenn ich
nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast!
Da fürchtete er sich,
machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ
seinen Diener dort.
Er aber ging hin in die
Wüste eine Tagereise weit und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte
sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, Herr meine Seele; ich
bin auch nicht besser als meine Eltern.
Und er legte sich hin und
schlief unter dem Wacholder. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu
ihm: Steh auf und iss! Und er sah sich um, und siehe, da lag ein Laib Brot und
ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich
wieder schlafen.
Und der Engel des Herrn kam
zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du
hast einen weiten Weg vor dir. Und er stand auf und aß und trank und ging durch
die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem
Horeb.
Elia hat genug von der
Spirale der Gewalt. Das soll sicher auch Zeichen sein, daß auch Gott der Gewalt
müde ist. (Wir Heutigen müssen ja dran denken, daß das blutrünstige Gottesbild
letztlich durch Jesus Christus abgeschafft wurde- und doch meinen heute noch
Christen, Gott zu dienen, wenn sie die
Todesstrafe verhängen oder Kreuzzüge für den Sieg des Guten ausrufen). Elia
will nicht noch ein Gottesurteil herausfordern. Statt sich mit blanker Brust
der Königin ans Messer zu liefern und dann wohl unter Blitz und Donner Sieger zu bleiben- will er lieber sterben. Er
will nicht mehr der Draufhauer eines Oberdraufhauers namens „Gott“ sein. Er
will auch nicht mehr der Logik folgen, er versichere sich seiner Reinheit,
indem er gegen den Schmutz kämpft; er erschauert vielleicht auch vor seiner eigenen
Gewaltlust. Und wird erschrecken beim Gedanken, daß seine Gewalt neue Gewalt
sät.
Aber Gott braucht ihn genau
für die Verwandlung des Gottesbildes hin zum großherzigen, guten Gott, die in
Jesus vollständig wird. Dazu rüstet ihn ein Engel mit Himmelsbrot. Manchmal
braucht man einen zweiten Ruck, um wach zu werden. Gott legt uns eine Last auf,
aber er hilft uns auch tragen (Psalm
68,20). Das Mahl, das vierzig Tage Kraft gibt, ist ein Symbol für Gottes Schutz
in allem Schweren.
*
Elia blieb über Nacht
in einer Höhle. Und Gott sprach ihn an:
Was machst du hier, Elia?
Er sprach: Ich habe
geeifert für dich, den großen, einzigen Gott. Aber Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre
zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet und ich bin allein übrig
geblieben, und sie trachten auch mir nach dem Leben.
Der Herr sprach: Geh heraus
und tritt hin auf den Berg. Dort will ich dir erscheinen. Und ein großer,
starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam von Gott her.
Aber der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm aber kam ein Erdbeben; aber
der Herr war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der
Herr war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen.
Als das Elia vernahm,
verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und bedachte das Ganze.
Elia hatte Sturm, Feuer,
Erdbeben entfacht, hatte Wasserfluten herabgerufen- uns sie waren gekommen als
Boten Gottes. Die Naturmächte galten nicht nur als vom Herrn geschickt sondern
als Äußerungen Gottes, in denen er sich auf sein Volk stürzte um es zur
Vernunft zu bringen. Aber was hat es genützt?
Elia ist der
Machtdemonstrationen müde, er hat eigenhändig die Götzendiener umgebracht, aber
statt dies als Bevollmächtigung des Propheten zu lesen und als Strafgericht des
Herrn hinzunehmen, ist Elia jetzt allein und dem Tod ausgesetzt. Gott hätte dem
Müden ein Feuerwerk der Lebensfreude
aufführen können. Oder noch mal seine Mächte tanzen lassen. Aber sie erschienen
nur mit Minuszeichen, „hier ist Gott nicht drin“- riefen die Naturgewalten.
Gott soll nicht mehr gesucht sein in
Blitz oder Flut oder Freudengeheul. Gott will im Stillen vernommen
werden, im Zarten, im Lächeln des
Säuglings, im Streicheln, im Flüstern, im Auf- und Abblühen, in Sprache. Gott
will erlauscht sein. Das eröffnet ein neues Wissen vom Göttlichen. Das weist
auf die behutsame Klarheit des Jesus hin.
*
Und Gott gebot ihm: Salbe
Elisa aus Abel-Mehola zum Propheten an deiner statt. Und Elia fand Elisa, den
Sohn Schafats, als er pflügte. Und Elia ging zu ihm und warf seinen Mantel über
ihn. Der ließ die Rinder zurück und folgte Elia nach.
Mit uraltem Ritus bestimmt
der Prophet seinen Nachfolger: Der derzeitige Prophet hört von seiner
Abberufung durch Offenbarung des Namens des neuen. Und da gibt es kein Zaudern:
Der Prophetenmantel hat die Macht der Wahrheit an sich- wem er übergeworfen
wird, der ist der Würdenträger und Wahrsager, der ist fortan ummantelt von
Gottesgeist. Ein Recht auf Widerspruch ist nicht vorgesehen. Der Ritus der
Einkleidung versinnbildlicht die Idee des Amtes: Das Amt bekleidet den an sich
Unwichtigen mit „Amtsgnade“. Die Volksweisheit
„Kleider machen Leute“ unterstreicht die Verwandelmacht der Erwartung.
Zutrauen verschafft Ansehen, Ansehen Macht.
*
Ein Mensch mit Namen Nabot
hatte einen Weinberg bei dem Palast Ahabs, des Königs von Samaria. Und Ahab
redete mit Nabot und sprach: Gib mir deinen Weinberg; ich will mir einen Garten
daraus machen, weil er so nahe an meinem Hause liegt.
Aber Nabot sprach zu Ahab:
Ich will nicht meiner Väter Erbe zu Geld
machen.
Da kam Ahab heim voller
Unmut und klagte seiner Frau Isebel: Nabot will mir seinen Weinberg nicht
verkaufen, er lässt nicht mit sich reden. Da sprach seine Frau Isebel zu ihm:
Du bist doch König über Israel! Ich werde dir den Weinberg Nabots verschaffen.
Und sie schrieb Briefe
unter Ahabs Namen und versiegelte sie mit seinem Siegel und sandte sie zu den
Ältesten und Oberen. Und sie schrieb: Schafft uns Nabot vom Hals. Und sie taten, wie ihnen Isebel aufgetragen hatte:
Sie verklagten Nabot wegen
Königsbeleidigung und steinigten ihn.
Als Ahab hörte, dass Nabot
tot war, stand er auf, um hinabzugehen zum Weinberge Nabots, um ihn in Besitz
zu nehmen. Da kam das Wort Gottes zu
Elia. Und der tat, wie ihm aufgetragen war: Er ging zum König, sagte ihm auf
den Kopf zu: So spricht Gott: Du und deine Frau haben Unrecht getan vor dem
Herrn. Du hast gemordet, dazu auch fremdes Erbe geraubt! An der Stätte, wo
Hunde das Blut Nabots geleckt haben, sollen Hunde auch euer Blut lecken. Der
Herr hats gesagt.
Eine frühe Brandrede gegen
Tyrannenwillkür und die Droge Macht. Schmerzlich ist die Erfahrung, dass Obrigkeiten
immer welche finden, die willfährig sich die Hände für sie schmutzig
machen. Zur Unterwürfigkeit gelockt wird
durch die Aussicht auf Kumpanei und
Einfluss. Was retten kann, ist, für Recht und Gerechtigkeit einzutreten,
auch durch Kontrolle von Macht.- Gottes Gebote sind eine große Heilstat- sie
stehen dafür, daß Recht vor Macht geht.
*
Elia ging mit Elisa. Sie
wussten, daß die Erdenzeit für Elia zu ihrem Ende kommt.
Und als sie noch
miteinander redeten, da kam ein feuriger Wagen mit feurigen Rossen, die
schieden die beiden voneinander. Und Elia fuhr im Sturm gen Himmel. Elisa aber
sah es und schrie: Mein Vater, mein Vater, du Wagen Israels und seine Reiter-
und sah ihn nicht mehr.
Aus 2.Könige 2
* *
Leid ist
nicht Strafe, nicht Prüfung. Leid ist Mangel Der
Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, gelobt sei der Name des Herrn. Hiob
1,21 Der
Dulder Hiob beschließt, sein Leid nicht empört Gott vorzuwerfen, er willfährt
seiner Frau nicht. Diese schmeißt den Glauben von sich nach dem Tod der Kinder
und dem Verlust aller Habe. Als Hiob dazu noch geschlagen wurde mit Geschwüren
von der Fußsohle bis zum Scheitel, da rät sie ihm zu kurzem Prozess: Was hältst
du noch fest an deiner Frömmigkeit? Sag Gott ab und stirb (2,9).
Hiob aber antwortet: „Haben
wir Gutes empfangen von Gott, sollten wir das Böse nicht auch annehmen?“ (Hiob
2,10). Erst als die Freunde dem beladenen Hiob vorrechnen: Wo Leid ist, da ist
Strafe, wo Strafe ist, ist Schuld - da bäumt sich Hiob auf: Weh euch, die ihr
meint, Gott in eurer Faust zu führen! (12,6) Wohl wahr, in seiner Hand ist die
Seele von allem, was lebt (12,10), sein ist die Kraft und die Einsicht, sein
ist der irrt und irreführt (12,16). Aber wenn er mich strafte, dann hätte er
Unrecht (19,6). Ich rufe Gott als Anwalt gegen einen Strafgott.
Hiob erfährt, dass durch Elend
hindurch Gott rettet. Wenn man auch durch finsteres Tal hindurch muss, so ist
das Elend nicht verhängt als Strafe. Leid - also Strafe, also Schuld- diese
Logik zerbricht an Hiob. Und an Hiob wird hinfällig auch das zweite Argument:
Leid käme über uns als Glaubensprüfung. Den Freunden, die meinen, Gott zu verteidigen,
schleudert er entgegen: Wollen eure leeren Worte denn kein Ende nehmen? Ihr
seid mir allzumal leidige Tröster (Hiob 16,3.2).
Die alte Geschichte geht ja so: Gott
testet mittels einer hinterhältigen Figur, ob Hiob nur an guten Tagen an Gott
glaube. Aber Hiob hält das für abgetanen Theologenmüll: Es ist doch auf der
Hand: Was ist der Mensch, dass du ihn groß achtest, und dich um ihn bekümmerst?
(7,17) Habe ich gesündigt, was tue ich dir damit an, du Menschenhüter? Ich bin
mir doch selbst zur Last, lass meine Schuld dahingehen, denn gar bald fahr ich
zur Grube (7,20 f).
Ja, wirklich, was gibt es da groß zu testen? Wir sind doch hinfällig,
versuchbar bis dort hinaus, wenn Gott uns versuchen wollte, wie sollte einer
bestehen? - Wie sollte etwas bleiben, wenn du nicht wolltest? Oder wie könnte
sich halten, was du nicht gerufen hättest? (Weisheit 11,25).
Leid auflegen zur Strafe? Mittels Hiob
scheitert diese Theorie. Es ist viel Leid in der Welt und ist nicht Strafe -
meist sind es die Folgen unseres Tuns. Und das Leid ist nicht Materialprüfung.
Gott weiß, was für ein Gebilde wir sind. Er weiß, dass wir vom Staub genommen
sind (Psalm 103,14). Aber sein Geist hilft unserer Schwachheit auf (Römer
8,26).
Hiob ist die Kunstfigur eines
begnadeten Dichters. Der von Gott,
hilfsweise von einem Chefteufel, bis aufs Blut geprüfte Mensch, wird wegen
seiner Glaubenstreue zuletzt hoch erhoben. Das ist starke alttestamentliche
Überzeugung.
Tausend Jahre später
ereignet sich Jesus Christus. Er sieht sich nicht von Gott geprüft- sondern
seine Passion ist ihm der einzig mögliche Weg, gegen die Herren der Welt seine
Gottesgewissheit zu leben. Allgemein rät Jesus, im Windschatten von Klugheit
und Gnade zu bleiben. „Ich bin nicht zum
Richten sondern zum Retten da“ (Johannes 12,47). Genau so Gott.
Ihn sich vorstellen als
„Riesin“,(wie im Gedicht : Das Riesenspielzeug“ von Adalbert v.Chamisso) die
mit den Menschen rumfuhrwerkt, Steine in den Weg legt und schaut, wie sie
sich bewähren- das ist Ausfluss einer
verängsteten Seele. Ja, es kann sein,
daß ich mich ans Schicksal so ausgeliefert sehe wie ein Maikäfer, den rohe
Jungen zappeln lassen. Es kann sogar sein, daß einen die Angst so schluckt, daß
ich mich für einen auf dem Rücken liegenden Käfer halte.
Hiob ist der heroisch leidende Mensch, der das
falsche Gottesbild anklagt- und eigentlich gerechter, liebevoller, treuer
scheint als (der alte) Gott selbst, der in seiner Allmacht wie ein Marionettenspieler die Puppen
tanzen lässt. Und von genau diesem Gottesbild hat sich Jesus losgesagt. Für
Jesus ist Gott alle Energie und alle Liebe- beides, alle Macht- auch die von
Menschen missbrauchte und alle Liebe, auch die von Menschen einander gewährte. Dass
letztlich die Liebe die Macht überwindet, und Gott als Erlöser uns aufscheint,
hat Jesus uns vorgewusst.
Die Freunde Hiobs sind noch
ganz befangen im „iustaljon“-Rechtssatz, „Wie du mir, so ich dir“ – und dem
dazu passenden Gottesbild: Dem Frommen
soll seine Güte belohnt sein; wem es
schlecht geht, der büßt sicher eine Strafe ab. Erst Jesus treibt uns in ein
Wissen vom liebevollen Gott, der noch leidet an und mit seiner Schöpfung; aber
sein Reich lässt er auf alle Fälle kommen. Hiob hat auch schon einen Schimmer
dieser Ahnung. Gegen den strafenden und belohnenden Richtergott appelliert er
an den großmütigen Gott, der ihn
letztlich aus dem Staub erheben wird.
Etwas von dieser Zuversicht
brauchen wir alle: Vor uns Heil und Frieden für unsere wunden Seelen. Und
„Licht wird nach und nach über das Ganze aufgehen“ (Ludwig Wittgenstein). Gott
wird alle Schuld auf sich nehmen und begleichen- das deutet doch der Opfertod Jesu an.
Ob das der Fall ist?
Jedenfalls kann keiner für sein Lieblossein die Schuld alleine tragen. Und
jetzt schon werden wir mehr geliebt als es unsere Gene sich erwerben.
Bonhoeffer hat gesagt:“ Ich
bin lieber in Gottes Hand als in den Händen Hitlers.“ Also letzten Endes ist
ihm Hitler nicht so wichtig, der steht nur für das Schwarze der Nazizeit.
Bonhoeffer glaubt sich in Gottes Hand, auch wenn die schwarz und gewaltsam
zuschlägt. Das heißt nicht, annehmen zu müssen, daß Gott aktiv zerschlägt. Aber
es ist Gottes Energie, die auch in Gewalt zur Geltung kommt, Kain ist Gottes Kain; Hitler ist Gottes Kind, wie
kaputt auch immer. Das möge uns ein Zipfel Trost sein in allem Grauen.
Um Gott zu schützen und ihn
zu entlasten, haben Menschen die Idee eines Gegengottes gedacht. Der aber war
immer zweitrangig. Der „gefallener
Engel“, war im Bild gesprochen, Angestellter Gottes, nur Mitglied des Hofstaates.
Es ist wohl so wie Novalis es sagte: „Für Gott gibt
es keinen Teufel, aber für uns ist er ein leider sehr wirksames Hirngespinst.“
*
Untröstlichkeit
hat ihre Würde
Als aber
Elifas, Bildad und Zofar, die drei Freunde Hiobs, all das Unglück hörten, das
über ihn gekommen war, beschlossen sie, zu ihm hinzugehen, um ihn zu beklagen
und zu trösten.
Und sie
erkannten ihn erst nicht und weinten, und ein jeder zerriss sein Kleid und sie
warfen Staub gen Himmel auf ihr Haupt und saßen mit ihm in der Asche sieben
Tage und sieben Nächte und redeten nicht; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr
groß war.
Dann
tat Hiob seinen Mund auf und verfluchte seinen Tag.
Und schrie:
Warum bin ich nicht gestorben bei meiner Geburt? Warum bin ich nicht
umgekommen, als ich aus dem Mutterleib kam?
Warum nur
gibt Gott das Licht dem Mühseligen und das Leben den betrübten Herzen - die auf
den Tod warten, und er kommt nicht, die sich sehr freuten und fröhlich wären,
wenn sie ein Grab bekämen.
Ich hatte
keinen Frieden, keine Rast, keine Ruhe, da kam schon wieder ein Ungemach!
Hiob
2,11-13;3,1,11,20-22,26
Stark ist
das Geleit der Freunde, bevor sie ein Wort sagen. Sie bleiben bei ihm, sie
stehen ihm bei, sitzen bei ihm, verdoppeln seine Untröstlichkeit, fügen ihr
Herzensgewicht dem Schmerz des Hiob hinzu. Das ist anders als unser Beispringen
und Gutzureden. Wir wollen gern das Leid verdünnen auch aus Angst, wir könnten
ebenso getroffen sein. Wir wollen durch unsere Anteilnahme selbst besänftigt
werden. Wir ringen nach Worten, daß „der Kältesee im Herzen des Trauernden zum
Abfließen kommt“.
Aber erst
muss der Leidende seine Sprache finden für das Unermessliche, das ihn getroffen
hat. Und wenn er Gott beschimpfte und verfluchte- Gott hält das aus. Nichts ist
schlimmer, als sich zum Verteidiger Gottes aufzuschwingen.
*
Skepsis pur
Wir sind von gestern und wissen nichts; unsere Tage
sind ein Schatten auf Erden.
Hiob 8,9
„Von gestern sein“- eine so selbstverständlich
gebrauchte Formulierung. Und sie ist wie viele andere aus der Bibel vorgedacht
auch für uns, schon Jahrtausende früher. Die Zeitung von gestern ist überholt-
heute ist das Leben. Heute müssen wir den Tag bestehen. Es darf nicht sein, daß
wir nichts wissen. Wir müssen wissen, was brauchbar ist und was sein Preis ist.
Sonst zahlen wir zuviel und schaden uns, oder zuwenig und schaden anderen. Es
geht nicht nur um Geld. Es geht um die Folgen unseres Tuns, wir müssen haften
für Taten und Untaten. Wir sollen uns für Kinder des Lichts halten, nicht für
Schattenexistenzen, Kinder nicht von gestern sondern für morgen.
*
Ich weiß, daß mein Erlöser lebt
Gott hat meinen Weg vermauert, hat Finsternis auf mein
Geschick gelegt. Er hat mir mein Ansehen weggenommen, hat mich zerbrochen, hat
meine Hoffnung ausgerissen wie einen Baum. Aber ich weiß, daß mein Erlöser
lebt. Der wird mich zuletzt aus dem Staub erheben. Wenn auch mein Fleisch von
mir abfallen wird, werde ich doch Gott sehen. Und er wird mir kein Fremder
sein. Danach sehnt sich meine Seele.
Mitreißend, dieses
Trompetensignal der Zuversicht, ein stärkeres ist im Alten Testament kaum zu
finden- das ist Auferstehungshoffnung pur. Damit lässt sich die Mühsal des
Irdischen bestehen. Und ich will mein Maß an Mühen nicht abwälzen. Ich will sie
tragen, weil sie getragen werden müssen um verwandelt zu werden.
Der große Gott belädt sich
mit der Welt, da kann ich auch mittragen, was sein muss. Hauptsache, ich weiß: Er
wird sich als Freund erweisen und mich teilnehmen lassen an seiner geheilten
Schöpfung.
*
Was hat es mit der Weisheit auf
sich?
Der Abgrund und der Tod sprechen: »Wir haben mit
unsern Ohren nur ein Gerücht von ihr gehört.« Und vor den Augen aller
Lebendigen ist sie verhüllt.
Gott allein kennt ihre Stätte. Der die Enden der Erde
sieht und weiß, was unter dem Himmel ist, der hat dem Wind sein Gewicht gegeben und dem Wasser
sein Maß gesetzt, hat dem Regen sein Gesetz gegeben hat und dem Blitz und
Donner den Weg.
Der spricht zum Menschen: Gott achten ist Weisheit,
und das Böse meiden ist Einsicht.
Hiob 28,20-28
Im Nichts und im Kern des Nichtigen, dem Tod, steckt
die Weisheit nicht. Gegen Gott achtsam sein, macht weise- also bescheiden,
dankbar, barmherzig, zuversichtlich, vielleicht auch humorvoll.
Jedenfalls
Irdisches nicht anbeten, das bewahrt schon vor viel Irrsinn. Und nichts umsonst
empfinden, das macht helle.
*
Er gibt dir Lobgesänge in der
Nacht
Siehe, Gott ist mächtig und verwirft niemand; er ist
mächtig an Kraft des Herzens. Den Elenden wird er durch sein Elend erretten und
ihm das Ohr öffnen durch Trübsal.
Er reißt auch dich aus dem Rachen der Angst in einen
weiten Raum, wo keine Bedrängnis mehr ist; und an deinem Tische, voll von allem
Guten, wirst du Ruhe haben.
Hiob 35,10; 36,5; 36,15f
Das Hiobbuch ist ein Schutzschild des Glaubens. Ja,
Leiden nutzt die Hoffnung und den Glauben ab. Stille Verzweiflung ist bei
vielen. Doch das Leben ist schön. Aus den Abgründen bereitet Gott noch einen
Lobgesang. Es gibt Lasten, die tragen denjenigen, der sie trägt. Leid sei uns Türöffner des Herzens- wir sollen
gerettet werden aus dem Rachen der Angst.
Unverzagt und ohne Grauen soll ein Christ, wo er ist, stets sich lassen schauen. Wollt ihn
auch der Tod aufreiben, soll der Mut dennoch gut und fein stille bleiben (Paul Gerhardt).
* *
Glücklich dran ist, wer
Abstand hält zu denen, die Gott verneinen.
Glücklich, wer vom Sündigen
loskommt; und wer Menschen nicht verlacht.
Und nicht abfällig redet
vom Leben.
Glücklich dran ist,
wer Lust hat am Willen Gottes
und sinnt nach über das was
gut ist, Tag und Nacht!
Der ist wie ein Baum,
gepflanzt an den Wasserbächen,
der seine Frucht bringt zu
seiner Zeit,
und seine Blätter verwelken
nicht. Und was er macht, das gerät wohl.
Psalm 1
Bäume sind uns ein Bild für gelingendes Leben. Bäume sind
vielleicht Gottes bestgelungene Schöpfung, da sie nicht schaden, nur nutzen.
Nun können die Bäume selbst für sich wenig tun, wohl aber der Mensch; wir
können für uns sorgen. So können wir,
erwachsen geworden, unsern Umgang weitgehend selbst bestimmen. Meiden sollte
man die, die großmäulig sich für Erfolge auf ihre Schulter klopfen, die ihre
Gesundheit für selbstgemacht halten, sich mit harten Bandagen und lästerlicher
Zunge durchsetzen, und die zynisch das Gute kleinreden.
Glück aber ist bei dem, der sich um Gott müht. Der
sich Arbeit macht mit der Gemeinschaft und das Vorwärtskommen aller mit
betreibt.
Der ist gern er selbst. Er steht am richtigen Platz.
Und wenn ihm dann noch gutgestimmte Nerven geschenkt sind und er Talent hat, zu
nützen und zu erfreuen, dann ist er wie ein Baum, der Frucht bringt. Wenn ich einigermaßen kann, was ich muß und
einigermaßen nur will, was ich darf, dann ist mein Leben im Lot. Dank dir,
lieber Gott.
*
Fast Gott gleich
Gott- wie herrlich ist dein Name in allen Landen.
Du zeigst deine Größe am
Himmel!
Und aus dem Munde der Säuglinge
richtest du eine Macht dir zu
gegen deine Verächter.
Wenn ich sehe die Himmel,
deiner Finger Werk,
den Mond und die Sterne, die du
bereitet hast -
Was ist der Mensch, dass
du seiner gedenkst,
und des Menschen Kind,
dass du dich seiner annimmst?
So hinfällig er ist, hast du ihn doch kaum niedriger
gemacht als dich selbst.
Mit Ehre und Herrlichkeit
hast du ihn gekrönt.
Du hast ihn zum Herrn
gemacht über deiner Hände Werk,
alles hast du unter seine
Füße getan.
Herr, unser Herrscher, wie
herrlich ist dein Wesen allüberall!
Psalm 8
Jauchzend ist dieses Lied- aber ist es auch unseres?
Auf vielfache Weise wirkt Gottes Wesen, aber wissen wir es noch, wissen wir es
schon?
Doch.
Unter verwirrend
vielen Namen rufen wir das Herz des Lebens an.
In farbig
vielen Formen zieht Frömmigkeit durch unsere Seelen.
Was uns glücklich stimmt, ist von dir, Gott, ausgestreut.
Ein freudiges Lachen holt uns Sterne vom Himmel.
Leid hat eine Dimension bis hin zu dir,
Kunst hält die Sehnsucht nach dir wach.
Selbst die Wissenschaft blickt tiefer
und ist dem Geheimnis der Welt mittels Zahlen und
Kurven auf der Spur.
Das Staunen über die Schöpfung nimmt zu mit jeder
Erkenntnis.
Die Wunderbarkeit der Schöpfung ist unermesslich.
Im Großen ist Gott wie im Kleinen. Das Wässerchen des
Säuglings und die Ozeane erzählen von seiner Grandiosität.
Im Grollen der Bomben und in den Stimmchen der Kinder
ist er der Grund.
Wir Menschen sind von ihm ins Gespräch gezogen,
sind in sein Wirken eingearbeitet.
Du tust durch uns Deins, Gott; herrlich, du Herz und Hirn und Leib der
Wirklichkeit.
*
Herr, meine Stärke
Herzlich lieb habe ich dich! Mein Fels, meine Burg,
mein Erretter;
dem ich traue, mein Schild, mein Heil, mein Schutz!
Der Tod griff nach mir, Fluten
des Verderbens erschreckten mich.
Mir war so sehr angst. Da
schrie ich zu meinem Gott.
Der erhörte meine Stimme, er
streckte seine Hand aus und fasste mich
und zog mich aus großen
Wassern.
Er errettete mich von meinen
starken Feinden.
Er führte mich hinaus ins Weite, er riss mich heraus;
denn er hatte Lust zu mir. Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.
Ich will dir danken und deinem Namen lobsingen.
Aus Psalm 18
Es ist was Starkes und
Liebevolles, das mich umgibt wie die Luft;
wie Wasser den Fisch.
Unausforschbar, unmessbar
bist Du, mein gültiges Gegenüber-
mein großes Du, das mich
anspricht und zum Ich macht.
Namenlose Kräfte zerren an
mir, sie schütteln mein Selbst,
sie lassen mich erstarren
in Unsinn und Banalem.
Da schreie ich zu dir.
Und du nährst mich wieder
mit Vertrauen.
Du gibst mir neue Aufgaben
und die nötige Kraft dazu.
Du gibst mir wieder Lust
zur Gemeinde, und neigst mich wieder Menschen zu. So rettest du mich vor meinen
Feinden,
von machst die gehässigen
Stimmen in meinem Innern verstummen.
Du führst mich ins Weite,
ich denk dich wieder großherzig.
Das spannt auch meine Seele
aus und macht sie frei zur Güte.
Von Verbohrtem kann ich loskommen.
Ich kann Mauern
überspringen, die Menschen trennen,
kann Gräben überbrücken, finde
zu Menschen hin, dass wir wieder
Gefühle und Schätze
tauschen.
Und du, Gott, solltest Lust
haben zu mir?
Das ist ja eine
Liebeserklärung. Ich bin glücklich.
*
Nicht verlassen
Mein Gott, mein Gott, warum
hast du mich verlassen?
Ich schreie, aber Hilfe ist
fern.
Psalm 22,2
Die Berichte von der Kreuzigung
des Jesus sind diesem Psalm nacherzählt.
Szenen von Golgatha sind hier vorgebildet.
Nicht, daß man sich bei
Jesu Kreuzigung an Psalm 22 als Drehbuch hielt.
Aber der „leidende
Gerechte“ ist hier (und in Jesaja 53) als
Muster vorgegeben. Und als der rettende Tod dann geschehen war und die
herrliche Auferstehung- da fiel es der Urgemeinde, die ja diesen Psalm kannte,
wie Schuppen von den Augen.
Jesus starb sicher nicht mit dem einen
erschütternden Wort:
„Mein Gott, warum hast du
mich verlassen“.
Er betete sicher den ganzen
Psalm,
der ja eine große
Gebets-Leiter ist zu Gott hin.
Des Tages rufe ich, und des Nachts. Doch du, Gott, antwortest
nicht. Du aber bist heilig, der du thronst über den Lobgesängen Israels.
Unsere Väter und Mütter hofften auf dich; und da sie
hofften, halfst du ihnen heraus.
Psalm 22,3-6
Der Beter hält an dem Gott
fest, der verlassen hat und der nicht antwortet.
Sollte der Leidende gerechter
sein, der Verlassene treuer?
Der Beter ruft sich zur
Ordnung, verbietet sich den Mund.
Die Lobgesänge der Gemeinde
halten die Anfragen des Zweiflers kurz.
Und schon ist der Leidende
wieder auf Linie,
ist an die Leine genommen
durch Erinnerung.
Die Gemeinde, die Heiligen
Schriften, das Gelernte von Zuhause
hat den Beter in ein Wissen
eingeweiht, das um ein Bündnis kreist.
Gott und Israel, dann auch
die Menschheit, sind sich verbunden
in Liebe und Gehorsam.
Im Rückblick, erinnert der
Beter, hat Gott immer sich als Retter erwiesen- auch wenn der Weg durch die Hölle ging.
Ich aber bin ein Wurm und
kein Mensch, ein Spott der Leute
und verachtet vom Volke. Alle,
die mich sehen, verspotten mich,
sperren das Maul auf und
schütteln den Kopf: »Er klage es dem Herrn,
der helfe ihm heraus und rette ihn, hat er
Gefallen an ihm.«
Du hast mich aus meiner
Mutter Leibe gezogen;
du ließest mich geborgen
sein an der Brust meiner Mutter.
Auf dich bin ich geworfen
von Mutterleib an,
du bist mein Gott von
meiner Mutter Schoß an.
Sei nicht ferne von mir, denn
Angst ist nahe; es ist hier kein Helfer.
Ich bin ausgeschüttet wie Wasser, alle meine Knochen
haben sich voneinander gelöst; mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzenes
Wachs.
Meine Kräfte sind vertrocknet
wie eine Scherbe,
und meine Zunge klebt mir am
Gaumen,
und du legst mich in des Todes Staub. Aber, Gott, sei
nicht ferne;
meine Stärke, eile, mir zu
helfen!
Ich will deinen Namen kundtun meinen
Geschwistern,
ich will dich rühmen
in der Gemeinde.
Psalm 22, 7-12.15.16.20.23
Dem Beter scheint jetzt Höllenzeit:
Er sieht sich allein gelassen, ohne Gefährten.
Zum Schaden kommt der
Spott. Er hält sich selbst für jämmerlich.
Dann aber findet der Beter
in sich einen Schatz:
Er hat sich ja nicht selbst
erfunden. Er ist ja Gottes Projekt:
Er erinnert Gott an seine
Verantwortung.
Gerade weil der Mensch den
Schmerz so erleiden kann und muß,
soll Er zu Hilfe kommen. So
denken wir ja auch und bitten
und fordern Hilfe von Oben.
Und fanden wir nicht viel
mehr Hilfe, als dass wir hilflos blieben?
Eigenartig: Sind wir
gerettet, verflattert das Danken schnell.
Sind wir aber in Not, ist
die Klage groß.
Und letztlich halten wir
immer Gott für schuldig.
Dabei tut Gott Niemandem
Leid an- wir sind ja Verkörperungen
seiner Ideen. Vielleicht geschaffen, daß Gott sich fühlt im Spiegel unserer
Gefühle, und er sehnt sich danach, von uns gesegnet zu werden- indem wir ihn
rühmen.
*
Der Herr ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen
Aue
und führet mich zum frischen
Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter
Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wander im
finsteren Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Hand und Wort trösten
mich.
Du bereitest vor mir einen
Tisch
im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit
Heilsöl
und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden
mir folgen,
ich werde bleiben im Hause
Gottes auf immer.
Psalm 23
Der Herr ist mein Hirte, mein
Pilot, mein bester Freund,
mein Heiler, mein Trainer, mein
Vorbild,
mein Leitstern, mein Code, mein
Engel.
Mir wird nichts mangeln,
ich werd nicht verrückt, ich
geh nicht verloren,
in allem Mangel wird mir nichts
mangeln,
ich bleibe Ich, der
Behütete.
Er weidet mich auf einer grünen
Aue
und führt mich zum frischen
Wasser. Er hält mich,
er stärkt mein Bewusstsein, er
beschafft mir Anerkennung,
er hilft mir zu nötigem Wissen.
Er erquickt meine Seele.
Er richtet mich auf durch
Freude,
er flüstert mir Gebete, die die
Welt bedeuten;
er macht mich glücklich, hilft,
daß ich glücklich mache.
Er führet mich auf rechter
Straße.
Er lässt mich richtig gehen, er
lockt meine Liebe an die Oberfläche,
er hält mich in Balance. Er
lehrt mich ausräumen,
was die Freude am Tag
behindert,
er beleuchtet mir meinen
Zustand, dass,
wenn die Schatten kommen, sie keine Macht über mich
haben.
Um seines Namens willen,
weil er es sich schuldig ist, wird
er mich, sein Kind, nicht verkommen lassen.
Er wird die Verderbnis seiner Schöpfung verhindern,
er will mich als Retter mitziehen.
Und sein Name ist Heil und Hilfe, Sonne und Schild,
Vatermutter, Lebensgrund. Sein Name werde geheiligt.
Und muß ich auch durch Finsternisse,
so fürchte ich kein Unglück; denn
du bist bei mir,
dein Hand und Wort trösten
mich.
Du hast Menschen zur Hand für mich,
Rettungsdienste, Ärzte, Anwälte, ADAC, Rotes Kreuz,
Nachbarn,
die Kirchengemeinde, Nächste und Allernächste,
in deren Hände streckst du dich zu mir hin.
Die Worte der Mütter, der Liebenden, der Dichter,
die Zeichen der Künstler trösten; du bist in ihnen bei
mir.
Du bereitest vor mir einen
Tisch
im Angesicht meiner Feinde.
Du nimmst mich aus dem Schussfeld, du lenkst die
Angriffe von mir ab,
du schickst die rettende Ausrede,
du lässt mich meinen Teil abbekommen.
Du nimmst mich in Schutz auch gegen die feindlichen
Gedanken
aus meinem Inneren, du überlässt mich nicht den nächtlichen
Gespenstern,
du lädst mich an den Tisch in der Sonne.
Du salbest mein Haupt mit Öl
und schenkest mir voll ein.
Du berufst mich zu deinem Kind
und setzt mich in das Amt
deines Mitarbeiters ein.
Du gibst mir dein Zeichen an
die Stirn,
ich bleibe gesalbt und
gezeichnet von dir und für dich.
Du schenkst mir voll ein an
Freude, an Ehre, an Gebrauchtwerden.
Gutes und Barmherzigkeit
werden mir folgen, man wird
nicht hinter mir herfluchen,
nicht mich wie eine Last
beseitigen.
Spuren sollen von mir bleiben,
die Zeichen aufstellen für guten Lebensweg.
Ob Bäume gepflanzt oder Kinder erzogen,
einen Weg gefahrloser gestaltet
oder tröstende Lied angestimmt oder
versöhnende Sprache hinterlassen-
es soll gut sein, hier gewesen
zu sein.
Ich werde bleiben im Hause
Gottes auf immer.
Ich werde zu Gott gehören,
werde ihm nicht entfallen,
werde sein Gefährte sein, wenn
die Schöpfung ganz und heil wird
und die Liebe
allen Hass verdaut hat.
Und Friede wird sein im All. Das
All wird ganz Haus Gottes sein.
„Ich habe in meinem Leben viele kluge und gute Bücher
gelesen. Aber ich habe in ihnen allen nichts gefunden, was mein Herz so still
und froh gemacht hätte, wie die vier
Worte aus dem 23. Psalm: „ Du bist bei mir“ (Immanuel Kant).
*
Die Fanfare
Stemmt die Tore hoch
und die Türen in der Welt
reißt auf,
dass der König der Ehren
einziehe!
Wer ist der König der
Ehren?
Es ist der Herr, stark und
mächtig.
Sein ist die Erde und was
darinnen ist.
Öffnet Tor und Tür, dass
der König der Ehren einziehe!
Psalm 24,7.8.1. 9
Die einen fordern freie Bahn für Gott. Die andern zögern:
Gibt es überhaupt einen König der Ehren? Hier
die Fanfaren des Willkommens, da die Skeptiker hinter verschlossenen Türen.
„Macht hoch die Tür, die
Tor macht weit“ ist das Adventslied.
Herr der Herrlichkeit ist der, der die Welt will,
dich will, dich aus der
Fülle aller Möglichkeiten gehoben hat
und seitdem mächtig für
dich streitet.
Du sollst ihm gelingen,
durch dich will Gott in die Welt einziehen,
wie er damals in Jesus zur
Welt kam.
Wisse dich „im Auftrag des
Herrn“ unterwegs.
Sieh, wo du Bewahrung
erlebt hast. Und wofür brauchst du neuen Mut, deine Fenster zur Welt und die
Türen innen aufzureißen?
Advent ist Sprung nach
vorn, Aufbruch nach Utopia,
„wo noch keiner war, aber
alle hin wollen“.
*
Ein Lied zur Rettung aus großer Not
Ich preise dich, Herr;
denn du hast mich aus der Tiefe
gezogen
und lässt das Feindliche
nicht über mich siegen.
Als ich schrie zu dir, da
machtest du mich gesund.
Du hast mich von den Toten
heraufgeholt;
du hast mich am Leben
erhalten.
Psalm 30,2-4
Wir Menschen sind eine Erfahrungsgemeinschaft.
Es sind in unserm Nervensystem die Schrecknisse und
Freuden
all derer vor uns gespeichert und äußern sich als
unwillkürliche Reflexe.
Unsere Sprache hat viel vermessene Welt in sich.
Lieder und Gedichte sind Schiffe voll Erlebnisfracht.
So besingt das Liedchen „Hänschen klein“ die
Mutter-Kind-Trennungsschmerzen jeder Generation,
das Lied „Die Gedanken sind frei“ sichert trotzig ein
Menschenrecht.
Und Psalm 30 besingt wegweisend die Auferstehung aus
Abgrundstiefen.
Es ist ein Verantworter aller Realität,
ein Schöpfer des Universums, es ist ein großes Du für
alle Ichs dieser Welt.
Der ruft die Ichs in ihr Personsein, der Ganze, du Ganzer,
du Ganze,
von der wir die Atome sind; du, die Weltseele, von der
wir die Relais sind,
Du die Zeit und wir die Phasen; du das Meer und wir
die Tropfen,
wir die Worte, du das Gedicht.
Du hast mich aus dem Nichtsein gezogen. Du lässt mich
vorhanden sein.
Du hältst mich im Sein. Weil du mich willst, bin ich.
Und weil du mich als genau diesen Menschen willst
mit genau diesen Genen und Wegen, bin ich, der ich
bin.
Und werde noch immer mehr deiner, bis ich ganz in dir
ruhe.
Ich preise dich,
dich.
Dazu braucht es selten Festgottesdienste,
im Ein- und
Ausatmen, im Schlagen des Pulses,
im Verwandeln der
Nahrung zu Energie, im Spiel der Liebe bist du da,
„das Lebendige in allem Fleisch“ (4. Mose 16,22).
Und doch ist es gut, dich mir zu benennen,
damit Dank und Staunen mich Schwerfälligen leicht
machen.
Ich will merken, will wahrnehmen die Wunderbarkeit deiner
Wege mit mir. Allein schon das Überwintern der Knospen und mein Auf- die-Beine-kommen
am Morgen, und wie das Grämliche
schmilzt unter Einstrahlung von Sympathie- Gott, mein Gott, wie rettest du mich
stündlich vor dem Nichtigen.
Du hast mich aus den Tiefen gezogen, fast wäre ich ertrunken,
verblutet,
hätte mich
weggeworfen, wäre verstoßen, verarmt, verhärmt.
Doch du hast mich über Wasser gehalten durch einen
Menschen,
Du hast Hilfe gebracht, Du hast mich wiederbeatmet mit
Lebensmut.
Du hast mich zu dir schreien machen.
Du hast mir schluckweise Zuversicht eingespeist,
du hast mir Erstarrtem Wärme von der Hand eines Andern
zukommen lassen.
Ich war mir schon tot, mir war die Welt schon
vergangen,
da hast du mich wieder berufen zu noch ganz anderem
Leben.
Darum kann ich Goethe nach sagen: “Und wäre mir auch was verloren, kann
immer tun wie neu geboren.“
Lobsinget dem Herrn,
Ihr seine Heiligen preiset
seinen heiligen Namen!
Denn sein Verdunkeltsein währet einen Augenblick,
lebenslang aber
seine Gnade.
Den Abend lang währet das
Weinen, aber des Morgens ist Freude.
Psalm 30, 5-6
Und dann braucht man doch
Gemeinde, Freunde, Mitfeiernde,
braucht doch beschwingte
Gottesdienste- den Chor, der die eigene Stimme mitträgt. Allein kann man nicht
recht haben, nicht auf Dauer.
Darum gib ein Fest zu
deiner Rettung, schreib auf dein
Erstarken,
erzähl deine Wiederkehr zu
den Lebenden, bekenne deine Dankbarkeit.
Ruf es hinaus, wie ganz und gar
unselbstverständlich dir deine Genesung ist.
Gott wird so viel verklagt,
meist von außen, nicht von
denen, die noch mit Gott ringen und ihn als Mitleidenden ahnen. Du hast ihn
doch erfahren, dir war er nur eine Strecke verdunkelt, dir war er nur eine Zeit
lang abhanden kommen.
Schlimmst genug war das.
Aber gegen deine Rettung
und die dann glückliche Zeit
ist das
Dunkel dir nur einen Schrecken lang gewesen.
Lasse das Zagen, verbanne
die Klage, maule, mäkel nicht mehr. Mach es gut.
Und auch - wenn du zur
Nacht weinst, morgen ist ein neuer Tag seiner Gnade. Freude wird dir blühen,
halt dich bereit.
(Vers 6 heißt im Urtext:“ Sein Zorn währet einen
Augenblick“-
Das kann man so verstehen: Da ist einer
überglücklich einem Leid entronnen und fordert seine Sinne und die Menschheit
auf, Gott zu loben.
Er hat sein Leid mit
eigenem Versagen in Verbindung gebracht,
aber es ist ihm eine Ehre,
daß er wahrgenommen ist vom ewiggültigen Gott. Dieser muß ihm zürnen, wie er ja
selbst über sich zürnt.
Zorn ist viel mehr Zuwendung als matte
Toleranz; Zorn ist Zeichen des Getroffenseins- wäre Gott der Beter egal, hätte
er ihn einfach nur abgetan.
Kann zur Liebe auch Zorn
gehören- einen Augenblick lang?
Die vor uns meinten, Zorn sei
die Kehrseite der Verunehrung, und muss sein. Jedenfalls sind die Proportionen
wunderbar: Ein Nu lang das Dunkel zwischen Gott und uns, aber lebenslang seine
Gnade.
Tränen in der Nacht-
manchmal müssen sie sein. Aber des Morgens ist Freude, auf Gott ist Verlass.
Ich aber, als es mir gut ging,
sprach: Ich werde nimmermehr wanken. Denn,
Herr, durch dein Wohlgefallen hattest du mich auf
einen hohen Fels gestellt.
Psalm 30,7.8a
Vor dem Fall kommt der
Hochmut. Geht’s uns schlecht, sind wir mit Klagen schnell dabei. Geht’s uns
aber gut, werden wir leicht selbstgefällig und fahrlässig; Meinen sogar, die
Gunst des Schicksals gepachtet zu haben. Halten wir uns für Lieblinge des
Schicksals, sehen uns erhoben „über denen da unten“? Es gibt eine Arroganz, die
Dank benutzt um sich den vermeintlichen Privatgott zu sichern, nach dem Motto:
„Ich danke Gott, dass ich nicht so bin, wie die andern“(Lukas 18,11).
Aber als du dein Antlitz
verbargst,
erschrak ich. Dann rief ich
wieder zu dir und flehte: Herr, sei du mein Helfer!
Psalm30,8b.9.11
Es ist wohl so: „Des Lebens
ungemischte Freude ward keinem Irdischen zuteil“ (Friedrich Schiller). Weil der
Hunger und die Sehnsucht groß, aber die Ressourcen begrenzt sind, und alles
seinen Preis hat, und die Welt voll Doppeldeutigem und Doppelbödigem ist. Und
wo viel Licht ist, ist viel Schatten.
Ein tiefer Fall wird von
uns verstanden als habe Gott nicht genug auf uns aufgepasst. Ja, wir
unterstellen, Gott ließe uns mutwillig in Fallen tappen,
hänge uns Krankheiten an.
Aber Gott ist gut. Was geschieht, geschieht ihm mit. Es kann sein, dass wir den
Blickkontakt zu Gott verlieren,
auch weil wir ihn an falschen
Orten, in falschen Kleidern suchen.
Gut, wenn wir dann
zurückgehen zu biblischer Erfahrung und etwa an Jesu Geschichten die wahre Spur
aufnehmen zum Gott in den Mühen und im
Teilen.
Erstaunlich ist ja immer
wieder unsere Selbstgewissheit.
Kaum ist man aus einem Schlamassel
raus, da strunzt man wieder: „Mir kann keener“ ,oder „es is noch immer jod
jejange“; „Wanken? Nimmermehr!“.
Hat Gott Wohlgefallen an einem mit so
aufgeblasenen Backen,
der sich rühmt, ihn zum
Schutzpatron zu haben?
Augenblicklich kann es
sein, daß er sein Antlitz verbirgt.
Dann durchflutet Kälte die Gedanken, die Wärme der
Verlässlichkeit ist dahin. Man steht allein. Dann, gut für mich, wenn ich durch
die Verzweiflung hindurch flehen kann. Und dann –so bezeugen die Heiligen von
alters her- wird er die Klage verwandeln.
Du hast mir meine Klage
verwandelt
in einen Reigen, du hast mir
den Sack der Trauer ausgezogen
und mich mit Freuden gegürtet, dass ich dir lobsinge
und nicht verstumme. Herr, mein Gott, ich will dir danken in Ewigkeit.
Psalm 30,12.13
Wenn das doch die Beute
meines Erdendaseins wäre:
Das Leben, gekennzeichnet
als Auftakt, als Weg zur Heilung, als Heimweg; auch als Erziehung zum Frieden-
in den Abschnitten und im Ganzes: Von der Klage zum Reigen, von der Trauer zur
Freude.
Die Klage hat ihr Recht-
bewahrt sie doch dem Gepeinigten die Würde,
nicht gut finden zu müssen,
was ihm abgebrochen und entwunden ist.
Aber Gott als letzte
Adresse für Klage und Dank fädelt uns wieder ein in den Reigen der Freude.
Trauerkleider haben ihre
Zeit.
Wir Hinterbliebene
sind noch auf der Strecke, die von uns
Genommenen dürfen wir wissen wir als zu Gott hingegangen.
Und weil der Reigen, den
Gott mit seiner Schöpfung vorhat,
noch in Arbeit ist, darum
sind wir auch noch mit beteiligt am Bau des Herrn
und legen die Hände noch
nicht in den Schoß beim Loben.
Verheißen ist: Du wirst
zurückblicken, deine Seele erstarkt,
du bist wie zum Tanz
geleitet in glücklicher Runde,
Klagelieder ade! Schamzeit,
Schuldzeit - abgetan, Du strahlst vor Freude.
Gott will, dass du es so
erlebst.
*
Gott, auf dich traue ich,
lass mich nimmermehr zuschanden
werden,
errette mich durch deine
Gerechtigkeit!
Denn du bist mein Fels und
meine Burg,
und um deines Namens willen
leite und führe mich.
Zieh mich aus dem Netze, Du
meine Stärke.
In deine Hände befehle ich
meinen Geist.
Du stellst meine Füße auf weiten Raum,
meine Zeit steht in deinen Händen.
Psalm 31,1,3,4,6,9b, 16
In dem Großen Ganzen will ich mich morgens orten, abends in ihn münden. Wir brauchen doch Orientierung.
Ein Schiff kann auch nicht Kurs nehmen an seiner
Mastleuchte,
es braucht den Leuchtturm, den Peilpunkt von
außerhalb.
Auch wir können uns nicht an uns ausrichten.
Mein Gewissen muß sich gebunden wissen an eine letzte
Instanz, Verantwortung ist Antwort, mein Vertrauen sucht das Herz aller Dinge.
„Mein Fels“, „meine Burg“,
„meine Stärke“
sind Ankerworte der
Menschheit für den Ewiggültigen.
Der errettet mich, weil ich
sein bin.
Nicht bin ich seiner
besonders würdig, nicht gut und gerecht.
Sondern seine Liebe macht
mich ihm recht.
Seine Güte deckt meine
Schwächen;
Sein Verzeihen zieht mich
aus den Verstrickungen,
mein Geist wird neu
verständig durch Sprechen mit ihm.
Du stellst meine Füße auf
weiten Raum,
ich kann wieder
ausschreiten und sicher gehen.
Meine Zeit nehme ich aus
deinen Armen,
meine Wege sind in deine
Hände gezeichnet. Ich kann nicht verfallen.
Darum wird der Tag gut, und
die Nacht lässt mich sicher ruhen.
*
Hoffe auf Gott
und tu Gutes, habe deine
Lust an Gott;
der wird dir geben, was
dein Herz wünscht.
Befiehl dem Herrn deine
Wege und hoffe auf ihn,
er wird’s wohl machen.
Von Gott kommt es, wenn des Menschen
Schritte fest werden.
Fällt er, so stürzt er doch
nicht; denn Gott hält ihn an der Hand.
Lass ab vom Bösen und tu Gutes.
Bleibe fromm und halte dich recht;
So wird es dir letztlich gut gehen.
Psalm 37,3-5,23,24,27,37
Vor Gott meinen Weg bedenken, das ist es.-
Natürlich bin ich verpflichtet, Gutes zu tun, redlich
zu handeln
und mich nicht blöde anzustellen.
Aber Lust an Gott haben, ist die größte Kunst.
Die Dinge mit ihm in Beziehung sehen,
mit ihm zu tun haben in allem und jedem, ihn mit betroffen
sehen
in Katastrophen, ihn sprießen sehen im Glücken - das
ist faszinierend.
Warum blühen die Blumen in so prächtigen Farben?
Nicht nur zur besseren Vermehrung sondern weil
Gott Farben liebt.
Warum bist du da? Nicht nur, weil die Eltern ein Kind
wollten
sondern weil der Weltwille dich will und mit dir was
Besonderes ausrichtet.
Den Zusammenhang glauben von allem und jedem mit Gott,
dem Ganzen-
das ist gut. Ihm meine Wege anbefehlen,
das meint, ihm mein Schicksal anzuvertrauen:
Also beten um Geleit und Schutz vor allem vor eigenen
Verrücktheiten.
Es ist soviel Irrung und Wirrung möglich, unter jedem
Dach ein „Ach“ –
doch mindestens eine Mühsal, ein Gebrechen, eine
Schwäche, eine Unart.
Und wie damit zurechtkommen? Gott, gib mir Hirn und
Mut und Einsicht und Chancen. Und Balance, Maß, Freude an Harmonie.
Hinfallen, aber noch aufstehen können, und wenn nicht,
daß dann Hilfe komme von Gott, „Schutz
und Schirm vor allem Argen“- so weit wie möglich.
Bleib fromm- also vertrauensvoll in Gott. Wisse, daß du
mit allem zurechtkommst, weil und solange du es mit Gott in Beziehung siehst.
Gottes Hand kann drücken, aber es ist seine.
*
Und bist so unruhig in mir?
Verlass dich auf Gott. Du wirst ihm noch danken, daß er dich wieder aufrichtet
und dein Gott ist.
Darauf setzen- immer wieder
wirst du Gutes ernten: Du wirst danken. Lass doch die Wege steinig sein, sie
münden im Guten. Lass die Tränen rinnen, sie werden von der Sonne weggeküsst.
Wenn auch Menschen dich enttäuschen, du wirst letztlich gerettet und heil
werden. Keine Angst. Du wirst hindurchgetragen.
*
Ich will auf Gott hoffen
und mich nicht fürchten. Was
können mir Menschen tun?
Psalm 56,5
Menschen können Menschen viel antun, das weißt man von sich selber, man
weißt von seinem Fiesseinkönnen, wenn man gekränkt ist. Doch sag dir das täglich: Ich will mich nicht
fürchten, was können mir Menschen tun? Die um dich sieh nicht als gefährlich
an, aber suche auch nicht Gefahren. Räum Missverständnisse aus. Sieh dich nicht
verfolgt, nicht ausgegrenzt, nicht umzingelt. Es ist keine Verschwörung gegen
dich im Gange. Genieße unbefangen deine Welt. Nimm hin, was geschieht, es ist
kein Vorwurf an dich, wohl aber Lockruf, mit zu spielen und das Beste für dich
daraus zu machen. Denn es ist Gottes Geschichte, in der du mittust. Es soll dir
gut gehen, das ist Gottes Projekt.
*
Gott, du bist mein Gott, den
ich suche.
Es dürstet meine Seele nach
dir,
mein ganzer Mensch verlangt
nach dir.
Ich halte Ausschau nach dir
und deinem Heiligtum,
ich wollte so gerne sehen deine
Macht und Herrlichkeit.
Denn deine Güte ist besser als
Leben.
Das ist meines Herzens Freude
und Wonne,
wenn ich dich mit fröhlichem
Munde loben kann;
wenn ich mich zu Bette lege, so
denke ich an dich,
wenn ich wach liege, sinne ich
über dich nach.
Denn du bist mein Helfer.
und unter dem Schatten deiner Flügel bin ich
glücklich.
Meine Seele hängt an dir; deine
rechte Hand hält mich.
Psalm 63, 1-9
Daß deine Seele nach Gott
dürstet- merkst du an deiner inneren Unducht, deiner Mißgestimmtheit, deiner Lähmung,
deinem wunschlosen Unglück; keine Gemeinde, kein Trost, keine Freude, kein Ruf.
Du fühlst dich leer, unnötig, verlassen, verarmt, heute jedenfalls.
Aber wenn du noch deinen
Mangel merkst, ist Hoffnung. Bitte, entdeck
deine Wünsche wieder. Wenn du dich nach Leuchten und Freude sehnst,
hältst du nach Gott Ausschau.
Du hast ja von Gott gehört.
Wenn die Welt sein Haus ist, dann hat er viel zu bieten. Seine Güte ist ja, daß
er Macht und Herrlichkeit teilen will. Er will auch dich beglücken. Es ist
seine Leidenschaft, dich des Lobes voll zu machen.
Darum sinne wieder über ihn
nach, sinne dir nach im Gespann mit ihm. Unter dem Schatten seiner Flügel
erspüre dir ein neues Lebensgefühl: Du- gehalten, getröstet, gebraucht,
geliebt.
Freude und Wonne sollst du
ausstrahlen, Gott wird nicht ruhen, bis Du soweit bist. Und wenn er dich erst
durchs Sterben fädeln müsste, du wirst ihn finden.
*
Singet Gott,
lobsinget seinem Namen! Freuet
euch vor ihm!
Er ist Vater der Waisen und
Mutter der Witwen; ein Gott, der die Einsamen nach Hause bringt, der die Gefangenen
ins Freie führt.
Als du vor deinem Volk
herzogst in der Wüste, da bebte die Erde, und die Himmel troffen vor Gott - am
Sinai. Gelobt sei der Herr täglich. Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft
uns auch. Wir haben einen Gott, der da hilft, und den Herrn, der vom Tode
errettet. Immer wieder gibt er den Menschen Macht und Kraft. Gelobt sei er!
Psalm 68, 5-9, 20, 21,36b
Ein Schatz an Lebenserfahrung in sieben Sätzen: Freude
ist unser Auftrag. Darum hängt Gott vor allem an den Beschädigten und Verlassenen.
Die am meisten entbehren, haben noch am meisten von ihm zu erwarten, damit auch
sie Grund zu Freude und Dank haben.
In jedem Leben soll es
Zeiten geben, die von Gott „triefen“, von Glück, Fülle, Liebe, Verwöhntsein.
Jeder Mensch soll zurückblicken können auf Heilszeit. Also denk nach, wie viel
dir schon gelang. Gedenke der Bewahrungen, die dir geschahen.
Eine Heilszeit der
Menschheit war wohl die Zeit Israels in der Wüste, als sie auf dem Weg waren
aus der Knechtschaft Ägyptens ins Gelobte Land.- Da am Sinai troff der Himmel
von Gott- Fülle um Fülle fällt uns immer noch zu in den Zehn Geboten- dem
Masterplan für gutes Zusammenleben.
Gott gibt. Er ist der Quell
aller Güter, auch der Brunnen aller Güte- Gott betreibt das Lebenkönnen seiner
Schöpfung mit dauernder Ausschüttung guter Gaben und Kräfte. –Aber es ist auch
viel Mangel, Irrtum, Gier, Schuld, Schaden,Verbrechen. Ich möchte alle Last als
von Gott auferlegt sehen können, will sie annehmen als nötig.-
In südlichen Gegenden sieht
man die Äcker umfriedet mit Mauern aus Steinen. Diese Steine wurden in
Generationen vom Boden gelesen, immer neue schienen von unten ans Tageslicht zu
kommen. Sie mussten weggetragen werden, denn wo Steine, da keine Erde zum
Wachsen. Und jetzt halten die Steinmauern den Wind auf, dass der die kostbare
Ackerkrume nicht wegtrage.- Nicht als
Strafe oder Prüfung sind die Steine
gegeben, sondern als Mühen, die noch abgetragen
sein müssen. So ists auch mit den Strapazen. Und das mir auferlegte Quantum soll ich übernehmen,
weil an diesem Ort zu dieser Zeit ich da bin, und andere für andere Mühen
gebraucht werden; ich aber für dieses, mein Leid.
Schon zu wissen, daß nicht
blöder Zufall Spott mit mir treibt, hilft. Und es stärkt, daß mit der
geschulterten Mühe ich Gott beistehe. Er wird mit dem jetzt Anstehenden fertig werden, auch
mittels meines Tuns. In den Mühen wisse,
dass dir Kraft zuströmt von ihm, dem Liebhaber des
Lebens.
*
Das große Dennoch
Dennoch bleibe ich stets an
dir;
denn du hältst mich bei meiner
rechten Hand,
du leitest mich nach deinem Rat
und nimmst mich endlich mit
Ehren an.
Psalm 73, 23.24
Allen Katastrophen und
Schmerzen begegnet der Beter mit seiner Dennoch-Posaune. Was auch an Fürchterlichem
auf mich niederprasselt- ach könnt ich doch auch dieses „Dennoch“ anstimmen.
Nicht weil ich so stark bin oder stur, so fromm oder beharrlich. Sondern das
große Du hält mich. Auf unbeschreibliche Weise bin ich geborgen, gehalten, bin
gebunden an dich, weil du, Gott, mich nicht lässt.
Mit dem Rücken zur Wand
bleib ich an dich gelehnt, bleib in deine Hände gepresst, auch wenn sie hart
sind, jetzt. Du leitest mich, ohne mir meinen Freiraum zu nehmen und ohne die
Bosheiten des Lebens vor mir wegzuwischen.
Ich gehe im Gehege deines
Willens, das ist mir wichtig, auch wenn die Räder des Schicksals und dein Rat
für mich auseinanderdriften. Ich sehe mich auf einem langen Lebensweg, der in
dir läuft und bei dir mündet. Tröstlich wunderbar ist: Du nimmst mich endlich
mit Ehren an. Wenn dies das Ziel des Lebens mit dem Sterben am Ende ist, ist
alles gut. Weil alles gut wird.
Etty Hillesum, eine Holländerin, die in
Auschwitz ermordet wurde, schrieb: “Es gibt in mir
einen ganz tiefen Brunnen, und darin ist Gott. Manchmal ist er für mich
erreichbar, aber oft liegen Steine und Geröll auf dem Brunnen, dann ist Gott
begraben. Dann muss er wieder ausgegraben werden.”
Wenn ich nur dich habe,
so frage ich nichts nach Himmel
und Erde.
Psalm 73,25
So kann ich es nicht sagen,
Gott. Zu fest hast du mich an Erde und Stoff und Menschen gebunden. Aber alles,
was ich liebe, ist mir doch Pfand geworden für dich. Noch habe ich dich nur in
den von dir aufgegebenen Pflichten und Freuden, in den anvertrauten Nächsten,
in den Sonnenstrahlen, im Liebesgeflüster. Gerade weil ich dich habe, und du
mich hast, frage ich nach deinem Himmel und deiner Erde.
Wenn mir gleich Leib und Seele
verschmachtet,
so bist du doch,
Gott, allezeit meines Herzens
Trost und mein Teil.
Psalm 73,26
Noch ist mir nicht Leib und Seele verschmachtet, aber
ich war auch schon hart am Rande. Und ich hatte keine Sprache mehr zu dir hin,
es wurde leer in mir. Da schenktest du mir Strahlen von Glaube, dämmernde
Hoffnung, Rinnsale von Geliebtsein, Gedächtnisworte der Vorigen mit dir. Du ängstigtest dich um
mich. Auch wenn ich an dir zweifelte, du hieltest durch, du hieltest mich.
Gott, du meines Herzens Trost, ich bleib mit dir verwickelt, bleibe an dich
angedockt, bleib mit dir im Konvoi- wie Michelangelos Adam mit dir Finger an
Finger schwebt.
Das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte
und meine Zuversicht setze auf Gott, dass ich verkündige all dein Tun.
Psalm 73,28
Freude schöpfen aus der Zuversicht auf Gott- sie gibt
jedenfalls langen Atem. Und Menschenbefreundung- wir sind doch einander zur
Erfreuung gedacht. Was zählt da aller Ärger, was soll alles augenlose
Aneinandervorbeihasten.
Ich will von dir aufgeweckt sein, will für dich eine
gute Empfehlung sein. Dein Tun verkündigen heißt ja vor allem von deinem Tun
eingenommen sein und dein Tun mittun.
Und das ist die reine Freude. Wenn wir das mitdenken, dass wir dein Tun mittun,
mitleiden, mitgenießen, sind wir gerettet, sind wichtig, sind der Leere entronnen.
*
Wie lieblich
sind mir deine Wohnungen, mein
Gott
Meine Seele verlangt nach den
Vorhöfen des Herrn;
mein Leib und Seele freuen sich
in dem lebendigen Gott.
Der Vogel hat ein Haus gefunden
und die Schwalbe ein Nest für
ihre Jungen -
deine Altäre, mein König und
mein Gott sind mein Haus und mein Nest.
Psalm 84,2-5
Das uns Heimat sein lassen:
Wir in Gott. Die Welt sein Haus- wir hier nicht fremd. Aber wir sind auch von
Erde, wollen besitzen, wollen zu Einigem sagen können: „Meins“, „Meins und
nicht Deins“. Und dann hängen wir an Haus und Grund, an Konten und Sachen, wie
festgeklebt.- Würden wir doch uns leichter tun mit dem Irdischen, es nutzen und
pflegen, es teilen und dann auch mal lassen können.
Manchmal das Glück, behaust
zu sein und Gott Tür an Tür zu wissen. Es gibt Orte die sind gottvoll; Meere,
Berge, Ebenen, Wälder, Kirchen - Vorhöfe des Herrn. Und deine Hand, die Brot
teilt, baut die Wohnung des Herrn mit.
Vielleicht sind die Kirchen
und Altäre Zwischenräume- Irdisches, mit einigem himmlischen Anstrich;
ausgegrenzte Orte, an denen sich Gott und Mensch gut treffen können. Einige
Orte geben deiner Seele besonderes Heimatgefühl. Such sie wieder auf.
Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten
und von Herzen dir nachleben!
Wenn sie durchs dürre Tal
ziehen,
wird es ihnen zum Quellgrund,
und Frühregen hüllt es in
Segen.
Sie gehen von einer Kraft zur
andern
und schauen den wahren Gott.
Denn Gott der Herr ist Sonne
und Schild.
Psalm 84,6-8,12
Gott für meine Stärke halten- das ist die Kunst. Mein zu
Gott Gehören hält mich. Mein Machen und
Können sind Kräfte von seinem Energiestrom, noch im Dürren kann ich Brunnen
bauen, noch im Dunklen Lichter des Mutes entzünden.
Sieh, wie du Kräfte nimmst, als
gingest du von einer Blüte zur nächsten-
du bist ein Segen für dein Umfeld.
Lass dir Gott Sonne und Schild sein, die Kraft zu
allem Guten, Schutz in allem Schweren. Er ist Sonne- alle Energie: er ist
Schild, Schutz, Hilfe. Gott –alle
Energie, alle Liebe- was müssen wir mehr wissen?
*
Gott, du bist unsre Zuflucht
für und für.
Ehe denn die Berge wurden
und die Erde und die Welt geschaffen wurden,
bist du, Gott, von Ewigkeit zu
Ewigkeit.
Der du die Menschen lässest
leben- und dann auch sterben, sprichst dann: Kommt wieder, Menschenkinder!
Psalm 90,1-3
Einer der innigsten Namen für Gott ist „ Du Zuflucht“.
Du Gott bist mir Zuflucht, Ziel, Halt, Schutz. Wenn es nicht weiter geht, bist
du da; du bist die Mündung von allem. Wenn mir die Seele ausfließt, fließt sie
in dich. Geh ich mir verloren, rufst du mich heim. Du bist schon immer da,
wirst auch nach uns noch kommen. Du bist. Du bist das Meer, das uns wie Strudel
bildet, die eine Weile bleiben. Dann rufst du uns aus unserer irdischen Gestalt
zurück: kommt wieder, Menschenkinder. Dein Nennen macht uns einmalig; Wir sind deine
Kinder. Du rufst uns –also bleiben wir vor Dir. Und bleiben also auch für uns
wer. Wer, was bleiben wir? Wir bleiben Deine.
Tausend Jahre sind vor dir
wie der Tag, der gestern vergangen ist und wie eine Stunde in der Nacht. Du
lässt uns dahinfahren wie einen Strom, wir sind wie ein Schlaf, wie ein Gras,
das am Morgen noch sprosst; das am Morgen blüht und sprosst und des Abends
welkt und verdorrt.
Das macht dein Wille, dass wir
kommen, ein Stück bleiben und wieder gehen,
Uns ist es ein Schrecken, wenn
wir plötzlich dahinmüssen.
Dann stehen wir vor dir- mit Sünden. Aber stehen im Lichte deines liebenden
Angesichtes.
Psalm 90,4-8
Die Zeitmaße sind verschieden. Schmerz dehnt die Zeit, Glück macht sie
pfeilschnell. Unsere Lebenszeit fließt in Kindheit und Jugend erst mal wie ein breiter Strom. Dann geht es wie im
Schlaf- zügig, hindurchpreschend in Arbeit, Liebe, Kinder oder auch nicht,
Standgewinnen, Hausbau, oder auch nicht. Im Nu sind wir alt, sind wie ein Gras,
das die Kraft verliert. Je älter wir werden, desto schneller fließt die Zeit
ab: dann ist es plötzlich zu spät, dann ist hier Schluss mit Wandel. Doch wir verfallen nicht. Wir haben Aussicht:
Du stellst uns vor dich. Das Licht deines Antlitzes wird uns schön machen.
Alle unsre Tage werden
durch dich angetrieben. Dein Unwille gegen das Böse macht dich auch zornig, so
müssen wir denken. Wir bringen unsre Jahre meistens zu wie ein Geschwätz.
Unser Leben, wenns gewährt ist, währet siebzig oder
achtzig Jahre,
und wenns hoch kommt, noch etwas mehr. Wenn es köstlich gewesen ist, ist es auch voll Mühe
und Arbeit gewesen. Es fährt schnell dahin, als flögen wir davon.
Psalm 90,9.10
Der Treiber des Lebens ist
Gott. Mittels der Zeit tätowiert er uns, wir werden geprägt vom Geschehen und
gestalten dieses mit. Darum ist unser Gehen in der Zeit so wichtig, der Umgang
mit Zeit so dramatisch entscheidend. Ob wir unsere Tage zubringen in freudloser
Eile, geschwätzig- leer oder in
hemmungsloser Zärtlichkeit, liegt an uns. Lasst uns doch gern hier sein, auf
dieser schönen armen Erde. Zuletzt wird uns alles zu kurz gewesen sein. Und wir
wünschen uns davonzufliegen in das ewige Zuhause.
Lehre uns bedenken, dass
wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.
Psalm 90,12
Klug werden angesichts des Sterblichseins: Wir sind
nur auf Zeit hier. Haben lauter letzte einmalige, wunderbare, teure,
schützenswerte, bitte- gut zu nutzende Tage. Und Nächte. Also Lachen, Lieben,
Beistehen, Nehmen, Geben, Probleme lösen, Schmerzen und Lasten tragen,
Schuldigwerden und Verstehen. Und „Wenn du weißt, was du willst, musst du
machen, daß du hinkommst“ (Die Mißfits). Und „Man muß die Notwenigkeiten lieben
und pflegen lernen, muß das Starre und Unversöhnliche eben zu erweichen
versuchen; und darf sich nie verstoßen vorkommen“(R. Walser). Wir können unsere
Zeit nicht vermehren, können uns aber vervielfachen, indem wir uns ins
vielfältige Lebendige und in seine Seele, Gott, vertiefen. Und ja, bei den Hinterbliebenen
dann mal einen guten Nachgeschmack hinterlassen, das wäre gut.
Fülle uns frühe mit deiner Gnade, so wollen wir rühmen
und fröhlich sein unser Leben lang. Nach Unglück erfreue uns wieder. Zeige uns
deine Werke, deine Herrlichkeit deinen Kindern. Und der Herr, unser Gott, sei
uns freundlich und fördere das Werk unsrer Hände bei uns.
Ja, das Werk unsrer Hände und Gedanken wollest du
fördern!
Psalm 90,14-17
Was genau für dich
Lebensklugheit ist, musst du selbst erfahren auf deinem Weg. Sicher hilft es,
sich vor Gott auszusprechen und zu bitten: Fülle uns mit deiner Gnade, also mit
Heiligem Geist, mit Begabungen, Menschenfreundlichkeit, Humor, Staunen,
Dankbarkeit.
Freude ist sichtbares
Zeichen von Gnade und Fröhlichkeit hilft. Eine starke Form göttlicher
Freundlichkeit sind Hände und Gedanken, die ein Werk gestalten. Wir alle
brauchen die Förderung von oben. Beten wir, daß wir heute brauchbar sind fürs
Leben.
*
Und die Alten
Die gepflanzt sind im Haus des Herrn, blühen auch im
Alter noch und bringen Früchte und sind frisch. Dass sie verkündigen, wie Gott
es gut macht.
Psalm 92,15f
Auch aus den Alten bereitet sich Gott ein Lob. Auch
sie können noch blühen und gedeihen, können noch Früchte der Lebensfreude und
Schaffenskraft bringen. Manche Alte scheinen spät erst jung zu werden, manches
Glück passiert ihnen wie zum ersten Mal. Oft ist Liebe das Geheimnis ihre
Frischseins.
Es ist wohl so: „Du bist jung wie deine Zuversicht und
so alt wie deine Zweifel; so jung wie dein Selbstvertrauen, so alt wie deine
Furcht; so jung wie deine Hoffnung, so alt wie deine Verzagtheit“ (Albert
Schweitzer). -Erst wenn die Flügel deiner Seele nach unten hängen und das
Innere deines Herzens vom Schnee des Pessimismus und vom Eis des Zynismus
bedeckt sind, erst „dann sind die bösen Tage gekommen und die Jahre nahen sich,
von denen du sagen wirst: „Sie gefallen
mir nicht“(Prediger 12,1).
*
Lobe den Herrn, meine Seele,
und was in mir ist, seinen
heiligen Namen!
Psalm 103,1
Es lobt sich also nicht
selbstverständlich. Mein nachdenklicher Geist muss mein Ich anfeuern, muss
meine Person, meine Seele antreiben, sich aufzuschwingen, Gott zu loben.
Vielleicht sind wir ja wie Kinder, die meinen, ein Anrecht zu haben auf Verwöhntwerden. Sind wir unleidlich, wissen
wir schnell uns zu beschweren- und alles sich Beschweren zielt letztlich auf so
was wie Gott. Aber ihn loben? Ihn
anerkennen als großen Künstler, ihn bewundern als Freund des Lebens? Ihm Dank
sagen? Wir haben kein Recht auf den nächsten Atemzug und bekommen ihn doch
eingeschenkt. Wie überirdisch fühlt sich das Lieben an? Wie grandios ist der
Herrgott, der macht, daß wir bei der Schöpfung mitmachen.
Danken und Loben ist zuerst mal Staunen. Also lasst uns nicht
durchs Leben stolpern wie Klötze sondern merken, wie wunderbar ist, was ist.
Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er
dir Gutes getan hat und tun wird:
Psalm103,2
Nimm wahr und merke, was dir Gutes geschieht. Allein
ein schlichter Tag birgt eine Fülle von Glückserlebnissen, von Behagen,
Wohlgefallen, Zufriedenheit, Genuss und Bewahrung, Einfällen, Lachen,
Gesprächen. Ein einziger Tag ist in seiner Wunderbarkeit unausschöpfbar. Ich
will von jedem Tag ein, zwei Eindrücke sichern, am besten schriftlich, auch um
das Gute zu behalten. Und der Rückblick bekommt durch mehr Anhaltspunkte auch
mehr Tiefe. Und der Dank mehr Gestalt.
Der dir alle deine Sünde
vergibt und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöst
und dich krönen wird mit Gnade und Barmherzigkeit, der deinen Mund fröhlich
macht und du wieder jung wirst wie ein Adler.
Sünden vergeben bekommen-
das beschafft Zukunft. Schwer lastet Schuld, begangene und erlittene. Begangene
Schuld rumort in mir, bis sie beglichen ist. Erlittenes Unrecht bleibt offene Wunde, bis Gespräch
stattfindet, Eingeständnis gelingt und
ein Stück Wiedergutmachung getan ist.
Meine Schuld als von Gott
vergeben glauben- das ist dramatisch wichtig. Er ist das Wesentliche aller
Wesen. Was jeden trifft, trifft ihn erst recht- er muss alles aufnehmen und
verdauen. Vergibt er, muß ich und kann ich auch vergeben und kann mir vergeben
sein lassen und gutmachen.
Alle Gebrechen, Mühen,
Leiden sind Stationen auf dem Weg zur Heilung, gegen keinen wird er sich
entscheiden. Jedes Leben ist auf Fülle, Freude, Erlösung aus. Vor uns immer
Krönung, vor uns Teilhabe an seiner Vollkommenheit. Darum sterben wir auch nicht
ins Leere sondern werden abgekeimt vom Lebendigen, heimgetragen in Gott. Gegen
das allmähliche Einsinken in den Tod will ich dies Lied singen je älter, je
lieber: Gekrönt werden steht bevor. Und das macht fröhlich und jung, auch quer
zu unsern Erfahrungen.
Der Herr schafft Gerechtigkeit
und Recht allen, die Unrecht leiden.
Barmherzig und gnädig ist Gott,
geduldig und von großer Güte.
Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden und
vergilt uns nicht nach unsrer Missetat. So hoch der Himmel über der Erde ist,
lässt er seine Gnade walten über uns. Wie sich Vater, Mutter über Kinder erbarmen, so erbarmt sich der
Herr über die Seinen.
Gott schafft Recht. Wir
ahnen dies, und wissen auch, was er von uns erwartet. Und seine Barmherzigkeit
ist die Energie, die uns anschiebt zu gemeinsamem, heilsamem Tun. Aber er
handelt nicht mit uns Auge um Auge, gleich gegen gleich, er ist großmütig, er
weiß wie brüchig wir sind.
Er weiß, was für ein Gebilde wir sind; er gedenkt
daran, dass wir von Erdenstaub genommen sind. Ein Mensch ist in seinem Leben
wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so
ist sie verweht, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr.
Die Gnade Gottes aber währt von Ewigkeit zu Ewigkeit
über denen, die ihm gehören. Lobe den Herrn, meine Seele!
Psalm 103,14,15,16,17,22
Der wahre Grund für Gottes
Güte ist, daß wir ihm gehören und aus seinem Material genommen sind- Erde
klingt nach Gegenteil von Himmel, ist sie aber nicht; sie ist Materie- „mater“-
Mutter, Materie, Gottes feines
Stöffchen. Wenn trotzdem wir auch egoistische, kleinliche, raffige Menschen
sind, ist es unsere einzige Chance, daß Gott zu uns hält. Wir sind vergänglich.
Aber unser Loben hat langen Nachhall. Loben wir, so feiern wir Gottes Großmut. Weil seine Gnade
ewig währt, werden wir auch ewig währen; keinen will er missen, jeden wird er
heilen.
*
Gott, mein Gott, du bist so herrlich.
Du bist schön und prächtig
geschmückt. Licht ist dein Kleid, das du anhast.
Du breitest den Himmel aus wie ein Zelt; du baust
deine Gemächer über den Wassern. Du fährst auf den Wolken wie auf einem Wagen
und kommst daher auf den Fittichen des Windes. Du machst Winde zu deinen Boten
und Feuerflammen zu deinen Dienern.
Psalm 104,1-4
So von Gott schwärmen: Er
der wunderbare Liebhaber von Allem, die Schöpfung - sein Schmuck, so auch im
griechischen Denken: kosmos =Schmuck Gottes). Licht als sein Kleid ist wohl die
hintergründigste Bestimmung vom Wesen des Lichtes. –Eine andere Übersetzung:
„Der das Licht sich umschlingt wie ein Tuch“-. Licht ist Erleuchtung und Wärmung, die Gott in die Welt setzt mittels all der Gase und
Atomsonnen.
Der Himmel als Zelt,
Wolken als Wagen, Winde als Flügel des Herrn, als Boten; Feuer als Diener-
nichts ist mit seiner physikalischen Machart zufrieden.- Alles ist sein Stoff, ist ihm untertan, steht ihm
zur Verfügung- Alle Sachen haben einen Überschuss, haben Würde und Heiligkeit,
nehmen davon ihre Bedeutung. Es gibt eine Verabredung zwischen Gott und seinem
Werk: Alles ist zum Dienst für alles da, und in diesem Zusammenhang hat jede
Sache ihre Selbstständigkeit.
Du hast das Erdreich gegründet auf festen Boden, dass
es bleibt immer und ewiglich. Mit Fluten decktest du es, die Wasser standen bis
über die Berge.
Aber vor deinem Machtwort wichen sie. Die Berge hoben
sich, die Täler senkten sich herunter. Du hast den Wassern eine Grenze gesetzt,
sie dürfen nicht wieder das Erdreich bedecken.
Aus Quellen lässt du Bäche fließen, zwischen den Bergen eilen
sie dahin,
Sie bieten Trank den Tieren des Feldes und das
Lebendige löscht davon seinen Durst.
Du feuchtest die Berge von oben
her, du machst das Land voll Früchte.
Auf den Bäumen sitzen die Vögel
des Himmels und singen unter den Zweigen.
Psalm 104,5-13
Das Wasser kann Feind des
Lebendigen werden. Aber erst recht erleben wir es als den Urstoff, der Leben erst möglich macht. Welch ein Glück, dass das
Wasser von Gottes Hand gedämmt ist. Wenn
wir uns wissend in den Kenntnissen der Natur bewegen, können wir die Wasser gut
nutzen. Aber wie tollkühn befahren wir die Ozeane und siedeln am äußersten
Meer. Dann wegen der Orkane und Überschwemmungen Gott zu beschuldigen, ist nur
hilflos. Aber Gott kann es verkraften.
Du lässt Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz
den Menschen. Brot bringst du aus der Erde hervor, daß es des Menschen Herz
stärke und mit Wein erfreust du sein Herz, und
sein Antlitz wird schön vom Öl.
Psalm 104,14.15
Wir sind ja geneigt, die
Natur zu personifizieren als die Macherin des Natürlichen. Aber die Natur ist
das Angerichtete, nicht der Koch; ist Schöpfung und nicht Schöpfer.. So bringt
Gott das Brot aus der Erde hervor mittels des Samens, der Feuchte, des Bodens,
seiner Bauern und Bäcker. Und die
bekommen Lohn. Dank ist höheren Orts abzustatten; warum ja Erntedankfest als
Markierung wichtig ist. Wein zur Freude, Öl und Kosmetik zur Schönheit-
herrlich, daß wir einen Gott glauben dürfen, der Lust hat, uns zu erfreuen und
schön zu machen.
Du hast den Mond gemacht, das Jahr danach zu teilen;
die Sonne weiß ihren Niedergang. Du machst Finsternis, dass es Nacht wird; da
regen sich alle wilden Tiere, die jungen Löwen, die da brüllen nach Raub und
suchen ihre Speise auch von dir, Gott. Wenn aber die Sonne aufgeht, heben sie
sich davon und legen sich in ihre Höhlen.
Dann geht der Mensch an seine Arbeit und an sein
Werk bis an den Abend.
Ach, wie sind deine Werke so
groß und viel!
Du hast sie alle weise
geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.
Da ist das weite Meer, da
wimmelt es von großen und kleinen Tieren.
Dort ziehen Schiffe dahin; da sind große Fische, die
du gemacht hast, um mit ihnen zu spielen.
Psalm 104,19-26
Die Löwen suchen ihre
Speise von Gott- ja jeden Morgen wacht der Löwe auf und macht sich auf die Jagd
nach einem Zebra. Jeden morgen wacht das Zebra auf und muss schneller sein als
der Löwe. Die meisten Zebras sterben an Altersschwäche und nicht am Löwen. Aber
die Löwen brauchen ihre tägliche Portion
Zebra. Und das ist weise von Gott geordnet. Leben heißt auch, sein Leben
lassen, ob als Zebra oder als Löwe oder als Mensch. Wir müssen uns ans Leben
drangeben, und letztlich den Preis erbringen, müssen von hier gehen und Beute
an Erfahrung mitbringen.
Die Erdenzeit ist lesbar,
wir haben einen gemeinsamen Kalender. So können wir uns verabreden. Zeit messen
können, ermöglicht, Arbeitzeit gleich lang zu messen, Mühe gleichlang zuweisen
zu können, was Voraussetzung ist für Gerechtigkeit.
Große Fische sind da, damit
Gott was zum Spielen hat? Wer sie sich vergnügen sieht, die Buckelwale und Delfine,
der kann wirklich meinen, daß auch Gott dran seine Freude hat.
Es warten alle auf dich, Gott,
dass du ihnen Speise gibst zur
rechten Zeit. Wenn du deine Hand auftust,
so werden sie mit Gutem gesättigt. Verbirgst du dein
Angesicht, so erschrecken sie; nimmst du weg ihren Odem, so vergehen sie.
Sendest du aus deinen Odem, so werden sie geschaffen, und du machst neu die
Gestalt der Erde. Ich will dem Herrn singen mein Leben lang und meinen Gott
loben, solange ich bin.
Psalm 104,27-30,33
Letzten Endes ernährt Gott
sie alle. Alle Energie ist sein Atem.
Auch unser Atmen ist eine heilige Handlung. Der Kuss der Liebenden und die
Atemspende hat was vom Himmel. Irgendwann geht uns hier die Luft aus, weil wir
nur auf Zeit hier sind. Aber wir bleiben ausgestreckt, daß die Gestalt der Erde
neu geschaffen wird und wir begeistert
bei Gott bleiben. Wir werden es nicht lassen können, ihn zu feiern.
Ich will Gott loben,
solange ich bin, weniger mit schönen Worten als mit Lebenslust, und mit
Staunen, daß ich den Forderungen einigermaßen gewachsen bin.
*
Ich hebe meine Augen, woher kommt mir Hilfe? Meine
Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Er wird auch deinen Fuß nicht
gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht.
Gott behütet dich; Er ist dir nah wie dein Schatten neben dir.
Gott behüte dich vor allem Übel, er behüte deine
Seele.
Er behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an
bis in Ewigkeit!
Psalm 121
Der dich behütet, schläft
nicht- ein magisches Wort der Treue und des Schutzes. Diese Wachheit und
Gegenwärtigkeit, Gottes flirrende geistige Präsenz in Allem ist glückhaft. Ich
will mich darin sicher wissen: Gott behütet mich. Auch wenn ich stürze, fängt
er mich auf. Auch wenn ich sterbe, geh ich ihm nicht verloren und mir damit
auch nicht.
Leid soll vergehen, das ist
versprochen. Ja, wir sind zerbrechlich,
verletzbar an Leib und Seele, sind nicht aus Stein, sind aus dem Herzen Gottes
entworfen. Auch Gott leidet. Mit dem hungrigen Löwen und dem zum Fraß werdenden
Zebra, mit dem roh gemachten Prügler und dem stummen Opfer. Glaub ihm, daß er
dich behütet. Setz deine Hoffnung ganz auf Schutz von oben und biete du dem
Himmel deine kleine Hand voll Fürsorge an.
*
Die mit Tränen säen
Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so
werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre
Zunge voll Rühmens sein. Dann wird man sagen unter den Heiden: Der Herr hat
Großes an ihnen getan!
Der Herr hat Großes an uns getan; des sind wir
fröhlich.
Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Wir
gehen hin und weinen und streuen Samen und kommen mit Freuden und bringen unsre
Garben.
Psalm 126
Dies ist zuerst ein Gebet
Israels, dann aber auch eins für uns alle. Israel bildet das Vorbild für alle Sehnsucht,
nach Hause zu kommen und für den langen Weg hin zur Erlösung.
Auch wir werden sein wie
Träumende, wenn uns der Himmel sich öffnet. Auch wir werden mit Gott die
Vollendung seiner Schöpfung feiern.- Da wird alles Weinen in Freude verwandelt
und alle Schuld geheilt.
Gefangen sind wir in vielerlei Schlingen. Jeder weiß seinen
Mangel und muss weinen, manchmal auch ohne Tränen. Dies ist schon rettend:
Unter Tränen vollzieht sich auch Saat, Anfang, Wende, Rettung. Das dürfen wir
erwarten: Wir werden mit Freuden ernten. Wie mühsam wir uns auch plagen
mussten, das Ziel unserer Wege wird sein, Gott zu preisen, dass er Großes an
uns getan hat. Träumen wir doch schon von unserm geheilten Ich. Sollen Menschen
doch jetzt schon mal von uns sagen: Du Glückskind, du Gotteskind.
*
An Gottes Segen ist alles gelegen
Wenn der Herr nicht das Haus
baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen.
Wenn Gott nicht die Gemeinschaft behütet, so wachen
die Verantworter umsonst. Es ist
umsonst, dass ihr früh aufsteht und hernach lange sitzt und esst euer Brot mit
Sorgen; denn den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.
Vor allem Kinder sind die
Gabe Gottes.
Psalm 127
Nicht wir machen, daß Gott
unserer Dasein segnet. Aber sein Segen will mit uns zusammenwirken, wir müssen
die guten Kräfte Gottes wollen, müssen sie heranbitten, sie freundlich
aufnehmen, sie nutzen. Beim Hausbau z.B.
ist es hochwichtig, dass gutes Einvernehmen herrscht zwischen allen Gewerken.
Und alle müssen wissen, dass sie einem Werk verpflichtet sind und gerechten
Lohn erhalten. Die Gesellschaft braucht
Gottes Segen in Gestalt von Friedenswillen. Sähe jeder nur auf Seins, gäbe es
nur Unordnung.
Schon richtig, daß wir uns
mühen. Aber Wachstum und Gedeihen sind auch Geschenk, auch Gnade. Geschick ist
auch Begabung, Erfolg lässt sich nicht erzwingen. Den Seinen gibt’s der Herr im
Schlaf- Also nicht sich zersorgen
sondern gut schlafen, Gott am Abend das Tagwerk in die Hände geben und Morgens früh
aus seinen Händen wieder entgegennehmen, was heute ansteht. Da findet Segen Gestalt.
Vor allem Kinder sind nur
als Gabe Gottes zu denken. Wir „machen“ sie nicht, wir empfangen sie, sie
kommen bei uns, mittels unserer zur Welt. Gott erdet sie durch uns
mittelmäßige, hinreichend brauchbare Menschen. Kinder gibt’s genug, es gibt
nicht genug mütterliche, väterliche Menschen- also, lass Kinder an dich ran,
sei ihnen zum Segen.
Nochmal: Den Seinen gibts der Herr im Schlaf -Kannst du das auf dich
beziehen? Weißt du dich geborgen, einfach gut aufgehoben, bist du im Lot mit
dir? Schlag einfach eben mal die Augen nieder, leg die Hände in den Schoß, und
denk, fühl deinen Gedanken nach- du atmest auf, dann langsam aus. Und auf dem
Grund deines Ausgeatmethabens bist du in Ruhe. So kann es bleiben.
Geht es dir so- dann erlebst du, wie Gott dir gibt- einfach so, ohne daß
du strampeln musst. Und was du eben noch besorgtest, wen du in Gedanken oder
Taten umsorgtest- es geht alles seinen Gang. Unermesslich, dein Beschenktsein,
innen alles voll Dank. Und im Schlaf füllt sich dein Kraftreservoir wieder auf.
Du bist nur zuständig im Rahmen deiner Kräfte. Vom Rest denke, Gott wird es
schon richten.
*
Aus der Tiefe rufe ich, Gott,
zu dir. Herr, höre meine Stimme!
Merke auf die Stimme meines
Flehens!
Wenn du, Gott, Sünden
anrechnetest, Herr, wer würde bestehen?
Bei dir ist die Vergebung, dass
man dich liebe.
Ich harre des Herrn, ich hoffe
auf sein Wort. Meine Seele wartet auf den Herrn
mehr als die Schlaflosen auf den Morgen;
Hoffe auf Gott! Denn bei ihm ist
die Gnade und viel Erlösung.
Er wird seine Menschheit
erlösen aus allen ihren Sünden.
Psalm130
Manchmal zerreißt es uns aus eigener Schuld. Es
zerreißt unsere Seele vor Scham, wie konnten wir so tief sinken? Dann taten wir
etwas, das aller Vernunft und unserer Überzeugung Hohn spricht, das die
Beziehung und die Ehrbarkeit und das Ansehen auf Jahre zerstört. Und wir
schwanken zwischen Todessehnsucht und Lebenswillen, suchen uns vor uns selbst
zu entschuldigen, suchen Ausflüchte für unsere Grausamkeit. Wir spüren die
Macht des Unergründlichen- und beten, daß kein Satanisches uns vollends
verschlinge.
Um der Schwärze zu entkommen müssen wir Gott anrufen.
Wir haben doch diesen letzten Grund, der uns Halt gibt vor dem
Versinken in Wahn. Wer soll die reißende Bestie in mir still bekommen, wenn
nicht der Schöpfer des unerschöpfbaren Lichtes.
Also rufe ich, flehe zu ihm, will umkehren, bereuen
und Buße tun. Ich will Gott seine
Erlösung glauben und ein besseres Leben erarbeiten.
*
Gott, du kennst mich
Ich sitze oder stehe- du weißt.
Du verstehst meine Gedanken von ferne.
Psalm 139,1.2
Das ist das Gegenteil der Drohung: „Der liebe Gott
sieht alles“. Gott weiß mich, dich- das ist Trost und Glück. Der Universale
kennt mein Innerstes, weil es Teil seines Innersten ist. Ich bin seine Filiale,
mein Denken geschieht auf seiner Frequenz. Mein Denken flimmert durch sein
Gehirn. Ich habe einen Mitwisser, so bin ich nicht allein. Gott haftet für
mich. Wenn auch ich mich nicht verstehe, und meine Mitmenschen nur
Kopfschütteln für mich übrig hätten, so erschlägt mich das nicht. Weiß ich,
dass Gott weiß, kann ich nicht verloren gehen, auch mir selbst nicht.
Ich gehe oder liege, so bist du um mich. Du gehst
meine Wege mit. Alle Worte, die mir auf die Zunge kommen, weißt du schon
vorher.
Psalm 139,3-4
Gottes Allgegenwart und
Allwissen darf ich auf mich persönlich beziehen.
Sie stärken mein Selbstbewusstsein sehr, wüsste und behielt ich’s nur. Ich bliebe auf leuchtendem
Pfad, käme nicht unter die Räder. Wenn ich’s nur behalte, dass Gott mich
behält! Worte des Verrates und der Kränkung müssen im letzten Augenblick sich
bekehren, denn Gott weiß.
Von allen Seiten umgibst du
mich und hältst deine Hand über mir. Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und
zu hoch, ich kann sie nicht begreifen.
Das Bild ist genommen vom
Kind im Mutterleib, über das die Mutter noch ihre schützenden Hände breitet.
Du, ich in Gott. Nicht so sehr ist Gott über uns oder in uns- sondern wir in
ihm. Die Welt der Leib des Herrn- die Milchstraßen kreisen in seiner Blutbahn-
nicht zu fassen das alles.
Innig ist die Gebärde des
Schutzes: In Gottes Hand sein - bildet auch das älteste christliche Symbol ab:
Die rechte Hand Gottes. Sie ist schöpferisch,
schützend, führend- auch strafend? Die bei einer Wahl erhobene rechte Hand ist
uns Menschen Kennzeichen unserer demokratischen Macht.
Wohin soll ich gehen vor deinem
Geist,
und wohin soll ich fliehen vor
deinem Angesicht?
Führe ich gen Himmel, so bist
du da;
bettete ich mich bei den Toten,
siehe, so bist du auch da.
Nähme ich Flügel der Morgenröte
und bliebe am äußersten Meer,
so würde auch dort deine Hand
mich führen
und deine Rechte mich halten.
Spräche ich sogar: Finsternis
möge mich decken
und Nacht statt Licht um mich
sein -
so wäre auch Finsternis nicht
finster bei dir,
und die Nacht leuchtete wie der
Tag. Finsternis ist dir wie das Licht.
Psalm 139,7-12
Dass ich in Gott bin, kann
ich nicht fassen. Ich kann auch vor ihm
nicht fliehen. Er ist immer schon da. Auch meine Fluchten geschehen in ihm:
Wenn ich mich von Gott abkehre, kehre ich mich von mir ab- Gott aber bleibt
immer vor mir, um mich eben. Selbst Morgenlicht und Todsein geschehen in ihm.
Wie tief ich auch falle, ich bin gehalten. Und was für mich schwarze Nacht ist-
ich stehe doch im Licht seiner Liebe.
Wenn ein Mensch sich ans
Leben geht, will er ja nur die Bedingungen hier verneinen, will aufbrechen,
neue Kreatur zu werden in gottnaher Fülle. Und selbst, wenn er alle Vollendung
verneinen sollte und sich nur in Finsternis einhüllen will, nur nicht mehr sein
will- so ist dieser letzte Wille nur vorläufig. Denn auch das Nichts ist von
Gott umhüllt und wird zur leuchtenden Fülle. Nicht, ob ich an Gott glaube, ist
das wichtigste, sondern daß Gott an mich glaubt. Das lässt mich immer vor Ihm
sein.
Denn du hast mir Herz und
Nieren bereitet
und hast mich gebildet im
Mutterleibe.
Ich danke dir dafür,
dass ich wunderbar gemacht bin;
wunderbar sind deine Werke;
das erkennt meine Seele wohl.
Deine Augen sahen mich,
als ich noch nicht bereitet
war,
und alle Tage waren in dein
Buch geschrieben,
die noch werden sollten und von
denen keiner da war.
Aber wie schwer sind für mich,
Gott, deine Gedanken!
Wie ist ihre Summe so groß!
Wollte ich sie zählen, so
wären sie mehr als der Sand:
Am Ende bin ich noch immer bei
dir.
Psalm 139,13.14.16.17.18
Der Anfang aller Wege zu
und mit Gott ist das Staunen, das Einzigartige jeder Erscheinung, das
Wunderbare jedes Wesens! Ach merkte ich doch auf! Die Vielfalt des Lebendigen
lässt erzittern, wenn man sie nur mit erfrischten Augen wahrnimmt.
Abgründig einzigartig ist
man selbst, mittels der Eltern einst ins Sein gehoben; schon die Daumenkuppe
des Säuglings zeigt eine unverwechselbare Riffelung. Wie viel einzigartiger
noch sind die Antlitze der Menschen und ihre Seelen.
Ich bin gewollt, bin ins
Sein gerufen von Gott. Alle Tage, alle Chancen sind schon in Fülle da. Nicht zu
fassen, wie viele Gedanken wert wären, bedacht zu werden- in wachsenden Ringen
kreisen sie um den Guten Ganzen Einen.
(Ach Gott, wolltest du doch die
Gottlosen töten!
Dass doch die Blutgierigen von
mir wichen!
Denn sie reden von dir
lästerlich,
und deine Feinde erheben sich
mit frechem Mut.
Sollte ich nicht hassen, Gott,
die dich hassen,
und verabscheuen, die sich
gegen dich erheben?
Ich hasse sie mit ganzem Ernst;
sie sind mir zu Feinden geworden.)
Psalm 139,19-22
Gewaltdarstellungen und blutrünstigen Gebete im Alten
Testament sind allermeist Wunschvorstellungen Ohnmächtiger. Verbale Härte und
Grausamkeit waren die geballte Faust in der Tasche der politisch Überrollten.
Sie war Aufschrei der Machtlosen, die durch Wort und Wunsch ihre Machtlosigkeit
ausgleichen, und überdecken wollten. Um so ihre Gläubigkeit zu bewahren und
ihre Machtlosigkeit zumindest gedanklich zu überwinden und so durchstehen zu
können (Michael Wolffsohn).
Gott, du kennst mich ja, du
weißt, wie ich’s meine.
Achte darauf, ob ich auf
bösem Wege bin,
und leite mich auf ewigem Wege.
Psalm 139,23f
Hier ist Gott ganz nah dem schwierigen Menschen, der
von seiner Kompliziertheit weiß und sich in die Arme des Allwissenden und
Allweisen wirft. Im Kern darf ich mich als Gottes Eigenes glauben und mir sagen, daß er mich besser kennt, als ich
mich selbst. Das ist Schutz und Schirm für mich. Bin ich auf bösem Weg, kann es
nur Verirrung sein, Schlamassel, Jammer. „Hol mich da raus“ ist mein Ruf.
Nochmal Psalm 139
Gott, du kennst mich. Ich sitze oder stehe- du weißt.
Du verstehst meine Gedanken von ferne.
Ich gehe oder liege, so bist du um mich. Du gehst
meine Wege mit. Alle Worte, die mir auf die Zunge kommen, weißt du schon
vorher.
Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand
über mir. Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch, ich kann sie nicht
begreifen. Wohin soll ich gehen vor deinem Geist?
Wohin soll ich fliehen vor
deinem Angesicht?
Führe ich gen Himmel, so bist
du da;
bettete ich mich bei den Toten,
siehe, so bist du auch da.
Nähme ich Flügel der Morgenröte
und bliebe am äußersten Meer,
so würde auch dort deine Hand
mich führen
und deine Rechte mich halten.
Spräche ich sogar: Finsternis
möge mich decken
und Nacht statt Licht um mich
sein -
so wäre auch Finsternis nicht
finster bei dir,
und die Nacht leuchtete wie der
Tag. Finsternis ist dir wie das Licht.
Denn du hast mir Herz und
Nieren bereitet,
Du hast mich gebildet im
Mutterleibe.
Ich danke dir dafür,
dass ich wunderbar gemacht bin;
wunderbar sind deine Werke;
das erkennt meine Seele.
Deine Augen sahen mich,
als ich noch nicht bereitet war,
und alle Tage waren in dein
Buch geschrieben,
die noch werden sollten und von
denen keiner da war.
Aber wie schwer sind für mich,
Gott, deine Gedanken!
Wie ist ihre Summe so groß!
Wollte ich sie zählen, so
wären sie mehr als der Sand:
Am Ende bin ich noch immer bei
dir.
Gott, du kennst mich ja, du
weißt, wie ich’s meine.
Achte, ob ich auf
bösem Wege bin, und leite mich richtig.
* *
Die Achtung gegen Gott ist der
Anfang der Erkenntnis.
Sprüche 1,7
Keinesfalls sollen wir uns
vor Gott ängsten. Er schüchtert nicht ein, straft auch nicht, er ist nur Segen
und Liebe. Früher hieß es: „Die Furcht vor Gott ist der Anfang der Weisheit“.
Gemeint ist Ehrfurcht- sagen wir lieber:
Gott will Achtung, will geliebt werden. Mit Freuden Ihm entsprechen, das
schafft eine leuchtende Existenz.
Der Anfang von Gottes- und
Welterkenntnis ist das Staunen, wie wunderbar die Welt ist. Schon das Kind
fühlt sich erhoben- es kann schreien und Mutter naht, es weint und schon kommt
Hilfe. Dieses Geliebtsein ist der Anfang der Erkenntnis, und darin ist der
Grund gelegt fürs Gewolltsein und fürs Gehaltensein vom Herzen der Welt.
*
Geh hin zur Ameise,
du Fauler, sieh an ihr Tun und lern von ihr. Obwohl sie keinen Herrn über sich weiss, bereitet sie
doch ihr Brot im Sommer und sammelt ihre Speise in der Ernte. Wie lange liegst
du, Fauler! Wann willst du aufstehen von deinem Schlaf? Steh auf, sonst wird
dich die Armut übereilen.
Sieben Dinge sind Gott ein
Gräuel:
Stolze Augen, falsche Zunge,
Hände, die unschuldiges Blut vergießen;
ein Herz, das Ränke schmiedet; Füße,
die behände sind, Schaden zu tun;
ein falscher Zeuge, der freche Lügen redet und Hader
anrichten zwischen Geschwistern.
Sprüche Salomo 6
Dauernde Faulheit ist unter unserer Würde. Es gehört
zu unserm Wesen, unser Leben durch eigener Hände und Kopfes Arbeit zu ernähren. Wir missbrauchen die Gaben des
Schöpfers, wenn wir Sünde produzieren; Und damit Gott selbst reinreißen. Wären
wir ameisenmäßig verfasst, täten wir automatisch das Richtige. Aber wir
Menschen haben Spielraum für Wille und Erkenntnis und ja- für Faulheit. Gott
leistet sich den hochriskanten, heiklen Menschen.
*
Liebe deckt Übertretungen zu.
Sprüche Salomo 10,12
Liebe hält den geliebten
Menschen hoch, traut ihm Besserung und Heilwerden zu. Liebe sucht zu verstehen,
zu entschuldigen. Liebe tritt stellvertretend ein. Liebe zieht zunächst nicht
zur Rechenschaft sondern geht erst mal von einem Irrtum aus, von „über die
Stränge schlagen“. Liebe macht ernst mit Jesu Wort: „Sie wissen nicht was sie
tun“( Lukas 23,34). Liebe ist geduldig, lässt sich nicht erbittern, deckt auch mal
zu. Allerdings sollte Güte auch eine scharfe Kante haben, damit sie nicht mit
Dummheit verwechselt wird.
*
Einer teilt reichlich aus und hat immer mehr; ein andrer kargt, und wird doch ärmer. Und wer Korn zurückhält, dem fluchen die Leute; aber Segen kommt über den, der es verkauft. Wer reichlich gibt, wird in der Not gelabt.
Geschäfte muss man so
machen, daß andere auch gut davon haben. Nützen wir einander, ein jeder mit der
Gabe, die er empfangen hat! Und wer reichlich empfangen hat, der hat auch
reichlich zu verteilen. Wehe, bei ihm stockt der Wohlstand und die Güter häufen
sich bei ihm. Er droht an ihnen zu ersticken; Letztlich wird er Diebe als
Befreier feiern.
Es geht darum, die
Begabungen und Waren wechselseitig zu nutzen. So gesehen ist übermäßiges Sparen
Entzug von Energie und der wahre Luxus.
Besser ist, was man nicht selber braucht, loszugeben, dass andere damit
was anfangen können. Andern fürs Überleben durch eigener Hände und Kopfarbeit
das Startkapital geben, ist groß. Wer grünen lässt, gedeiht mit.
*
Trage deine Sache mit
deinem Nächsten aus, aber verrate nicht eines andern Geheimnis.
Ein Wort, geredet zu
rechter Zeit, ist wie goldene Äpfel auf silbernen Schalen. Ein Weiser, der
mahnt, und ein Ohr, das auf ihn hört, das ist wie ein goldener Ring und ein
goldenes Halsband.
Sprüche Salomo 25
Wunderbar, daß wir Menschen Sprache haben, um uns
differenziert verständigen zu können. Es können Worte gelingen, „erhaben wie
eine Offenbarung, mächtig wie Donner, warm wie die Liebe, gnädig wie der
Himmel, weit wie die Erde, fruchtbar wie der Acker, süß wie eine süße Frucht“
(Joseph Roth). Manchmal reden wir rau und abfertigend oder hängen fest in
dumpfer Sprachlosigkeit. Aber wie herrlich, wenn Menschen ihren
schmerzerfüllten Seelen Ausdruck verleihen und sie einander freisprechen.
Anderer Menschen Geheimnis verraten, das macht
mitverantwortlich für die Folgen. „Alles zum besten kehren“- rät Martin Luther.
Schweigen kann behüten. Lassen wir einander
Privatsphäre, auch durch Wegschauen. Prahlen wir vor allem nicht mit
Wissen, das auszubreiten, andere schmerzt. Nehmen wir unsere Sensationslust in
Zaum.
*
Reichtum kann mich des
Mitleids entwöhnen, einfach dadurch, daß ich mich vor Begegnung mit Armut und
ihren Forderungen schütze. Ich kann mir Privilegien beschaffen an Heilmitteln,
an Rechtsbeistand, an besseren Konditionen bei der Bank. Aber auch Armut hat es
schwer. Sie kann auf Hunger reduzieren, kann alle Kräfte binden für ein Dach
überm Kopf, kann alle sonstige Phantasie austreiben.
Eine Mitte aus Zuviel und
Zuwenig wäre gut. Aber mit welcher Mitte wäre ich zufrieden?
*
Tu deinen Mund auf
für die Stummen und führe
die Sache der Verlassenen.
Sprüche 31,8
Die Gefahr ist groß,
abfällig von Menschen zu denken und zu sprechen. Doch das Lied ist ja bekannt: “Die
Menschen sind schlecht, sie denken an sich. Nur ich denk an mich.“ Was wir an
anderen nicht leiden können, ist auch in uns. Darum ist Mitgefühl und Hilfsbereitschaft so wichtig.
wir waren auch schon drauf angewiesen und werden es wieder sein. „Wir müssen lernen, die Menschen weniger auf
das hin anzusehen, was sie tun und unterlassen, als auf das, was sie erleiden“
Dietrich Bonhoeffer).
* *
Alles ist auf der Kippe zum
Sinnlosen. Was hat der Mensch für Gewinn von all seiner Mühe, die er hat unter
der Sonne? Generationen vergehen, Generationen kommen. Ja, die Erde ist
standhaft. Die Sonne geht auf und geht unter und geht wieder auf. Der Wind
dreht sich. Die Wasser laufen ins Meer,
eigenartig- das Meer wird nicht voller.
Reden ist so mühsam,
es kommt nicht zu Ende. Das Auge sieht
sich nicht satt, das Ohr hört sich nicht voll. Was man getan hat, das tut man
wieder. Es geschieht nichts Neues unter der Sonne.
Prediger Salomo 1,1-9
Einer der großen Klagetexte der Menschheit. Sanft
klingt die Melancholie, bitter klagt die Depression. Doch dazwischen leuchten
Sätze tiefer Poesie, ähnlich dem Trostwort der Mascha Kalèko „Die Nacht, in der
der Kummer wohnt, hat auch die Sterne und den Mond.“
Viel ist die Mühe und klein die Beute. Aber die Freude
am Gelingen könnte uns retten, bei aller Wiederholung. Und geschieht wirklich
nichts Neues unter der Sonne? Ist nicht jedes Neugeborene, jeder Tag eine neue
Schöpfung?
*
Man gedenkt derer nicht,
die früher gewesen sind, und derer, die hernach kommen- ihrer wird man auch nicht gedenken.
Prediger Salomo 1,11
Ist das so? In den Versen kommt der Prediger doch
wieder. In den Genen aufgehoben sind die Vorfahren, in jedem verfertigten
Gegenstand steckt das Wissen der Generationen seit den ersten Werkzeugen.
Sicher vergessen wir die Vorfahren. Die nach uns kommen, werden uns auch der
Zeit überlassen. Aber ist das schlimm? Wenn wir nur als von Nachkommen
Erinnerte Zukunft hätten, stände es schlecht um uns- da hat der Prediger recht. Aber wir hoffen
doch weit hinaus. Gott wird uns denken, also sind wir, immer.
*
Ich sah an alles Tun, das
unter der Sonne geschieht, und alles ist doch fragwürdig, ist Haschen nach
Wind. Ich richtete mein Herz darauf, dass ich Weisheit lerne und Torheit
erkenne. Aber auch das sichert kein Glück. Denn wo viel Weisheit ist, da ist
viel Grämen, und wer viel lernt, der muss viel leiden.
Aus Prediger Salomo 1,14 –20
Der tiefen Niedergeschlagenheit der Wissenden hält Gottfried
Benn entgegen: „Dumm sein und Arbeit haben- das ist Glück.“ Aber das ist doch
auch zynisch. Muss denn Weisheit und Gram zusammen fallen? Weisheit sollte doch auch Mitleid bei sich
haben, und Geschicktheit. Weisheit hilft, vor Schlimmerem bewahrt zu werden-
das ist doch schon was.
*
Ist’s nun nicht besser für
den Menschen, dass er esse und trinke und seine Seele guter Dinge sei bei
seinem Mühen? Auch das kommt doch von Gottes Hand.
Denn wer kann fröhlich essen und genießen ohne ihn?
Prediger Salomo 2,24.25
Fröhlich sein und genießen
können – nimm als Geschenk des Himmels- sieh doch, was Er dir Gutes getan hat.
Dankbarkeit ist der Kern des Glaubens. Merk dein Überraschtsein, ja, staune
immer neu über das, was dir glückt und dir beschert ist. Das in sich
Reinstopfen von Essen und Eindrücken, das hirnlose Verbrauchen macht
unzufrieden. Aber mit Bewusstheit die schönen Augenblicke und die
Begünstigungen sich gefallen lassen als Geschenk, das erhebt dich. Und: Wer genießt, ist schon mit ihm per Du.
Die sich freuen sind nicht weit weg vom Himmel.
*
Gottes Zeit, alles
Alles hat seine Zeit, und alles
Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde:
geboren werden und sterben; pflanzen und
ernten, töten und heilen; abbrechen und
aufbauen; weinen und lachen; klagen und
tanzen; Steine sammeln und Steine zerstreuen; herzen und ferne sein dem
Herzen; suchen und verlieren; behalten und wegwerfen; zerreißen und zunähen, schweigen und reden; lieben und
hassen; Streit und Friede hat
seine Zeit. Und Gott gehört die Zeit.
Prediger Salomo 3,1-8
Das Leben besteht aus Auf und
Ab, Ja und Nein, Voll und Leer, Kommen und Gehen. Und irgendwas ist immer. Es
ist kein Stillstand, auch nicht ein Kreisen. Leben ist Geschichte mit Rhythmus.
Der Rhythmus, die Zeit, ist Gottes Puls. Alles hat seine Zeit- das ist ein
Trost. Leid bleibt nicht Leid, Glück aber auch nicht das Glück von gestern. Wir
gehen. Und der Weg ist voller Möglichkeiten- Du Glücklicher mit deiner Fülle
von Leben!
Ob die Phasen uns
portionsweise zugeteilt sind, ist offen.- Eher nicht, denn Gott macht, daß sich
die Dinge selber machen. Doch Hast ist eine geistige Störung.
*
Gott hat alles schön
gemacht. Auch hat er die Ewigkeit uns ins Herz gelegt; so ist es aushaltbar,
dass wir nicht ergründen können das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.
Merk dir das: Es gibt nichts Besseres als fröhlich sein und sichs
gut sein lassen. Ein Mensch, der isst und trinkt und ist guten Mutes bei all
seinem Mühen- das ist eine Gabe Gottes. Nichts ist besser, als dass ein Mensch
fröhlich ist in seiner Arbeit.
Prediger Salomo 3,11-13,22
Es ist wohl so, daß uns zwei Kräfte antreiben: Das
Schöne und das Ewige. Beides soll
mir Wahrheit sein, beides will ich mir wichtige Wirklichkeit sein lassen: Ich
will das Schöne merken, schützen, freilegen. Und will die Sehnsucht, ewig zu
lieben und geliebt zu sein, hegen.
Gut ist es, einen guten Mut zu haben bei aller Mühe
ums Tagtägliche. Das Schöne und das Ewige erden sich in Kunst und in der
Liebesumarmung. Und guten Mut, Essen und Trinken sich Gottesgeschenk sein
lassen- auch das ist Vorgeschmack aufs Ewige. Und ins Gelingen verliebt sein,
macht zufrieden in der Arbeit.
*
Ich hab vor Augen alles
Unrecht, das unter der Sonne geschieht, und die Tränen derer, die Unrecht
leiden und keinen Tröster haben. Die ihnen Gewalt antun, sind zu mächtig.
Ich bin nah dran, die Toten
zu preisen, mehr als die Lebendigen; Und noch besser dran ist, wer überhaupt
nicht geboren ist. So braucht er des Bösen nicht inne zu werden, das unter der
Sonne geschieht: Es ist doch nur Eifersucht des einen auf den andern. Besser
eine Hand voll mit Ruhe als beide Fäuste voll mit Mühe und Haschen nach Wind.
Prediger Salomo 4, 1-6
Dieser schwarze Pessimismus grenzt an Gottesleugnung.
Ja, es ist viel Leid. Um so wichtiger,
geboren zu sein zum Helfen und Hinausschreien
in die Welt, daß Rettung organisiert werde. Und es ist nicht nur Eifersucht da,
nicht nur Nickeligkeit. Es ist auch Güte da und die Größe des Kleinen, Sinn für
Gerechtigkeit und Courage und Freudefähigkeit.
*
Lob der Zweisamkeit
Zu zweit ists besser als allein; zwei teilen sich den
Lohn für ihre Mühe. Wenn sie fallen, können sie sich aneinander aufrichten; liegen
sie beieinander, wärmen sie sich. Einer allein wird überwältigt, aber zwei
können widerstehen und eine dreifach geflochtene Schnur reißt nicht leicht
entzwei.
Prediger 4,9-12
Ein herrlich nüchterner
Lobgesang auf das Paar. Wir sind auf Ich-Du angelegt. Einen nahbei haben, mit dem man eine
Weltsicht erarbeitet, einen Lebensgesprächspartner, eine Schicksalspartnerin-
es muss nicht Ehe sein- dieses einzigartige Bündnis, sich anzunehmen als Gabe
und Aufgabe für immer- wenn es denn gelingt. Zu zweit sein- heißt sich immer wieder
einig werden wollenn- also allein nicht Recht haben können. Aber es ist Gnade,
Geschenk, Wunder, den, die Richtige zu finden. Erreichbar sollte man sich
machen, wir müssen uns auf den Markt begeben, uns anbieten. Wer allein ist,
lässt auch allein.
* *
Aus dem HOHELIED SALOMOS
Meine Freundin, du bist
schön; schön bist du. Deine Augen sind wie Taubenaugen. Wie eine Lilie unter
den Dornen, so ist meine Freundin unter den Mädchen.
Wie ein Apfelbaum unter
den wilden Bäumen, so ist mein Freund unter den Jünglingen. Unter seinem
Schatten zu sitzen, begehre ich, und seine Frucht ist meinem Gaumen süß. Krank
bin ich vor Liebe. Ich beschwöre euch, Töchter von Jerusalem, daß ihr die Liebe
nicht aufweckt, bis es ihr selber gefällt.
Mein Freund ist mein und
ich bin sein.
Lege mich wie ein Siegel
auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod
und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist feurig und
eine Flamme des Herrn, sodass auch viele Wasser die Liebe nicht auslöschen und
Ströme sie nicht ertränken können.
Hohelied 1,15;2,2.3.5.7; 8,6.7
Acht Kapitel singt dies Liebeslied- eines der
schönsten, die es gibt. Weil dies Gedicht als schwärmender Lobgesang der
liebenden Seele an Gott verstanden
wurde, fand es in die Bibel. Ihm gebührt ein Ehrenplatz in der Schrift, denn es
birgt die wohl gewaltigste Bestimmung dessen, was die Liebe ist. Sie ist nicht
gemächliche Zuneigung, nicht wohliges Fühlen. Sie ist „Flamme des Herrn“, also Gottes Lohe, Feuer, das uns
verschmilzt. Die Liebe mit ihren rätselhaften Ansprüchen baut mit Religion,
Geld/Arbeit und Tod das Haus des Lebens. Die Bibel hält das Versprechen Gottes
fest: Der Sinn für einander soll den Liebenden nicht ausgelöscht werden. Den
Druck des abwesenden Körpers gegen den eigenen
sollen wir spüren. Anverwandelt werden wir einander ewig. Wenn es sich fügt.
* *
Schwerter zu Pflugscharen
Dies ists, was Jesaja, der Sohn
des Amoz, geschaut hat über Juda und Jerusalem:
Es wird zur letzten Zeit der Berg, da Gottes Haus ist,
fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben. Und alle Heiden
werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst
uns gehen zum Hause Gottes, dass er uns lehre seine Wege. Von Zion wird Weisung
ausgehen und er wird richten die Völker.
Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre
Spieße zu Sicheln machen. Kein Volk wird mehr gegen das andere das Schwert
erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
Kommt nun, lasst uns wandeln im
Licht Gottes!
Jesaja 2,1-5
Es ist wohl die gewaltigste Prophezeiung, die sich der
Menschheit durch den sonst unbekannten „Jesaja“ auftun. Von Jerusalem aus wird
Gott die Völker zurecht richten und sie leiten. Auch Die Vereinten Nationen
beziehen aus dieser Vorschau ihre Versöhnungskraft. Vor dem UN-Gebäude in New York
steht die Skulptur „ Pflugscharen aus
Schwerter“ mit der verknoteten Pistole. Der Auftrag bleibt, im Licht Gottes friedensstiftend
den Lebensweg zu gehen.
*
Der Tag der Tage
Der Tag des Herrn wird kommen über alles Hochmütige
und Prominent-sich- wähnen und über alles Elitäre. Es soll erniedrigt werden.
Beugen muss sich alle Großmannssucht, demütigen müssen sich die stolzen
Menschen. Wir erkennen, daß allein einer groß ist, Gott allein. Darum muss der
Tag aller Tage kommen.
Jesaja 2,12.17
Vielleicht könnten wir auch ohne Himmel und Jüngsten
Tag auskommen, einfach unser kleines Leben fristen und dann geräuschlos von
dieser Erde gehen. Allein schon hier gewesen sein und einmal ich gewesen sein
ist in seiner Wunderbarkeit grandios. Aber
Gott hat Vollkommenheit vor und dazu gehören auch wir, seine Kinder- darum
verfallen wir nicht sondern werden vollendet. Das wagt Jesaja so noch nicht zu
glauben. Aber klargestellt werden muss, wer Gott ist. Alles sich Aufwerfen der Menschen zu
Diktatoren kann nur kurz sein. Hochmut wird zu Fall kommen. Sünde wird als
Sünde und Heilstat als Heilstat vor Gottes Antlitz klargestellt.
Am Tag der Tage
wird klar: „Daß er uns sündigen ließ, war schon Strafe“ (Gotthold E. Lessing/ Erhard
Kestner). Dass soll uns aufgehen in der Fülle der Freude vor Gott. Jedenfalls
erwartet uns im eigenen Tod und in der Weltzukunft die Vollendung der
Schöpfung, wie sie von immer her gemeint ist.
*
Jesajas Berufung zum Propheten
Ich sah Gott sitzen auf einem hohen, leuchtenden Thron
und der Saum seines Mantels füllte den Tempel. Engel standen über ihm; ein
jeder hatte sechs Flügel: Mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien
deckten sie ihre Füße und mit zweien flogen sie. Und einer rief zum andern und
sprach: Heilig, heilig, heilig ist der Gott der himmlischen Heere, alle Lande
sind seiner Ehre voll!
Und die Schwellen bebten von
der Stimme ihres Rufens.
Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin
unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen. Da flog einer
der Engel auf mich zu und hatte eine glühende Kohle mit der Zange vom Altar genommen,
und rührte meinen Mund an und sprach: Deine Schuld ist von dir genommen, deine
Sünde gesühnt, dein Mund ist rein,
Und ich hörte die Stimme Gottes: Wen soll ich senden?
Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich!
Jesaja 6,1-8
Dies ist eine der großen Visionen der Bibel: Der
Prophet schaut Gott- aber die Augen sind gebannt vom Dekor: Allein der Saum des
Gewandes füllt den Tempel; Engel, dreifach paarig mit Flügeln versehen, umwehen
Gott und schützten den Schauenden, dass der Anblick ihn nicht versenge.
Was haben diese Engel mitzuteilen? Heilig, also
doppelt heil ist Gott. Alle Lande seiner Ehre voll- meint: Die Wirklichkeit ist
voll Gott, seine Schöpfung strahlt seine Würde, seine Liebe, seine Energie aus.
Mit glühender Kohle vom Altar wird dem Menschen der
Mund gereinigt- ein starkes Bild dafür, dass der Prophet sich nicht mehr selbst
zur Geltung bringt sondern fortan Gottes Wort aus ihm spricht. Und doch ist er
nicht willenloses Sprachrohr. Er wird gefragt, ob er der Berufung Folge leisten
will. Und entscheidet sich für seine Sendung.
Gott kann uns aufleuchten von Innen her. Wir können
aber auch belichtet werden von außen- so was wie Gott begegnet uns. Kennzeichen,
dass wir es nicht uns einbilden sondern bekehrt werden, ist Beauftragung mit
Befragung unseres Willens. Wenn Gott uns anspricht, ruft er uns an die Arbeit,
die Welt mit heil zu machen.
Wir erleben es immer wieder, dass Ereignisse an uns appellieren.
Wir müssen Stellung nehmen, retten, verteidigen, einstehen. Und all unser
verkehrtes Wesen fliegt dann fort- wir
tun , was wir müssen, wir stehen in der
Pflicht, und sagen hinterher: Wir hatten keine Wahl. Gut so.
*
Der Friedefürst
Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes
Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Du
weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir wird man sich freuen,
wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt.
Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf
ihrer Schulter und den Knüppel ihres Treibers zerbrochen. Jeder Stiefel, der
mit Gedröhn daherkommt, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt
und vom Feuer verzehrt.
Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben,
und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held,
Ewig-Vater, Friede-Fürst. Seine Herrschaft soll groß werden und der Frieden
soll kein Ende nehmen.
Jesaja 9, 1-6
Der Messias, der Sohn Gottes, wird auf Erden ein
heiles Reich, eine vollkommene Gesellschaft errichten. Dann ist kein Diktator
mehr da, kein Treiber, keine Stiefel dröhnen mehr, keine Schergen schießen
mehr. Im Öffentlichen wie im Privaten sind wir geschwisterlich gleichwertig
miteinander. – Ob diese Verheißung unter den Bedingungen knapper Mittel und
gierigbleibender Menschen von Gott
verwirklicht werden kann? Es gab optimistische Zeiten, und Inseln des Glücks
gibt es immer wieder. Aber das Gemenge aus Klimakatastrophe und Hungerelend und
vielfältigem Egoismus schreit nach
ungeheurer Fülle von Heiligem Geist. Wo und wie das Reich Gottes kommt- lassen
wir es offen und tun wir hier kleine Schritte zu geteilter Freude und mehr
Gerechtigkeit.
Die Verheißung des Messias setzt einen starke
Erwartung in Gang, die in der Wiederkunft des Christus Erfüllung findet, so
sehen wir Christen es und bleiben mit den Jüdischen Brüdern und Schwestern in
Erwartung des Messianischen Reiches.
*
Der Messias und sein Friedensreich
Und es wird ein Zweig hervorgehen aus dem Stamm Isais.
Auf ihm wird ruhen der Geist Gottes, der Geist der Weisheit und des Verstandes,
der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Ehrfurcht.
Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und Treue der Gurt seiner
Hüften.
Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die
Panther bei den Böcken lagern. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen
und Mastvieh miteinander treiben.
Kühe und Bären werden zusammen weiden, dass ihre
Jungen beieinander liegen, und Löwen werden Stroh fressen wie die Rinder. Und
ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein Kind wird seine Hand
stecken in die Höhle der Natter.
Man wird nirgends Sünde tun noch freveln auf meinem
ganzen heiligen Berge; denn das Land wird voll Erkenntnis Gottes sein, wie
Wasser das Meer bedeckt.
Aus Jesaja 11,1-9
Groß ist dies Gemälde einer befriedeten Natur. Die
Wölfe wohnen bei den Lämmern - das meint auch eine geschwisterliche Welt, in
der die Gegensätze freundschaftlich zueinander passen. Und wir Menschen Frieden
machen miteinander- auch wenn die fleischfressenden Tiere nie zu Grasgenießern
werden. Erkenntnis Gottes, viel wie das Meer, ist uns versprochen.
*
Der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und der
Gerechtigkeit Nutzen wird
ewige Stille und Sicherheit sein.
Jesaja 32,17.
Dass wir Ungerechtigkeit jedenfalls mildern, also wir
die Spanne zwischen arm und reich verringern - wir also per Gesetz
Chancengleichheit beschaffen und inzwischen schon persönlich Not lindern und
Lücken füllen- das muss sein. Dem Nächsten
gerecht werden, jedenfalls sein Anliegen versuchsweise aus seiner Sicht
verstehen und ihm helfen, zu seinem Anteil zu kommen, das beschafft Frieden.
Wenn wir den Hunger nach Gerechtigkeit stillen und gestillt bekommen, dann sind
wir voreinander in Sicherheit; aller Jammer und Schlachtenlärm, alle
Schnäppchenjagd ist abgeebbt; Stille- glückliches Ruhen herrscht.
Tröstet, tröstet mein Volk!,
spricht Gott.
Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass
ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist.
Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet Gott den
Weg, macht in der Steppe ebene Bahn! Täler sollen erhöht werden, Berge
erniedrigt. Was uneben ist, soll gerade werden. Die Herrlichkeit Gottes soll
aufgehen allen Menschen.
Jesaja 40, 1-5
Israel war in Babylon im
Exil, wurde aber durch Propheten und Priester, Gottesdienste und Verheißungen
zusammengehalten. Nach drei, vier Generationen zeichnete sich die Aussicht auf
Heimkehr ab. Ein uns nicht namentlich bekannter Prophet trat auf. (In der
theologischen Fachsprache spricht man von Deutero- (Zweiter)-Jesaja.) Er ist
der intensive Tröster der Bibel. Er stellt Gott dar als den großen Heiland,
dessen Beruf es ist, zu heilen und zurechtzubringen. Er nimmt teil an den
Leiden seiner Menschen, sucht mit ihnen und für sie Auswege.
Wenn ein ganzes Volk
betroffen ist, muss ein politischer
Umbruch von langer Hand vorbereitet werden. Irgendwann hört ein Mensch einen
Ruf vom Himmel her. Und er spricht den Menschen so ins Herz und unter die Haut,
dass Fanfaren des Aufbruchs die Menschen aufschnellen lassen. Lassen wir uns
treffen? Merken wir, daß auch wir gemeint sind?
Die Geschichte hat zwei
Seiten. Einmal ist sie Zusammenwirken der Menschen, gesteuert durch ihre Interessen
und Möglichkeiten. Sie ist aber auch geleitet durch Heiligen Geist, durch einen
Sog in die Zukunft, durch Hoffnungen und Wunschpotenzial aus Träumen und
Visionen.
Das ist stärkster Antrieb
überhaupt: Aus der Verzweiflung herausgerufen werden nach vorn. Die Zukunft
erscheint als neuer Wurf. Jerusalem damals und wir alle werden freundlich von
Gott angesprochen: Die Knechtschaft geht zu Ende.
Auch unsere Knechtung?
Wissen wir überhaupt von ihr? Welchen
Zwang haben wir uns auferlegt, mit welcher Gier sind wir bestraft?
Welches Mäuserad aus Pflichten und
Vergünstigungen treten wir immer schneller. Wieviel belanglose „News“ checken
wir täglich, stündlich? Wie erfahren wir den Freispruch, auch enttäuschen zu
dürfen und nein sagen zu können?
Der Prophet forderte das
Volk auf, sich zu bekehren und den Weg für Gott freizumachen. Der wird dann
Israel die freie Bahn der Rückkehr beschaffen.
In der Steppe schwieriger
Verhältnisse den Weg frei machen für Gott- das ist unser Auftrag. Was an uns
ist- die Ungerechtigkeiten einzuebnen; das brächte Gott mit uns und zu uns
vorwärts.
*
Weißt du nicht? Hast du
nicht gehört? Der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, gibt dem
Müden Kraft, und Stärke dem Unvermögenden. Männer werden müde und matt, Junge
straucheln und fallen; Aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass
sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden,
dass sie schreiten und nicht müde werden.
Jesaja 40,27-31
Dir gibt Gott Kraft. Aus Sonnenlicht und Schlaf, aus
Liebe von einander, aus Zugehörwissen, aus Leistungsfähigkeit und Freude, aus
Anerkennung und Dank, aus Überstehen von Mühe und Krankheit, aus jedem Bissen,
jedem Trank, jedem Atemzug gibt er dir Kraft. Kraft kommt aus dem Harren auf
Gott, was geduldiges und sehnendes zu
Gott Gehören ist. Ja, wisse, daß Gott mit dir beschäftigt ist, dir Lebensmut
zuteilt, dich mit Heiligem Geist anhaucht- auf dass wir uns nicht aufgeben.
Neue Kraft ist dir oft geschenkt worden, unverhofft und unerklärlich.
*
Gott, der dich Israel geschaffen
hat, spricht: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei
deinem Namen gerufen; du bist mein!
Wenn du durch Wasser gehst,
will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen; und wenn du durch
Feuer gehst, sollst du nicht verbrennen.
Denn ich bin dein Gott, der
Heilige Israels, dein Heiland. Du bist in meinen Augen wert geachtet und auch
herrlich. Ich habe dich lieb.
So fürchte dich nun nicht,
denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom
Westen her sammeln, ich will sagen zum Norden: Gib her!, und zum Süden: Halte nicht
zurück! Und alle Heiden sollen
zusammenkommen und die Völker sich versammeln. Vor ihnen seid ihr meine Zeugen,
spricht der Herr, und mein Knecht, den ich erwählt habe.
Jesaja 43,1-10
Das ist zunächst Israel gesagt, den Verstreuten und
Verschleppten im Exil in Babylon. Teils
hatten die sich in der dritten Generation schon an die Fremde gewöhnt; andere
glühten vor Rückkehrsehnsucht. Ihnen sagt der Prophet als Gotteswort: Fürchte
dich nicht! Ich bin dein Gott, da kannst mir nicht verloren gehen. Gott
verspricht den aus der Heimat Weggesprengten die Rückkehr. Und noch mehr: Die
Völker wird Gott sammeln um den Tempel in Jerusalem.
Von dem wird das Recht ausgehen für die
Völkergemeinschaft. Und später wird dort Gott sich herablassen zu seinen
Menschen für die messianische Zeit.
Israel soll vor der Völkergemeinde Zeuge sein für die
Bündnistreue Gottes. Und die Menschheit wird das Erstgeburtsrecht Israels
anerkennen und Israel die Gleichwertigkeit der Menschengeschwister und ihrer
Frömmigkeit.
Aber zunächst brauchen die im Exil den Hirten, der den
Weg zur Heimkehr weiss. Gott verspricht sich ihnen. Die Schwachen wird er im
Bausch seines Mantels tragen.
Unabhängig von der ersten Widmung an Israel in Babylon
sind wir mit gemeint. Zu Recht ist das „Fürchte dich nicht“ beliebtester
Taufspruch der Christenheit: „Fürchte dich nicht, Menschenkind: Gott hat dich
erlöst, hat dich aus dem Nichtsein erlöst und dich ins Sein gezogen, hat dich
bei deinem Namen genannt. Du bist vor ihm vorhanden und gemeint, einzigartig
persönlich bist du Gottes. Und Gott ist der Deine.
*
So spricht Gott: Gedenkt
nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige! Denn siehe, ich will ein
Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?
Jesaja 43,18.19
Wir hängen am Gewordenen. Mühe, Schweiß und Tränen stecken im Errungenen. Auch Gott -
könnte er nicht schon stolz sein aufs Erreichte, die Weltwunder, die
Weiterentwicklung der Schöpfung, und ließe die Welt langsam ausklingen? Aber
Gott drängt nach vorn, ist mit Werden und Wachsen und neuen Ideen beschäftigt.
Und will uns als Copartner, will uns als Projektentwickler- es ist noch so
Vieles im Argen.
Du dachtest, du könntest dich zurücklehnen? Nichts
damit. Der Hunger nach Gerechtigkeit werde dir drängender, die Lust auf Kunst
und Schönheit wachse in dir. Genau dir ist schon Neues passiert. Warst du nicht
fast neugeboren, als die Liebe dich traf oder du wieder gehen konntest? Oder als
ein Mensch dich für eine Freude umarmte? Erkennst du es denn nicht, wie Gott
mit dir gut zugange ist und noch so viel vorhat? Wach doch auf, Mensch.
Wir hängen schon arg am Hergebrachten, sichern uns,
hüten Vorhandenes und wollen es mehren, freuen uns an Besitz. Da ist Gottes
Verheißung, Neues zu schaffen, auch brenzlig. Doch wir sehnen uns auch nach
mehr Liebe, mehr Frieden, mehr glückender Gemeinschaft, mehr Reich Gottes eben.
Ob Gott das Neue hinbekommt, mit uns und auch gegen uns, jedenfalls auch für uns?
Erkenne, daß Gottes Schatz in dir aufwächst. Achte darauf, daß dein Lieben
großzügiger wird, du durch Teilen mehr
Frieden beschaffst. Glückt durch dich mehr Gemeinschaft?
Sieh hin, will merken, will es wissen.
*
Arbeit gemacht
Mit deinen Sünden hast du mir Mühe gemacht. Ich, ich
tilge deine Übertretungen um meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht,
spricht Gott.
Jesaja 43,24.25
Vergeben- das macht Gott nicht mit links, als wäre
es sein Metier. Wir sind so arrogant und
so verzweifelt, daß wir ihn anschwärzen, mit dem, was wir verderben. „Wie kann
Gott das zulassen?“ –so kreiden wir ihm unsere Untaten an. Die Grausamkeiten,
die wir andern tun, die muss Gott mitleiden und muss noch letztlich für sie
haften- es ist ja aus seinem Energieschatz genommen; wir sind seine mörderischen Kinder.
Gott vergibt- er lässt uns nicht stecken im Pech
unserer Schuld. Er bekehrt unser Gewissen, das wir um Vergebung bitten und
wieder gut machen wollen, irgendwie. Er gibt neue Chancen, neue Begegnungen,
neue Einsichten. Er hilft uns, neu anzufangen. Und das um seinetwillen. Nicht
weil wir so fromm wären sondern weil Gott für seine Kinder einsteht.
*
Gott spricht- sagt der
Prophet- Ich bin der Herr, und sonst keiner mehr; außer mir ist nichts. Ich
mache das Licht und die Finsternis, ich gebe Frieden und Unheil. Ich bin der
Gott, der dies alles tut.
Weh dem, der mit seinem Schöpfer
hadert, eine Scherbe unter irdenen Scherben! Spricht denn der Ton zu seinem
Töpfer: Was machst du?, und wirft sein Werk ihm vor: Du hast keine Hände!
Aus Jesaja 45,6-9
Alle Handlungen in der Welt denken als Handlungen des eines
Gottes- was kann das bedeuten? Ich eine Filiale (filia, lat.=Tochter) des
Einen, ein Glied an seinem Leib, ein Sensor seinerselbst. Er gibt mir keine
Zahnschmerzen, aber die von ihm geschenkten
Zähne sind nur begrenzt haltbar.
Letztlich hat er uns sterblich gemacht; nein, er hat uns lebendig gemacht, aber
diese Art von Menschenlebendigkeit „geht nur sterblich“.
Das Licht des Lebens geht uns auf. Das ist das
Wunder. Und wenn uns das Licht
verlöscht, ist Finsternis da, sie ist Gottes Dunkel- das ist Tiefen-Glück in
allem Unglück. Gut, daß keinem anderen als Gott das Leben und die Liebe und die
Zeit gehören- und der Tod und der Hass und das Verfliegen der Zeit eben auch.
Gottes Sein besteht in Seingeben. Wir, die Kreatur,
wir sind nichts anderes als Seinnehmende (Tauler). Darum - Gott zu verklagen
ist nicht angemessen. Aber manchmal brauchen wir es, mit ihm zu hadern. Er hält
das aus. Er ist ja die letzte Adresse
für Dank und Klage, wer sonst.
Gott ist das dynamische Zentrum des Universums. Gott
ist sowohl im Unendlichen wie im Einzelnen. Er ist der eine Künstler, verteilt
auf tausend Millionen Inkarnationen, „die leise knisternde Macht“ (Hanns.H.Jahnn).
*
Er hatte keine Hoheit. Wir
sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Er schien uns der
Allerverachtetste und Unwerteste, war voller Schmerzen und Krankheit. Er war so
verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; wir haben ihn verachtet.
Die Wahrheit aber ist: Er trug
unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Er ist um unsrer Missetat
willen gequält und um unsrer Sünde willen zerschlagen worden. Die Strafe liegt
auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.
Aus Jesaja 53,2-5
Hier steht in Reinkultur die Theorie des Sühnopfers:
Gott will ein Opfer haben. Stellvertretend fürs Volk muss sich einer hinhalten
und zur Buße für die Sünden aller sein Leben geben.
Ja, das stellvertretende Leiden gehört zum Leben. Wie viel
Mühen werden übernommen, wie oft wird für Kollegen eingesprungen, wie viel
Gewalt wird geschluckt, wie viel Unrecht verschmerzt. Wie viel Hunger wird
gelitten, wie viele Leben gehen verloren durch Not, die nicht geteilt wird und
durch Hass, den niemand aufsaugt.
Aber muss Gott ein Opfer haben? Im griechischen Denken
stand die Moira (Schicksal) noch über den Göttern, ein ehernes Gesetz, dem mit
Gerechtigkeit genüge getan sein musste.
Aber Liebe ist höher als alle Vernunft und Gerechtigkeit.
Es ist in die Natur eine Tendenz eingebaut, dass viel
mehr Gutes als Schlechtes geschieht. Die Natur verdaut Schaden, sie vergilt nicht Böses mit Bösem. Würde Mord
-Auge für Auge, Zahn für Zahn- mit Mord bezahlt, wären wir an Blutrache längst
ausgestorben. Güte hat Kraft zu heilen, und Liebe deckt der Sünden Menge-
das gehört zu den Energien, mit denen
Gott die Schöpfung hoch hält.
In Israel kam der Gedanke auf, daß Gott sich selbst
drangibt für seine Schöpfung, in Gestalt seines Knechtes. Paulus erkannte dann,
daß in Jesus Gott selbst als Sohn (noch einmal) zur Welt kam. Und was der Sohn
erleidet, trifft den Vater. So bürgt Gott für seine Menschen, wie Eltern für
ihre Kinder einstehen.
Wir allerdings fragen strotzend vor Blödigkeit: das
Leid, das wir produzieren- wie kann Gott es zulassen. Statt zu helfen und zu
lindern, meinen wir, der Leidende werde bestraft. Und wenden uns ab. Dabei ist
alles Leiden und auch stellvertretend getragen. Keiner ist allein an was schuld.
Wir alle drücken uns gern und lassen gern andere die
Lasten tragen. Aber der Gottesknecht, den Gott in Aussicht stellt durch den
Propheten, der nimmt das Leid auf sich. Die ersten Christen sahen in Jesus den
Verheißenen. Und ja, Jesus nimmt die
Last des schwachen Gottesbildes auf sich. Ein schwacher Gott, der nur vergibt nach
Maß der guten Taten- das wäre ein Richter nur, kein Retter. Jesus aber steht
für Gott ein, dass seine Liebe unendlich ist. Und darum schluckt sie auch
unsere Sünden. Gott verdaut unsere Schuld- dafür steht Jesus gerade, dafür gibt
er sich hin, um das uns zu zeigen.
Mit der Auferstehung siegelt Gott diesen Jesus als
seinen Gottesknecht- unbeschadet der anderen Erwartungen, die Israel noch hegt.
Und wir wissen dem Jesus nach: Übernommenes Leid räumt den Weg frei für Heilung
und Frieden.
*
Gib frei, die du bedrückst
Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend, die
ohne Obdach, führe ins Haus! Wenn du einen ohne Kleidung siehst, so gib ihm
anzuziehen, und entzieh dich nicht deinem Fleisch!
Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte,
und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor
dir hergehen, und die Herrlichkeit Gottes hinter dir her. Dann wirst du rufen
und der Herr wird dir antworten: Siehe, hier bin ich.
Wenn du den Hungrigen dein Herz finden lässt und den
Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein
Dunkel wird sein wie der helle Mittag.
Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie
eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt. Und du sollst heißen: „Du, der
die Lücken füllt und die Wege ebnet.“
Aus Jesaja 58
Gott lieben heißt, den Nächsten lieben; das ist hier
klargestellt. Der Bedürftige ist nicht irgendwer sondern ist Gottes Fleisch
also auch „mein Fleisch“.
Weil wir mit der Nächstenliebe uns so schwer tun,
haben all unsere Seelen einen Grauschleier. Wir in unserm Wohlstand haben alle
ein schlechtes Gewissen- oder sind von Sinnen. Wir haben von Natur aus die
Anlage mitbekommen, einander zu ergänzen und zusammenzuwirken. Darum können wir
auch Nächste werden dem, der nicht in barer Münze uns bezahlen kann. Es gibt
auch Herzenswährung, „compassion“, Mitfühlen.
Es tut gut, gut zu tun.
Wir werden dann Leuchtende, es wird uns hell im
Inneren. Wir könnten dann und wann überirdische Freude ausstrahlen.
Wir können lernen, dem in Not gut zu sein- ein Stück
weit. Es heilt uns, es macht mich mit mir einverstanden. Beim Geben entspringen
für mich selbst Kräfte. Ich lebe lieber, wenn ich einem helfe, zu überleben.
Mein Titel dann: Überbrücker oder Retter.- Mehr geht nicht, mehr kann man nicht
werden.
*
Gott spricht: Ich lasse
mich suchen von denen, die nicht nach mir fragen, ich lasse mich finden von
denen, die mich nicht suchen. Zu einem Volk, das meinen Namen nicht anruft,
sage ich: Hier bin ich, dein bin ich!
Jesaja 65,1
Viele religiöse
Übungen leiten an, Gott zu finden. Askese und gute Werke sollen auf den
richtigen Weg bringen, Kaskaden von Gebeten unsere Seele erweichen. Aber Gott
kennt uns, seine Brut. Er hütet uns zusammen, er geht uns mütterlich, väterlich
nach, er zeigt sich uns. Wenn wir gegen ihn verrammelt sind, tut er die
Schritte auf uns zu. Und manchmal leidet er still mit uns und an uns. Dann
fragen wir: Wo ist Gott? Und er fragt: Mensch, wo bist du?
Gott ist mit uns in einer lieben Berührung, einer
unerwarteten Hilfe. Ein stärkendes Wort kommt angeflogen, ein wahrnehmender
Blick, und schon öffnet sich heiliger Raum vor uns. Wir sind ausgerichtet auf
Empfang der schönsten Würden: Wir taugen doch, sind Gottes Kinder. Und werden ohne unser Zutun
geheilt. Wie von selbst tun wir Gutes, wenn wir uns von Gott geliebt wissen.
Nur, die Reihenfolge ist klar: In allem bleiben wir Empfangende.
*
Gott spricht, sagt der
Prophet: Ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der
vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.
Und ich will fröhlich sein
über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören
die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens.
Es sollen keine Kinder mehr
da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen - als
jung werden Hundertjährige gelten.
(Denn von Zion wird Weisung
ausgehen. Und er wird richten die Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu
Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Kein Volk wird mehr gegen ein
anderes das Schwert erheben und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu
machen (Jesaja 2, 3.4)).
Wenn der Messias kommt,
dann werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen, ein Kind wird Vieh und Bären
miteinander weiden. Und Löwen werden
Stroh fressen, ein Säugling wird unbeschadet spielen am Loch der Otter. Man
wird keine Sünde mehr tun, denn das ganze Land wird voll Erkenntnis des Herrn
sein (aus Jesaja 11,1-9)). Sie werden Häuser bauen und bewohnen, sie werden
Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen. Denn sie sind das Geschlecht der
Gesegneten des Herrn.
(Er wird unter großen
Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden
ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein
Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr
lernen, Krieg zu führen (Micha 4,3).
Wolf und Schaf sollen
beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Die Menschen
werden nicht mehr Bosheit noch Schaden
tun auf meiner ganzen heiligen Erde, spricht Gott.
Aus Jesaja 65, 17-25
Hier steht die Utopie einer friedlichen Welt
geschrieben. Gott will aus der alten Menschheit eine neue entwickeln. Auch in
der Natur soll nicht mehr Fressen und Gefressen gelten. Die Menschen werden
nicht mehr sündigen. Ja, dann ist der Himmel auf die Erde gekommen oder die
Erde ist im Himmel. Wenn das Reich Gottes vollkommen bei uns ist, dann ist
Friede.
Bis dahin möge der Traum
von der Verwandlung uns wenigstens einige Schritte auf einander hin beibringen. „Dein Reich komme“ zu beten, das
bleibt uns immer noch aufgetragen. Gott ist noch auf dem Weg, seine Schöpfung
heil zu machen. In der Zwischenzeit haben wir viel zu tun, mit Abrüsten
und Befreunden. Schwerter umschmieden zu
Pflugscharen- statt Militärhaushalte: Brot für die Welt. Aus dem Glauben an
Gottes Friedensarbeit lasst uns immer
neue Kräfte der Versöhnung schöpfen.
* *
Und des Herrn Wort geschah
zu mir: Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und bestellte
dich zum Propheten für die Völker.
Ich aber sprach: Ach, Gott,
ich tauge nicht zu predigen; ich bin zu jung.
Gott aber sagte zu mir: Sage nicht: »Ich bin zu
jung«, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen, was ich dir
gebiete.“
Und Gott streckte seine
Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine
Worte in deinen Mund. Und fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir.
Jeremia 1,4-9
Erleben wir auch Berufung? Zu einem Auftrag, zur Ehe,
zu Kindern, zu einem Beruf, zu einer bestimmten Verantwortung? Sicher ist der
Auftrag zum Prophetenamt ein besonderer: Er soll Gottes Wort ausrichten. Aber
jede Sache, wenn sie gut werden soll, muss von uns mit Leidenschaft getan
werden- in Begeisterung- aus einer
Berufung: Ich bin dazu bestimmt, ich soll das bringen, ich, genau ich.
Kein Pastor, keine Pastorin, ist immer auf der Höhe
ihres Auftrages. Gottes Wort muss ja
durch unsere wenig hellhörigen Ohren, durch die Begriffsmuster unseres Geistes,
muss von mir verstanden und angenommen sein als (auch) mich betreffend. Und
dann muss es noch in die Sprache von heute finden, muss so klingen, als wäre es
genau richtig für dich und dich und dich.
Manches, was von den Kanzeln kommt, ist Wortspreu.
Dann hat kein Engel den Mund des Predigers mit glühender Kohle gereinigt
(Jesaja 6,7). Und die Predigt war keine Brücke vom alten Wort zum neuen Leben.
Aber nächsten Sonntag kann ein Wunder geschehen, und du wirst sein Wort hören
und du weißt deine Berufung wieder.
*
Jeremia, sprich zu ihnen:
So spricht Gott: Wo ist jemand, wenn er fällt, der nicht gern wieder aufstünde?
Wo ist jemand, wenn er irregeht, der nicht gern wieder zurechtkäme?
Und warum will denn dies
Volk zu Jerusalem irregehen wieder und wieder? Sie halten so fest am falschen
Gottesdienst, dass sie nicht umkehren wollen.
Ich sehe und höre, dass sie
nicht die Wahrheit reden. Es gibt niemanden, dem seine Bosheit leid wäre und
der spräche: Was hab ich doch getan! Sie laufen alle ihren Lauf wie ein
fliehendes Pferd.
Der Storch unter dem Himmel
weiß seine Zeit, Turteltaube, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, in der
sie wiederkommen sollen; aber mein Volk will das Recht Gottes nicht wissen.
Jeremia 8, 4-7
Jeremia ist ein begnadeter Gottesflüsterer- aus ihm
spricht der liebende und der um die Zuneigung der Menschen kämpfende Gott.
Jeremia predigt denen in Jerusalem, daß es widernatürlich wäre, von Gott
Abstand zu nehmen; es wäre ein Unding, wie wenn einer gern liegen bliebe nach
einem Sturz. Nur Pferde, wenn sie durchgehen, sind nicht zur Vernunft zu
bringen- die andern Tiere halten ihre Zeiten ein.
Also selbstverständlich
muss es sein, daß wir an Gott hängen und unser Leben geistvoll erleuchtet ist. Aber der Ewige hat uns Raum gelassen, meinen
zu können, auch ohne ihn auszukommen. Doch er lässt uns nicht laufen. Er wirbt
um uns, redet auf uns ein wie auf ein störrisches Kind.
Bitte, Gott behalte dein Interesse an uns, rühre
unsere Seele, fülle uns wieder mit Ahnung von dir. Dass wir uns nicht verloren
vorkommen und leer. Fülle uns wieder mit Geist und Lust am Guten.
Ob dem Jeremia diese Predigt eingegeben war? Wenn
Jeremias Predigt uns anspricht; wenn wir uns von ihr rufen lassen, dann ist sie
uns Gottes Wort geworden.
*
Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht
der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe, was
ihr braucht.
Jeremia
29, 11
Bei allen
Schwierigkeiten, allem Unrecht und Unglück sollen wir doch wissen, dass Gott
gut zu uns hindenkt. Und welches Leid uns auch trifft, Gott erleidet es eher
mit, als daß er es schickt. Geben will er uns, was wir brauchen. Brauchen wir,
was wir jetzt haben? Statt zu klagen will ich nachdenken, wie ich zum Besten
nutzen kann, was ist.- Es soll doch Friede draus werden.
*
Ephraim – ein Stamm
Israels, hier für Israel überhaupt - Gottes geliebtes Kind. Und es bringt
Schmerzen, Kinder zu haben: sie bocken und sind undankbar, sie lügen auch und
nutzen die Eltern aus. Ähnliches erfährt Gott mit seinen Menschen. Er zürnt und
kann doch nicht strafen. Zu sehr sind sie ihm ans Herz gewachsen. Er entzieht
sich ihren Blicken nicht, kündigt nicht die Nähe auf. Aber Hochmut oder Gier verdunkeln uns Gott,
wir verdecken ihn uns mit unserem kleinen Geist.
* *
Wir begrübeln doch, welchen
Stand die Gottlosen bei Gott haben, schon weil wir selbst nicht wissen, wie
weit unsere Gotteshaftung hält. Jedenfalls gibt es keine Verdammten, keine, die
Gott von sich abschüttelt und zu Nichts auflöst.
Gott hat Interesse an
jedem. Wer ihm am fernsten steht, den sehnt er
am meisten heran. Das verpflichtet dazu, keinen aufzugeben. Auch die in
Irrsinn Verstrickten bleiben Menschenbrüder, Menschenschwestern.
Uns gemeinsam auf guten Weg
bringen, daran arbeitet Gott. Am heutigen Tag will er mit mir, mit dir
weiterkommen.
*
Ich selbst will meine Schafe weiden. spricht Gott.
Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte
zurückbringen, das Verwundete verbinden und das Schwache aufrichten. Und was stark ist, will ich behüten, indem
ich es in die Pflicht nehme. Ich will sie alle weiden, wie es recht ist.
Hesekiel 34,15.16
Die sich verloren vorkommen, sie werden gefunden. Die
sich im Irrgarten der Moderne verstricken, erfahren Entwirrung; denen dies
Wirtschaftsgefüge Wunden schlug, die sollen wieder kreditwürdig sein. Die nicht
mehr können, denen soll ein neuer Stand beschafft werden. Dazu braucht und
nutzt Gott die Starken.
Geradezu behütet vor Absturz wirst du, indem du auf
Notleidende gestoßen wirst. Wenn du hilfst, tust du es auch dir zur Rettung. Du
siehst dich eingespannt in Gottes Team. Hochmut und Leere weichen von dir. Du
wirst glücklich, du wirst es sehen.
*
Wandel
Und ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist
geben und will das steinerne Herz aus euch wegnehmen und euch ein fleischernes
Herz geben.
(Hesekiel 36,26)
Müssen wir so radikal verwandelt werden? Immerhin sind
wir schon seine Geschöpfe und werden es nicht erst. In welcher Schicht meines
Ichs will ich denn gefühlvoller werden, empfindsamer, hilfsbereiter,
angerührter vom Lebendigen? Will ich denn bereiter für die Anliegen Bedrängter
werden? Will ich denn breitere Schultern für Verantwortung? Ich spüre doch
meine Abwehr wachsen gegen Forderungen. Auch mein Kraftverschleiß nimmt zu.
Gottes Geist, heißt es, ist in den Schwachen mächtig: Also nicht triumphieren,
nicht zwingen und bedrängen- weniger fordernd auftreten. Aber beherzt das
Dringende, das dich Drängende auch tun. Gott verspricht, daß er dich hinkriegt
wie er will. Das lass dein Glück sein.
*
Eine gewaltig schreckliche, schöne Vision.
Der Geist Gottes stellte mich auf ein weites Feld. Das
lag voller Totengebeine. Sie waren ganz verdorrt. Und er führte mich hindurch
und sprach zu mir: Du Menschenkind! Weissage über sie: Ihr vertrocknetes
Gebein, höret des Herrn Wort! Ich Schöpfer, will euch beatmen mit meinem Atem,
auf dass ihr wieder lebendig werdet. Ich will euch Sehnen geben und lasse
Fleisch über euch wachsen und überziehe euch mit Haut und will euch Odem geben,
dass ihr aufersteht zu neuem Lebendigsein. Ihr sollt Zeuge sein, daß ich Gott bin.
Und ich weissagte, wie mir
befohlen war.
Da rauschte es,
und die Gebeine rückten zusammen und
fügten sich zueinander. Und Lebensatem kam herzu von den vier Winden und die
Körper wurden wieder lebendig und
stellten sich auf ihre Füße, ein überaus großes Heer.
Und Gott sprach zu mir: Du Menschenkind, diese Gebeine
stehen für das ganze Haus Israel. Noch sprecht ihr: Unsere Gebeine sind
verdorrt und unsere Hoffnung ist verloren und es ist aus mit uns. Aber, spricht
Gott: Ich will eure Gräber auftun und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern
herauf und bringe euch ins Land Israel. Ihr sollt erfahren, dass ich der Herr
bin. Ich rede es und tue es.
Hesekiel 37,1-15
Was erst gesagt ist dem zerstreuten Israel, ist eine
der grandiosen Visionen für die ganze Menschheit. Der Prophet sieht sein Volk
so tot wie ein Feld, bedeckt mit
Skeletten. Der Prophet sieht Israel nur
noch als Ansammlung von Knochen- ausgelaugt, ohne Körper, ohne Seele. Doch dies
Verlorensein ist eine Schmach für Gott. Er darf sich mit der Vernichtung
Israels nicht abfinden, “um seines Namens willen“. Was sollte sonst die Menschheit sagen?
Die Christen haben mit
diesem Bild den Tod neu qualifiziert - letztlich durch das Sterben Jesu. Wäre
dieser wunderbare Mensch, dieser liebevolle, gottvolle Zeuge für Gott einfach
gestorben und begraben und aus und vorbei- hätte Gott sich doch letztlich als
Lebensverächter erwiesen und der Tod wäre Sieger, das Leben wäre immer noch nur
Weg zum Tod.
Nach Jesu Auferstehung aber
ist der Tod als ganzer entmachtet, er ist nur noch Heimbringer zu Gott. Diese
neue Qualität des Todes – nicht mehr Strafe sondern Heimbringung- wird
einzigartig vorausgemalt in der Wiederherstellung der Leiber, wie sie der
Prophet Hesekiel schaut.
Lange hat man eine
Auferstehung des Fleisches erwartet, entsprechend der Vision des Propheten.
Darum galt auch die Feuerbestattung lange als unchristlich. Aber nicht die
Wiederherstellung des alten Körpers brauchen wir für ein zukünftiges Leben,
sondern den Glauben an den Gott, der ewig unser Gott sein will. Und der uns
jetzt schon lebendigst macht in der Liebe.
* *
König Nebukadnezar hatte
einen Traum: Der beunruhigte ihn sehr
und er bot alle seine Gelehrten auf- doch keiner konnte den Traum deuten.
Daniel, ein frommer jüdischer Mann am Hof stellte dem König die Deutung seines
Traumes in Aussicht. Und dieser erzählte den Traum. Da sagte Daniel:
Ein großes, hell glänzendes
Bild stand vor dir, das war schrecklich anzusehen.
Das Haupt dieses Bildes war
von feinem Gold, seine Brust und seine Arme waren von Silber, sein Bauch und
seine Lenden waren von Kupfer, seine Schenkel waren von Eisen, seine Füße waren
teils von Eisen und teils von Ton.
Das sahst du, bis ein Stein
herunterkam, ohne Zutun von Menschenhänden; der traf das Bild an seinen Füßen,
die von Eisen und Ton waren, und zermalmte sie.
Da wurden miteinander
zermalmt Eisen, Ton, Kupfer, Silber und Gold und wurden wie Spreu die der Wind verweht. Der Stein aber, der das
Bild zerschlug, wurde zu einem großen Berg, sodass er die ganze Welt füllte.
Das ist der Traum.
Nun wollen wir die Deutung vor
dem König sagen.
Dir König,
hat der Gott des Himmels Königreich,
Macht, Stärke und Ehre gegeben. Und über alles hat er dir Gewalt verliehen. Du
bist das goldene Haupt.
Nach dir wird ein anderes Königreich aufkommen,
geringer als deines, danach das dritte Königreich, das aus Kupfer ist. Und das
vierte wird hart sein wie Eisen; ja, wie Eisen alles zerbricht, so wird es auch
alles zermalmen und zerbrechen. Das Reich aber, dessen Füße teils von Eisen und teils von Ton sind,
bedeutet: Zum Teil wird’s ein starkes und zum Teil ein schwaches Reich sein.
Aber zur Zeit dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten, das
nimmermehr zerstört wird -es wird ewig bleiben,
So hat der große Gott dem König
kundgetan, was dereinst geschehen wird.
Und der König erhöhte Daniel und gab ihm große und
viele Geschenke und machte ihn zum Fürsten über das ganze Land Babel und setzte
ihn zum Obersten über alle Weisen.
Daniel 2
Ursprünglich ist die Geschichte erzählt zum Trost der
jüdischen Gemeinde (im 2. Jahrhundert vor Ch.): Wenn auch jetzt alles
durcheinander ist- es ist der Anfang des Reiches Gottes. Die ganze
Weltgeschichte läuft auf diesen Punkt zu: Erst war es ein goldenes Zeitalter,
dann folgte ein silbernes, dann im kupfernen und eisernen Zeitalter nahm die
Gewalt überhand, dann kommt das Reich, das nur noch „auf tönernen Füßen“ steht-
damit kommt der große Fall der Weltgeschichte. Und dann richtet Gott mit seinem
Messias die neue Welt auf. –
Gewaltig war die Wirkung dieser Vision: Bis heute gibt
es Denkschulen, die den Niedergang der Geschichte bis hin zur Verbrennung des Erdballs vorherbestimmt sehen.
Und dann sei Schluss, aus, vorbei.
Christen glauben, daß Gott sein Reich kommen lässt. Die Geschichte wird
sich wohl nicht gradlinig zu einer Vollendung entwickeln- dieser Optimismus ist
durch Auschwitz und Pol Pot und Hiroshima vergangen. Aber unsere Zeit ist
Gottes Zeit und es wird einmal sehr gut. Das hoffen wir.
Die Geschichte des Daniel soll zunächst nur den
bedrängten Gemeinden damals Mut machen, den Glauben an die Heilung der Welt
durch Gott durchzuhalten. Doch mit Jesu
Auferweckung ist der Geschichte eine Tendenz zur Heilung eingeimpft. „Und wenn die Welt voll Teufel wär“.. so
singt es auch Luther: Was kommt ist der Herr. Darum ist vor uns immer seine
Zukunft!
*
König Belsazar machte ein
Festmahl für seine tausend Mächtigen, seine Frauen und Nebenfrauen und soff
sich voll mit ihnen. Und als er betrunken war, ließ er die goldenen und
silbernen Gefäße herbringen, die sein Vater Nebukadnezar aus dem Tempel zu
Jerusalem geraubt hatte, und sie tranken daraus und ließen hochleben die goldenen und steinernen Götter.
Da gingen hervor Finger wie
von einer Menschenhand, die schrieben auf die getünchte Wand in dem königlichen
Saal. Und der König erblickte die Hand, die da schrieb. Da wurde sein Gesicht
aschfahl und er erschrak wie von Sinnen. Und er rief nach den Wahrsagern aber die
konnten die Schrift nicht lesen.
Da erinnerte man sich an
Daniel. Er konnte die Schrift lesen und deuten und sprach: Du, Belsazar, obwohl
du den Niedergang deines hochmütig gewordenen Vaters mit ansahst, hast du dein
Herz nicht gedemütigt. Du hast dich
gegen den Herrn des Himmels erhoben. Den Gott, der deinen Odem und alle deine
Wege in seiner Hand hat, den hast du verspottet.
Darum wurde von ihm diese
Hand gesandt und diese Schrift geschrieben.
Sie lautet: Mene, tekel,
u-parsin: Mene, das ist, Gott hat dein Königtum gezählt; tekel, das ist: man
hat dich gewogen und als zu leicht befunden; u-parsin: das ist: Dein Reich ist
zerteilt und den Medern und Persern gegeben.
Noch in derselben Nacht wurde Belsazar, der König
der Chaldäer, getötet.
Belsazars Nachtmahl ist
eins der großen Bilder der Menschheit von Größenwahn und Scheitern. Der König
lässt sich feiern von seinen Günstlingen. „Wes Brot ich ess, des Lied ich
sing“- ist die Regel, nach der Warner
und Infragesteller des schändlichen Treibens ausgeschaltet sind. Die Bosheit
des einen wird verstärkt und erst möglich gemacht durch Mitläufer und
Nutznießer.
Missbrauch des Heiligen ist
ein Mittel, sich aufzublasen. Die Kelche und Leuchter sind vom Altar gerissen
und schmücken das Sauffest des Königs.
Was dem Lobe Gottes galt, muss herhalten zum Dekor für einen Bösewicht.
Aber Hochmut und Vermessenheit
bringen zu Fall. „Gemessen, gewogen, für zu leicht befunden“ ist das
„Menetekel“, das Alarmzeichen für eine
Großmannssucht, die dem Untergang entgegengeht.
*
Daniel übertraf alle
Fürsten und Statthalter an Geisteskraft. Der König erwog, ihn zum Kanzler
seines Königreiches zu machen. Das wollten die andern Statthalter nicht und suchten an Daniel etwas
zu finden, was gegen das Königreich gerichtet wäre. Aber sie fanden nichts. Da
sprachen die Männer: Es bleibt nur, ihm aus seinem Gottesglauben einen Strick
zu drehen.
Sie veranlassten den König,
ein Gebot zu erlassen, dass jeder, der etwas bitten wird von irgendeinem Gott
oder Menschen außer vom König allein, zu
den Löwen in die Grube geworfen werden soll.
Daniel aber betete im
Obergemach seines Hauses am offene Fenster in Richtung Jerusalem; dreimal am
Tag fiel er auf seine Knie, lobte und dankte seinem Gott; wie er es immer zu
tun pflegte, so tat er es weiter.
Da zeigten die Männer ihn
an und der König bedauerte: Das Gesetz der Meder und Perser kann niemand
aufheben. Und er ließ Daniel vor die
Löwen in der Grube zu werfen, sandte
ihm aber den Wunsch nach: Dein Gott, dem du ohne Unterlass dienst, er helfe
dir!
Früh am Morgen des nächsten
Tages stand der König auf und ging eilends zur Löwen-Grube. Und er sah Daniel,
lebend und betend. Und Daniel gab Zeugnis:
Gott hat seine Engel
gesandt, die den Löwen den Rachen zugehalten haben, sodass sie mir kein Leid
antun konnten; denn vor ihm bin ich unschuldig, und auch gegen dich, mein
König, habe ich nichts Böses getan.
Da wurde der König sehr
froh und ließ Daniel aus der Grube herausziehen. Und gab den Befehl: Künftig ist
der Gott Daniels zu ehren, er ist der lebendige Gott.
Daniel 6
Die Erzählung von Daniel in der Löwengrube ist eine der
großen Rettungsgeschichten der Menschheit. Gott kann Bestien den Rachen
verschließen. Wenn auch Menschen einen umbringen wollen, können sie noch
bekehrt werden vom Heiligen Geist. Und es kann auch anders kommen als es in der
Natur der Sache liegt. Gewehrkugeln können stecken bleiben in Schutzwesten,
Mutige können vor Schlägern schützen. Unfälle können gelindert werden mittels
Sicherheitsgurten, Löwen können abgelenkt werden durch interessantere Gaben.
Eigentlich steht hinter der Geschichte viel
Verfolgungs- Erfahrung Israels. Schon damals wurden sie um ihres Glaubens
willens vertrieben und oftmals umgebracht. Da lag die Versuchung nahe, vom
Gauben abzufallen. Doch diese und ähnliche Geschichten erzählen, daß Gott seine
Frommen bewahrt.
Aber bete und fahre fort, ans andere Ufer zu
rudern! Das heißt: Hilf Gott, daß er mit
dem Bösen fertig wird, bete um Gottes Beistand, aber steh Gott bei mit deiner
Kraft.
Dietrich Bonhoeffer hat uns neu gelehrt, daß wir auch
in den Händen von Schergen und Mördern in Gottes Hand bleiben. Auch Jesus hat
sich auf dem Weg mit Gott gewusst, auch wenn er durch die Hölle musste.
Die zugehaltenen
Löwenmäuler sind auch ein Bild
dafür, daß die Ängste uns nicht verschlingen werden.
* *
Gott spricht: Nach diesen
Tagen will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und
Töchter sollen weissagen, eure Jünglinge sollen Gesichte sehen und eure Alten
sollen Träume haben. Und es soll geschehen: Wer des Herrn Namen anrufen wird,
der soll errettet werden.
Die Ausgießung des Heiligen
Geistes über alles Fleisch soll geschehen. Also ist die natürliche
Beschaffenheit alles Lebendigen noch nicht so geistvoll, wie Gott es vorhat.
Die Jungen, die doch so beschäftigt sind mit der Gegenwart, sie sollen auch
weise reden vom Zukünftigen. Und die Alten, die so gern dem hinterher sinnen,
was war, die sollen Träume haben und von ihnen mit auf große Fahrt genommen
werden. Nach vorn reißt der Heilige Geist mit: Vor uns Entwicklung, Wandel,
Reife, Frieden, spannende Zeit mit Gott.
* *
Ist das nicht jetzt?
Hungern wir nicht nach haltbaren Worten, nach klarer Widmung, nach Weisung wie
Hammerschläge eines Zimmermannes- jeder trifft den Nagel präzise?
Der Hunger nach klarer
Predigt ist da. Abschälen die falschen Versprechungen und mit kräftigen,
unverzierten Sätzen Leben eröffnen, Gott in heutigem Deutsch zur Sprache
bringen, kurz, direkt und wahr- es muss
immer neu versucht werden. Und Gemeinde berät, ergänzt, widerspricht. Das Wort
Gottes für heute erschließt sich der Gemeinde, es fällt nicht einem einzelnen
ein.
Jetzt ist die Zeit da. Wir
lauschen doch hinter die Gespräche, die wir so mitmachen, ob da ein Hauch Trost
und Erkenntnis, Freude und Ermutigung steckt. Wir schauen die Strecke der Filme
ab nach einem heiligen Bild, das uns erreicht. Wir suchen doch in uns Merkstoff
für Heil.
Einen ganzen Tag hast du
durchfahren und war da ein Krümel Heiliger Geist drin gewesen? Hast du heute
geliebt? Befriedet? Beschenkt? Gott wollte dich heute treffen. Hast du ihm
beigestanden? Hast du sein Wort gehört
in der Bitte eines Nächsten, hast Du sein Wort weitergesagt im freisprechenden
Gedanken? Hast du dich mit einem
angelegt für das Wort Gottes, das heute dran ist?
* *
Gott sprach zu Jona: Geh
nach Ninive und predige ihr zugut gegen
sie: Ihre Bosheit ist vor mich gekommen.
Aber Jona floh; er
nahm ein Schiff, das in
entgegengesetzter Richtung- nach Tarsis
fahren wollte, und hoffte so, dem Herrn aus den Augen zu kommen. Da ließ Gott
einen großen Wind aufs Meer kommen, und es erhob sich ein großes Ungewitter
dass sie meinten, ihr Schiff zerbräche.
Die Schiffsleute fürchteten
sich und schrien ein jeder zu seinem Gott. Ladung warfen sie über Bord, damit
das Schiff leichter würde. Jona war derweil hinunter in das Schiff gestiegen
und schlief.
Da trat der Schiffsherr zu
ihm und brüllte ihn wach: Was schläfst du? Steh auf, rufe deinen Gott an! Ob
vielleicht dieser Gott unser gedenken will, dass wir nicht verderben.
Und einer sprach zum
andern: Kommt, wir wollen losen, dass wir erfahren, um wessentwillen es uns so
übel geht. Und als sie losten, traf es Jona.
Und der sprach er zu den andern im Schiff:
Nehmt mich und werft mich ins Meer, so wird das Meer still werden und von euch
ablassen. Denn ich weiß, dass um meinetwillen dies große Ungewitter über euch
gekommen ist.
Warum Jona sich so
sträubte, Ninive die Bußpredigt zu halten, wird nicht gesagt. Jeder Zuhörer und
Leser dieser Geschichte soll sich selbst eintragen und sich befragen. Warum
weiche ich dem Auftrag des Herrn aus, ich weiß doch was ich aufhabe.
Es ist schon eine
ausgefallene Berufung, einer Stadt den Untergang anzusagen. Müssen wir auch
unserer Zivilisation den Untergang ansagen? Jedenfalls „die Augen zu“ und die
Zeit verschlafen geht nicht.
Eindrücklich ist, wie die
Vorfahren ihr Wohlergehen und ihre Not mit Gott verbunden sahen. Wir sehen den
Zusammenhang von Sturm und persönlicher Schuld nicht mehr- aber in der Umweltkatastrophe schwant uns doch neu der Zusammenhang von Lebensart und (Klima-)
Schicksal.
Das Los zu werfen, war
früher die Methode, den Willen der Götter zu erforschen. Es war der erste
Menschheits-Versuch, nicht blind dem Schicksal ausgeliefert zu sein. Man hoffte,
durch Loswurf die Untat des Einen zu
ermitteln, so konnte man die Strafe auf ihn ableiten. Und hoffte so, die
Schicksalsmächte gnädig zu stimmen. Jona gab sich zu erkennen als der, der Zorn
auf sie alle geladen hat. Er war bereit, die Strafe an sich vollziehen zu
lassen.
Doch die Leute ruderten,
dass sie wieder ans Land kämen; aber sie konnten nicht, denn das Meer ging
immer ungestümer gegen sie an. Da riefen sie zu dem Herrn und sprachen: Ach,
lass uns nicht verderben um des Lebens dieses Mannes willen und rechne uns
nicht unschuldiges Blut zu; Und sie nahmen Jona und warfen ihn ins Meer. Da
wurde das Meer still und ließ ab von seinem Wüten.
Jona 1,13-20
Bis jetzt ist es eine ganz altertümliche Geschichte:
Der Mensch kann Gott, kann seinem Schicksal nicht entrinnen. Und: Gott lässt
sich nicht spotten; man darf ihn nicht behandeln als sei er gütig- vergesslich.
Dann lässt er das Meer toben. Und uns bleibt nur der Untergang- oder Vollzug der verdienten Strafe.
Doch diese Ausgangslage ist ja nur der erste Akt. Gott
zeigt sich von seiner schönsten Seite, wie sie eigentlich erst von Jesus ganz dargestellt
wird.
Das Jona- Büchlein ist voll Evangelium. Es fängt an
mit einem Wal.
Als sie ihn über Bord
geworfen hatten, ließ Gott einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und
Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte. Und Jona betete zu
Gott, im Leibe des Fisches. Und Gott sprach zu dem Fisch und der spie Jona an
Land.
Jona 1,15; 2,1.11
Jona hatte mit seinem Leben abgeschlossen. Vielleicht
war er auch all des Treibens müde, und ihm schien der Geldschein des Lebens zu
groß, er hat ihn nicht wechseln können; vielleicht ging er jetzt gern in den
Tod, zumal er damit andern das Leben retten konnte; wenigstens eine gute Tat
zum Schluss- so mag er gedacht haben.
Aber so leicht kommt Jona nicht von hier weg. Ein Wal
verschluckt ihn und spuckt ihn an Land. Jesus hat später diese Unterweltsfahrt
als Bild genommen für seine drei Tage Todeserfahrung bis zur Auferstehung
(Matthäus 12,39). Der Tod, das ist wie von einem Untier verschluckt zu sein-
aber es geschieht, um hinübergerettet zu werden ins neue Leben.
Und es geschah das Wort des
Herrn zum zweiten Mal zu Jona: Mach dich auf, geh in die große Stadt Ninive und
predige ihr. Da machte sich Jona auf und ging hin nach Ninive und verkündete:
In vierzig Tagen wird Ninive untergehen.
Da glaubten die Leute von
Ninive an Gott und ließen ein Fasten ausrufen und zogen alle, Groß und Klein,
den Sack der Buße an. Und der König gebot: Ein jeder bekehre sich von seinem
bösen Wege und vom Frevel seiner Hände! Wer weiß? Vielleicht lässt Gott es sich
gereuen, dass wir nicht verderben.
Jona 3,1-6.9
Ob Jona die „Vernichtung ohne wenn und aber“ als Wort
des Herrn gehört hat? Es ist nicht die Art Gottes, keinen Ausweg zu lassen.
Sollte Jona das „Wenn ihr euch nicht bekehrt“ einfach weggelassen haben? Weil
er die Stadt für so verdorben hält, daß sie Gott ein Gräuel sein muß?- So
dachte ja El-Kaida beim Angriff auf die Twin-Towers von New-York auch. Und
viele andere Fundamentalisten bieten sich dem Höchsten als scharfe
Gerichtsvollzieher an.
Doch Ninive
besinnt sich und stellt sich um auf
bescheidene und gerechtere Lebensart; sicher auch, um das angesagte
Unheil abzuwenden.
Wir haben Schwierigkeiten mit der Vorstellung, Gott
könne etwas gereuen. Es ist eine menschliche und menschenfreundliche Idee. Sie
meint: Im Gespräch mit seinen Menschen bewegt sich auch innerhalb von Gott etwas.
Sicher ist nicht auszuschließen, daß in Gott auch noch „unerwachte Träume“ (Rainer
M. Rilke) sind. Aber Gott weiß, was wir für eine Mischpoke, was für ein Verein
wir sind. Wir überraschen ihn wohl nicht, Er aber uns.
Jonas Unmut und Gottes Antwort
Als aber Gott ihr Tun sah,
wie sie sich bekehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen
angekündigt hatte, und tat’s nicht.
Gottes Güte aber verdross Jona sehr und er wurde
zornig und sprach zu Gott: Das ist’s ja, was ich dachte, als ich noch in meinem
Lande war, weshalb ich auch eilends nach Tarsis fliehen wollte; denn ich
wusste, dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist und
stehst nicht zu deinem Strafwort. So nimm nun, Herr, meine Seele von mir; denn
ich möchte lieber tot sein als leben. Aber Gott sprach: Meinst du, dass du mit
Recht zürnst?
Jona 3,10; 4,1-4
Wie kann einen die Güte
Gottes sauer machen? Es ist eine unserer Unarten, daß wir den Anderen gern
seiner gerechten Strafe überlassen. Wir aber sind dankbar für Verzeihen. Ja,
wir meinen, ein Stück Großmut stehe uns schon zu. Es ist dies oft eine Untugend
der Frommen- sie sind „päpstlicher als
der Papst“, wollen Gott nicht gütig sondern streng. Weil sie ja meinen, wegen
ihrer Verzichte gut bei ihm angesehen zu sein. Ja, sie denken oft, daß sich
Gehorsam nicht lohne, wenn er sich nicht im Himmel auszahle. Wenn dann das Strafgericht
ausbleibt, finden sie Gott und das Leben so unfair, daß sie lieber sterben. Ist
der prophezeite Weltuntergangstermin verstrichen, haben so manche glühend
Gläubige sich das Leben genommen.
Die Rettung kommt von Gott,
der mit uns das Gespräch fortsetzt.
Und Jona ging zur Stadt
hinaus und ließ sich östlich der Stadt nieder und machte sich dort eine Hütte;
darunter setzte er sich in den Schatten, dass er sähe, was der Stadt
widerfahren würde.
Gott aber ließ eine Staude
wachsen; die wuchs über Jona, dass sie Schatten gäbe seinem Haupt und ihm
seinem Unmut vertreibe. Und Jona freute sich sehr über die Staude.
Aber am Morgen, als die
Morgenröte anbrach, ließ Gott einen Wurm kommen; der stach die Staude, dass sie
verdorrte. Dann ließ Gott einen heißen
Ostwind kommen, und die Sonne stach Jona auf den Kopf, dass er matt wurde.
Da wünschte er sich erst
recht den Tod. Doch Gott sprach zu Jona: Meinst du, dass du mit Recht zürnst um
der Staude willen? Dich jammert die Staude, um die du dich nicht gemüht hast,
hast sie auch nicht aufgezogen, die in einer Nacht wurde und in einer Nacht
verdarb, und mich sollte nicht jammern Ninive, eine so große Stadt, in der mehr
als hundertundzwanzigtausend Menschen sind, die nicht wissen, was rechts oder
links ist, dazu auch viele Tiere?
Jona 4, 5-11
Gott erteilt dem Jona eine Lektion: Er beschenkt ihn,
dann entzieht er das Geschenk. Und was ist Jona darüber fuchsig! Dann führt ihn
Gott zur Einsicht: Jona hing an der Staude, weil sie ihm wohl tat. Gott hängt
an Ninive, weil er ihr wohl tat. Jona hat nichts dafür getan, daß die Staude
heranwuchs. Aber Ninive ist Gottes Schöpfung.
Wenn Jona schon um die Pflanze greint, für die er
nichts getan hat, um wieviel mehr hat Gott ein Recht, sich Ninives zu erbarmen,
die voll ist von seinen Menschen und
Tieren- jedes eine Gestalt seiner
Mühe.
Und die, die nicht wissen, was recht und unrecht ist,
die tun recht, nämlich Buße und bitten um Erbarmen- aber der Prophet pocht
auf Recht und Gesetz, als brauche er
keine Gnade, es ist lächerlich
Dies köstlich kleine Büchlein
ist ein Schatz der Menschheit.
* *
Es ist dir gesagt Mensch,
was gut ist und was der Herr von
dir will: Halt dich an sein Wort, liebe und sei einfach vor deinem Gott.
Was ist gut? Große ethische
Programme erstrahlen, riesige Paragraphenwerke grenzen das Gute, das Gebotene
vom Schlechten ab. Eigentlich reicht: Vertraue Gott, liebe, sei schlicht.
* * *
Die Weisheit ist strahlend
und unvergänglich und lässt sich gern erkennen von
denen, die sie lieb haben, und lässt sich von denen finden, die sie suchen. Sie
kommt denen entgegen, die sie begehren, und gibt sich ihnen zu erkennen.
Wer sich früh zu ihr aufmacht, braucht nicht viel
Mühe; denn er findet sie vor seiner Tür sitzen. Über sie nachdenken, ist
vollkommene Klugheit, und wer ihretwegen sich wach hält, wird bald ohne Sorge
sein. Denn sie geht umher und sucht, wer ihrer wert ist, und erscheint ihm
freundlich auf seinen Wegen.
Die Weisheit hat alles kunstvoll gebildet. Sie ist ein Hauch der göttlichen Kraft und
ein Bild seiner Güte. Sie geht in heilige Seelen ein und macht zu Gottes Freunden.
Weisheit 6, 13-17, 21.25.27
Nichts macht
uns menschlicher, nichts brauchen wir dringender als Weisheit. Sie macht zu
Freunden Gottes. Sie ist die Klugheit des Herzens und der Mut des Glaubens. Sie
liegt bereit. Sie lässt sich finden von denen, die sie suchen. Sie ist in der
Gegenwart da, sie zieht auch der Liebe Grenzen, sie ist kristallisierter
Schmerz, schützt vor Hochmut. „Klugheit ist der Jäger der Probleme, Weisheit
der Hirte der Geheimnisse“ (Jörg Zink).
Wage, weise zu werden. Und Weisheit
ist kein Kristall, den man in die Tasche steckt, sondern eine unendliche
Flüssigkeit, in die man hineinfällt (nach Robert Musil).
*
Und sie übertrifft alle
Sternbilder. Verglichen mit dem Licht hat sie den Vorrang. Denn das Licht muss
der Nacht weichen, aber die Bosheit kann die Weisheit nicht überwältigen.
Kraftvoll erstreckt sie sich von einem Ende zum andern und regiert das All
vortrefflich.
Gott, gib mir ab von der
Weisheit, die bei dir auf deinem Thron sitzt. Schick sie herab von deinem
heiligen Himmel, damit sie mir tätig zur Seite stehe, sodass ich erkenne, was
dir wohlgefällt. Denn die Gedanken der sterblichen Menschen sind armselig und
unsre Vorsätze sind hinfällig.
Weisheit 7,29. 30; 8,1;
9,4.10. 14
An den Rändern des alten Testamentes tut sich eine
Kraft auf, die im Neuen Testament „Heiliger Geist“ heißt. Auch die Weisheit ist
eine Erscheinung Gottes selbst. Sie bescheint die Schöpfung. Sie hilft uns
Menschen, das Leben zu bestehen. Sie lässt
sich von unserer Bosheit nicht zermalmen- das ist unsere Hoffnung. Die
Weisheit regiert das All- daran kann unsere Dummheit höchstens kratzen. Das ist
unsere Rettung.
*
Ist es das?
Womit jemand sündigt, damit
wird er auch bestraft.
Weisheit 11,16
Wer lügt, muss damit
rechnen, selber oft belogen zu werden. Wer seine Eltern nicht achtet, wird sich
hüten, Eltern zu werden. Wer Gewalt sät, wird Gewalt ernten. Wer allein lässt,
bleibt allein. Wer geizt, hat furchtbare Angst, zu verarmen. Wer nichts abgibt,
verstopft und erstickt. Das Leben ist so eingerichtet, über kurz oder lang
schallt es aus dem Wald heraus, wie man reingerufen hat.
Und was heißt da
Vergebung? Es ist eine ungeheure
Liebesenergie in der Welt- die wird ausgeschüttet über Böse und Gute. Allein,
wie viel Fahrfelher wurden “vergeben“ durch Achtsamkeit anderer, durch
Plastik-Knautschzonen, Leitplanken, fehlerfreundliche Technik. Viel Güte ist
unter den Menschen, wenn man nur artig bittet. Gott ist ein Liebhaber des
Lebens, wohl wahr.
Das Jüngste Gericht wird
noch mal zur Sprache bringen, was wir angerichtet haben. Ob dann unser
Verschulden, Versagen, Versäumen, unser Weggeschauthaben überwiegt? Das letzte
Wort hat nicht unser Tun sondern Gott, das ist unsere einzige Chance.
*
Gott, Du hast alles nach
Maß, Zahl und Gewicht geordnet. Deine Kraft gewaltig zu erweisen ist dir
allezeit möglich. Die ganze Welt ist vor dir wie ein Stäublein an der Waage und
wie ein Tropfen des Morgentaus, der auf die Erde fällt.
Aber du erbarmst dich über
alle; Du kannst alles. Und du übersiehst die Sünden der Menschen, damit sie
sich bessern sollen. Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von dem,
was du gemacht hast; denn du hast ja nichts bereitet, gegen das du Hass gehabt
hättest. Wie könnte etwas bleiben, wenn du nicht wolltest? Oder wie könnte
erhalten werden, was du nicht gerufen hättest?
Du schonst aber alles; denn es gehört dir, Gott, du
Liebhaber des Lebens. Dein unvergänglicher Geist ist in allem.
Weisheit 11, 21-26; 12,1
Hier unter den „Apokryphen“, dem Anhang des Alten Testamentes, der
traurigerweise in den meisten Bibeln fehlt, hier ist dies Goldstück des
Glaubens versteckt. Kein Text preist den Großmut Gottes schöner. Alle Energie
ist Gottes Energie. Was sind wir dagegen? Ein Hauch, ein Stäublein. Aber groß gemacht
sind wir durch sein Lieben.
Sein Erbarmen lässt uns
blühen. Und soviel Heilkraft ist uns mitgegeben, dass unsere Sünden mit der
Zeit schon sich bessern. Sünden also Kinderkrankheiten, die sich verwachsen? Zu
schön denkt Gott von uns. Mancher hat seine Zeit nur zur „Verbösung“ genutzt.
Und dann leidet Gott mit, er saugt den Hass auf in all den Abeln dieser Erde.
Jesus ist wohl der deutlichste Leidträger und Freudenbote der Menschheit. Von
ihm handelt das Neue Testament.
* * *
Neues Testament
Die Texte des Neuen Testamentes
sind gruppiert um
A Jesus Christus
1 Jesu Geburt und Taufe
2 Jesu Worte und Taten
3 Jesu Passion – Kreuzigung –
Auferstehung- Pfingsten
B Apostelgeschichte, Briefe, Offenbarung
*
A Jesus Christus
Vorspann:
In allen vier Evangelien
nehmen die Passionsgeschichten breiten Raum ein, das älteste Evangelium nach
Markus nannte man sogar „eine Passionsgeschichte mit ausführlicher Einleitung“
(Martin Kähler). Im Sterben kommt Jesu Leben als Opfergang zum Ziel. Er stand
für Gott, den gnädigen Gott ein, bis zum letzten Atemzug.
Diesen Zeugen und Propheten
bestätigte Gott als seinen liebsten Menschen. In ihm sah sich Gott am besten
geerdet, Jesus hatte ihn am echtesten verkörpert- in ihm glaubten viele Gott
persönlich am Werk. Mit der Auferstehung, glauben Christen, ist die
Gottesqualität des Jesus besiegelt. Seitdem ist er der „Christus“, der zum
ersten Sohn Gottes Gesalbte und hat teil an Gottes Allmacht.
Die Gottessohnschaft
-Energie des Jesus war schon zu Lebzeiten des irdischen Jesus kraftvoll. Nach überwundenem Tod bekam das
Zurückliegende noch mehr Heiligenschein, der Auferstandene leuchtete im
Gedächtnis, die Taten und Worte glühten auf.
Die schlichten historischen
Ereignisse wurden in ihrem Zeichencharakter erkannt und geschmückt und auch
ergänzt.
Klar ist, daß die Erfahrung
mit dem historischen Jesus schnell verloren zu gehen drohte, als die Jünger und
Nächsten sich alle vor Todesschreck zerstreuten. Hätte der auferstandene
Christus sie nicht gesammelt, erleuchtet, geheiligt und losgeschickt, das Leben
gottvoll zu bestehen, so wären Jesu Spuren schnell vom Winde verweht.
Am Anfang der
Berichterstattung über Jesus stand die mündliche Überlieferung. Man erwartete
in allernächster Zeit den Weltuntergang mit Aufgang des Reiches Gottes. Eine Spruchsammlung kann schon kurz nach Jesu Tod und Auferstehen angefangen
worden sein, die später den ersten drei Evangelisten zur Verfügung stand. Erst
als die ersten Zeugen des historischen Jesus starben, wuchs die Angst, das Gedächtnis an Jesu Leben könne verblassen.
Markus schrieb die Passionsgeschichte mit kurzer Auferstehungsfanfare, dazu die
wichtigsten Taten und Worte des Jesus. Die nächsten Evangelisten hatten
Sondergut einzubringen und eigene Theologien, je für ihre Leserschaft. Markus weiß nur von der Taufe, Lukas und Matthäus dann auch von
Geburt und Stammbaum. Wohl 100 Jahre
nach Jesu Geburt, wagte man Christus als
aus Gottes Ratschluß vor aller Zeit gezeugt zu denken- so der Evangelist
Johannes.
Aus allen vier Evangelien
werden hier die Sternstunden und die Goldworte des Jesus Christus aufgeführt.
A 1 Jesu Geburt und Taufe
Die Prophezeiungen
Es wird nicht dunkel
bleiben über denen, die in Angst sind. Gott selbst wird euch ein Zeichen geben:
Eine junge Frau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie
„Immanuel“ nennen- „Gott mit uns“.
Das Volk, das in Finsternis
lebt, sieht ein großes Licht, und über denen im Dunklen scheint es hell.
Du weckst Jubel, du bereitest
große Freude, wie man fröhlich ist, wenn man die Ernte teilt.
Denn du hast die Jochstange
auf ihrer Schulter und den Knüppel ihres Treibers zerbrochen. Jeder Stiefel,
der noch mit Gedröhn auftritt, und jeder durch Blut geschleifte Mantel wird
verbrannt.
Uns ist ein Kind geboren,
ein Sohn ist uns gegeben, er ist der Weltenherrscher; und er heißt Wunder,
Großer Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst.
Groß soll seine Herrschaft
werden auf Davids Thron und der Frieden soll nicht enden in seinem Königreich. Er
stärke es durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit.
Jesaja 8,23; 7,14; 9,1-6
Die Zeitenwende, die Christus
mit sich bringt, ist lange schon erahnt, erhofft und prophezeit. Zur Zeit des
Propheten Jesaja um 730 v. Chr. ging es Israel schlecht- es war kurz vor dem
Ende des Reiches Israel. Da, mitten im tiefsten Elend, sagt der Prophet Heilung
und Frieden an. Kommen soll der Messias- der Erwählte, der das Reich Gottes auf
Erden aufrichtet. Glück und Gerechtigkeit werden herrschen für immer.
Als beglaubigendes Zeichen
hat Jesaja allerdings nur ein Allerweltsereignis: Eine junge Frau wird ein Kind
gebären und es „Gott mit uns„ nennen.
Erst die junge
Christengemeinde las das hebräische Wort für „junge Frau“ als „Jungfrau“-
vorgeformt war das im griechischen „partenon“ – was beide Bedeutungen hatte.
Damit war die Sensation des auferstanden Christus gedoppelt: nicht nur geht er
in den Himmel sondern ist auch vom Himmel her. Der Siegeszug des Jesus Christus
im griechisch-römischen Denkraum war mit jungfräulich-göttlicher Herkunft
gebahnt.
Uns Heutigen bleibt die
ehrwürdige Verheißung ein Hinweis, dass die Heilsgeschichte Gottes von langer
Hand geplant ihren Lauf nimmt.
*
(Siehe auch Psalm 24 - ein anderer wunderbarer
Adventstext )
*
Auch ein Adventstext
Halten wir fest am
Bekenntnis der Hoffnung und wanken nicht; denn Er ist treu, der sie verheißen
hat. Lasst uns aufeinander Acht geben; locken wir einander zur Liebe und zu
guten Taten. An den Gottesdiensten lasst uns Freude haben.
Wir leben in der letzten Zeit; es
ist höchste Zeit. „Der Tag“ naht.
Hebräer 10, 23-25
Advent heißt: Der Sonnenkönig unserer Seele kommt. In
uns ist das Leuchtbild „Krippenkind“. Das erweckt dich, dass du aufblühst in Liebe zu Allem. Advent ist Ruf zu neuen Ufern der Hoffnung. „Leinen
los!“ aus allem Festgefahrenen, hin zu Mut und Energie und Gemeinschaft. Die
Gemeinde hat viel Kraft. Sie bewahrt das Grundvertrauen der Christenheit. Wir
sollten uns an ihr stärken und wir sollten sie stärken.
„Advent“ hilft auch der Zeit auf die Sprünge- Die Zeit
ist kein Brei, keine ewige Wiederkehr des Gleichen. Sondern die Zeit ist
zielgerichtet. Wie unsere Lebenszeit aufs Sterben zueilt, so eilt die Weltzeit,
zum Ziel zu kommen. Der letzte Tag mündet in Gottes Fülle- „wovon die Sonne nur
ein Schatten ist“ (Arthur Schopenhauer).
*
Engel sind nötig
Der Engel Gabriel wurde von
Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer jungen Frau,
die verlobt war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau
hieß Maria. Und der Engel sprach zu ihr: Heil dir, Begnadete! Gott ist mit dir!
Maria erschrak über die Maßen
und dachte: Was ist das für ein Gruß!
Der Engel sprach zu ihr:
Fürchte dich nicht, Maria, Gott liebt dich und braucht dich. Du wirst schwanger
werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen „Jesus“ (Gott
rettet) geben. Der wird Sohn des Höchsten genannt werden und sein Reich wird kein Ende haben.
Da sprach Maria zu dem
Engel: Wie soll das angehen, kein Mann ist mir nah gekommen. Der Engel
antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des
Höchsten wird dich überschatten. Bei Gott ist kein Ding unmöglich.
Maria sagte: Ich bin Gottes
Dienerin; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.
Lukas 1,26-38
Lukas verkündigt die Geburt
Jesu als das größte Wunder nach der Schöpfung; ja, die Geburt Christi ist Vervollkommnung der Schöpfung. Gott erdet
sich in diesem Jesus, nimmt irdische Geschichte als eigene Biographie an. „So
sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen Sohn sandte“ (Johannes 3,16),
letztlich, damit wir uns als Mitkinder Gottes wissen können.
Die Auferstehung wurde als Gütesiegel
auf das Wesen des Jesus verstanden. Seitdem ist er für den Glauben als Sohn
Gottes qualifiziert. Seine vorher getanen Wunder hatten diese Beweiskraft noch
nicht.
Die Umstände von Jesu
Geburt liegen vollständig im Dunklen. Erst lange nach Tod und Auferstehen Jesu
fragte man nach der Herkunft- und klar: Es müssen wirklich Engel, also
außerordentliche Boten Gottes, überirdische Fanfaren angesetzt haben. Die aber
hörten nur die kleinen Leute. Zum Kommen Gottes in niedrigen Hüllen würde
passen, daß er normal gezeugt und geboren ist.
Aber wenn Jesus durch die Auferstehung als Sohn Gottes erwiesen ist,
dann- sagt die gläubige Logik- ist er es auch schon bei der Geburt, wenn bei
der Geburt, dann auch bei der Zeugung. Johannes steigert das dann bis an den
Anfang der Schöpfung: „Am Anfang war das Wort. Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns“ (Johannes 1,1.14).
Natürlich sind Maria und
Josef die irdischen Eltern des Jesus, mit noch weiteren Kindern. Aber es gibt
eine Zeugung im höheren Sinn. Wenn schon der Kaiser von Rom seinen leiblichen
Erzeuger verbannte und den Gott Jupiter als seinen Vater ausgab, dann war es
nach Meinung des Missionars Lukas klar, daß dem Jesus das Jungfrauengeburts-Muster
auch zustand.
Lukas, der für Römer
schreibt, hat dieses Symbol auf Jesus übertragen- Und sagt damit: Die Wahrheit der Jungfrauengeburt ist im Kern:
In Jesus kommt Gott selbst - eben in Gestalt des Sohnes.
Natürlich muss diese Sensation von Engeln
verkündet werden: Das Wort Heiligen
Geistes zeugt den Sohn mittels Maria
und Josef. Diese sind Dienerin und
Diener Gottes.
Aber sind Eltern je in
anderer Rolle gewesen? Unsere Eltern liebten sich, aber daß wir daraus wurden,
ist doch Wille Gottes.
Darum nimm doch das Bild
von der Jungfrau Maria nicht als biologische
Anormalität sondern als Zeichen für Erschaffung durch den Willen Gottes. Und
nimm diese Abstammung auch für dich in Anspruch.
*
Die schönste Geschichte der
Menschheit
Es begab sich aber zu der
Zeit des Kaisers Augustus, dass er ein Gebot erließ, alle Menschen im Land zu
registrieren. Und diese Erhebung war die allererste und geschah zu der Zeit, da
Quirinius Statthalter in Syrien war. Und alle gingen, sich zählen zu lassen,
ein jeder in seine Geburtsstadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus
der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt
Bethlehem- er stammte ja aus dem Hause und Geschlechte Davids- und ließ sich
erfassen mit Maria, seiner Verlobten, die war schwanger.
Lukas 2,1-5
So beginnt die
Weihnachtsgeschichte- wohl die am innigsten zu Herzen gehende Erzählung der
Menschheit. Aus der Tiefe des Geschichtsraumes stürzt die Zeit auf die Geburt Gottes bei den Menschen zu. Es
ist wie eine Zoomaufnahme- erst unendlich langsam, dann immer schneller, dann
in einem Nu auf uns Menschen zu.
Spätere Jahrhunderte wurden
im christlichen Raum nicht mehr nach den Römischen Kaisern gezählt sondern die
Geburt Christi nahm man zur Wendemarke
von vorher und nachher.
Es war unter Kaiser
Augustus, daß die Menschen im jüdischen Land wegen einer Volkszählung an ihren
Geburtsort mussten. Das brachte Josef mit der schwangeren Maria in seinen
Geburtsort Bethlehem, der auch Geburtsort des Königs Davids war, seines fernen
Vorfahren.
Es ist ja auch von langer
Hand vorbereitet, daß Gott in einen Menschen besonders sich einläßt, um die
Erde sich noch mehr anzueignen und sich seiner Schöpfung anzuverwandeln.
Das Schicksal der Schöpfung
ist Gottes Schicksal. Das hat die Menschheit mittels verschiedener Religionen
geahnt, aber dem Volk Israel wurde zuerst der eine Gute Ganze entdeckt,
aufgetan durch Träume und Seher und Propheten. In Israel war klar, daß der
endgültige Retter, der Messias, der Gesalbte als neuer König in Jerusalem
einziehen wird, und dann bricht der Himmel auf die Erde, und es wird ewige Freude
sein. Und die Völker kommen, anzubeten in Jerusalem. –
Das fängt für die Christen
mit Jesus Kommen an- nur, daß das „Reich Gottes
mitten unter uns (erst) im Anbruch ist“ (Lukas 17,21). Wie fängt das
Reich Gottes unter uns an? Ein Paar
macht sich auf den Weg, den Heiland zu gebären am richtigen Ort.
Obdachlos
Und als sie dort waren, kam
die Zeit, dass sie gebären sollte.
Und sie gebar ihren ersten
Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe in einem
Stall; Raum hatten sie nicht in der Herberge.
Lukas 2,6
Stall und Trog - ein karger
Anfang für den Herrn über und in Himmel und Erde. Aber das hat
Offenbarungsqualität: Unser Gott kommt zu Fuß, ist Diener aller. Er nimmt das
Mühselige auf sich, er leidet mit das Leid der Welt und heiligt das Normale.
Kein Raum in der Herberge- die
Flüchtlinge dieser Erde bitten um Essen und Dach und Arbeit.
Am Anfang der Stall
In der Nähe waren Hirten
auf dem Felde bei ihrer Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die
Klarheit des Herrn erleuchtete sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel
sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude,
die allen Menschen widerfahren wird; euch ist heute der Heiland geboren,
Christus, der Herr in der Stadt Davids.
Und das nehmt zum Zeichen:
Ihr werdet finden ein Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.
Lukas 2,8-12
Die Hirten, arme Leute
merken auf: Ein Kind ist geboren. Das ist Engelmusik: Es geht weiter, Zukunft
liegt vor aller Augen. Die Welt geht noch nicht unter. Jedes Kind garantiert:
Gott ist noch am Schaffen. Jedes Kind ist Bürge: Vor uns: Nennenswertes. Aber dass
dort „das Herz aller Dinge ins Fleisch kriecht“, muß einem gesagt werden, da
müssen uns schon die Ohren des Herzens aufgetan werden. Nehmt das als Zeichen:
im Kleinen das Große, Im Stroh das Gold. Im Jesus-Menschen Gott greifbar.
Frieden
Und alsbald war da bei dem
Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre
sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und ein Wohlgefallen den Menschen
aneinander.
Lukas 2, 13.14
Das ist die Mitteilung des Jesus
Christus: Gott legt seine Ehre ein in den Frieden auf Erden. Der beginnt damit,
daß wir Wohlgefallen aneinander hegen, uns leiden mögen, auch wenn wir
aneinander oftmals leiden. Es ist eine Friedenenergie in der Welt, die kehrt
uns zueinander. Allein schon die Liebesfreude, die uns Menschen eins werden
lässt, strahlt Befreundekraft weit in
die Gesellschaft aus. Elternliebe und Kollegialität und Kameradschaft und
Fairness und die Tauschlust machen, daß Schranken und Grenzen schrumpfen - Gott
lässt auf viele Arten Sympathie in das Geschehen strömen. Er wir uns zum
Frieden bringen.
Zeuge sein wollen
Und als die Engel von ihnen
gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns jetzt gehen
nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die uns der Herr mitgeteilt hat.
Lukas 2,15
In den Krippenspielen und
Weihnachtsoratorien kommt an dieser Stelle Aufbruch und die Lust zu sehen ins
Spiel. Auch will man was mitbringen, wenn ein Kind begrüßt wird; will dem neuen
Erdenbürger ein Herzlich Willkommen sagen.
Eigentlich ist jedes Neugeborene ja Kind Gottes, in dem der Himmel alle
Gaben noch mal neu und einmalig mischt.
Jedes Kind ist ein neuer Versuch Gottes, sich selbst hier
unterzubringen.
Nur wer aufbricht, kann
finden.
Und sie eilten und fanden
beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe. Dann breiteten sie das
Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, die das hörten,
wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten.
Lukas 2, 16-18
Gut, über einem
Neugeborenen ein Wort zu sagen, das man vom Himmel her gehört hat. Dem Jesus
ist bestimmt, die Liebe Gottes zu leben, allen Widersprüchen zum trotz. Und letztlich
ist es das, was genau jedes Menschenkind realisieren soll: In den Mühen
doch die Perlen des Reiches Gottes finden,
Freundlichkeit leben mit der
eigenen kleinen Kraft, unermüdlich.
Ob uns auch der Heiland
geboren ist? Ob wir uns auch aufmachen, die Welt zu sehen, wie er es tat? Ob
uns die Welt als christuserfüllt aufgeht?
Weihnachten ist immer, wenn uns der Jesus Christ aufgeht als Pfand für
die Liebe Gottes.
Wir sind, was uns bewegt
Maria aber behielt alle
diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um,
priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie es zu
ihnen gesagt war.
Lukas 2, 19. 20
Die Widmung behalten, die Worte der Zuversicht im Herzen
bewegen, das ist die Weihnachtskunst. Sich selbst als lichten Menschen glauben,
die Mitmenschen zum Leuchten bringen, einen Schimmer Gottes auf die Stirnen
legen denen, die dir begegnen. Und wieder an die Arbeit gehen, preisend,
dankbar, mutig, tatkräftig.
*
Die Weisen aus dem
Morgenland
Es kamen weise Männer aus
dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborene König der
Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Osten und sind gekommen, ihn
anzubeten.
Als das der König Herodes hörte,
erschrak er und er ließ alle Hohenpriester und Schriftgelehrten zusammenkommen und
erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte.
Und sie sagten ihm: In
Bethlehem - so steht es geschrieben beim
Propheten (Micha 5,1):
»Und du, Bethlehem im
jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn
aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.«
Da rief Herodes die Weisen
zu sich und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht
fleißig nach dem Kind; und wenn ihr’s findet, so sagt mir’s wieder, dass auch
ich komme und es anbete.
Als sie nun den König
gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland
gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein
war.
Als sie den Stern sahen,
wurden sie hocherfreut und gingen in das Haus und fanden das Kind mit Maria,
seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf
und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.
Und Gott befahl ihnen im
Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren; und sie zogen auf einem andern
Weg in ihr Land.
Matthäus 2,1-12
Bei Markus, dem ältesten
Evangelisten, taucht Jesus wie aus dem Nichts auf bei Johannes dem Täufer. Matthäus und Lukas
schrieben eine Generation später. Ihre Gemeinden wollten wissen, „wie sich das
alles begab“. Beide Evangelisten setzten Stammbäume vor die Geburt, Matthäus
lässt ihn beginnen bei Abraham, Lukas lässt ihn entspringen bei Gott und Adam.
Jedenfalls wurzelt Jesus tief in der Geschichte der Menschheit und des Volkes
Israel.
Lukas erzählt die Geburt,
wie sie idealerweise hat geschehen können, und
müssen. Matthäus widmet sich der Bedeutung des Neugeborenen: Der ist ein
König -wenn auch der Herzen, nicht des irdischen Regimentes. Repräsentanten der
Völker kommen, die mit Hingabe und Gaben dem künftigen Weltenretter huldigten.
Im Kontrast zur Weisheit
der Heidenwelt steht die Infamie des jüdischen Königs, der gar nicht anbeten
sondern vernichten will. Dem Herodes werden Züge des Pharaos von einst
angedichtet- wie damals in Ägypten die jüdischen Neugeborenen umgebracht
wurden, so ruft jetzt Herodes den Kindermord von Bethlehem aus. Matthäus
unterstreicht so, daß Jesus der neue, der wahre Mose ist. Auch die Flucht nach
Ägypten (Matthäus 2,13-23) ist ein Bild für
die heilsgeschichtliche Doppelung: Wie Mose kommt der Retter aus
Ägypten.
Diese Parallelen wurden von
den Zeitgenossen sofort verstanden. Matthäus und Lukas predigen die große
Bedeutung des Jesus mit
Bildern der alttestamentlichen
Verheißungen.
Die Anbetung der drei Weisen, Magier oder Könige aus
dem sagenhaften “Osten“ ist eines der meistdargestellten Motive der Malerei. In
den Krippenspielen unserer Kindheit waren die Rollen der festlich gekleideten
Männer sehr begehrt. Die Gaben boten
Anlass zu tiefgründiger Auslegung: Was dem Christus dargebracht war, gebührt
ihm: Unser Gold, also Geld ist nur anvertrautes Gut. Weihrauch steht für
Anbetung, Myrrhe – das wohlriechende Öl deutet auf Tod und Auferstehen hin.
*
Das Wort wurde Fleisch
Im Anfang war das Wort, und
das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott.
Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht,
was gemacht ist.
Johannes 1,1-3
Das Johannesevangelium
bietet keine Geburtsgeschichte des Jesus sondern hoch konzentrierte Theologie.
- Der Ursprung, der Samen von allem, der Keim der auch im Wachsenden bleibt-
ja, das alles Betreibende war und ist „logos“: Das Wort, der Wille, der Geist,
die Weisheit- alle diese Energieformen
schwingen mit im griechischen Wort dieser Stelle. „Logos“, „das Wort“
am Anfang ist so dramatisch stark, weil damit klargestellt ist: Am Anfang von Allem steht der Wille Gottes,
sich zu äußern und verstanden zu werden.
Der Wille, sich zu äußern
und verstanden zu werden, ist Gottes inneres Wesen. Das „Alles auf Einmal, aus
dem wir kommen“ (B. Strauß), die Seinskraft äußert sich, teilt sich mit in
empfänglichem Anderen, erfindet überhaupt erst Leben, und davor die Materie als
Träger. Sein Wille, sich zu äußern, schafft die Welt und ist der Grund aus dem ein Jeder entsteht.
Alles, was ist, ist
Mitteilung von Gott. Darum ruhte Gott auch nicht, bis er ein Wesen entwickelt
hat, das auf Wort, Geist, Verstehen anspricht.
Auch die Natur hört Gott,
sie gehorcht ihm, indem sie alles als Material für weitere Entfaltung zu nutzen
sucht. Und Gott ist damit beschäftigt,
die Verständigung zwischen ihm und seiner Schöpfung und seinem Spitzenprojekt
Mensch noch zu verbessern.
In ihm ist das Leben, und das
Leben ist das Licht der Menschen.
Johannes 1,4
Gottes Wort und Wille, sich
mitzuteilen, ist das Innerste des Lebens. Im Lebendigen mit Schmerz und Abbrüchen gibt sich Gott aus
(Gott ist das Lebendige in allem Fleisch- 4. Mose 16,22). Alles Lebendige ist
provisorisch, ist Ausriß und auf den Tod zu, aber Gottes Geisteinhauchung macht
alles Bruchstückhafte geistvoll und zueinandergehörig. Die Lebenswollust ist Gottes
Begeisterung, mit Lebenswillen steckt er uns an.
Die Freude zu leben ist das
Licht der Menschen. Darum nimm keinem die Freude an sich und schau mit Freuden,
wie auch Natur ihr Wachstum zeigen will.
Und das Licht scheint in
der Finsternis, und die Finsternis begreifts nicht.
Johannes 1,5
Das Licht der Liebe
scheint. Das macht, dass wir uns als Teile eines Puzzles erkennen. Wir sind
geneigt, zu ergänzen, uns ergänzen zu lassen. Im Licht der Erkenntnis dämmert
uns: Unser Lebenswerk ist Arbeit der
Liebe. Gottes Sein besteht in Seingeben; wir, die aufs Licht der Liebe
Angewiesenen, wir sind ganz Seinnehmen (Johannes Tauler).
Der Herd des Seins befeuert
uns, lieben und handeln zu wollen.
Aber es bleibt oftmals finster in unsern Seelen. Zwar
strahlt uns die Liebe an, aber wir leuchten nicht oder nur matt von innen. Da muss
ein Offenbarer kommen, der uns innen ganz neu tapeziert. Uns gefrorene Seelen
wird der Leuchtfeuermensch Christus noch einheizen und zum Lieben überreden.
Es war ein Mensch, von Gott
gesandt, der hieß Johannes.
Der kam als Fackelträger,
um Licht auf den zu werfen, der der Glaubwürdige ist. Johannes war nicht das
Licht, sondern er sollte zeugen von dem Licht, das alle Menschen erleuchtet.
Johannes 1, 6-9
Johannes, der Täufer war
wohl der letzte Prophet der Zeit des Alten Testamentes. Er entlarvte den Menschen ihr Sündersein, ängstete vor dem kommenden
Gericht; aber er konnte selbst nicht retten. Er machte hungrig auf den Erlöser
der Gewissen. Der erleuchtet alle, erinnert an die ewige Zugehörigkeit zum
GutenGanzen.
Er war in der Welt, und die
Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein
Eigentum; aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Johannes 1,10.11
Jesus Christus ist die Hauptgestalt
des Wortes und Willens Gottes. – Er war hier als historischer Mensch, als
wahrer Mensch und insgeheim wahrer Gott. Dass durch ihn die Welt geschaffen
ist, kann heißen: Jesus ist Auftischer und Vorkoster und Kundschafter und
Heilender. Die Welt erkannte ihn nicht,
merkte auch nicht seine Besonderheit
neben Gott. Dass er damals anfassbar irdisch
als Sohn Gottes hier war, erkannte man erst im nachhinein.
Aber das Grundstürzende
ist: Weil er „von Gottes Art“ ist, ist die Welt auch seine Schöpfung, sein
Eigentum. Er ist in der Welt als
Geistkraft, als Denklust, als Verbündefreude, als Liebe. Wenn
wir meinen, Liebe sei chemische Reaktion, sozialer Klebstoff, irgendetwas
Machbares, dann nehmen wir das geistige
Abenteuer „Christus“ nicht auf.
Die ihn aber aufnehmen, die an seinen Namen
glauben, denen gibt er Macht, sich als Gottes Kinder zu erkennen. Die wissen,
sie sind nicht von Menschenwillen
sondern von Gott gewollt; und darum sind wir hier.
Johannes 1,12,13
Jesus Christus annehmen,
heißt, sich selbst als Kind Gottes annehmen. Das schiebt die Macht irdische Elternschaft nach hinten. Wichtiger
ist, daß wir von Gott gewollt, entworfen, geschaffen sind mittels der Eltern.
Auch und erst recht ist die Zeugung des Jesus
gottgewollt, mittels seiner irdischen Eltern. Eltern sind die
Instrumente, die Helfer; Gott ist der Grund eines jeden von uns.
Es ist eine ungeheure
Macht, sich als Kind Gottes zu erkennen. Es rüstet uns mit Unverletzbarkeit
aus, mit einem Selbstbewusstsein, das nicht von schlechten Eltern ist.
Das Wort wurde Fleisch und
wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit des
einziggeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Johannes 1,14
Die Materie hat große
Würde. Sie ist nicht nur Pflanzboden für die Himmelsfrucht. Sondern Gott,
Geist, Schöpferwillen. Lebenswort verwandeln sich in Natur, Leib, Erde. Gott
schafft nicht nur und hält dann die Schöpfung weit von sich. Sondern er zieht
sich die Schöpfung an, macht das Leben zu Seinem. Nicht nur ein schöner Gedanke
Gottes blüht auf als Mensch. Sondern im Bild von VaterMutter und Sohn kommt
Gott zur Welt und unterzieht sich einem Lebenslauf- letztlich um uns wissen zu
lassen, daß er unser aller Leben mitlebt.
Johannes gibt Zeugnis von
ihm und sagt: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der
vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich. Das Gesetz ist durch Moses
gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden. Niemand hat
Gott je gesehen; der Erstgeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist,
hat ihn uns verkündigt.
Johannes 1,15.17.18
Grandios verkündet Johannes
die Einzigartigkeit des Christus. Er bezeugt seine Herkunft aus der Ewigkeit
und sein zukünftiges Sein in Ewigkeit. Von Gott, zu Gott, bei Gott. Weit
greifen die Erinnerungen zurück an diesen leuchtenden irdischen Jesus.
Der Evangelist schreibt aus
einem Abstand von mehreren Generationen.
Er gibt sich aus als Lieblingsjünger Johannes, er schreibt unter dem
Namen des berühmten Zeugen des historischen Jesus, wahrt literarisch den Schein,
dass er noch immer außer Atem sei.
Als Prediger seiner
alexandrinischen Gemeinde weiß er den Christus des Glaubens gegenwärtig. Er
sieht sich nehmen Gnade um Gnade, damals wie heute: Durch Moses lernen wir das
richtige Tun, aber Jesus Christus bringt
uns in das wahre Sein: Wir sind Kinder Gottes, dem Jesus Christus nach, der
Erstgeborener ist. Er ist Gott so nah, daß er Gott selber ist, sitzt aber auch
in seinem (oder ihrem) Schoß, was das
Zusammensein Gottes und Christus abbildet.
Es bleibt Geheimnis, wie er Gott
selbst ist und gleichzeitig ihm auch gegenüber
ist, so daß er ihn gesehen hat und ihn uns darbietet in Reden und Tun.
Und von seiner Fülle haben
wir alle genommen Gnade um Gnade.
Johannes 1,16
Das kann nicht jeder sagen
und nicht zu jederzeit. Aber du, ich? Im Lied „Lobe den Herrn„ heißt es: „Der
dich erhält, wie es dir selber gefällt, hast du nicht dieses verspüret“? Doch;
immer wieder und letztlich- du hast erlebt:
Viel Bewahrung, Wunder, Güte,
Vergebung, heilsame Fügung; Gut gegangen- so viele Male. Ja, Gnade um Gnade, „ein
volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß“ (Lukas 6,38). Nur,
unsere kleine Denkkraft kann all die Fülle von Beschenktsein nicht fassen.
Leicht werden wir mürrisch, wir nörgeln, sind verstimmt. Oft hilft dann schon
ein Gang im Freien oder ein Gespräch oder eine Freundlichkeit; schon ein
tiefes, bewusstes Atmen kann einem den Staub von der Seele nehmen.
*
Simeon und Hanna
Sie brachten den Säugling Jesus
nach Jerusalem in den Tempel. Ein Mann mit Namen Simeon, der auf den Messias
wartete, hatte die Weisung vom Heiligen
Geist empfangen, er werde erst sterben, wenn er den Herrn Christus gesehen habe.
Als nun die Eltern das Kind
Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist, da nahm er
ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach: Herr, nun lässt du deinen Diener
in Frieden fahren, wie du gesagt hast; meine Augen haben deinen Heiland
gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern- ein Licht, zu erleuchten die
Heiden und zum Preis deines Volkes Israel. Und sein Vater und seine Mutter
wunderten sich über das, was von ihm gesagt wurde. Und Simeon segnete sie. Es
war da auch eine Prophetin Hanna, die war hochbetagt, die segnete sie auch. Das
Kind aber wuchs und wurde stark, voller Weisheit, und Gottes Gnade war bei ihm.
Aus Lukas 2, 22-40
Jesus war dem jüdischen
Gebot zufolge im Tempel beschnitten worden am siebten Tage; war damit
gekennzeichnet als Nachkomme Abrahams und Glied der Gemeinde. -Wie befreiend
wirkt später die Ablösung der Beschneidung durch die Taufe, die ja endlich für
beide Geschlechter gleichwertige Gotteskindschaft besiegelt.
Verheißungen begleiten
jedes Neugeborene. Jesus empfängt von den Repräsentanten der Vergangenheit,
Simeon und Hanna Segen und Widmung: Er werde „Licht, zu erleuchten die Heiden“.
Eindrucksvoll die Szene, wie der Alte meint, nun sterben zu können, da seine
Mission erfüllt ist.
*
Der zwölfjährige Jesus im
Tempel
Jesu Eltern gingen alle Jahre
nach Jerusalem zum Passafest.
Und als er zwölf Jahre alt war,
ging er mit.
Als dann die
Tage vorüber waren und sie wieder nach Hause gingen, blieb der Knabe Jesus in
Jerusalem und seine Eltern wussten es nicht.
Sie meinten, er wäre mit den Gefährten vorausgegangen.
Am Abend aber suchten sie ihn unter den Verwandten und Bekannten.
Und da sie ihn nicht fanden, kehrten sie wieder um
nach Jerusalem und suchten ihn dort.
Und sie fanden ihn im Tempel sitzen, mitten unter den
Schriftgelehrten, wie er ihnen zuhörte und sie fragte. Und alle, die ihn
hörten, verwunderten sich über seinen Verstand und seine Antworten.
Seine Mutter aber sprach zu ihm: Mein Sohn, warum hast
du uns das angetan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht.
Und er sprach zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht?
Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in meines Vaters Haus?
Und sie verstanden das Wort
nicht, das er zu ihnen sagte.
Er aber ging mit ihnen
nach Hause und war ihnen untertan. Und Jesus nahm zu an Weisheit, Alter
und Gnade bei Gott und den Menschen.
Lukas 2, 41-52
Eine Legende vom jungen
Jesus: Ideal und wahr, wenn auch nicht historisch.
Jesus geht mit den Eltern
zum Tempel- ein Tage langer Weg von Nazareth. Auf dem Rückweg bemerken die
Eltern: Ihr Sohn ist im Gotteshaus zurückgeblieben. Es ist so, als wenn ein
Kind, überfließend vor Musikalität, zum ersten Mal ein Orchester hört. Und wer
religiös so erfüllt ist, der kommt zum ersten Mal nach Hause, wenn er im Tempel
ist. Jesus entdeckt im Lauschen auf die Schrift seine Muttersprache, Gottes
Wort. Jesus ist hingerissen dorthin, wo der Wille Gottes ausgelegt wird:
Vielleicht erlauscht Jesus schon die Stimme, die nicht in Stein und Papier
geschrieben ist, sondern die in ihm Person wird. –Aber er bleibt den Eltern
untertan, bis seine Zeit gekommen war.
Auch Jesus muss die Reise
durch Kindheit und Jugend gehen, die Lehrjahre in Gesetz und Ordnung, bis dann
die richtigen Worte zu ihm kamen. Auch Jesus brauchte Zeit, zu wachsen in
Gottes- und Menschenweisheit.
Mit etwa dreißig ist er dann in die
Öffentlichkeit getreten. Ein oder drei Jahre hat er gewirkt und den Himmel uns
auf die Erde geholt.
*
Die Taufe Jesu
Jesus kam zu Johannes dem
Täufer. Der predigte in der Wüste von Judäa und sprach: Bereitet dem Herrn den
Weg (Jesaja 40,3),
tut Buße, denn das Himmelreich
ist nahe herbeigekommen!
Johannes hatte ein Kamelfell um, zusammengehalten von
einem ledernen Gürtel; er nährte sich von Früchten des Feldes. Die Menschen
strömten zu ihm, bekannten ihre Sünden und ließen sich taufen im Jordan. Und er
herrschte sie an: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gewiss gemacht, dass ihr
dem künftigen Zorn entrinnen werdet?
Matthäus 3,1-7
Johannes war wohl eine
verwegene Erscheinung in dramatischer Zeit: Einer der vielen Bußprediger, die
das Jüngste Gericht als unmittelbar bevorstehend ansagten. Er zog die Menschen
an, weil er das Heilmittel zu haben schien: Er zerknirschte die Seelen mit
Donnerworten, als „ Otterngezücht“ beschimpfte er sie, zwang sie auf die Knie,
daß sie sich als schäbig erkannten unter ihrer Sündenlast. Durch Untertauchen
im Jordan sollten sie ihre Sünden
abgewaschen bekommen und das Auftauchen als Augenblick der neuen Geburt nehmen.
Aber die Vergebung des Johannes fordert
ein andauerndes in die Buße Kriechen. Richtig froh werden wir erst, wenn wir
uns als Sünder und Gerettete zugleich wissen, dem Jesus nach.
*
Tut Buße
Und weiter predigte
Johannes: Denkt nur nicht, ihr könntet sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Ich
sage euch: Gott vermag dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken.
Es ist schon die Axt den
Bäumen an die Wurzel gelegt. Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird
abgehauen und ins Feuer geworfen. Ich taufe euch mit Wasser zur Buße; der aber
nach mir kommt, ist stärker als ich- ich bin nicht wert, ihm die Schuhe zu
schnüren; der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.
Matthäus 3, 9-11
Der Täufer Johannes schlug
den Zeitgenossen ihre frommen Gewissheiten aus dem Kopf: Es nützt keine
Tradition, die ihren blassen Heiligenschein über die Gegenwart verströmt; Keine
Verwandtschaft mit dem Vater Abraham adelt, keine Volkszugehörigkeit zu Israel
oder heute keine Kirchzugehörigkeit macht uns Liebkind bei Gott. Die Axt am
Baum ist ein starkes Bild, dass alles zu einem Ende kommt und dann gewichtet
wird im Gericht.
Johannes ist der letzte
Bote des Alten Testamentes. Der Bund, der die Menschen für das vor Gott
Bestehen selbst verantwortlich macht, ist kraftlos geworden. Letztlich vergeblich
sind all die Appelle zu Gehorsam und Buße- jedenfalls darf man davon nicht das
Seelenheil abhängig machen, das ahnt auch schon Johannes; Er wartet auf den
Messias.
Aber welche neue Qualität
bringt Christus? Wird seine Taufe mit feurigem Geist die Menschheit zu neuen
Ufern leiten? Wischt er unser schwaches
Tun hinweg und schmückt uns als die leuchtenden Kinder Gottes?
*
Jesu Berufung zum Sohn
Jesus kam aus Galiläa an
den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. Aber Johannes sagte:
Ich brauche es, von dir getauft zu werden. Jesus antwortete: Lass es jetzt
geschehen! Es ist gerecht. Da ließ er’s geschehen.
Und als Jesus
getauft wird, da tut sich ihm der Himmel auf, und er sieht den Geist Gottes wie
eine Taube herabfahren und über sich kommen. Und eine Stimme vom Himmel herab
spricht: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Freude habe. Matthäus 3,13-16
Jesus
unterzieht sich der Taufe zur Buße durch Johannes. Der zögert erst: Der Sohn
Gottes braucht keine Vergebung und Buße. Aber Jesus will die Taufe, die alle
nötig haben. Er weiß sich als Kind Gottes, weiß sich erwählt zum Amt des ersten
Sohn Gottes unter vielen Brüdern und Schwerstern. Sein Auftrag wird sein, uns
das Gottgehören beizubringen.
Die Taufe ist
uraltes heiliges Symbol - Untertauchen als alter Mensch, einen Augenblick wie
tot sein, dann auferweckt, ja, neu geboren werden zum Kind Gottes. Jesus hört
über sich die Widmung, in der die Adoptionsformel
für die Könige Israels mitklingt: „Gott
spricht: Du bist mein lieber Sohn, heute habe ich dich gezeugt“ (Psalm 2,7).
Gut, auch heute
unsere Kinder zu taufen, zum Zeichen: Du gehörst nicht nur zu Vater und Mutter.
Sondern du wirst –nimm die Taufe als symbolischen Geburtsvorgang- von Gott aus
dem Nichtsein ins Leben gerufen. Du gehörst zu christlicher Gemeinde, und sie
zu dir.
*
Jesu Versuchung
Nach der Taufe wurde Jesus
vom Geist in die Wüste geführt. Nach Tagen und Nächsten des Fastens hungerte ihn. Da trat der
Versucher zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so mach aus diesen Steinen
Brot. Da sagte er: Es steht geschrieben (5.Mose 8,3): »Der Mensch lebt nicht
vom Brot allein, sondern von Worten von Gott lebt der Mensch.«
Matthäus 4,1-4
Was bedeutet für Jesus die
Gottessohnschaft? Mit dieser Geschichte erklärt sich die urchristliche
Gemeinde, daß Jesus sich über seine Bestimmung erst selbst klar werden musste.
Der Sohn Gottes, der Messias, war ja eine klar fixierte Figur im großen
Welttheater der jüdischen Erwartung. Im Volksglauben erwartete man den
wiederkommenden, endgültigen König David. Der wird die Besatzung aus dem Land werfen
und Jerusalem zum Nabel der Welt machen. Dorthin sollen die Völker
ziehen, um ewiges Gebot und Rechtsprechung Gottes zu empfangen.
Es war anzunehmen, daß der
Auserwählte Gottes nicht hungern muss. Doch Jesus leidet Hunger. Da scheint er
angegangen zu sein von einer Idee: Ist das vielleicht der rechte Messias- Weg,
den Hunger der ganzen Welt und auch den eigenen zu beseitigen durch einfachen
Gebetsbefehl?
Aber Jesus ist sich klar, wird sich klar: Ich darf nicht
Gottes Kräfte hinter Gottes Rücken einspannen, darf nicht wider die Natur
handeln. Was wären gewonnene Kalorien bei
verlorener Bindung an Gott und Sinn? „Der Mensch lebt nicht vom Brot
allein“- weist uns auf Kultur, Freude, Sehnsucht, Liebe hin- vor allem aufs
Wort Gottes, das mich über den Wassern der Angst hält.
Für abwegige Gedanken
bietet sich im Bilderbuch unserer Seele
der Teufel, der Versucher an. Der ist kein Gegengott. Der Geist ist es ja, der
Jesus in die Wüste führt. Der Diabolos, der „Durcheinanderwerfer“ ist ein Souffleur fürs Böse, das an den Rändern
unserer Seele immer mitschwingt, uns aber nicht überschwemmen möge.
Beschaffte Jesus Brot aus
dem Nichts, würde er geradezu die Menschen verführen, ihn anzubeten. Er würde den Menschen ihre
Freiheit, an Gott zu glauben, nehmen. - Jesus hätte uns böse gemacht, das hätte
dem Teufel- im Bild gesprochen- gut gefallen.
Immer wieder lassen wir uns
unsere Seele abkaufen für Essen, Wohlstand, Sicherheit. Jesus blieb stark.
Seien wir nicht allzu schwach.
Dann führte ihn der Teufel
mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und spricht
zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so spring hinab; denn es steht geschrieben (Psalm
91,11-12): »Er wird seinen Engeln befehlen, dich auf Händen zu tragen- dein Fuß wird an
keinen Stein stoßen.“
Da entgegnete Jesus ihm:
Wiederum steht auch geschrieben (5.Mose 6,16): »Du sollst den Herrn, deinen
Gott, nicht versuchen.«
Matthäus 4,5-7
Dem Volk Wunder vorspielen-
kann das einen Augenblick reale Versuchung für Jesus gewesen sein? Die Menschen wären gezwungen, ihm zu glauben;
sie wären ihm hörig geworden. Auch kann ein Gotteswort missbraucht werden. Im
falschen Geist gebraucht, kann der Beter Gott benutzen und meinen, er verfüge über göttliche Kräfte. Aber Jesus
weist diese Idee ab. Ein einfaches „nein“ genügt in den meisten Fällen gegen Teufelei.
Du sollst Gott nicht einspannen zu deinen Gunsten; fertig.
Darauf führte ihn der
Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg. Er zeigte ihm alle Reiche der Welt
und ihre Herrlichkeiten und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben. Fall
nieder und bete mich an. Da sprach Jesus zu ihm: Fort mit dir, Satan! Denn es
steht geschrieben (5.Mose 6,13): »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und
ihm allein dienen.« Da ließ der Teufel von ihm. Und die Engel dienten ihm.
Matthäus 4,8-11
Jesus könnte auch versucht gewesen sein, das Böse einzuspannen
für gute Zwecke. Das Böse ausrotten, indem man sich des Bösen bedient? Aber so dient
man doch dem Bösen Versucherisch sind alle Einflüsterungen, daß der Zweck die
Mittel heilige. Da sind wir oft auf der Kippe: Mit einem Machtwort den
Familienfrieden erzwingen; mit kleinem Ideendiebstahl die Stellung festigen; mit
dem Teufel Beelzebub austreiben (Matthäus 12,24)- Doch Jesus bleibt stark. Er
beugt sich nur Gott. Hat sich Jesus einmal durchgerungen, den mühsamen Weg der
ehrlichen Normalität zu gehen, dienen ihm die Engel. Ihm gelingt es, Gott und
die Menschen und die Normalität nicht zu verraten.
Daß ihm die Engel dienten,
sieht man an den guten Kräften, die ihm zu Gebote stehen. Auch wir verfügen
über heilendes Können, Engel sind bei uns- wir werden uns keiner Teufelei
bedienen.
*
A2 Jesu Worte und Taten
Der Beginn des Wirkens Jesu
Der Prophet Johannes sagte
dem König Herodes dessen Sünden auf den Kopf zu. Da wurde er gefangen gesetzt.
Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist
nahe herbeigekommen!
Matthäus 4,12.17
Dieser Satz bildet die Mitte aller Predigten Jesu: Das
Himmelreich ist nahe. Gott will mit uns innig zusammen sein, will mit uns ein
Glück haben; die Menschheit ist dann eine Familie, die ganze Schöpfung findet ihre Vollendung. Gleich werden alle
Streite beendet, aller Hunger gestillt sein. Alle geschundene Liebe, die entbehrte,
die verratene, die nur achtlos gepflegte, wird geheilt.
Darum sollten wir jetzt schon Großmut walten lassen,
sollten mit Freuden teilen, sollen abkommen von
Ichsucht und Geiz. Sehen wir also nicht mehr schwarze Zukunft vor uns, als
schaute man in eine Geschützmündung. Mit
dem Feuervogel Jesus soll die neue Zeit
herbeikommen. Bei uns soll sich der Vorhang des Himmelreiches schon heben.
*
Die Berufung der ersten
Jünger
Jesus ging am See
Genezareth entlang, da sah er zwei Männer, Simon, der später Petrus genannt
wird, und Andreas, seinen Bruder; die warfen ihre Netze aus. Und er sprach zu
ihnen: Kommt mit mir; ich will euch zu Menschenfischern machen!
Sogleich verließen sie ihre
Netze und folgten ihm nach.
Und er sah zwei andere Brüder, Jakobus und Johannes im
Boot mit ihrem Vater Zebedäus die Netze flicken. Und er rief sie. Sogleich
verließen sie ihren Vater und folgten ihm nach.
Matthäus 4,18-22
Die Jünger und Jüngerinnen
Jesu sind eine sagenhafte Gruppe; einfache Menschen, die ganz Ohr für diesen
Jesus waren und jedes seiner Worte aufsaugten. Sie zogen mit ihm von Ort zu Ort
und bildeten einen Freundeskreis, der wurde Kern der späteren Urgemeinde. Die
„zwölf“ Jünger, sind vielleicht erst später entsprechend den zwölf Stämmen des
Alten Israels stilisiert zu einem heiligen Gral der Männer-Gefolgschaft.
„Sogleich“ folgten sie dem
Ruf Jesu. Sie ließen ab von ihren
Geschäften, ließen ihre Alltagsbindungen fahren und hinter dem Jesus her erfanden
sie sich neu. Die alten Bindungen abbrechen, das schafft noch kein Finden des
Jesus. Jesus finden, das kann geradezu verpflichten, den alten Bindungen neues Leben einzuflößen.
*
Der mitreißende Jesus
Jesus zog umher in ganz
Galiläa, er lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium vom Reich
Gottes. Alle hörte seine gute Nachricht. Und sie brachten zu ihm Kranke, mit
Leiden und Plagen behaftet, Besessene, Mondsüchtige und Gelähmte; und er machte
sie gesund. Und es folgte ihm viele Menschen.
Matthäus 4,23-25
An verschiedenen Stellen in
den Evangelien tauchen solche Zusammenstellungen auf, vielleicht zur
Konzentration: Gott schafft schon immer an seinem Reich- aber jetzt hat er den
richtigen Frontmann für sein Projekt vom ewigen Frieden. Der sagt, was ansteht
und tut, was möglich ist. Besonders nimmt er sich der Kranken an, er will die
Leiden aus dem Weg räumen, sie sind noch Reste des Tohuwabohus vom Anfang.-
Krankheiten sollen nicht sein. Gott hat gegen die Schwärze der Nacht die
Gestirne erschaffen und erschafft noch
die richtigen Mittel gegen die Leiden.
Jesus gibt die ersten
Kostproben vom Gelingen. Doch Jesus weiß, dass er nur Mutmacher ist und
Schrittmacher- nur Einzelne kann er heilen. Er macht uns damit aber Druck,
unsere Heilkraft auch zu nutzen und auch Wissenschaft zu betreiben im Wissen,
daß dies im Labor des Schöpfers geschieht.
*
Hochzeit zu Kana - Zeichen,
nicht Zauber
Jesus und seine Jünger waren
zu einer Hochzeit geladen und die Mutter Jesu auch. Der Wein ging aus. Da
wendet sich Maria an Jesus: Du, sie haben keinen Wein mehr. Da fährt
Jesus hoch: Was geht’s dich an, Frau, was ich tue?
Seine Mutter spricht zu den
Dienern: Tut, was er euch sagt.
Johannes 2,1-5
Eine herrliche Geschichte,
ja ein Glücksfall- denn sie zeigt Jesus als „Freudenmeister“ und Gönner und als
einen, der aus der Patsche hilft. Wenn im Orient bei einer Hochzeit der Wein
ausgeht ist, ist das eine Tragödie: Die Sippe der Braut kann mangelndes Essen
und Trinken als Beleidigung, ja als Kriegserklärung deuten. Aber Jesus hilft.
Was die Einmischung der
Mutter dabei zu suchen hat ist unklar. Vielleicht will Johannes mit einem
Seitenhieb die Maria-Partei in der Gemeinde stutzen- die Herbheit des Sohnes
ist nur „politisch“ zu verstehen- sie soll bei der (um 100 n. Chr,) schon
ausufernden Maria-Verehrung die
Rangfolge klarstellen.
Es standen aber im Festhaus
sechs Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte. Jesus erteilte die
Weisung: Füllt die Krüge mit Wasser! Und sie füllten sie. Und er spricht zu
ihnen: Schöpft nun und bringts dem Speisemeister! Und sie brachten es ihm.
Als aber der Speisemeister
den Wein kostete- er wusste nicht, woher er kam- ruft er den Bräutigam und
spricht zu ihm: Jeder bietet zuerst den guten Wein; und wenn sie trunken
werden, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten.
Das ist das erste Zeichen,
das Jesus tat und er offenbarte seine Herrlichkeit.
Johannes 2,6-11
Jesus tut der
Festgesellschaft gut. Trauen wir dem Jesus doch zu, das Freudenfeuer der Liebe
und der Freude geschürt zu haben- und wenn Wein nötig war, dann hat der
Menschenfreund Jesus Wein besorgt. Wie
das funktionierte- lassen wir es offen.- Wichtig ist doch, daß auch die frühe christliche
Gemeinde Jesu erste herrliche Tat geschehen ließ anlässlich einer Hochzeit, dem
schönsten Fest der Menschheit- das Fest zur Feier zweier Menschen, die sich aus Gottes Hand immer wieder
annehmen wollen, die im Frieden für
einander da sein und miteinander alt werden wollen.
Es hat keinen Sinn auf
einer chemischen Verwandlung des Wassers zu bestehen- Jesus tat nur, was im
Grundsatz seine Jünger auch vermögen- auch wir können das Wasser der Not in
Wein der Freude verwandeln.
*
Die Tempelreinigung
Jesus ging in den Tempel.
Der Vorhof war voll von Händlern und Käufern. Man stand nach Opfertieren an,
Wechsler hielten die Tempelwährung bereit. Jesus machte aus Stricken eine
Geißel und trieb sie alle zum Tempelbezirk hinaus samt den Schafen und Rindern
und stieß den Wechslern die Tische um und sprach: Was macht ihr in meines Vaters Haus Geschäfte!
Johannes 2,13-16
Jesus kommt um den Gott der
Freude bekannt zu machen. Bisher schien es ratsam, mit dem Herrn der Himmel rechtlich korrekt zu
verkehren: Fürs Befolgen der Gebote gibt es Zuwendungen des Gelingens. Sollte
Buße nötig sein, müssen Opfer erstattet werden.- Israel entwickelte ein
ausgeklügeltes System der Ehrerbietung und Wiedergutmachung.
Es ist Israels religiöse
Großtat, wegzukommen vom herrischen, willkürlichen Himmelsdespoten. Gott bindet
sich vertraglich, der Menschen wird zum Bündnispartner - das erhebt den
Menschen fast auf Augenhöhe zu Gott (Psalm 2,8 heißt es vom Menschen: „Wenig
niedriger gemacht als Gott selbst“).
Opfer bringen war eine Tat
der Ehre. Es ging um Wiedergutmachung einer Kränkung. Das Bereithalten der Opfertiere, gewichtig und teuer je nach
Schwere der Schuld, war eine Dienstleistung und Einnahmequelle des Tempels. Der
Handel war schwunghaft. Und jetzt kommt Jesus und geht einen entscheidenden
Schritt weiter: Gott vergibt ohne Bezahlung. So kippt er ein ganzes
ausgeklügeltes System.
Wie Jesus dem Hochzeitspaar
den Wein besorgt, einfach, weil sie in Not sind- so vergibt Gott, weil wir mit
unserm Versagen in Not sind.
Darum auch darf Kirche als Vaterhaus keinen Eintritt kosten.
Wie Kirche an das nötige Geld kommt, dafür braucht es
viel Phantasie und Information. Aber glasklar vorbei sind die Zeiten, da
Kirchenleute an der Reichen Tische sitzen und Gutscheine auf die Güte Gottes an
die Zahlungskräftigen ausgeben. Jesus schlägt noch immer auf den Tisch derer,
die an der Vergebung Gottes verdienen.
*
Jesus und Nikodemus
Ein Oberer der Juden kam zu Jesus bei Nacht und sprach zu
ihm: Meister, wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand
kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn, Gott ist mit ihm. Jesus sprach
zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Nur wer aufs Neue geboren wird, kann in das
Reich Gottes kommen. Aus Wasser und Geist
muss er geboren werden.
Wunder dich nicht- der Wind
bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er
kommt und wohin er fährt. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist.
Johannes 3,1-8
Nicht alle Schriftgelehrten
verwarfen Jesus. Manche kamen ins Grübeln, weil ja schon die alten Schriften Schimmer
des gnädigen Gottes bewahrten. Nikodemus ahnt, dass Jesus nah an der Wahrheit von
Gott und Welt ist und will Anteil haben. Jesus sagt, dass dies nicht einfach zu
machen sei, sondern dass der Geist einem zugefügt wird. „Wasser und Geist“ also Taufe und Berufung, kann meinen: Deinen,
bzw. deiner Eltern Beschluß, zu Christus gehören zu wollen, bringst du ein; ob
das formal bleibt oder lebendige Inbrunst dich beatmet- bete und kämpfe, setz
darauf, daß der Geist der Liebe dich treibt.
Und du wirst Taten der Liebe tun, eine glückhafte Lebensart wird sich
dir erschließen.
Und, so spricht Jesus
weiter, wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn
erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.
Also hat Gott die Welt
geliebt, daß er seinen erstgeborenen Sohn gab, auf dass alle , die an ihn
glauben , nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.
Gott hat seinen Sohn nicht
in die Welt gesandt, daß er die Welt richte, sondern dass durch ihn die Welt
gerettet werde. Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet. Wer nicht an ihn
glaubt, der ist schon gerichtet.
Johannes 3,14-18
Die Liebe Gottes zeigt sich
in der Art, wie Gott sich mit seiner
Schöpfung verwickelt. Er guckt seiner
Welt nicht nur zu, sondern nimmt an ihr teil, wird Mensch, um Freude und Leid
mitzuerleben. Jesus ist der erstgeborene, der in nächster Nähe zu Gott existierende
Mensch. Ihm nach dürfen wir uns alle als Kinder Gottes wissen, bestimmt dazu,
ewig mit Gott zusammen zu sein.
Mose errichtete einst eine
goldene Schlange an einem Pfahl über dem Lager der Kinder Israel. Wer von den
zur Strafe geschickten Schlangen gebissen war, konnte durch Blick auf die
Heils-Schlange gerettet werden (4. Mose 21). Dies Bild gebraucht der Prediger
Johannes, um die Kreuzigung des Jesus Christus in seiner Heilsbedeutung zu
klären. Gott lässt zu, dass Jesus den Opfertod
stirbt, damit ein für alle mal wir glauben: Gott straft nicht mehr
sondern rettet. Wer dem Jesus diese Bedeutung nicht abnimmt, der muss an seinem
Schuldigwerden ersticken, und zwar schon zu Lebzeiten.
„Sohn“ steht in alter Zeit für innigste Nähe zweier
Personen, fast für Identität. Wenn der Sohn in die Welt kommt, kommt Gott
selbst. Retten, nicht Hinrichten ist sein Metier; Heilen, nicht Vernichten
seine Leidenschaft. Geh davon aus, dass Gott liebevoll mit dir beschäftigt ist.
Denk gut von dir und den Mitmenschen; meine niemals, die Welt habe sich gegen
dich verschworen. Glaub dich in ein gutes Werden verwoben. Wer nur Verfall vor
sich sieht, betreibt den Verfall und ist dem Scheitern ausgeliefert.
*
Jesus und die Samariterin
Jesus kam in die Stadt
Sychar. Müde vom Weg, setzte er sich am Brunnen nieder, der „Jakobs Brunnen“
heißt.
Eine Frau kommt, um Wasser
zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Bitte, gib mir zu trinken! Da spricht die
Frau zu ihm: Was bittest du mich, der du ein Jude bist und ich eine
samaritische Frau? Die Juden haben doch keine Gemeinschaft mit den Samaritern.
-
Jesus sprach zu ihr: Wenn
du erkennen würdest, wer der ist, der dich um Wasser bittet, dann bätest du ihn
und er gäbe dir lebendigstes Wasser.
Spricht zu ihm die Frau:
Herr, du hast nicht mal was zum Schöpfen, und der Brunnen ist tief; bist du
mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Jesus
antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder
dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, der ist ewig
gestillt. Das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des
Wassers ewigen Lebens werden. (Von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers
fließen 7,38) Spricht die Frau zu ihm: Herr, gib mir solches Wasser!
Jesus spricht zu ihr: Geh, ruf
deinen Mann und kommt wieder her!
Die Frau antwortete und sprach zu ihm: Ich habe keinen
Mann. Jesus spricht zu ihr: Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt
hast, ist nicht dein Mann; das hast du recht gesagt.
Die Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein
Prophet bist. Sag mir, was richtig ist: Unsere Väter und Mütter haben auf
diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man
anbeten soll. Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, da
werden die wahren Beter Gott anbeten im
Geist und in der Wahrheit; wo auch immer.
Und die Frau ließ ihren Krug stehen und ging in die
Stadt und spricht zu den Leuten: Kommt, seht einen Menschen, der mir alles
gesagt hat, was ich getan habe, ob er nicht der Christus ist!
Da gingen sie aus der Stadt heraus und kamen zu ihm
und baten ihn, bei ihnen zu bleiben. Zu
der Frau aber sprachen sie: Erst
glaubten wir um deiner Rede willen. Nun aber haben wir selber gehört und
erkannt: Dieser ist wahrlich der Welt Heiland.
Aus Johannes 3
Eine große Geschichte,
Jesus lässt sich gern mit Frauen in Gespräche ein, sie geben sich mit ihrer
Person rein, während Männer eher nur Sachverhalte klären wollen. Jesus gibt
sich der Frau zu erkennen als Heilender. Er sagt ihr, daß sie ihren Durst nach
Liebe nicht mit einer Vielzahl von Beziehungen stillen kann. Nur im Dreieck des
Lebens: Geist, Wahrheit, Liebe ist Gott und Friede zu finden.
Weißt Du dich getränkt von
Liebe- das ist Einssein mit Christus- dann wirst du selbst zum Quell der Liebe.
Die Frau fühlt sich von
Jesus verstanden und ernst genommen als Gesprächspartnerin. So wird sie erste
Zeugin des Christus.
*
Nimm deine Couch und geh!
Jesus kam nach Kapernaum
und sagte ihnen das lebendige Wort. Das kleine Haus war übervoll. Einige trugen
einen Gelähmten herbei. Sie kamen nicht ins Haus. Da deckten sie das Dach auf
und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag.
Als Jesus ihren Glauben
sah, sprach er zu dem Gelähmten: Sohn und Bruder, deine Sünden sind dir
vergeben.
Die anwesenden Schriftgelehrten dachten in ihren Herzen: Er
lästert Gott! Keiner kann Sünden vergeben als Gott allein.
Jesus erkannte, was sie
dachten, und sprach zu ihnen: Damit ihr wisst, dass der Menschensohn Vollmacht
hat, Sünden zu vergeben - sage ich zu dem Gelähmten: Steh auf, nimm dein Bett
und geh heim!
Und der stand auf, nahm
sein Bett und ging. Die meisten aber erschraken und priesen Gott.
Markus 2,1-12
Wegen des Gedränges kamen
die Männer mit ihrem gelähmten Freund nicht an Jesus ran. Da deckten sie das
Lehmdach auf- das machte einen großen Staub und Wirbel- aber Jesus spürte den
Einsatz der Freunde.
Beglückend, diese
Geschichte vom stellvertretenden Glauben. „Da Jesus ihren Glauben sah“- heißt
doch, er begeisterte sich an der Liebe, die alles auf eine Karte setzt, dem
Nächsten zu Gut; Und er fackelt nicht lange, fragt nicht nach Glaubensätzen
sondern heilt. Allerdings verblüfft er alle, uns eingeschlossen: Er sieht die
Krankheit als Sumpfblüte am Stamm der Sünde. Also muss erst die Seele geheilt
werden, dann kommt der Leib schon in Ordnung-
Sicher hat Kirche oft
schnell das Kreuz der Vergebung geschlagen ohne den Sünder in einen Heilprozess
mitzunehmen. Jesus macht den Raum frei, daß der Mensch sich wieder neu findet.
Der Mensch springt los, stemmt das Lager
seiner Leiden triumphierend in die Höhe- er wird das Evangelium aufnehmen wie eine Nahrung, wird
Vergebung leben- Jesus vertraut ihm und heilt vorauseilend.
*
Der Fischzug des Petrus
Jesus predigte der Menge am See. Zwei Boote lagen am
Ufer; die Fischer waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze.
Jesus stieg in eins der Boote, das Simon gehörte, und
bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die
Menge vom Boot aus.
Und als er mit seiner Rede fertig war, sprach er zu
Simon: Fahrt hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!
Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben
die ganze Nacht gefischt und nichts gefangen; aber auf dein Wort wollen wir die
Netze noch mal auswerfen.
Und sie fingen eine große Menge Fische und ihre Netze
begannen zu reißen. Sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie
sollten kommen und mit ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beide Boote
voll, sodass sie fast sanken.
Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesus zu Füßen und
sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.
Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an
wirst du Menschen fangen. Und sie brachten die Boote ans Land und verließen
alles und folgten ihm nach.
Lukas 5,1-11
Die ganze Nacht hatten sie
nichts gefangen. Aber Jesus schickt sie morgens noch einmal los. Und sie machen
Beute die Fülle. Das war ein Versprechen erfolgreicher Mission: Soviel Fische ihnen
ins Netz gingen, mit soviel Menschen werdet ihr Kirche bauen. Aber es ist auch
ein starkes Bild für uns.
Wir resignieren auch
oft. Dann soll uns ein Ruck durchfahren,
dass wir noch einmal loslegen, wieder noch einmal. Und das passt dann.
Petrus nimmt die reiche
Beute als unverdient. Er ist beschämt. Auch wir haben Augenblicke, da werden
wir umgekrempelt, können das Wunder nicht fassen. Und können es lassen, Geld
oder Ansehen zu sammeln und werden fortan Jesu Menschenfischer- helfen einfach
Menschen zum Glück.
Geh noch einmal raus, mach
dir Mühe, trag Schuld oder Schulden ab, geh noch einmal, biete deine Arbeit
noch mal an. Gib nicht auf vor dem Tod. Jesus ist als Energiebringer mit dir.
Du wirst gebraucht.
*
Die Berufung der Zwölf
Und Jesus ging auf einen Berg
und wählte aus Vielen „Die Zwölf“aus.
Er setzte sie als Apostel ein, „die zum Predigen
Ausgesandten“. Und er gab ihnen Vollmacht, zu vergeben, zu heilen und böse
Geister auszutreiben.
Zu den Zwölfen gehört Simon, den er auch Petrus nannte;
dann: Jakobus und Johannes, Söhne
des Zebedäus; Andreas und Philippus, Bartholomäus und Matthäus, Thomas und
Jakobus, den Sohn des Alphäus, dazu Thaddäus und Simon Kananäus;
und Judas Iskariot, der ihn
dann verriet.
Markus 3,13-19
Viel Volks folgte ihm nach,
heißt es öfter in den Evangelien. Lukas 10,1 berichtet, Jesus habe
Zweiundsiebzig ausgesandt „wie Schafe unter die Wölfe“. „Die Zwölf „ bilden von
früh an eine feste Größe, ergänzt von einigen Frauen, die Jesus geheilt hatte
und „die ihnen dienten mit ihrer Habe“ (Lukas 8,2). Die heilige Zahl betont
auch das neue Volk Gottes, wie ja auch Israel aus zwölf Stämmen bestand. Außer
von Simon Petrus und Judas ist uns nichts Persönliches bekannt, erst die
Heiligenlegenden der späteren Kirche schmückten die Jünger üppig. Die
Jüngerschaft ohne Judas aber mit dem nachgewählten Matthias und natürlich
Paulus und Maria mit einigen Frauen bildeten den Kern der Urgemeinde.
Jünger wird man durch
Erwählung, wir müssen uns berufen wissen, den Weg Jesu jetzt mitzugehen. Er traut uns zu, seine
Taten zu tun, seine Wahrheit zu leben.
*
Die Seligpreisungen
Christus spricht: Selig sind,
die geistlich arm sind. Selig sind, die Leid tragen. Denn sie sollen getröstet
werden. Selig die Sanften. Sie werden bestehen.
Selig, die hungern und
dürsten nach Gerechtigkeit; Sie sollen satt werden.
Selig sind die
Barmherzigen; sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Selig die reines Herzens
sind; sie werden Gott schauen.
Glückselig die Friedvollen,
denn sie werden als Kinder Gottes erkannt werden.
*
Christus spricht: Selig sind,
die geistlich arm sind.
Matthäus 5,3
Das ist ein Lobgesang auf
die bescheidenen Menschen, die mit nichts angeben, die schlicht und recht sind,
die viel lachen und weinen, die sich einfach vor Gott „da“ wissen und das ist
ihnen genug. Die das Gute mit Freuden tun und dankbar es sich gut sein lassen.
Die nicht großspurig sich aufführen,
nicht sich ins Licht stellen und anderen den Schatten lassen; die sich mit den
Mitmenschen ebenbürtig wissen, und darum ohne sich was zu vergeben anderen auch
den Vortritt lassen können. Und die sich bedürftig wissen vor Gott- die also
wissen: alles ist Gnade, alles Gelingen ist Geschenk. Vielleicht meint diese
erste Glückseligpreisung die, die nicht sich vor Gott und Menschen hervortun.
Von den Seligpreisungen
gilt besonders, was Peter Handke sagt: „Am klarsten- unvergleichlich klar- lese
ich die Bedingungen, Gesetzlichkeiten, offenbaren Geheimnisse des Erdendaseins
aus den Evangelien.“
Selig sind, die Leid
tragen. Denn sie sollen getröstet werden.
Matthäus 5,4
Jesus ermutigt uns zu
trauern. Schmerz der Trennung soll gefühlt sein, Abschied soll ich spüren.
Enttäuschung, Wehmut, Leid sollen gelitten sein. Ich soll merken, was mir
angetan wird und genommen wird; auch, was ich anrichte. Ich soll kein Stein
sein.
Aber wüssten wir, daß wir
durch die Schmerzen hindurchgetragen werden zu neuen Ufern, dann könnten wir
uns besser der Trauer stellen. Wüssten
wir doch, daß im Schicksal die Fügung verborgen ist! Trau doch Gott, daß er
dich in Arbeit hat. Er hat Heilung, Frieden, leuchtende Augen mit dir vor. Leid
ist nie das Ende sondern ist Station auf dem Weg. Am Ziel wird Freude sein.
Gut, mich dreinzuschicken; das
Leid, das ich nicht ändern kann, zu tragen und es nicht auf andere abzuwälzen. Und
das Leid von Kränkung loswerden durch Rache? Jesus nimmt mit auf den anderen
Weg.
Selig die Sanften. Sie werden bestehen.
Matthäus 5,5
Das ist Jesu Geistprogramm
gegen Darwins Naturprogamm: „Survival of
the Fittest“. In der Natur siegt das Stärkere, das weniger fühlt. Aber sozial
begabt zu sein, ist in menschlicher Gemeinschaft lebenswichtig. Geist dahin
tragen, wo Macht- und Geldinstinkt herrschen, das rettet die Welt.
Versteinerung aufbrechen mit Gespräch, Türen öffnen statt abzuschließen, trauen
der Bereitschaft zur Eigenverantwortung, anständige Ware liefern statt überlistende
Werbung, den Anfänger fördern. Nicht
bevormunden, nicht unterwerfen sondern
den andern mitnehmen, ihn einfädeln (auch im Verkehr ihm die Lücke
lassen); ihn sein Gesicht wahren lassen, ihm Chancen einräumen, daß er seine
Begabung zu Markte tragen kann.
Sanftmut ist die Kraft des Handgebens statt der Gewalt des
Fingerhakelns. Sanftmut will keine auf Furcht gegründete Achtung, sie demütigt
nicht, sie lernt, ist auch Großzügigkeit in bar. Sie weiß: „Kein Mensch ist gut genug, um der
Herr eines anderen zu sein“ (Bernard Shaw).
Letztlich ist „ein
Geduldiger besser als ein Starker“ (Sprüche 16,32). Und lieber sich selber
bücken als dass andere sich krumm machen für mich.
Doch Güte braucht auch eine
scharfe Kante, damit sie nicht mit Dummheit verwechselt wird. Auch Sanftheit
soll Klarheit bei sich haben. Und soll nicht mit Resignation paktieren, soll
Gewalt nicht durch Weggucken mästen. Jesus sagt den Sieg der Liebe voraus. „Die
im Herzen barfuß“ (Jan Skàcel) sind die Wegbereiter.
Dazu passt auch Laotses
Wort: „Die Welt erobern und behandeln wollen, das misslingt. Die Welt ist ein
geistiges Ding, das man nicht behandeln darf. Wer sie behandelt, verdirbt sie;
wer sie festhalten will, verliert sie. Die Dinge gehen bald voran, bald folgen
sie, bald hauchen sie, bald blasen sie kalt, bald sind sie stark, bald sind sie
dünn, bald schwimmen sie oben, bald stürzen sie ein. Darum meidet der Berufene
das Zusehr, das Zuviel, das Zugroß. Sanftmut sucht Entscheidung fern von Gewalt.“
Selig sind, die hungert und
dürstet nach Gerechtigkeit; sie sollen satt werden
Matthäus 5,6
Es geht um den fairen
Anteil, den wir bereitwillig dem Anderen einräumen. Wohl dem also, der sich
stark macht für das Recht des Nächsten. Vor deinem inneren Gericht weißt du,
was du musst- die Ego-Gier in Zaum nehmen, den Mitbewerber im Spiel halten, den
Nächsten entschuldigen, Gutes von ihm
reden und alles zum Besten kehren (Martin Luther). Die Schwachheit des Anderen
nicht ausnutzen, stattdessen ihn ergänzen- das ist Nachfolge Jesu, in die Tat
umgesetzt.
Aber der Weltmarkt, dessen
Nutznießer ich auch bin, macht, dass ich
auf Kosten der Schwachen Wohlstand genieße. Ich müsste, wenn einer für mich
eine Stunde arbeitet mit seinen Begabungen, für ihn eine Stunde arbeiten mit
meinen Begabungen. Ich müsste auf
Privilegien verzichten. Ich weiß es. Denn wenn
Gott auch Verschiedenheit und Ungleichheit will, so keine
Ungerechtigkeit.
Selig sind die
Barmherzigen; sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Matthäus 5,7
Wie kann ich den Blick
dafür gewinnen, daß ich auch Barmherzigkeit brauche? Ich müsste mein
Angewiesensein auf die Güte anderer mir eingestehen. Stattdessen verdecke ich
meine Schwächen. Will gar nicht richtig gewahr werden, wenn mich einer im
Verkehr rettet oder ein Kollege mein Schnippischsein übergeht oder mein Partner wieder unter
meinem Renommieren zuckt. Es ist so, dass ich das mir angetane Unrecht kaum
vergesse, das von mir getane Unrecht aber sehr. Ich sollte mein Fiessein mir
besser ins Bewusstsein lassen; dann werde ich auch mehr Güte geben, und bitte auch um
Barmherzigkeit. Und werde mit großem Herzen geben. Ich hab noch Chancen.
Erbarmen macht schön, Härte versteinert.
Selig die reines Herzens
sind; sie werden Gott schauen.
Matthäus 5,8
Es tut gut, innerlich
„clean“ zu sein, festen Sinnes, gut gepolt zwischen Himmel und Erde. „Reines
Herz“ meint: Gern ich selbst sein, eins mit Allem, keinem Feind, auch nicht mir
selber. Gegen nichts aufgebracht sein sondern
geduldig und dankbar mitschwingen mit allem Lebendigen. Dann fühl ich
Gott nicht fern sondern er ist die Atmosphäre, die mich in sich hat. Schaue ich
ihn auch (noch) nicht, sehe ich mich doch von ihm geschaut, gemeint, gewusst.
Ich will aus Gottes Widmung
„Du, Kind Gottes“ leben. Das macht mich reines Herzens. Ich bin dann nah dran, ohne Arg zu sein, „klug und ohne falsch“
(Matth.10,16). Ich will mir zu schade sein für zerstörerische Gedanken. „Und
für den, der reines Herzens ist, wird alles klar wie Wasser sein“ (Henry Miller).
In einem alten Pommerschen
Gesangbuch heißt es:„Unser Kerker, da wir saßen und mit Sorgen ohne Maßen uns
das Herze selbst abfraßen, ist entzwei, und wir sind frei!“
Glückselig die Friedvollen,
denn sie werden als Kinder Gottes erkannt werden.
Matthäus 5,9
Glücklich nicht die Trägen, die Schläfrigen, die nur
Gelassenen, deren Toleranz der Gleichgültigkeit ähnelt. Glücklich die, die mehr
als friedlich sind, die nämlich Frieden beschaffen. Sie schätzen auch die Lage
realitätsnah ein; lernen weiter, wie man den Wölfen und Füchsen aus dem Weg
geht und wie man das Böse sich totlaufen
lässt. Und sie erarbeiten Frieden, tun versöhnende Schritte; helfen, miteinander
auszukommen. Sie verlangen keine Garantien sondern gehen unbewaffnet, stecken
auch Beleidigung ein, geben Vorschuss an Verständnis. Sie rechtfertigen sich
nicht, sie lassen Gott Zeit. „Der Heilige findet kein Segen enthaltendes Gefäß
außer dem Frieden“ (Talmud).
Die also werden als Kinder Gottes empfunden. Wenn sie
gegangen sind, ist ein Windhauch von Engeln durch den Raum geweht, und man
redet anders weiter.
Wenn glücklich sein heißt, ohne Schrecken seiner
selbst innewerden zu können (Walter Benjamin), dann sind die Seligpreisungen
die Bauformeln für gelingendes Leben.
*
Salz und Licht
Ihr seid das Salz der Erde. Verdirbt
Salz, womit soll man salzen? Ihr seid das Licht der Welt. Ist das Licht
verdeckt, was leuchtet? Ihr- lasset euer Licht leuchten vor den Leuten. Leuchtende
Taten lasst sehen, und sie werden Gott und euch preisen.
Matthäus 5,13-17
Jesus spricht den Seinen
eine hohe Verantwortung für die Gesellschaft zu- sie sind begabt mit Heiligem
Geist, sie machen das Zusammenleben genießbar und haltbar. Sie leisten
friedensstiftende Arbeit. Gegen das Fade und Düstere lassen sie Freude und
Gemeinschaft aufscheinen. Die Suppe der Freude versalzen sie nicht. Wirklich ein Glück, wenn lebendige Christen
da sind. Von ihnen sagt Martin Luther King: „Christen sind absolut furchtlos,
immer in Schwierigkeiten und unsagbar glücklich“.
Sie sollen auch Sauerteig
sein; aber nicht die Bäcker, die anteigen
und zuteilen und bestimmen.
Licht der Welt sind
Christen mit ihrem Lebensmut, geschöpft aus dem Jesus- Wissen: Gut ist es, hier
zu sein auf dieser schönen Erde.
*
Mehr als das
Gesetz verlangt
Jesus sprich: Ich aber sage euch: Meint nicht, ich sei
gekommen, das Gesetz aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu
erfüllen. Eine bessere Gerechtigkeit ist nötig; etwa beim fünften Gebot: Zu den
Vorfahren ist gesagt: „Du sollst nicht
töten; wer aber tötet, der soll des Gerichts schuldig sein“. Ich aber sage
euch: Schon wer mit seinem Geschwister zürnt, ist schuldig.
Matthäus 5,17.21.
Wenn zwei Menschen nur noch
juristisch mit einander umgehen, dann herrscht Krieg zwischen ihnen. Gesetze
können zu Waffen werden, zu Fallen. Man kann kalt behaupten, dass unterlassene
Hilfeleistung und Verhungernlassen noch
kein Töten sei. Jesus lockt, von der Liebe her zu denken: Dann ist schon
Verachten ein Töten; schon ein kalter Blick ein Vernichten. Jesu will uns für
den Geist des Gesetzes gewinnen.
Jesus will uns nicht gesetzlos machen sondern einander so
liebevoll zueinander rücken, dass wir mehr für einander tun als uns das Gesetz
abverlangt. Jesu Wort ist auch eine Warnung vor Anarchie- also vor Freiheit
ohne Recht.
*
Eile zu lieben
Wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst und dort
kommt dir in den Sinn, dass dein Geschwister was gegen dich hat, so lass dort
vor dem Altar deine Gabe und geh zuerst hin und versöhne dich, und dann komm
und opfere.
Matthäus 5,23.24
Das geschieht uns ja oft:
Man tut gerade was Wichtiges, aber das Wesentliche, den Streit mit dem Nächsten
lässt man schmoren. Du kannst gerade eine namhafte Stiftung machen, aber mit
Bruder, Schwester, Eltern oder Kindern liegst du im Streit. Und bereinigst es
nicht. Jesus sagt: Geh hin, sofort, selbst wenn gar nicht du sauer bist sondern
der andere. Wenn was zwischen euch steht, ist es deine Sache, hinzugehen, sagt
Jesus. Denn du scheinst soziales Gewissen zu haben. Hilf, den Streit
auszuräumen; geh hin, redet endlich. Zeig ihm dein Interesse an ihm. Und stell
dich entgegen all den pessimistischen Behauptungen wie z. B.: „Außer den
Kräften der Ausbeutung und Angst scheinen nur noch die der Nachlässigkeit und
des Desinteresses die Verhältnisse der Menschen untereinander zu regeln. Und
nimmt man den Leuten das tiefe Desinteresse aneinander, so vermehrt man wohl
bloß ihre Angriffslust“ (Botho Strauss).
Das darf nicht wahr sein,
nicht wahr werden.
Wir können uns und Gott letztlich
nicht auf Kosten des Nächsten erfreuen.
*
Noch auf dem Wege!
Vertrage dich mit deinem Gegner. Und bist du schon mit
ihm auf dem Weg zum Gericht, vertrage dich noch, bevor ihr bei Gericht ankommt.
Matthäus 5,25
Jesus rät, gerichtliche
Auseinandersetzungen möglichst zu
vermeiden. Was fährst du das Geschütz der Justiz auf? Selbst wenn du haushoch
gewinnen würdest- ein Kompromiss ist besser als ein beschämter Gegner,
Einvernehmen besser als hier ein Sieger
und da ein Verlierer in seiner ohnmächtigen Wut. Man sieht sich doch immer
zweimal. Und wenn du schuld bist,
gestehe, bitte um Verzeihung, biete Ausgleich an. Versuch, an seine
Gütefähigkeit zu glauben und an deine Fähigkeit, zu bereuen. Überhaupt – Streit
schaukelt sich schnell hoch. Du aber hilf zum Frieden.
*
Vom Ehebrechen
Ihr habt gehört, dass gesagt ist (2.Mose 20,14): »Du
sollst nicht ehebrechen.« Ich aber sage euch: Wer einen nur lüstern ansieht, hat schon die Ehe gebrochen in seinem
Herzen.
Matthäus 5, 27. 28
Jesus kennzeichnet uns alle
als „ehebrecherisches Geschlecht“ (Matthäus 16,4), damit all uns
Selbstgerechten der Mund gestopft werde und alle Welt sich vor Gott seiner Güte
bedürftig weiß (so Römerbrief 3,19). Wir sollen solidarisch werden und
großmütig.
Wir bauen doch alle nah an
Schuld: Wenn wir Jemanden wollen, überlegen wir schon, wie wir ihn auf unsere
Seite ziehen. Vielleicht sind wir vergleichsweise unschuldig, schuldlos sind
wir nie.
Jesus kennzeichnet die Ehe
als Bündnis, das gerade die Liebe nicht
in Ketten legt; ja, Ehe als Gefängnis gar nicht will. Einander in Freud und
Leid nicht zu verlassen, weil und insofern man sich einander anvertraut und
zugemutet glaubt, das hat eine große Würde. Aber es ist Wunsch und Wille und
Hoffnung, es ist kein Eid. Ehe ist eine
Schutzhütte vor Vereinsamung. Auch in der Ehe sind wir täglich mehrmals lieblos
und bleiben auf Vergebung angewiesen.
*
Vom Schwören
Es ist gesagt: »Du sollst keinen falschen Eid schwören
und sollst dem Herrn deinen Eid halten.« Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt
nicht schwören sollt. Eure Rede sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das
ist vom Übel.
Matthäus 5, 33.34.37
Einzelne Aussagen durch
Schwur veredeln, das wertet alles andere Reden ab; das denunziert alle nicht
beeideten Sätze als halbe Lügen.
Der Staat benutzt den
Schwur, den Diensteid, um Menschen in besondere Weise an sich zu binden. Viele
Morde unter Hitler geschahen aus Dienstverpflichtung. Man meinte, den Eid, vor
Gott gegeben, nicht brechen zu dürfen. Auch die Kirche nimmt den jungen
Pastoren ein schwurähnliches Gelübde ab und hält sich da nicht an das Wort
Jesu. Auch nicht mit Ehrenwort sollen wir unserm Wahrhaftig- sein einen
scheinbar festen Grund untermauern. Menschen müssen einander vertrauen lernen. Dazu
hilft ein gesundes Misstrauen gegen sich selbst, denn wir halten oft für
Wahrheit, was uns nützt. Auch ist „den Lügen Glauben schenken“ mehr in der
Wahrheit, als mit Ehrlichkeit hinzurichten. „Wo nicht Liebe ist, ist keine Wahrheit“
(L.Feuerbach).
Der Satz :Vertrauen ist
gut, Kontrolle ist besser- sollte sich nur auf Zählbares und Messbares
beziehen, wo Verzählen und Vermessen einfach passieren und einer nachzählen
sollte. Im Ganzen lehrt aber Kontrolle nur, noch geschickter die Kontrollen zu
umgehen.
*
Vom Vergelten
Ihr habt gehört, dass gesagt ist (2.Mose 21,24)»Auge
um Auge, Zahn um Zahn.«
Matthäus 5,38-42
Gerechtigkeit ist im Alten Testament verlangt, nach dem Maß
„wie du mir so ich dir“.
Aber Jesus hält uns für fähig,
großmütig zu sein. Er rät zur Güte, zur Geduld, zum Stillhalten, noch einen
Augenblick. Kann sein, er schlägt nicht zweimal- kann sein, er braucht wirklich
mehr als nur den Mantel- was rechnest du, wo du ihn in Not siehst. Auch Wut und
Rache ist Not. Vielleicht kannst du ihn begütigen, ehe er noch mehr Unrecht auf
sich lädt. Und vielleicht steht er so unter Druck, daß er mehr verlangen muß.
Denk kurz nach- kannst du noch was zusetzen? Kannst du noch einen Schlag
einstecken, noch eine Beleidigung wegstecken, noch dein gutes Gesicht bewahren?
*
Ich sage euch: Liebt eure
Feinde und bittet für die, die euch verfolgen.
Ihr seid doch Kinder eures Vaters im Himmel. Der lässt
seine Sonne scheinen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und
Ungerechte.
Wenn ihr nur liebt, die euch lieben, was tut ihr
Besonderes? Das tun doch alle.
Matthäus 5,44-48
Feindesliebe ist unsere
höchste Begabung.
Es gibt soviel Anlass zu
Streit und Hass, aber du bist zum
Befrieden geboren. Du hast ein Gottes-Gen mitbekommen. Du kannst gut von einem
denken, auch wenn er garstig daherkommt und Worte wie Geschosse loslässt. Du musst nicht sofort böse werden.
Du verstehst, daß es bösgemachte und gutgeliebte Menschen gibt. Halt mit dem Schwierigen noch einmal aus.
Du musst nicht sofort rot zu sehen. Du kannst dir von Gottes Geduld
etwas abgucken. Die Schwäche der Kraft besteht darin, nur an die Kraft zu
glauben (Paul Valéry).
Du hast es leichter,
ganzheitlich zu denken. Du zerfällst nicht aus Gier und Neid. Du hast Lust auf
Güte, dem Jesus nach. Du hast es auch
nicht immer leicht mit dir. Aber der Andere, er kann es beinah nicht aushalten
in seiner Haut. Er ist auch Kind Gottes, kann es aber nicht glauben. Ihm Ahnung
davon zu geben, ist Jesu Projekt mit
dir.
*
Ihr,
ihr sollt vollkommen ganz sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ganz ist.
Matthäus 5,48
Vorangegangen
ist Jesu Forderung, auch unsere Feinde zu lieben. Und auch das an uns zu
akzeptieren, was uns mangelhaft scheint. Jesus zieht uns in ein Projekt, das
die feindlichen Linien überwindet und auch mit dem uns Entgegenstehenden ein
Ganzes bildet. Die Power dazu sollen wir nehmen aus einem Bewusstsein, dass
Gott auch umschließt, was ihm widersteht und Finsternis nicht finster bei ihm
bleibt, sondern ihm die Nacht leuchtet wie der Tag (Psalm 139,12).
So sollen wir auch aufs gute Ganze ausgestreckt sein, sollen uns wissen als
Kinder dessen, der alle Gegensätze vereint und uns schon als versöhnende,
verschwesternde Friedenstiftende braucht. Dass wir unser Quantum Miesheit hier
nicht loswerden, ist wohl so. Aber wir brauchen ja nicht immer wieder das
gleiche Unheil anzetteln.
*
Nichts hermachen mit
Frömmigkeit
Habt acht, dass ihr nicht fromm tut vor den Leuten.
Auch dein Spenden posaune nicht aus.
Wenn du gibst, gib gern und lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte
tut.
Matthäus 6,1-3
Heute geht man selten zur Kirche und schon gar nicht
“wegen de Leut.“ Eher scheut man sich, als kirchlich zu gelten. Mach Deins.
Mach nichts, um Eindruck zu schinden. Vielleicht sollte man bei übertrieben
Frommen auf religiöse Sprache bewußt verzichten; dagegen kann man
religionsferne Menschen neugierig machen
durch das Einfließenlassen christlicher Bilder.
Anderen helfen in Not, tut vor allem einem selber gut.
Man merkt, daß man großzügig vom Leben bedacht ist. Die Kollekte ist immer eine
neue Herausforderung, gegen das natürliche Festhalten anzugehen. Zu trostlos,
wenn wir im Portemonnaie rumstochern nach der noch kleineren Münze. Bleib auch
in Sachen Güte nicht unter deinem Niveau.
*
Wir brauchen Gott nicht zu
informieren Euer
Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.
(Matthäus 6,8)
Betend atmet unser
Innerstes. Wir breiten uns aus vor dem Ganzen, „Gott“ genannt , „Vaterunser“,
oder“ Väterlich-mütterlicher Grund“. Er ist „der eine Künstler, verteilt auf
Tausend Millionen Inkarnationen“ ( C. Nooteboom), die göttliche Mutter der
Dinge, „die leise knisternde Macht“(H. H. Jahnn). Wir beten uns vor Gott hin- er ist der letzte
Grund für Dank und Klage.
Seufzen oder Jauchzen ist
schon Gebet. Vor „Ihm“ die Sachen bedenken, das beschafft uns die richtige Einstellung
zu den Problemen; in Beziehung zu „Ihm“
wird groß das Große und klein das Kleine. Vor Ihm kommen die Dinge ins Lot, ich
lasse in die rechte Nähe und gehe auf die rechte Distanz. Wichtig ist, dass ich
mich mit meinem Drumrum vor dem, in dem, bei dem wissenden GutenGanzen weiß.
Betet so
Unser Vater im Himmel!
Matthäus 6,9
Ich spreche dich an; aus
deiner Hand will ich hinnehmen was ist, als Gabe und Aufgabe. Vor dir, unserem
Glück, will ich mich ins Gebet nehmen. Du bist wirkmächtig. Darum ist auch mein
Sprechen zu dir, mit dir, wirksam. Du, unser Vater, wir deine
Menschheitsfamilie– das tut gut. „Im Himmel“ - ja auch; noch wichtiger: Wo Du
bist, ist Himmel. In den Sinnoasen des Daseins leuchtest du auf.
Geheiligt werde dein
Name
Matthäus 6,9b
Durch mich soll dein Name nicht missbraucht werden.
Ich will ihn nicht vergiften, will ihn nicht
meiner Bosheit anheften, will
meine Interessen nicht mit frommen oder moralischen Sprüchen verbrämen. Dein
Name ist: „Ich bin für dich da“, “Ich mit dir“, „Herz aller Dinge“, „Geheimnis
der Welt“ - vielleicht auch „Abba“- „Väterchen“- wie Jesus dich mal nannte (
Markus 14,36) . Ich will dich bei deinem Namen nehmen, „du Freund des Lebens“
(Weisheit 12,1).
Dein Reich komme
Matthäus 6,10
Auch durch mich komme dein
Wesen zur Welt. Du reichst schon überall hin, dein Reich ist schon „mitten
unter uns im Anbruch“ (Lukas 17,10). - Wüssten wirs, wir wären glücklich,
teilten begeistert, bauten den Frieden. Du hast Vollendung vor mit deiner
Schöpfung, wir sind in einem guten Spiel, nach uns wird kommen: Nennenswertes.
Erweck in uns die Lust, Schrittmacher des Künftigen zu sein und der „noch nicht
erwachten Absichten Gottes“ (Robert Musil).
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Matthäus 6,10a
Noch geschieht viel gegen
deinen Willen; aber alles mittels deiner Energie. Keine Kraft ist aus sich selbst, auch
die missbrauchende Kraft stammt aus deinem Haushalt, auch der zum Mord an Abel
genutzte Stein ist deiner. Ach, dass doch immer mehr dein Wille geschehe - auch
durch mich! Es ist da eine Chance, ein Sog: „Wir wären so gern Egoisten und
können es doch nicht sein“ (Simone Weil). Auch durch meine Irrungen hindurch
geschehe dein Wille, guter Gott.
Unser tägliches Brot gib
uns heute.
Matthäus 6,11
Ein Stück Brot in deiner
Hand, und du merkst, dass du im
Wesentlichen Bittender und Empfangender bist. Wir sind auf guten Boden, gute
Ernte, fleißige Bauern, geschickte Bäcker, frühaufstehfreudige Verkäuferinnen
angewiesen. Und brauchen Begabung, Fleiß, Geschicklichkeit, Ausdauer, Chancen,
Gesundheit, Freundschaft, Liebe. Brauchen Zeit und Geld. Nichts ist
selbstverständlich einfach da. Alles ist Gnade, jeder nächste Atemzug ist ein
Geschenk. Und mein „Brot für die Welt“ ist eine Frage der Ehre. Was noch zum Täglich-Brot gehört, sind
getreue Nachbarn (Martin Luther), freie
Medien, Demokratie, Freiheit und Recht, Arbeit, hinreichende Gesundheit. Und
dass einem die Würde des Menschseins erhalten bleibt, auch, wenn man auf fremde
Hilfe angewiesen ist. Und bitte auch die
tägliche Portion Freude, ja bitte.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern
Schuldigern.
Matthäus 6,12
Alles Leid, das wir antun,
ist letztlich dem Herzen der Welt, Gott, angetan. Wenn er uns nicht
freispricht, ist es aus mit uns. Wir müssten ersticken an unseren ungeweinten
Tränen. So aber, weil Gott weiß, was für kleinmütige, eigensüchtige Menschlein wir sind, trägt er uns zu neuem
Anfang und bekehrt uns zu einander. Und nicht möge es heißen: “wie wir“. „Auf daß auch wir vergeben unsern
Schuldigern“- hat Jesus sicher gesagt; nie hätte er Gottes Liebe von unserm
Lieben abhängig gemacht.
Und führe uns nicht in
Versuchung,
Matthäus 6,13
Was wäre, wenn Eva und Adam
nicht versucht worden wären? Und was für
ein Jammer, wenn wir uns Jesus von Versuchung unantastbar vorstellen müssten.
Die zwei zentralen Bilder des Heils zu diesem Thema sind der Sündenfall und Jesu Versuchung:
Eva lotet die Gottestochterschaft
aus: Sie argwöhnt, Gottvater behalte sich Schätze vor, die er mit seiner
geliebten Tochter nicht teilen wolle. Sie ist
nicht geborgen im Ring des Vertrauens, dass das Gebot zu ihren Gunsten
gesprochen ist. Sie will erproben, sie will erfahren. - So lernen die Menschen,
was gut und böse ist. Statt Paradies eröffnet Gott die Geschichte, die
Geschichte um Gut und Böse - und die zieht sich immer noch mit uns dahin.
Und Jesus? Er ermittelt bei
sich, also in Zwiesprache mit seinem Schatten die Möglichkeiten der
Gottessohnschaft: Jesus ringt sich durch zu dreimal Nein: Der Zweck heiligt
nicht die Mittel; Gott darf ich nicht herbeizitieren. Die Natur darf ich nicht
zwingen zum Unnatürlichen. Teuflische, gewaltsame Kräfte darf ich nicht nutzen.
Gut, daß das erste
Menschenpaar und Jesus von Gott in
Situationen geführt wurden, in denen sie gefragt wurden, ob sie auf Gottes Wort
hören oder nicht. Wenn es an der Zeit ist, werden wir auch in Situationen
geschickt (von wem denn sonst als von Gott?), da müssen wir uns bewähren,
da müssen wir uns kenntlich machen, da
erweist sich, wer man ist. Da ruft es in der Situation mich an: Mensch, mach
dich gerade.
Eine Welt ohne Verlockungen
wäre ein Totenreich. Rau oder süß kann
der Lockvogel singen. Der Verbrecher sagte, die Vögel des Bösen seien
nicht von ihm ausgegangen (wie der Staatsanwalt es behauptet) sondern
wären auf ihn zugeflogen und hätten von ihm Besitz ergriffen (nach Robert Musil).
Ich danke für die vielen
Überredungskünste des Lebendigen, aber danke erst recht für Geleit in den
Versuchungen; danke, daß ich nicht zuviel Chaos angerichtet habe, in Erziehung,
in Ehe, in Befreundung, in der Arbeit.
Beten wir also: Und führe uns in den Versuchungen. Nur in einer Hinsicht
bete ich: Führe mich nicht in Versuchung- an dir irre zu werden, du guter Gott.
Sondern erlöse uns von dem
Bösen.
Matthäus 6,13 a
Das ist die dringlichste
aller sieben Bitten. Sie kennzeichnet
mein und unser aller Böses als der Empörung und der Tränen und des
Flehens um Erlösung wert. Das Böse ist
Störung, ja Katastrophe der Schöpfung. Und Gott ist letztlich der dafür Zuständige.
Gott liegt mit seiner Schöpfung in den Wehen. Flehen wir um Heilung bei uns und
überhaupt.
Denn dein ist das Reich und
die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Matthäus 6,13 b
Das beschreibt den Grund, warum wir Gott anrufen, siebenfach
und mehr. Sein ist das Zeit-Reich und das Ziel aller Wege, das Gottesreich.
Sein ist alle Energie, auch die der Liebe. Sein ist die Ehre, der Sinn, das
Glücken des Ganzen, ewig. Amen heißt: So ist es.
*
Vom Fasten
Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer
dreinsehen. Wenn du fastest, so mach dich schön, damit du nicht Eindruck schindest
mit deinem Verzicht. Gott weiß. Das genügt.
Matthäus 6,16-18
Was du tust, das tue ganz, ohne Seitenblick auf
etwaiges Publikum. Sei echt in dem, was du tust. Tu nichts „wegen der Leut“,
aber führ sie auch nicht hinters Licht. Willst du Verzicht üben, tu das. Willst
du es nicht, lass es. Aber tu nicht, als ob.
*
Vom Schätzesammeln und Sorgen
Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie
die Motten und der Rost fressen und die Diebe stehlen. Sammelt euch Schätze im
Himmel. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz. Niemand kann zwei
Herren dienen.- Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.
Matthäus 6,19-21.24
Gegen vernünftige Vorsorge hat
Jesus nichts, das geht schon aus dem Lob des klugen Bauherrn hervor, der auf Fels baut, damit sein Haus
Bestand habe (Matthäus 7,25). Aber Geld horten, um vor der Zukunft
sicher zu sein, verhindert geradezu, dass das Zukünftige seinen Schatz
geben kann. Zukunft ist voller guter Gelegenheiten, die wir von uns fernhalten,
wenn wir mit Geld verhindern wollen, uns einzugeben. Schätze im Himmel sammeln
meint nicht, Punkte zu sammeln durch gute Werke. Die Schätze des Himmels sind
gemeint, die wir jetzt zur Welt bringen sollen: Freundschaft, Dank, Mitfühlen.
Liebe ist d e r Himmelsschatz auf Erden. Jesus lockt, Abstand zu nehmen von dem
ewigen Bemühen, aus allem Vorteile ziehen zu wollen. Lasst uns doch Respekt
haben nicht vor dem Geld (Mammon) sondern vor den Mitmenschen. Unser Herz sei bei den Menschen, nicht bei den
Sachen.
Wo dein Schatz, da dein Herz: Worum du dich mühst, da
bist du selbst, das ist dein Selbst. Ein Bild: Ein Mensch putzt seine Wohnung,
kein Stäublein, kein blinder Fleck soll sein- oder sein Auto, sein Oldtimer,
wie aus dem Ei gepellt soll er glänzen und Glanz verbreiten. Oder geschickt vorweg
erahnen die Bewegungen an der Börse und entsprechend Anteile abstoßen oder erwerben, bevor die
Meute Wind bekommt. – Mensch, warum dies
Sachenstreicheln, Wertehäufen- Du mühst dich so- aber macht es dein Herz fröhlich? Mehrt es dein
Selbst? Dann doch lieber einer Bewegung angehören, große Ideen teilen, der
Glaube an die Geschwisterlichkeit der Welt- dann weiß man doch, wozu man
gehört, man ist Glied an einem Leib.
Sammeln wir uns Himmelsschätze, Säen wir Himmel ein
hier unter uns. Vermehren wir Freude, Lebens- Chancen, leben wir Liebe in
vielen Variationen. Untergehende Menschen rette, Vereinsamte lade hinzu. Du
vermehrst ihnen ihr Selbst, sie sind, sie werden wieder gern sie Selbst und du
mit.
Schreib hier weiter deine
Gedanken. Schwärm mal von Dir.
*
Zersorgt euch nicht
Jesus spricht: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr
essen und trinken werdet; auch nicht, was ihr anziehen werdet. Seht die Vögel
unter dem Himmel: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die
Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Und schaut die Lilien
auf dem Feld, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich
sage euch, dass auch Salomo in all seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen
ist wie eine von ihnen. Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so schmückt, das
doch heute steht und morgen vergeht- sollte er das nicht viel mehr für euch
auch tun, ihr Kleingläubigen?
Matthäus 6,25.26-28.30
Es ist nicht daran gedacht,
daß uns das Nötige zufalle ohne unser Zutun. An den Fluß setzen mit der Angel
ohne Köder und sagen: „Wenn Gott will, wird schon was anbeißen“, geht nicht. Wir sollen uns mühen. Gott müht sich auch. Gott
hat uns seine Natur anvertraut und einen Werkzugkasten voller Fähigkeiten.-
Wir sollen Brot beschaffen,
uns und anderen, sollen uns mühen. Aber
nicht zersorgen. Auch die Vögel picken
und jagen den ganzen Tag. Und wenn man bedenkt, wieviel Gras ein Schaf vom
Boden rupfen muss, bis es seine Kalorien zusammen hat! Und die muss es ja auch
erst herausfiltern aus vielen Kilogramm Zellulose. Noch im Schlaf käuen diese
Tiere wieder und die chemische Fabrik ihres vierteiligen Magens arbeitet die
ganze Nacht. Und auch die Lilien auf dem Felde strecken sich nach Licht und
Wind. Aber sie ernten nicht, sie spinnen nicht. Sie sorgen sich nicht um den
nächsten Tag. Das allerdings ist uns aufgegeben. Der Bauer muss von der Ernte
das Teil Saatgut zurückhalten, der Mensch muss fürs Alter mit der Rente vorsorgen. Aber zersorgen, das sollen wir uns nicht.
Auch Jesus hat hart
gearbeitet, Menschen bekehren ist harte Arbeit. Aber uns verrückt machen für
immer Mehr, das sollen wir nicht. Es kommt alles zurecht, unsere und anderer
Menschen Arbeit bringt Frucht.
Und wenn der Ernstfall da
ist, grübeln und sorgen wir erst recht nicht mehr sondern- handeln.
*
First things first
Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner
Gerechtigkeit, so wird euch alles andere zufallen. Sorgt nicht für morgen, denn
der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine
eigene Plage hat.
Matthäus 6,33.34
Trachten, drängen
nach dem Reich Gottes, heißt scharf sein darauf, mit Gott Schritt zu
halten. Aus Liebe gemacht ist Gottes Gelingen; Also ablassen vom Raffen und
Eindruckmachen, hinkommen zum Teilen. Und mehr auf Privilegien verzichten, weil sie auf kosten anderer gehen.
Doch wie kommen wir von unserm Zersorgen los? Wie „die
kalten Wickel der Sorge zurücklassen“ (Horaz)? Glaub Gott mit dir beschäftigt,
als wärst du seine einzige Sorge. Und
die von Gott durchwirkte Wirklichkeit und dein Mühen bringen das heute Nötige
zustande.
*
Was für ein Balken
Mit welchem Maß ihr verurteilt, werdet ihr gerichtet
werden. Was also siehst du den Splitter in deines Bruders Auge und merkst nicht
den Balken in deinem Auge? Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach sieh
zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge entfernst.
Matthäus 7,1-5
Wer richtet, zensiert, beurteilt, teilt Lob und Tadel,
Lohn und Strafe zu; er hat zu sagen. Neutral des andern Tat zu bewerten, das
geht kaum. Ich bin in seinen Schuhen nicht gegangen.
Es ist unterschwellig
eine Lust in uns, Punkte zu machen mittels der Fehler anderer. Jesus lockt,
wegzukommen von Kritisierlust und Besserwisserei –lasst uns lieber entschuldigen,
Gutes vom Nächsten reden und alles zum Besten kehren (Martin Luther).
Das Maß „wie du richtest, so wirst du gerichtet“- gilt
unter uns Menschen. Lassen wir Gnade walten, werden wir mehr Gnade erfahren als
wenn wir den Harten geben. Bei Gott wird es dann noch mal ganz anders sein.
*
Bittet, so wird euch gegeben;
suchet, so werdet ihr finden;
klopfet an, so wird euch aufgetan.
Matthäus 7,7
Liebe ist in Fülle da. Die Welt ist ja
aus Liebe geschaffen. Wir treffen sie in
verschiedenster Gestalt: als Verwandlung von Stickstoff zu
Sauerstoff durch die Bäume, als Genießbarkeit des Korns, als
Gerinnbarkeit des Blutes, als Fürsorge der Eltern, als wissenschaftliche
Begeisterung, neue Medikamente zu entwickeln, als Freude, die wir einander
machen, als Umarmung, Güte, Geduld. Wir mühen uns und räumen Chancen ein. Wir
tun viel mehr Gutes als Schädigendes. Man kann das Sein als Gestalt der Liebe
sehen.
Gehen wir mit dem Sein freundschaftlich um. Geben wir
dem Leben, was es braucht, dass es uns geben kann, was wir brauchen. Gehen wir
davon aus, daß jeder Mensch der Liebe fähig und bedürftig ist. Und jeder
braucht einen, der ihm die Angst abnimmt, wie
man von schwerer Rüstung befreit. Die andern sind mindestens so
anständig, so hilfsbereit, so fair wie du selbst. Aber wir müssen in Not Wohltaten
locker machen. Wie gut, wenn wir nicht für uns sondern für andere bitten können.
*
Steine statt Brot?
Wer unter euch, wenn
sein Kind ihn um Essen bittet, gibt ihm einen Stein? Oder eine Schlange,
wenn es ihn um etwas zu Trinken bittet?
Wenn nun ihr,
die ihr doch arg schwierig seid, dennoch euren Kindern gute Gaben geben könnt,
wie viel mehr wird euer Vater im Himmel Gutes geben denen, die ihn bitten!
Matthäus 7,9-11
Es kann nicht angehen, daß wir unsere Kinder
vergiften. Und doch ist soviel Wahnsinn in der Welt, daß Kinder geschunden und
gequält werden, abgerichtet werden zu Kindersoldaten und Sexspielzeug. Gott im
Himmel, heile deine bösgemachten Menschen, pump Heiligen Geist in die mit
Dumpfheit geschlagenen Gehirne, stoß uns Fenster auf in eine bessere Welt.
Wir arg Schwierigen können auch Gutes tun. Fast alle
haben wir doch hinreichend gute Eltern gehabt, und sind unsern Kindern
ausreichend gute. Es ist dies ein
herrlicher Trost des Jesus: Ihr, die ihr doch arg seid, böse, zickig,
ungeduldig, mit ziemlich viel Aggression in den Genen - ihr könnt Gutes geben.
Setzen wir drauf, dass wir brauchbar sind fürs Leben.
Und wenn wir schon oft helfen, um wieviel mehr ist unser Schöpfer hilfreich.
Trau dir was zu- Trau andern was zu. Trau Gott was zu, dem Grundgütigen. Dann
kommst du richtig durchs Leben.
*
Die ganze Ethik in einem Satz
Alles, was euch
die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! Das ist das ganze Gesetz.
Matthäus 7,12
Im Zweifel tu das Richtige. Wir wissen doch, was dran
ist, was nötig ist, was fällig ist. Willst du angebrüllt werden? Also lass es
auch. Es regnet, einer eilt die Straße lang. Du im Trockenen, solltest dein
Auto anhalten, du weißt es- der Durchnässte kann ein Stück mitfahren. An der
Kasse einer in Not. Du schenkst ihm den fehlenden Euro. Einer belügt dich. Du
siehst es als Notwehr an und bohrst nicht. Du läßt dich täuschen, das ist das
hohe Lied der Liebe.
Die Übersetzung: „Was du nicht willst, dass mans dir
tu, das füg auch keinem andern zu“- schwächt ab. Stärker ist die positive
Wendung: Gib, was du dir wünschst. Jesus traut uns zu, den Hunger des Andern zu
fühlen. Ihn sättigen tut letztlich auch mir selber gut.
*
An ihren Früchten sollt ihr sie
erkennen.
Matthäus 7,20
Das Ende von Heucheln und Frömmelei ist nahe, wenn nur
die Tat zählt. Was wir zustande bringen, kommt auf die Waage. Also erfreuen
wir, stärken wir, stehen wir bei. Und achten mit Vorsicht und Nachsicht darauf,
was bei unsern Bemühungen raus kommt. Und was daraus werden kann. Ich wollte
nur das Beste- ist nicht genug. Sei ins Gelingen verliebt. Bring gute Frucht.
*
Vom festen Grund
Wer meine Rede hört und tut sie, sagt Jesus, der
gleicht einem klugen Menschen, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein großer
Regen fiel und die Wasser kamen und die Winde stürmten, schlugen sie an das
Haus, doch es stürzte nicht ein; denn es war auf Fels gegründet.
Matthäus 7,24f
Wie Leben gelingt- das hat
Ähnlichkeit mit einem Hausbau. Die
Finanzen, die Genehmigungen sind wichtig, vor allem das Fundament. Jesu Rede
hören und tun, das beschafft Halt und Sinn und Mut und lehrt uns, vernünftig zu
sein. Auch weiß man, wem man gehört; weiß,
was man soll und bekommt Kraft. Gott gehören, das beschafft große Freiheit, und
ihm in die Hände arbeiten, das macht einen zum Teilhaber seiner Werke. Gut, daß
du da bist, du bist, hier und jetzt. Das macht dich stabil.
*
Der römische Hauptmann
Jesus kam nach Kapernaum,
da trat ein römischer Hauptmann auf ihn zu und bat ihn um Hilfe für seinen Knecht.
Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund
machen.
Der Hauptmann antwortete: Herr, ich bin nicht wert,
dass du unter mein Dach trittst- sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht
gesund.- Du bist Obrigkeit, ich bin
Obrigkeit. Auch ich habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh
hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er.
Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu
denen, die ihm folgten: Solchen Glauben habe ich in Israel noch bei keinem
gefunden! Ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit
Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen.
Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir
geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund.
Matthäus 8,5-11.13
Der römische Hauptmann ist Chef und hält auch Jesus für einen Chef- für die Autorität im geistlichen Revier. Jesus steht zu der Vollmacht, die ihm zugetraut wird. Er spricht dem krank daniederliegenden Knecht aus der Ferne Heilung zu.
„Dir geschehe, wie du
glaubst“- ist ein großes Wort über die Kraft unserer inneren Überzeugung. Wir
haben es mit in der Hand, gesund zu werden, gesund zu machen. Jedenfalls haben
wir Spielraum, in gewisser Weise uns die Dinge zurecht zu glauben, sie uns
anzupassen. Welche Bedeutung wir den Fakten zumessen, das wirkt auch auf die Fakten ein. Also, glaub dich gut, Mensch;
halt viel von dir.
*
Der junge Mann von Nain
Jesus kam in eine Stadt mit Namen Nain. Da trug man
einen Toten heraus, der der einzige Sohn seiner Mutter war, und sie war eine
Witwe; und eine große Menge aus der Stadt ging mit ihr.
Und Jesus erfasste Mitleid um sie und er sprach zu ihr: Weine nicht! Er ließ
die Träger anhalten, berührte den Sarg und sprach: Mensch, steh auf. Und der eben
noch Tote richtete sich auf und fing an zu reden, und Jesus führte ihn zu seiner
Mutter.
Furcht ergriff sie alle, und sie priesen Gott und
sprachen: Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden, Gott hat sein Volk
besucht.
Lukas 7,11-17
Mitleid erweckt in Jesus
göttliche Kräfte. Jesus als die intensivste irdische Verkörperung Gottes konnte
wohl auch von den Toten auferwecken. Wir können das nicht, aber wir haben ja
genug damit zu tun, unser Mitleid umzumünzen in Taten für Leidende.
Wir waren auch schon so gut
wie tot. Wenn wir dann ins Leben zurückfanden, waren wir voll Sonnenaufgang,
waren wie neugeboren, wollten alles besser machen.
Ja, es ist dir Verwandlung
geschehen. Du hast wieder Sprache gefunden, Freude geht von dir aus. Jesu
Auferstehungsenergie leuchtet in dir.
Nimm das Bild vom
auferweckten Jungen als Versprechen, daß
auch du auferstehen kannst zu neuem Lebendigsein. Auch du bist in deinen besten
Augenblicken mit Energie aufgeladen. Durch dich können Segenskräfte fließen,
die auch zu körperlicher
Genesung führen.
*
Stillung des Sturms
Jesus war am
See Genezareth mit seinen Jüngern. Sie stiegen in ein Boot um
ans andere Ufer zu fahren. Da erhob sich ein gewaltiger Sturm - das Boot wurde
von den Wellen fast zugedeckt. Er aber schlief.
Und sie traten zu ihm, weckten ihn auf und sprachen:
Herr, hilf, wir
kommen um! Da
sagt er zu ihnen: Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Und er stand
auf und bedrohte den Wind und das Meer. Da wurde es ganz stille.
Die Jünger erschraken: Was ist das für ein Mensch,
dass ihm Wind und Meer gehorchen?
Matthäus 8, 23-27
Diese Geschichte liefert das Ur-Bild von Kirche: Ein
Schiff, das mühsam duch die Wellen seine Fahrt macht. Aber es hat ja den Herrn
an Bord- dann kann dem Schiff und den
Leuten nichts passieren- denn „fahrn wir durch die Höll- wir sind ja sein
Gesell.“
Groß ist der Satz: “Aber er schlief.“ Das ist dies
herrliche Gottvertrauen des Jesus: Der Sturm stürmt, das Boot trägt, die
Mannschaft müht sich, er kann schlafen. Gott kommt zurecht mit der Lage.
Aber die Menschen zittern vor
Angst. Jesus erbarmt sich. Er spricht
mit dem Wind- da trollt der sich. Jedenfalls
haben seine Jünger eine bedrohliche Sturmfahrt erlebt und haben sie behalten
als Schutzbild, dass mit Jesus die Schrecken gut ausgehen. „Gottes sind Wogen und Wind, aber Segel und
Steuer, daß ihr den Hafen gewinnt, sind euer“ (Gorch Fock)!
Es geht auch darum, auf dem Meer der Sehnsucht, das
ich in meinem Inneren befahre, die Stürme und die Flauten bestehe.
*
Die Auferweckung der Tochter
des Jaïrus
Es kam ein Synagogen-Vorsteher mit Namen Jaïrus zu
Jesus, fiel ihm zu Füßen und bat ihn: Meine Tochter liegt im Sterben; komm doch
und lege ihr die Hände auf, damit sie gesund werde und lebe.
Und Jesus ging mit ihm. Als sie noch unterwegs waren,
kamen einige vom Hause des Vorstehers gelaufen und sprachen: Deine Tochter ist gestorben; bemüh
den Meister nicht weiter! Jesus aber sprach zu dem Vorsteher: Fürchte dich
nicht, glaube nur!
Markus 5,22-24,35.36
Fürchte dich nicht- vertraue nur. Es gibt nichts
Besseres als diesen Rat, diese Weisung. Natürlich sollen wir auch arbeiten,
planen, ordnen, bedenken. Aber wenn all das Handwerkliche des Lebens getan ist,
besser: dabei- also während wir arbeiten -sollen wir beten, sollen vertrauen, dass
zurechtkommt, was gerade uns bewegt. Jesus macht
dem Vater des Jairus Mut, auf Heilung zu setzen. Immer setz auf Gelingen, auf
Besserung, auf Lernfähigkeit. Du bist auf dem Weg, du bist in einem großen Heilwerdeprozess. Auch wenn der Weg durch
Finsternis geht, fürchte dich nicht; auch wenn du zögerst, bist du doch
eingebettet in Gottes Geschichte, die auf das Reich Gottes zuläuft. Auch was
stirbt ist ins Werden mitgenommen. Das ist dem Jesus abzulesen, der das Mädchen
auferstehen lässt. Wir sollten nicht fragen, wie gestorben das Mädchen wirklich
war. Die Auferweckung ins richtige Leben ist Wunder genug. „Tot in den Sünden“
(Kolosser 2,13) kann auch gemeint sein- und wir werden herausgeschält zu neuem
Sein.
Und sie kamen in das Haus des Vorstehers, und es war
ein Getümmel, sie weinten und heulten. Und Jesus ging hinein und sprach zu
ihnen: Was weint ihr? Das Mädchen ist nicht tot, sondern es schläft.
Und sie verlachten ihn. Er aber trieb sie alle hinaus
und nahm mit sich die Eltern und ging hinein zum Kind. Und er griff das Kind
bei der Hand und sprach zu ihm: Talita kumi! - das heißt übersetzt: Mädchen,
ich sage dir, steh auf! Und sogleich stand das Mädchen auf und ging umher; es
war aber zwölf Jahre alt. Und sie entsetzten sich über die Maßen.
Markus 5,38-42
Jesus ruft das Mädchen aus dem Tiefschlaf und stellt es auf die Beine. Der Hinweis auf
das Alter des Mädchens kann auf eine Ohnmachts-Phase der Pubertät deuten. In
dieser Lebensstrecke ist der Mensch oft überfordert, wird ohnmächtig oder will
auch sterben. Es gibt Augenblicke in unserm Leben, da sind wir so gut wie tot.
Wohl uns, wenn wir dann nicht aufgegeben werden, sondern ein rettender Mensch
uns ins Leben zurückholt. Jedenfalls traut uns Jesus zu, dass wir einander ins
Leben ziehen. Irgendwann dürfen wir auch sterben, aber wir sollen nicht
drängeln, erst sollen wir die von Gott in uns gelegten Energien ausgeben.
*
Die Heilung einer Frau
Es folgte Jesus
eine große Menge und sie umdrängten ihn. Da war eine Frau, die hatte
Blutungen seit Jahren und hatte viel erlitten mit vielen Ärzten und all ihr
Geld an sie verloren; und es hatte ihr nichts geholfen, sondern es war nur
schlimmer mit ihr geworden.
Als sie von Jesus hörte, sagte sich: Wenn ich nur
seine Kleider berühren könnte, so würde ich gesund. Und in der Menge trat sie von
hinten heran und berührte sein Gewand. Und sogleich versiegte die Blutung, und
sie spürte, dass sie von ihrer Plage geheilt war.
Markus 5,24-29
Hoffnung auf Heilung steht jedem Kranken zu. Es drängt
in uns etwas auf Wohlbefinden hin. Wir haben einen Trieb, richtig zu ticken und
nicht matt zu sein. Das schickt uns zu Ärzten, die sollen es richten. Jesus war
ein energetisches Kraftfeld, sodass er Kranke aller Art anzog. Sie wussten,
seine Nähe strömt Heilung aus. Es gibt Menschen mit besonderen Gaben. Und Jesus
war ein ganz besonderer Mensch. - Er war mit Gott eines Herzens, konnte darum
auch Menschen an Gott anschließen. Und dann wird es besser mit ihnen. Auch wir
haben Heilkraft. Wenden wir sie zuerst für uns an, indem wir uns nicht schaden.
Markus 5,32-34
Sind wir für einen Menschen intensiv da, dann kostet
das Kraft. Es fließt von uns zu ihm Geist, Wärme, Lebenswille- oder auch Geld-
was ja gemünzte Wirkmächtigkeit ist. Energien der Liebe wollen sprühen.
Muttermilch will nähren. Nützenkönnen ist ein Segen- auch wenn es erschöpft.
Gut zu wissen, dass es auch an Jesus nagte, wenn er
heilte. Er wirkte nicht pauschal. Er wollte den Menschen sehen, der von ihm
Kraft nahm.
Erhellend, wie Jesus die Frau stärkt in ihrem Selbstbewusstsein
- ja, sie hat gut daran getan, Gutes sich zu holen. Ihr Glaube, ihr Vertrauen,
ihr Wille, ihr Ärger-riskieren, ihr- soll man sagen- Stehlen, wird von Jesus
geadelt. Die Tochter Gottes hat sich nur genommen, was ihr zusteht. Alle Gaben
Gottes gehören uns als Geschwistern zusammen.
*
Die Ernte ist groß
Jesus sah die vielen Menschen
in Not. Sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben. Da
sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig
Arbeiter.
Bittet also den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende.
Matthäus 9,36-38
Schafe ohne Hirten- das ist
ein trauriges Bild auch für uns Moderne: Viele kämpfen für sich allein, auch
Paare sind bedroht, einen Egoismus zu Zweit zu leben. Wo ist Zusammenhalt und
Füreinandereinstehen? Der Hunger nach Befreundung ist groß, wo aber ist gelebtes
Gott- und Menschenvertrauen anfassbar? Wo sind die Arbeiter des Friedens?
Bitten wir Gott um nächstenliebende Mitmenschen, bitten wir zugleich um eigene
Verwandlung. Der gute Hirte Jesus will als gute Energie durch unsere Wünsche
und Hände gehen.
*
Berufen zu Jüngern
Jesus sandte seine Jünger
aus und gebot ihnen: Geht hin zu den
verlorenen Schafen aus dem Hause Israel und sprecht: Das Himmelreich ist nahe
herbeigekommen.
Macht Kranke gesund, weckt
Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt böse Geister aus. Umsonst habt ihr's
empfangen, umsonst gebt es weiter. Ihr sollt kein Geld bei euch haben, keine
Taschen, nicht zwei Hemden, keine zwei Paar Schuhe, auch keinen Stock. Verlasst
euch drauf: ein Arbeiter ist seinen Lohn wert.
Wenn ihr in ein Haus geht,
so grüßt es; und wenn es das Haus verdient, wird euer Friede auf sie kommen. Wenn
euch jemand nicht aufnehmen und eure Rede nicht hören will, so geht weg von
diesem Hause oder von dieser Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen.
Siehe, ich sende euch wie
Schafe mitten unter die Wölfe. Darum seid klug wie die Schlangen und ohne
Falsch wie die Tauben.
Matthäus 10,5-16
Ob das Auftrag an alle
Christen ist? Jedenfalls fühlte sich die erste Jüngerschaft zur Wandermission
in klarer Armut bestimmt. Die Jünger hatten was zu bieten. Sie hatten den Stoff
der Glückseligkeit zu geben- wenn er denn gefragt war. Sie lehrten zu leben aus
vollem Vertrauen in die Großzügigkeit Gottes. Man sollte meinen, Boten mit dieser
Nachricht seien überall herzlich willkommen. Aber fast wir alle haben nahe am
Misstrauen gebaut und sind skeptisch gegen Glücksversprechen, außerdem fürchten
wir nichts mehr als die Armut.
Franz von Assisi, der auch
den Vögeln predigte, muss ein durch und durch argloser, engelhafter Mensch
gewesen sein. Er muss sich vorgekommen sein, wie ein Schaf unter Wölfen. Wir
Normalmenschen sind wohl mehr mal Schaf, mal Wolf. Klug und ohne Falsch zu sein, ist schon nah
am Glück.
Wenn ihr Rede und Antwort stehen sollt, dann sorgt
nicht, was und wie ihr reden sollt. Gott ist es, der durch euch redet.
Matthäus 10,19.20
Das ist keine Anweisung an
Prediger, unvorbereitet von der Kanzel strömen zu lassen, was eben ihnen einkommt.
Gerade, wenn Menschen wissen, dass Gott sich ihrer bedient, sind sie zu
besonderer Achtsamkeit verpflichtet. Auch Busfahrer fahren im Auftrag des Herrn
und gerade darum hellwach. Prediger sollen „das Leben freischneiden“ (W.
Benjamin), statt ausgiebig unsere Sackgassen zu beleuchten. „Aufgabe des
Priesters ist es, daß er die Leute zu Gott bringe“ (M. Luther), nicht sie
erbaulich zu unterhalten.
Nur, wenn wir von innen
erleuchtet sind, wir also von Gott bespielt uns wissen, kann auch aus uns was schallen,
das gottvoll ist. Aber Inspiration braucht eine Menge Transpiration. Dem alten
Wort zu neuem Leben verhelfen - das ist aller Mühe wert.
*
Gott mehr gehorchen
Meint ihr, spricht Christus,
ich sei gekommen, Frieden zu bringen auf Erden? Ich sage euch: Nein, sondern
ich bringe Zwietracht. Eltern und Kinder entzweien sich, Hausgenossen werden
einander Feinde.
Wer Vater und Mutter mehr liebt
als mich, hat mich nicht verstanden. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt
und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert.
Matthäus 10, 34-39
Was alles ist uns wichtig?
Erfolg, Wirkung, Aufmerksamkeit, Anerkennung, Macht, Attraktivsein, Geld? Das
alles ist Jesus zweitrangig. Liebe, Freude, Teilen, Trösten, Einstehen für den
Nächsten- das sind die Jesus-Werte. Damit ist Streit programmiert: In Ehen, wenn einer mehr
„Brot für die Welt„ geben will als der andere; in der Politik, ob Flüchtlinge
aus Nordafrika aufgenommen oder abgewiesen werden; in der Familie, wenn die
Pflege der alt gewordenen Eltern nicht in gutem Einvernehmen gelingt. Wer den
Eltern, dem Erfolg, der Karriere, dem Partner mehr gehorcht als seinem auf Christus ausgerichtetem
Gewissen, der ist arm dran.
Jeder muss sein Kreuz auf sich
nehmen, seinem Wesen entsprechen, seine ihm zustehende Last tragen und darf sie
nicht abschieben. Jeder kommt in seinem Leben an Kreuzwege, da muss er verzichten,
um Verzeihung bitten, eine nicht gelingen könnende Liebe aufgeben.
Nur Schwache treffen brutale
und unvernünftig endgültige Entscheidungen. Jesus verlangt von keinem,
Lebendiges abzuhacken.
„Der Weg der Gottesgefolgschaft
sieht häufig so aus, daß man andere Menschen ernährt, ärztlich versorgt und
kleidet, daß man Leid und Tod fernhält und somit menschliches Gedeihen
ermöglicht. Am Leben Christi ist das klar zu erkennen“(Charles Taylor).
*
Die große Einladung
Christus spricht: Kommt her zu mir, alle, die ihr
mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.
Matthäus 11,28
Jesu Ruf gilt besonders dem, der an seine
Grenzen gekommen ist. In jungen Jahren müssen wir kämpfen und Beute machen,
müssen Erfolg erwirken und was Eigenes erobern. Aber irgendwann schwinden
unsere Kräfte. Dann offene Arme wissen, Freundesland, Friedensreich,
Aufgerichtetwerden, Mitgenommenwerden zu neuen Ufern der Freude, der Liebe- das
ist das Glück des Jesus. Er wird dich erquicken. Du wirst wieder angeschlossen
an den Lebensstrom. Wisse dich in seiner Nähe, in seiner Aura, in seinem
Schutzmantel. Du bist bei ihm geborgen, dem Heiland deiner
Seele. Er ist dir nah, auch wenn du ihn abwehren solltest. Er
schwingt in deinem Denkgebäude mit, auch
wenn oberflächlich Zahlen und Termine den Gedankenraum füllen. Such die
Menschen, in denen Christus dir sich nähern könnte.
*
Christus spricht:
Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, sanft und
demütig zu sein- so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen; mein Joch ist
sanft, und meine Last ist leicht.
Matthäus 11,29.30
Lasten haben wir alle, aber welche sind es wert, sie
zu stemmen? Wir sind in Pflichten gespannt, aber wer hilft zu sortieren? Von
Jesus lernen, heißt defensiv werden, sanft denken, Lücken lassen für die in
Druck. Nicht siegen müssen aber auch
nicht den Schluffen geben, nicht Held
sein müssen aber auch nicht das Leben verschlafen. Getrosten Gewissens sein,
klug und ohne falsch (Matthäus 10,16), Frieden bei sich haben und ausstrahlen.-
Jesus konnte das. Wir müssen ihn uns als glücklichen Menschen vorstellen
(Dorothee Sölle).
*
Das Gesetz ist für die Menschen
da
Einmal ging Jesus mit den Jüngern am Sabbat durch ein
Kornfeld, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren zu pflücken und
die Körner auszupulen und sie zu essen. Gesetzestreue sahen das und sprachen zu
ihm: Deine Jünger tun Arbeit am Sabbat. Warum tun sie, was nicht erlaubt ist?
Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist für den
Menschen gemacht und nicht der Mensch für den Sabbat.
Markus 2,23.24.27
Die Sabbatruhe (Sonntagsruhe) wurde und wird bei
Gesetzestreuen streng beachtet. Nichts
darf man tun, was entfernt nach Arbeit aussieht. Eigentlich ist dies Gebot ja ein Freispruch,
am siebten Tag der Woche feiern zu dürfen und
in schönen Gedanken mit Gott verknüpft zu sein. Die Feiertagsruhe ist
eine der ersten sozialen Gesetze der Menschheit. Dies Geschenk an die Menschen
wurde aber in der Handhabung durch geistliche Aufseher zum eingezäunten Raum mit vielen geistlichen
Pflichten. Jesus stellte die Verhältnisse vom Kopf wieder auf die Füße: Der
schöne Sabbat und alle anderen Gebote sind für die Menschen gemacht, nicht der
Mensch ist fürs Gehorchen gemacht. „Man
darf am Sabbat Gutes tun“ (Matthäus12,12).
Chatwin in „ Traumpfade“ erinnert daran, daß das Wesen der Gebote
rettender Natur ist: „Nomos“- (das griechische Wort für Gebot) bedeutet auch „Weideland“ im Griechischen.
Ein Nomade zieht von Weideland zu Weideland. Auch der Staat ist dienender
Natur- die Gemeinschaftsmacht hilft hoffentlich zum größtmöglichen Glück der
größtmöglichen Zahl, aber ist nichts von sich aus Heiliges.
*
Das ganze Evangelium in einer
Geschichte
Ein Gesetzeskundiger hatte Jesus zu Tisch geladen. Es
gab aber im Ort eine Frau, die war als
Hure verschrien. Sie vernahm, dass er dort war und sie ging hin mit einem Glas Salböl. Sie trat
von hinten zu seinen Füßen, kniete nieder, weinte und fing an, seine Füße mit
Tränen zu netzen und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen und küsste seine
Füße und salbte sie mit Öl.
Lukas 7,36-38
Eine Männerrunde- das
geistliche Oberhaupt des Städtchens hatte seine Freunde zum Mahl gerufen. Und
den Wanderprediger, der gerade großen Zulauf hat, lädt er hinzu, höflich,
herablassend, neugierig. Eine Frau drängt sich von hinten an Jesus, der mit den
andern wie üblich halb sitzend zu Tische lag. Oft gemalt ist diese Szene
völliger Hellhörigkeit. Jesus ist in zwei Gespräche getaucht: Vorn ist er mit
den Männern beschäftigt in gelehrtem und lautem Reden. Und hinter seinem Rücken
lässt er die Frau gewähren, lässt sie sich ausweinen über seinen Füßen und ihr
Werk der Liebe an ihm tun.
Als das der Hausherr sah, sprach er zu sich selbst:
Wenn dieser ein Prophet wäre, wüsste er, was für eine Frau das ist, die ihn
anrührt. Jesus sprach zu ihm: Simon, ich habe dir etwas zu sagen.
Lukas 7,39.40
Auch an einer dritten Front ist Jesus
geistesgegenwärtig: Er hört das innere Gespräch des Gastgebers mit: Das ist
doch ein Skandal, dass Jesus die Frau nicht abwimmelt. Er müsste doch wissen...
Weiss er es, und distanziert sich nicht, ist sein Ruf als Meister der Schrift beschmutzt. Weiss er
aber nicht, wer sie ist, dann hat er sich entlarvt als Irrläufer. Und in beiden
Fällen würde Simon blamiert sein, und hätte den Spott, wen er sich da denn eingeladen habe. Jesus hat wohl auf
Simons Stirn dessen Argwohn geschrieben gesehen. Er spricht ihn direkt an.
Simon, ich will dir was erzählen. Ein Gläubiger hatte
zwei Schuldner. einer war fünfhundert Silberstücke schuldig, der andere
fünfzig. Da sie aber nicht bezahlen konnten, erließ er es beiden. Sag, wer von
ihnen wird ihn am meisten lieben. Simon antwortete: Ich denke der, der am
meisten erlassen bekam. Und Jesus: Recht hast du geurteilt. Und nun:
Sieh diese Frau. Ich bin in
dein Haus gekommen; du hast mir kein Wasser für meine Füße gegeben; diese aber
hat meine Füße mit Tränen benetzt und mit ihren Haaren getrocknet. Du hast mir
keinen Kuss gegeben; diese aber hat, seit ich hereingekommen bin, nicht
abgelassen, meine Füße zu küssen. Du hast mein Haupt nicht gesalbt; sie aber
konnte mit Salben gar nicht aufhören.
Lukas 7, 41-47
Höchst geschickt geht Jesus
mit diesem Rechtschaffenen um, er führt ihn zur Erkenntnis seiner selbst. Simon
sieht sich bei Gott und Mitmenschen wohl angesehen, er lebt ordentlich und
geachtet. Er zensiert Menschen, sagt ihnen, wo es langgeht und was sich gehört.
Und erhöht sich mit durch deren Herabstufung oder Belobigung.
Er meint, keinem was
schuldig zu bleiben und keinem was schuldig zu sein. Jeder bekommt, was er
verdient- meint Simon; er bekommt ja auch genug Achtung und Privilegien- und
dazu noch das Diplom, er sei im Himmel gut angeschrieben.
Ganz anders dran ist die
Frau. Sie ist bei den Ordentlichen
verachtet. Sie wird ausgenutzt, wird irgendwie auch gebraucht, aber keiner will
bei Licht ihre Gesellschaft. Doch sie spürt, da ist einer, der sie als Person
wertschätzt. Sie nimmt Jesus Achtung an als Zeichen, dass ihr vergeben ist bei
Gott.
Ja, sie liebt Jesus, da hat
Simon recht, und im „ehrenwerten Haus“ mag ihre Zuneigung ungehörig scheinen.
Aber Jesus sieht die Bedürftigkeit dieser Frau; sie hungert nach Würde, sie
will als Person bejaht sein.
Klar, dass in der
Beispielgeschichte der Schuldenerlasser mehr geliebt wird von dem, dem mehr
Schulden erlassen sind. Dann ist es nur ein kurzer, steiler Erkenntnisschritt
für Simon, sich selbst als wenig Liebenden zu erkennen. Simon braucht ja auch
wenig Vergebung; er will Gottes Achtung,
und ist sich der Anerkennung seiner Leistungen vor Gott gewiss. Während die
Frau die Achtung als Zuschuss, als Geschenk braucht. Sie weiß sich vielgeliebt
von Gott; Simon weiß sich geachtet, bestenfalls. Aber das reicht ihm. Simon weiß sich auf Augenhöhe mit Gott. Die
Frau sieht sich als geliebte Tochter. Und aus Dankbarkeit liebt sie viele.
Simon misst sich und vergleicht sich, Simon ist immer im Wettstreit mit anderen, muss immer der Erste sein- er
führt ein anstrengendes Leben; eins, das
auf den Herzinfarkt zutreibt. Es sei denn, er lernt von der Frau.
Dein Glaube hat dir geholfen;
geh hin in den Frieden!
Lukas 7,50
Die Frau dieser Geschichte hat keinen Namen. Doch
unsere Phantasie wünscht sie an Jesu Seite. Eine Maria aus Magdala hatte Jesus
von Besessenheit geheilt, die ist auch bei Jesu Tod und Begräbnis anwesend, ihr
wird auch die anrührendste Begegnung mit dem Auferstandenen zugeschrieben (
bist du der Gärtner? Wo hast du meinen Jesus hingetan? Johannes 19,15).
Jedenfalls hat diese unbekannte Frau den Jesus zärtlich geliebt- und man sollte
ihr dankbar sein bei all dem barschen Umgang, dem Jesus oft ausgesetzt war.
Romane und Filme dichten unserm Jesus eine
Liebesgeschichte an, vielleicht mit
heimlicher Ehe und Kind. Aber so gut wie sicher hat Jesus die einzige echte
Alternative zur Ehe gelebt: er war mit
vielen befreundet- und Ehe ist nun mal das exklusive Ja zu einem Menschen, das
das Nein zu vielen anderen
einschließt.
In Frieden leben kann, wer liebt. Dazu muß er wissen,
daß er geliebt ist, auch wenn er versagt und schuldig wird. Jesus sagt uns das
auf den Kopf zu, massiert es uns in Herz und Sinn: „Du geliebt, gebraucht,
geliebt, gebraucht:“ Unser Lieben ist immer nur Antwort, Echo, Reaktion auf Gottes
großes Bejahen. Und die Frau hat Jesus als eine Verkörperung der Liebe Gottes
genommen; sie hat dem Jesus die Vergebung abgeglaubt, sie glaubt sich geliebt,
und liebt ihn zurück.
Gutestun ist Folge und Wirkung von Beschenktsein und Begabtsein. Darum hat Jesus
sicher nicht gesagt: “Ihr ist viel vergeben, weil sie viel geliebt hat“- so
Lukas, der es falsch verstanden haben muß. Jesus hat sicher, entsprechend der
Geschichte von den zwei Schuldnern, es andersrum gesagt: Weil ihr viel vergeben
ist, hat sie viel geliebt- entsprechend dem mehr verschuldeten Schuldner, der
den Gläubiger mehr liebte, weil ihm mehr
erlassen war.
Und warum schreibt Lukas diese Geschichte so moralisierend
um- oder hat sie aus der Gemeinde schon so verdreht aufgefangen? Für den
Gesetzesglauben, dass Gott uns nach unsern Werken richten würde, hätte Jesus nicht zu kommen brauchen.
Aber das Evangelium von der Liebe Gottes musste erst erblühen- und Paulus war
der erste, der es auf den Punkt gebracht hat: Gott macht die Gottlosen gerecht
(Römer 4,5).
Doch schon bald
schwang auch die Kirche wieder die Keule von Leistung und Moral, bis Martin
Luther die Rechtmachung aus Gnade wiederentdeckte. Und sie muss immer wieder
frisch gesagt werden, weil uns allen die Selbstgerechtigkeit im Blut liegt.
Auch das kann man fragen: Warum steht der Satz des
Lukas, der Jesu Botschaft auf den Kopf stellt, noch immer so in der Bibel?, Allermeist ohne eine
Bemerkung. Es ist darum, weil das
Moralisieren noch kein Ende hat.
*
Die Aussendung
der Zwölf
Jesus sandte
seine Jünger aus und gebot ihnen: Geht
hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel und predigt: Das Himmelreich
ist nahe herbeigekommen.
Macht Kranke
gesund, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt böse Geister aus, vergebt
Sünden. Umsonst habt ihr's empfangen, umsonst gebt es auch weiter.
Ihr braucht
kein Geld unterwegs, keine Taschen. Ein Arbeiter ist seines Lohnes wert. Wenn
ihr aber in ein Haus geht, so grüßt es; und wenn es das Haus wert ist, wird
euer Friede auf sie kommen. Und wenn euch jemand nicht aufnehmen und eure Rede
nicht hören will, so geht heraus aus diesem Hause oder dieser Stadt und
schüttelt den Staub von euren Füßen.
Siehe, ich
sende euch wie Schafe unter die Wölfe. Darum seid klug (wie die Schlangen) und
ohne Falsch (wie die Tauben).
Aus Matthäus
10,1-16
Sicher schickte
Jesus die Jünger schon mal während seiner irdischen Zeit los. Wahrscheinlich
aber ist hier einer der Missionsbefehle des Auferstandenen wiedergegeben- und zwar ein früher an die Jerusalemer
Urgemeinde, der zunächst nur Israel im Blick hatte. Jedenfalls betraut Jesus
die Jünger mit jener Vollmacht, wie sie ihm auch zu Gebote stand. Und auch wir
sollen Segen ausrichten und heilen, so gut wir können.
Die ersten
christlichen Missionare waren tatsächlich arm, doch ihre Sorgelosigkeit sprach
für ihren Glauben. „Klug und ohne
Falsch“ – ist ein starkes ethisches Programm; damit ist man voll beschäftigt.
Es gibt z.B. auf, selektiv authentisch zu sein- also echt und wahrhaftig, aber
nicht zu jeder Zeit muss alles auf den Tisch.
Und wenn sie
euch vor Gericht ziehen, zersorgt euch nicht, was ihr reden sollt-
eures Vaters
Geist ist es, der durch euch redet.
Matthäus 10,18f
Jesus sieht
seine Jünger und uns so innig an Gott angeschlossen, daß wir nicht alleine
sind, wenn wir Rede und Antwort stehen über unsern Glauben. Gott redet durch uns. Das fordert starke
Verantwortung, Wachheit, auch sorgfältige Vorbereitung (z. B. von Predigern), und
im Kern die Zuversicht, daß, wo du dein Herz zerfetzt, kein leeres Stroh bei
rauskommt.
*
Frauen versorgten Jesus
Es gingen mit ihm die Zwölf, dazu einige Frauen, die
er gesund gemacht hatte von bösen Geistern und Krankheiten, und viele andere,
die ihnen dienten mit ihrer Habe.
Lukas 8,1-3
Es gibt eine wehmütige
Mitteilung des Jesus: „Die Füchse haben Gruben, aber der Menschensohn hat
nichts Eigenes, wohin er sein Haupt legen könnte“ (Matthäus 8,20). Jesu Heimat
ist das Reich-Gottes-Projekt- die befreundete Menschheit in einer befriedeten
Umwelt. Das schließt Riesenreichtum und nackte Armut aus: Jeder gebe so viel er
kann und nehme, soviel er braucht– und dies aus freien Stücken. Eigenliebe und
Nächstenliebe sind die zwei Seiten einer Medaille. ( Dieser christliche
Liebeskommunismus gelang wohl kurze Zeit in der Urkirche- Apostelgeschichte
2,45 erzählt davon)
Aber noch sichern sich die Stämmigen mehr; die Friedfertigen
und Wehrlosen müssen mit Geringem auskommen. Arm dran sind die, die auf der
Straße hausen müssen - sie sollten nicht verherrlicht werden. Auch Jesus preist
die Mittellosigkeit nicht. Aber er kommt zurecht mit dem, was sich bietet. Er
arbeitet auch und zwar intensiv- Menschen Hoffnung machen und ihnen
Selbstbewusstsein unter die Flügel geben, das ist harte Arbeit. Und die findet
ihren Lohn. Jesus mit seinen zwölf nächsten Freunden - sie müssen nicht darben.
Einige wohlhabende Frauen kümmern sich um deren leibliches Wohl. Gut, daß die junge Kirche
dieses Detail verwahrt: Es ehrt die Frauen und wehrt dem Bild vom großen
Verzichtenden. Jesus lebt gern und isst auch gern. Er fordert keine Askese. Er gönnt
von Herzen.
*
Geschlossene Gesellschaft oder offenes Haus?
Christus spricht: Wer nicht mit mir ist, der ist gegen
mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.
Matthäus 12,30
An anderer Stelle sagt
Christus: Wer nicht gegen uns ist, ist für uns.
Markus 9,40
Hier sind die Überschriften
zweier Sorten Kirche: Die exklusive, elitäre, rigorose, fundamentalistische,
dogmatische Sorte, und die einladende, freundschaftliche, großmütige. Die eine
Sorte Kirche schließt viele aus, die andere lädt viele ein. Die eine macht die Zugehörigkeit abhängig von
Gehorsam, Unterwerfung und Glauben an die besonderen Amtsgnaden der Kirchen-
Hierarchie. Die andere freiheitliche Sorte setzt auf Gottesnähe jeder Menschenseele, auf Liebenwollen und Eigenverantwortung. Die eine setzt auf großen
Glauben, die andere auf den großen Gott.
Noch ist Kirche
durchwachsen. Auch die liebevolle Kirche braucht Grenzen; auch die Kirche
voller Ordnung hat liebenswerte Züge. Hauptsache, beide Kirchenstränge bleiben
zusammen.
*
Wir auch gutes Land
Jesus sprach: Stellt euch einen Sämann vor, der säte.
Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg; da kamen
die Vögel und fraßen es. Einiges fiel auf felsigen Boden, wo es nicht genug
Erde hatte und es verdorrte. Einiges fiel unter die Dornen; und die Dornen
erstickten es.
Aber ein Teil
fiel auf gutes Land und trug Frucht, einiges dreißigfach; einiges
sechzigfach; einiges hundertfach. Wer Ohren hat, der höre!
Matthäus 13,1-9
Wir selber sind viererlei
Acker. Das Saatgut, das in uns Frucht bringen soll, ist das Wissen: Gott liebt
dich und braucht dich. Bleibt es oberflächlich, fressen es die Sorgenvögel weg.
Oder die Unruhe, zu versäumen, verbrennt das Hinfühlen zu Gott; oder die Dornen
der Ichsucht kippen die innere Balance von Geben und Nehmen.
Aber wenn das Wissen „Gott liebt mich und braucht
mich“ in mir aufgeht, dann wächst ein
herrliches Selbstbewusstsein: Gefühlsmäßig kann ich widerstandsfähig
werden, ich gewinne bessere
Selbstkontrolle und meine Zuversicht wächst, dass es gut wird, auch durch mich.
Erstaunlich, daß der Sämann (Gott) soviel daneben
sät. Aber auch wir Schwierigen, in denen
viel missrät, können uns noch eines Besseren belehren. Auch die Dornen der
Sorge können noch Rosen bringen, Auch durch den Asphalt kann das Korn des guten
Wortes durchbrechen. Und noch die Vögel der Ichsucht sollen leben; werden sie
doch durch die Ichsucht der Konkurrenz in Schach gehalten.
Gott hat genug gute Nachricht, und sie vervielfältigt
sich üppig- auch durch dich. Im Ganzen
gelingt viel mehr Evangelium als Horrormeldungen, gelingen auch wir Menschen
Ihm mehr als es scheint, im Ganzen gelingt viel mehr Gutes als Schlechtes.
*
Vom Gelingen des Lebens
Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie
wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft, und schläft und steht auf und geht
seiner Arbeit nach. Unterdes geht der Same auf und wächst - der Mensch weiß
nicht wie. Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre,
danach den vollen Weizen in der Ähre. Dann ist die Ernte da.
Markus 4,26-29
Der Samen wird zur Frucht und
geht den Weg zur Ernte, weil in den Samen die Fähigkeit, Frucht zu bringen,
gelegt ist. Auch unser Leben gelingt, wenn wir nur das Selbstverständliche, das
in uns Gelegte, geschehen lassen: annehmen, lernen, arbeiten, teilen, geschickt
einem Werk dienen. Es gehört zu uns, dass wir einmal geerntet werden und die
Garben, die Beute unseres Ichs, Gott bringen. Wir tun „von selbst“ das
Richtige, wenn wir säen, schlafen, aufstehen und uns geschehen, uns wachsen lassen. Dabei -das
Korn wächst nicht schneller, wenn man es zupft. „Mit Sorgen und mit Grämen und
mit selbsteigner Pein, lässt Gott sich gar nichts nehmen“ (EG 361,2) - Tu das
Nötige und danke Gott für den Tag, und morgen, wenn dir ein neuer zuwächst,
nimm ihn lustvoll an.
*
Bös und gut
Jesu sprach: Das Himmelreich gleicht einem Menschen,
der guten Samen auf seinen Acker säte. Als aber die Leute schliefen, kam sein
Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. Als nun die Saat
wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut.
Da traten die Knechte zum Herrn und sprachen: Hast du
nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er dann das Unkraut?
Er sprach zu ihnen: Das hat ein Feind getan. Da
sprachen die Knechte: Willst du, dass wir es ausjäten? Er sprach: Nein! Damit
ihr nicht zugleich den Weizen mit ausreißt, wartet bis zur Ernte.
Matthäus 13,24-29a.
Dies unscheinbar klingenden Gleichnis stellt Weichen:
Gut und Böse sollen jetzt beieinander bleiben. Wenn wir können, sollen wir
Gutes tun und zwar möglichst viel, um so das Böse einzudämmen. Aber die
Übeltäter ausrotten- das geht nicht. Auch Gefangensetzen ist Gewalt der
Mehrheit, ist bittere, hilflose Notwehr derer, die mehr vom Recht haben als
die, die es brechen.
Statt das Böse auszugrenzen, sollen wir mit ihm
zurechtkommen. Denn wohl keiner ist gern bös. Und sind nicht alle Bösen
bösgemacht? Und brauchen so viel Liebe. Keiner hat sich selbst erschaffen.
Keiner ist fertig, so wie er ist.
In
Matthäus 13,28 sagt Jesus: Das hat ein „Feind-Mensch“ getan. Warum schon Luther
das griechische Wort anthropos (Mensch) unübersetzt fortlässt, ist nicht klar.
Vielleicht ließ er in dem geheimnisumwitterten Feind des Hausherrn noch Platz
für die teuflische Phantasiegestalt. Doch Jesus sagt: Das hat ein Feind-Mensch
getan. Gemeint ist doch die böse Kraft im Menschen, die gott- und
lebensfeindlich ist. Die aufspringt, wenn wir nicht wachsam sind und Böses sät,
das erst wie gut aussieht. Wir sind gut- bös, bös-gut, und sollen aufpassen,
dass uns das Böse nicht überflutet, sondern wir es beherrschen (1. Mose 4,7).
Ausrotten können wir es nicht. Das wird einmal Gott selber machen.
*
Aus klein wird groß
Das
Himmelreich gleicht einem Senfkorn, das einer auf seinen Acker säte; es ist das
kleinste unter allen Samenkörnern; wenn es aber gewachsen ist, so ist es größer
als alle Kräuter und wird ein Baum, sodass die Vögel unter dem Himmel kommen
und wohnen in seinen Zweigen.
Das Himmelreich gleicht einem Sauerteig, den eine Frau
nahm und unter das Mehl mengte, bis es ganz durchsäuert war.
Matthäus 13,31-33
Jesus ging immer wieder gegen den Pessimismus der
Mitmenschen an. Schon wahr: Noch ist nicht genug Glück, Freude, Liebe unter den
Menschen. Aber es ist doch ein Anfang. Und jedes neugeborene Kind ist ein Ruck
nach vorn, weil es so viel Hoffnung mitbringt und mobilisiert. Es kommt auf den Glauben, auf die Sichtweise
an: geht alles den Bach runter oder ist alles im Werden?
Jesus
setzt auf eine Werdewelt. Sind die Anfänge noch so brüchig, Gott betreibt sein
Reich. Und weil Gott der Betreiber ist, wird das Werden vollendet. Es ist wie
bei einem Baum- später wird er riesig. Und es ist wie mit dem Mehl. Ein kleiner
Zipfel Sauerteig macht das ganze Brot wunderbar geschmackvoll. Also setzen wir
auf Heilwerden des Lebens und wirken daran mit.
*
Alles auf eine Karte
Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im
Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und
verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.
Das Himmelreich gleicht einem
Kaufmann, der gute Perlen suchte,
und als er die kostbare Perle fand, ging er hin und
verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.
Matthäus 13,44-46
Gott liebt dich und braucht dich- das sei dein
Heilswort. Da setz alles drauf. Das nimm als Basis deines Denkens. Dafür lass
alles fahren dahin. Dafür geh jede Wette ein: Du, Himmelreichbauer, du
zukunftssüchtiges Glückskind, was auch
geschieht, du in Gottes Hand. Das hilft dir sortieren. Nicht Geldmachen sondern
Freudemachen, nicht Machtvermehrung sondern mehr Verstehen ist dein Anliegen.
Man muss sich den mit dem Schatz, den mit der Perle als glücklichen Menschen
vorstellen.
*
Die Heilung eines Kranken am Teich Betesda
In Jerusalem ist ein Teich, der heißt Betesda. Dort
liegen in fünf Hallen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte. Und ein Mensch
lag schon achtunddreißig Jahre krank.
Als Jesus ihn sah, spricht er zu ihm: Willst du gesund
werden? Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in
den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich hinkomme, so steigt ein
anderer vor mir hinein.
Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh
hin! Und sogleich wurde der Mensch gesund.
Aus Johannes 5,1-9
Dass man 38 Jahre lang nicht
das rettende Wasser erreicht, könnte auch daran liegen, daß man nicht gierig
gesund werden will. Es gibt auch einen „Krankheitsgewinn“, man kann seine
Krankheit auch einsetzen als Hebel zur Macht.
Diesem Kranken mutet Jesus gut was zu: Nimm dein Bett
und lauf! Jesus geht mit dem Kranken um, als wäre er schon gesund und als hätte er nur zufällig vergessen,
aufzustehen. Der Kranke steht und geht
und packt sich sein Bett auf. Manche Krankheit ist ja auch Ausdrucksmittel für
einen seelischen Schaden. Was mir fehlt,
ich muss es finden, damit Kraft und Gesundheit zurückkehren können.
*
Die Speisung der Fünftausend
Viel Volk war Jesus aus den Städten gefolgt. Und er
litt mit unter ihren Leiden und manche
konnte er heilen. Am Abend traten seine Jünger zu ihm und sagten: Die
Gegend ist öde und die Nacht bricht herein, schick das Volk nach Hause, damit
sie an Essen kommen.
Aber Jesus sprach zu ihnen: Es ist nicht nötig, dass
sie fortgehen; gebt ihr ihnen zu essen. Sie sprachen zu ihm: Wie das? Wir haben
zusammen nichts als fünf Brote und zwei Fische.
Und er sprach: Bringt sie her! Und er ließ das Volk
sich lagern und nahm die fünf Brote und die zwei Fische, sah auf zum Himmel,
dankte und brach das Brot und gab es den
Jüngern, und die Jünger gaben das Brot dem Volk. Und sie aßen alle und wurden
satt und sammelten noch körbeweise auf,
was übrig blieb. Die aber gegessen hatten, waren etwa fünftausend
Menschen.
Matthäus 14,13-21
Die Speisung der Fünftausend ist ein leuchtendes Bild
des menschenfreundlichen Gottes in Gestalt des Jesus. Gott gibt nicht nur gute
Gedanken sondern auch gutes Materielles in Fülle. Jesus lehnt es zwar ab,
„Brotkönig“ zu werden; er heilt und speist nicht am laufenden Band. Er will vor allem die göttlichen Kräfte in
uns freilegen und anfeuern. Wenn wir zusammenlegen, ist genug für alle da. Es
kommt auf den Herzenswillen an, Gott beizustehen.
Sicher konnte Jesus auch Brot vermehren. Wenn er schon
unser Lieben vermehren kann, ist doch Brot vervielfältigen, ein Klacks. Ob es
so viel auf einmal war, ist offen. Aber Menschen sollen nicht hungrig bleiben-
es kommt die Zeit der Fülle für alle. Diese Fülle fängt mit Jesu Hiersein schon
an. Das Reich Gottes ist im Kommen- dafür sind Jesu Wunder und unsere heilsamen
Taten Wegmarken.
Die Liebe wird mehr, wenn wir sie teilen. Auch wenn
zwei sich lieben, mehrt das den Energiehaushalt, die beiden werden gütiger und
freundlicher, ja auch frömmer. Hoffentlich erleben wir sie noch, die wunderbare
Liebesvermehrung.
*
Jesus geht auf dem Meer
Jesus blieb
wieder mal allein auf einem Berg und
betete. Am Abend waren die Jünger schon mit dem Boot vorgefahren, sie
waren schon weit von Land. Da, gegen Morgen, kam Jesus ihnen auf dem See
entgegen.
Und als ihn die Jünger auf dem See gehen sahen,
erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht. Aber
sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bins; fürchtet
euch nicht!
Matthäus 14,22-27
Vom Meer, das Planken hat für Jesus, gibt es viele
Legenden. Der Kern ist, dass nichts uns scheiden kann von der Liebe Gottes,
nichts die Jünger scheiden kann von ihrem Jesus, außer der Angst, sie seien
geschieden.
Wenn Gott den Jesus von den Toten auferwecken kann,
dann kann er auch eine Welt erschaffen und kann auch Jesus über Wasser halten-
wenn’s denn sein muß, keine Frage. Dazu
braucht er nicht physikalische Gesetze außer Kraft zu setzen. Darum taugt die
Geschichte auch nicht, um Jesu Himmelskräfte zu beweisen.
Aus dem Erschreckenden heraus spricht Jesus uns an:
„Fürchte dich nicht. Ich bins.“ Das wäre die Rettung- das Grauen als Anfang der
Erlösung zu sehen. In die Zukunft sehen, nicht wie in eine Geschützmündung
sondern in Jesu Antlitz sehen- das zieht nach vorn.
Petrus aber antwortete Jesus und sprach: Herr, bist du
es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. Und er sprach: Komm her!
Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. Als
er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie:
Herr, hilf mir!
Jesus streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn
und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? Und sie traten
in das Boot und der Wind legte sich.
Matthäus 14,28-32
Petrus hat das leuchtende Antlitz des Christus vor
sich. Hol mich zu Dir- sagt er. Jesus
sagt: Komm. Und Petrus tritt aus dem Schiff, dem halbwegs sicheren Boden, tritt ins Leere, betritt die Angst-
wissend: er ist gehalten. Es ist ein Vertrauenswissen, nicht ein Beweiswissen.
Aber als er den Blickkontakt mit dem leuchtenden Christus verliert, weil die
Wellen ihn bannen, da trägt der Glaube nicht mehr.
Die Macht,
geschätzt zu werden und gehalten zu sein, muss innen blühen. Deine Engelskräfte musst du wissen. Du hast es schon erlebt, dass Frieden dich
trug.
*
Von Frauen lernen
Und eine kanaanäische Frau schrie Jesus an: Ach Herr,
du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Meine Tochter wird von einem bösen Geist
übel geplagt.
Und er antwortete ihr kein Wort. Da traten seine Jünger
zu ihm und drängten ihn: Fertige sie ab, sie schreit uns nur nach.
Er antwortete aber und sprach: Ich bin nur gesandt zu
den verlorenen Schafen des Hauses Israel.
Sie aber fiel vor ihm nieder und sprach: Herr, hilf
mir! Aber er antwortete: Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot
nehme und werfe es vor die Hunde.
Sie sprach: Ja, Herr; aber doch fressen die Hunde von
den Brosamen, die von ihrer Herren Tisch fallen.
Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: Frau, dein
Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst! Und ihre Tochter wurde gesund zu
derselben Stunde.
Matthäus 15,21-28
Möglich, daß Jesus zunächst exklusiv und eng zugunsten
von Israel gedacht hat. Vielleicht sah er sich erst nur zu Israel gesandt. Die
Heilsausstrahlung für die ganze Menschheit hat wohl erst Paulus erkannt und
damit die Menschheit bis heute erleuchtet. Und doch ist auch Jesu Verständnis
von der Liebe Gottes schon allumfassend. Mag sein, die kanaanäische Frau half
ihm auf die Sprünge. Drei Anläufe, drei Bittanstrengungen bringt sie vor. Jesu
barsch klingender Verweis- das Brot wirft man auch nicht vor die Hunde- nimmt
sie hellsichtig und demütig zugleich auf. „Einige Bröcklein fallen doch ab,
Herr… „. Jesus freut sich am Zutrauen und der Klugheit dieser Frau. Er lernt
von ihr und gibt ihr Recht. Das Bedürftigsein- hier die Seelenkrankheit der Tochter- lässt der Frau
ja gar keine andere Wahl, als sich an Gott, bzw. den greifbaren Gotteszeugen zu
wenden. Die Jünger wollten sie nur los sein.
Es sind fast immer Frauen, mit denen Jesus in tiefe
Gespräche taucht.
*
Jesus macht lebendig
Jesus Christus spricht: Ich bin das Brot des Lebens.
Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird
nimmermehr dürsten.
Johannes 6,35
Für den Bauch sind Kalorien nötig, für den Geist ist
Würde nötig. Jesus nährt uns mit Selbstbewusstsein. Er flößt uns Ichstärke ein.
Er verteilt die intensivste Lebenskraft- sie kommt vom Himmel her: Wir sind Brüder und
Schwestern des Gottessohnes, also auch Gottes Kinder, sind Mit- teilhaber
seiner Vollmacht. Wir sind Mitschöpfer,
etwa als Eltern; sind Freudenanfacher, etwa als Liebende, sind Freisprecher als
Vergebende, sind Mitheilende als Fürbittende, sind Versöhnende in Gottes Namen
als Friedenstiftende, sind Engel als Teilende. Und das alles, weil wir von
Jesus Christus Gottesbewusstsein übernehmen und uns von seinem Gottvertrauen
mit tragen lassen.
*
Christus spricht:
Ich bin der Weg, die
Wahrheit und das Leben. Wenn ihr mich erkannt habt, so werdet ihr auch meinen
Vater erkennen. Philippus spricht zu ihm: Zeig
uns den Vater. Jesus spricht: Wer mich sieht, der sieht den Vater. Wer
an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue und noch größere.
Aus Johannes 14,6-12
Wie ist Gott als Vater zu erkennen? In Natur und Geschichte begegnet uns eine
gigantische Macht. Die Sonne und die Erdbeben, das Zurweltkommen der Kreaturen
und das Fressen und Gefressenwerden, Kriege und Sterben- sind alles Wirkungen
der Schöpfungsmacht. Aber worin
offenbart er sich als „Liebhaber des Lebens“ (Weisheit11,28)? Wie zeigt er sich
mir als liebevoll, wie erwählt er mich
zu seinem Eigenen, wie geht er mit mir durchs finstere Tal? Christus sagt, Sieh
mich an, glaub dich von mir erwählt, sieh mich an deiner Seite in den Mühen. Und
halt zusammen mit denen, die ihr Leben mir nach leben. Nimm das Lieben der
Mitmenschen als meine Wahrheit, nimm auch dein Lieben als Mitfühlen des ganzen
Schöpfungsleibes. In deiner Barmherzigkeit
schaff der Welt ein kleines Atemschöpfen. Jesus lebt mit dir, in
dir, die Gerechtigkeit und die
Unsterblichkeit, die Gott mit der Welt im Ganzen vorhat.
*
Der verdorrte Feigenbaum.
Und es hungerte
Jesus. Er sah einen Feigenbaum und
schaute, ob er etwas darauf fände. Er fand aber nichts als Blätter; denn
es war nicht die Zeit für Feigen. Da sprach Jesus zu dem Baum zornig: Nie mehr
esse auch nur einer von dir in Ewigkeit!
Und seine Jünger hörten das.
Markus 11, 12-15
Eigenartig: Unser Herr im Jähzorn. Das passt gut zu
seinem Wort: Niemand ist gut außer Gott (Markus 10,18). Zum Unbeherrschtsein
kommt noch Unwissenheit hinzu. Einsilbig dann auch der Tadel: Es war keine
Erntezeit. Selbst die Jünger konnten seiner Verfluchung keinen Sinn abgewinnen.
Sie hörten das, kopfschüttelnd wohl. Manches muß man stehen lassen.
Das konnten die Christen der nächsten Generation
nicht. Matthäus baut aus der Geschichte ein Paradebeispiel für Gebet- und
Verfluch-Erhörung. Betet, so geschiehts!
Kann das gehen- ohne den Filter: „Dein Wille
geschehe“. Oder das herrliche : „Zersorgt euch nicht. Gott weiß, was ihr
braucht!“ Eigentlich braucht ihr nicht zu beten. aber macht ruhig (Matthäus
6,8). Jesus wagt so zu sein, wie er gerade ist. Er weiß: Gott wird damit fertig,
er kennt seine(n)…und jetzt setz deinen
Namen ein.
*
Vom unehrlichen Verwalter
Jesus sagte ihnen ein Gleichnis: Es war ein reicher
Mann, der hatte einen Verwalter. Über ihn wurde dem Herrn hinterbracht, er
verschleudere seinen Besitz. Der Herr ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Gib
Rechenschaft über deine Verwaltung; deine Tage in meinen Diensten sind gezählt.
Der Verwalter sprach bei sich selbst: Was soll ich
tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, zu betteln schäme ich
mich.
Ich muss etwas tun,
was sie mir verpflichtet, auch wenn ich das Amt nicht mehr habe.
Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen
jeden für sich, und fragte den ersten: Wie viel bist du schuldig? Er sprach:
fünfzig Fässer Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, und schreib
schnell fünfzig. Dann fragte er den zweiten: Wie viel bist du schuldig? Er
sprach: Hundert Sack Weizen. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und
schreib achtzig. Und so ähnlich machte er es mit einer ganzen Reihe von den
Schuldnern seines Herrn.
Und Jesus lobte den ungetreuen Verwalter, weil er klug
gehandelt hatte. Denn, sagte Jesus, die Kinder dieser Welt sind unter ihres
gleichen klüger als die Kinder des Lichts.
Und zu anderer Gelegenheit sagte Jesus: Macht euch
Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch
aufnehmen in die ewige Heimat.
Lukas 16,1-9
Wir sollen Klugheit lernen von den Lebensgeschickten:
Sie nutzen die Gelegenheiten, sie wahren ihre Vorteile. Sie achten auf die
Zeit; sie wissen, was dran ist. Sie können ihre Chancen abmessen. Und wenn sie
wissen, das Geschäft geht den Bach runter, dann buchen sie um, transferieren
auf andere Konten, machen sogar Schulden zugunsten einer sonnigen Zukunft.
Sind wir nicht alle geschickt, und achten darauf, dass
was übrig bleibt für uns? Jesus, beurteilt das nicht- er will uns nur sagen: Um
euren Vorteil zu sichern seid ihr
scharfsichtig- und für das Ganze seid ihr so blind. Denkt doch wirklich mal an
eure wahren Interessen. Ihr wollt doch Gott gefallen, wollt mal genug Gutes
getan haben. Euer Hiersein soll sich doch gelohnt haben- also investiert in
eure Zukunft. Legt euer Geld in gute Taten an.
Macht euch Freunde mit dem blöden Geld-
es ist zum Glücklichmachen da. Und „ungerecht“ bleibt es immer, wenn es
nicht unterwegs ist, Gutes zu tun. Mit wieviel Leid ist jeder Euro in meiner
Tasche versehen, solang ich ihn für mich behalte.
Jesus lobt nicht den Betrug sondern die
Hellsichtigkeit des Gauners.
*
Drängt die Trägen
Er sagte ihnen ein Gleichnis. Es war ein ungerechter
Richter, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem
Menschen.
Es kam aber eine Witwe zu ihm und bedrängte ihn:
Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher!
Und er wollte lange nicht. Dann aber dachte er bei
sich selbst: Ich will ihr Recht schaffen, damit sie nicht noch komme und mir
ins Gesicht schlage.
Und Jesus weiter: Wenn der ungerechte Richter sich
schon belehren läßt, sollte Gott da nicht auch Recht schaffen seinen
Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen?
Sollte er’s bei ihnen lange hinziehen? Ich sage euch: Er wird euch Recht schaffen in Kürze.
Lukas 18,1-8
Wenn schon eine resolute alte Dame einen faulen
Richter dazu bringen kann, sich ihres Falles anzunehmen- und wenn er nur den
Skandal scheut, daß eine wütende Frau
mit der Handtasche auf ihn einschlägt- also wenn er sie erhört, nur
um bald wieder seine Ruhe zu haben - um
wieviel schneller wird Gott euch erhören; Er, der euch beisteht, weil er euch
liebt!
Also betet, nicht um zu
bedrängen, sondern um euch im Gespräch mit Gott zu wissen. Ihr habt ihn als
euren ständigen Begleiter bei euch. Und nehmt jede Lage als Bitte und Antwort zugleich. Es kann
nicht sein, daß Gott schläft oder sich die Ohren verstopft vor euch Drängenden.
Er ist mit euch auf der Höhe eurer Situation. Und ist schon dabei, die missliche Lage zu
wenden, weil er Heiler aller Gebrechen ist. Aber manches müssen wir dulden,
weil Gott es auch dulden muss und dabei es austrägt.
Jesu Geschichte lehrt auch,
daß wir bitten und drängen und auf die Nerven gehen sollen wenn Not ist. Manch
einer muss erst wachgerüttelt werden.“ Um ihres unverschämten Geilens
willen“(Martin Luther) bequemte sich der Richter, an die Arbeit zu gehen. Wir
sollen uns mühen um Gehör, wenn es um unser und anderer Glück geht. Dies
Drängen hilft ja auch Gott, ein Leid zu wenden mit Hilfe der Helfer. Also Gott
bitten und Menschen.
*
Der talentierte junge Mann
Einer trat zu Jesus und fragte: Meister, was soll ich
tun, damit ich das ewige Leben habe? Er sagte: Was fragst du - halte die
Gebote. Der junge Mann darauf: Die hab ich gehalten von Jugend auf.
Und Jesus: Willst du vollkommen sein, willst du ganz
sein, so verkaufe, was du hast, und gibs den Armen, so wirst du einen Schatz im
Himmel haben; und komm und folge mir nach!
Als der Mann das hörte, ging er
traurig davon; denn er hatte viele Güter.
Matthäus 19,16-22
Hätte der Kerl doch geschwiegen. Die Zehn Gebote
halten inklusive „Liebe deinen Nächsten
wie dich“, heißt doch, ein intensives Leben führen in Richtung ewiges
Leben. Da hebt schon mitten im Tun
Ewiggütiges an, nicht erst dermaleinst. Sondern Hiersein ist voller blühender
Anfänge.
Und man ist völlig damit beschäftigt, sich dem
Irdischen zu widmen, ohne dessen Knecht zu werden; Heiliges nicht missbrauchen und Eltern ehren
als die ersten Mitarbeiter Gottes und nicht töten sondern Lebendigkeit fördern
und: Liebe! Und schütze Ehen; und die Ehre eines jeden Wesens fördere und das
Eigene betreibe ohne dem Andern etwas zu entwenden.- Das ist doch
unerschöpflich. Wie kann der Mensch müde abwinken? Als wären die Gebote
nebenbei zu erledigen.
Da aber macht Jesus mächtig Dampf: Willst du ganz mit
dir im Reinen sein, dann lass alles los. Und überlass dich ganz der Gnade und
Forderung des Augenblicks.
Aber so ausgeliefert an den Tag sein- das bringen nur
wenige zustande. Viele sind notgedrungen dicht an dicht mit dem Verzicht. Aber
dies freiwillig auf sich zu nehmen, dazu muss einen der Ruf treffen. Sonst soll
man dem Herrn dienen mit den Gaben, die man empfangen hat. Da hat die Welt
meist mehr von, als sich arm zu machen.
*
Jesus spricht: Ich lebe und ihr
sollt auch leben.
Johannes 14,19
Dies Wort des Jesus Christus rührt ans Herz der
Welt. Gott war in diesem Jesus in
Fleisch und Blut. Damit ist uns ein Bild gegeben vom wahren Menschsein: Wach,
liebevoll, lustvoll ausgestreckt nach Glücklichwerden und -machen, kämpferisch
die falschen Bauformeln an Lebensentwürfen bloßlegend und das gute Gesicht
Gottes zeigend- so war er, so sollen wir sein, annähernd.
Wir werden uns dann als lebendig erkennen. Das ist versprochen. Manchmal stehen
wir schon zur Auferstehung auf- spüren
einen Frühling in unserer Seele, sind gern wir. Diese Verwandtschaft mit Jesus
soll uns oft gelingen. Und nie bleiben wir tot, höchstens drei Tage. Warum?
Weil Gott nicht ohne dich sein will. Darum wirst du ewig leben. Und es wird
Freude sein, Freude sein.
Dass wir noch irdisch sind, lasst uns nutzen- noch ist Zeit zu werden, noch ist
Zeit zu lieben. Hilf, daß ein Mensch aufatmet, wegen dir. Glückliche Tage dir
und durch dich!
*
Liebet!
Christus spricht: Das ist mein Gebot: Ihr sollt
einander lieben- wie ich euch auch liebe. Wer liebt, setzt sein Leben ein für
seine Freunde. Ihr seid meine Freunde- ihr befolgt mein Gebot. Und bedenkt:
Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt,
Frucht zu bringen.
Johannes 15,12-16
Liebe, und tu, was du willst! -sagte Kirchenvater
Augustin. Gemeint ist wohl: tu, was du liebend wollen kannst. Mit dem Meinen mich einsetzen für Nächste-
das ist eine Lebensberufung. Es sei mir Dauerauftrag, menschenfreundlich zu
werden. Das ist die Frucht, die wir
bringen sollen, wir von der Liebe Erwählten.
*
Eine kluge Frau
Jesus war mit seinen Jüngern auf dem Weg. Da trat
eine Frau aus Kanaan auf ihn zu und
rief: Herr erbarme dich meiner! Meine Tochter wird von einem bösen Geist
geplagt.
Er antwortete aber: Ich bin nur gesandt zu den
verlorenen Schafen des Hauses Israel. Sie aber kam und fiel vor ihm nieder und
sprach: Herr, hilf mir trotzdem!
Er antwortete: Es ist nicht recht, dass man den
Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde. Sie sprach: Ja, Herr; und
doch fressen die Hunde von den Krümeln, die von ihrer Herren Tische fallen.
Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: Frau: dein
Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst! Und ihre Tochter wurde gesund zu
derselben Stunde.
Matthäus 15,21-28
Unfassbar, daß Jesus die Frau so hart abwies. Aber
vielleicht musste auch er lernen. Er meinte wohl tatsächlich er sei zuerst zu
Israel gesandt; und wenn Israel mit Gott im reinen ist, dann bekehrt Israel die
ganze Menschheit. Und doch geht es
nicht, die andern mit Hunden zu vergleichen. Der Glaube der Frau beschämt ihn
dann auch. Sie denkt größer von Gott als er.
Er lässt sich von ihr ins Gebet nehmen. Er lässt sich
von ihr abverlangen, was ihm zum Austeilen anvertraut ist. Das Bedürftigsein
wiegt mehr als Vorrechte aus alter Zeit. Das lernt Jesus von einer unbekannten
weisen Frau.
*
Simon wird Fels
Jesus fragte seine Jünger: Für wen halten mich die
Leute?
Sie sprachen: Einige halten
dich für den Täufer Johannes, andere für den Propheten Elia, wieder andere
meinen, du seist einer der anderen Propheten. Dann fragte er: Und was meint
ihr, wer ich bin?
Da antwortete Simon Petrus
und sprach: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!
Da sprach Jesus zu ihm:
Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; Fleisch und Blut haben dir das nicht
eingegeben, sondern mein Vater im Himmel.
Du bist Petrus, und auf
diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen
sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben:
Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und
alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.
Matthäus 16,13-19
Sicher besprach sich Jesus oft mit seinen Jüngern über
seine Wirkung auf die Menschen. Die von ihm Begeisterten sahen ihn als großen
Lehrer, Zeugen, Propheten; einige hielten ihn auch für den im feurigen Wagen
entrückten Elia, mit dessen Wiederkunft
ja der Vorhang aufgehen sollte zum Reich Gottes am Jüngsten Tag.
Einen Quantensprung weiter machte Petrus. Er fiel vor
Jesus nieder, sieht ihn als Gott auf Erden; im Bild von damals: als Sohn Gottes.
Das aber ist nicht Erkenntnis von Simon sondern ist ihm eingegeben, sagt Jesus:
Also keine Kalkulation bringt uns zum Glauben sondern Heiliger Geist nimmt uns die Schuppen von den Augen. Dann
kann uns aufgehen: Christus ist Gott bei uns.
Dem Simon nachglauben, heißt, mit allen Schwächen dich
doch als Fels von Kirche mit wissen, und mit Simon und in seiner Nachfolge
Gemeinde bauen, die schon Anfang und Eingang von Himmelreich ist.
Das sogenannte Petrusbekenntnis ist Schlüsselstelle
für ein hochgetrimmtes Papstverständnis. Aber ganz abgesehen davon, daß auch
eine solch großartige Erhebung des Petrus noch keine grandiose Nachfolge (Succession)
begründet- es ist unwahrscheinlich, daß der historische Jesus eine Kirche, wie sie im Laufe der Jahrhunderte
geworden ist, gegründet hat. Wohl hat er nach der Auferstehung die Jünger
losgesandt, die gute Nachricht vom Reich Gottes auszustreuen- aber eine
„Verbeamtung“ des Simon als Grundstein der Kirche scheint erst nach einem
Jahrhundert gewachsener Kirche in Rom nachformuliert. Erst später ist der (in
Rom aufbewahrte) Matthäus-Text um diese Passage erweitert.
Gar nicht passt es zu
Jesus, seine Jünger so zu erheben, dass sie Mitmenschen ihre Sünden ewig
behalten können. Dann wären Menschen auf immer
mit ihrer Schuld verschweißt und auch Gott könnte nicht mehr ihnen vergeben.
Mag sein, daß triumphale Kirchenobere sich
solche Vollmacht, solche Schlüsselgewalt
erträumen - im Sinne des
grundgütigen Gottes ist sie nicht; und Jesus hat sie sicher nicht erteilt.
*
Sein Kreuz auf sich nehmen
Jesus sprach zu seinen Jüngern: Wer mir nachfolgen
will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir.
Matthäus 16,24
Den Maßstäben des Jesus nachleben, bringt mich zu mir.
Ich komme zu mir, wenn ich mich liebe und den Nächsten; Ich komme zu mir, wenn
ich nicht kämpferisch auf meinem Recht beharre sondern mit dem Gegenüber
Einvernehmen suche. Ich finde mich, wenn ich mich nicht drücke vor dem, was mir
aufgegeben ist. Dazu gehört Mühsal und Freude – beide soll ich leben.
Dem Jesus glaube ich nach, daß Gott mich lieb hat und
mich braucht. Dazu muss ich meine kleine aber zähe Ichsucht des Öfteren
zurückstellen. Aber ich muss mich nicht verleugnen, eher ist es doch
verheißungsvoll gemeint: Dem Jesus nach werde ich mehr ich.
*
Mehr Leben ins Leben
Wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren;
wer aber sein Leben weggibt um meinetwillen, der wird’s finden.
Matthäus 16,25
Leben muss sich erhalten, dieser Trieb ist allem
Lebendigen eingestiftet. Nur der Mensch kann sich umbringen. Aber er soll doch
sein Leben nutzen und gestalten und dankbar genießen. Versteh Jesu Wort doch
so: Wer nur um sich selbst kreist, muss verrückt werden. Wir können unser Glück
nicht direkt ansteuern, wir müssen das Glücken des Ganzen im Auge behalten. Wer
sich selbst genug ist, verhungert.
Investieren wir uns ins Leben. Bringen wir unsere
Begabungen auf den Markt der Möglichkeiten. Bitte, will nützen. Statt mit dem
Leben im Streit zu liegen, will dem Leben geben, was es braucht, damit es dich
mag und weiterhin erhält. Damit betreiben wir Christi Sache.
*
Verkauf dich nicht
Was würde es
dem Menschen helfen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an
seiner Seele?
Matthäus 16, 26
Gewinnen ohne was zu geben, was hat das für Sinn? Ich
lasse andere bluten. Ich muß mich doch vor mir
selber ekeln, wenn (mit nur wenig anderen) mir es immer besser geht, und
die andern, die meisten Mitmenschen darben. Der Schaden an meinem Ich wäre
monströs, ich wäre ein Zombie, nur wert, bestohlen zu werden. Wenn ich viel mehr
habe als ich brauche, aber eine
Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, dann lebe
ich in Sünden und kann nicht glücklich sein. Darum will ich noch mal
nachdenken, was jetzt dran ist für mich.
*
Die Verklärung Jesu
Jesus nahm Petrus und Jakobus und Johannes mit sich
auf einen hohen Berg.
Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht
leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. Und es erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten
mit ihm.
Petrus aber sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein!
Willst du, so wollen wir drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.
Da überschattete sie eine lichte Wolke. Und eine
Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen
habe; den sollt ihr hören!
Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr
Angesicht und erschraken sehr. Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und
sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht! Und sie sahen niemand als Jesus
allein.
Sie stiegen wieder vom Berg hinab zu den anderen.
Matthäus 17,1-9
Die Jünger konnten Jahre
mit Jesus durchs Land ziehen, aber daß sie mal den Himmel offen sahen, war ein
seltener Glücksfall. Auch Jesus war
wohl nicht ständig voller Gottes- und
Selbsterkenntnis. Die Verklärung auf dem Berg zählt wohl zu den Sternstunden
der Menschheit.
Völlige Stille, nur Sonne, Wind, Felsen. Den Alltag ließen sie unten im Tal.
Nur die drei allernächsten Freunde erleben Jesus mit einem Antlitz, das von
einer glühenden Gotteserfahrung gezeichnet ist. Sie sehen Jesus, ihm zur Seite
die höchsten Gottesgaranten- und wollen diesen Augenblick bannen, wollen ihm
Dauer verleihen, wollen den drei Gottesfreunden Hütten bauen, damit sie im dauernden
Zwiegespräch bleiben können, von der alten Erde ungestört. Und die drei Jünger
würden ihnen zu gerne dienen, dem Üblichen enthoben.
Doch Jesus wischt ihnen übers Gesicht: wir müssen zurück
an die Arbeit. Die anderen brauchen uns. Die uns zustehenden Körnchen Glück
liegen im Acker des Alltags, bergen wir sie, mühen wir uns. Und die Beute der
Glückseligkeit „oben auf dem Berg“ ist: Fürchtet euch nicht.
*
Kindlich, nicht kindisch
Die Jünger fragten Jesus: Wer
ist wohl der Größte im Himmelreich?
Jesus rief ein Kind zu sich und
stellte es mitten unter sie und sprach: Wahrlich,
ich sage euch: Wenn ihr nicht
werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins
Himmelreich kommen. Es läuft
darauf hinaus, von neuem geboren zu werden.
Matthäus 18,1-3; Johannes 3,3
Kind bleiben geht nicht. Wir müssen erwachsen werden,
Verantwortung übernehmen, Leben gestalten, Leid tragen. Kinder haben alles noch
vor sich. Erwachsen geworden haben wir unsere Zukunft hier irgendwann gelebt
und müssen sterben. Was das Himmlische am Kindsein ist? Doch zu leben aus vollem Vertrauen,
unverstellt zu bitten, mit Überschwang zu genießen, zu teilen von Natur aus und
zu nehmen ohne Berechnung- dankbar, ohne es extra zu sagen. Wieder so werden
nach den Zeiten des Vernünftelns und Berechnens- das wäre Glück. Und auch dies
gilt. „Dass sie das Erstmalige als Einmaliges zu bestaunen und zu verherrlichen
vermag, ist das große Wunder der Jugend. Dass sie das Einmalige jeder Wiederholung
zu erkennen und zu verehren vermag, ist das größte Wunder der Reife“ (Ludwig
Strauss).
*
Wo ist Christus?
Christus spricht: Wo zwei oder drei versammelt sind in
meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.
Matthäus 18,20
Sicher ist Christus auch bei dir, wenn du für dich
bist. Aber Gemeinde ist wichtig, um mit andern von und mit Christus zu reden.
Lieben, das macht den Liebenden des Lebens, Christus, gegenwärtig. In seinem
Geiste denken und handeln, macht zu
Christi Leib. Liebend lebt er uns, leben wir ihn. Jede Umarmung, jedes
Brotteilen ist Gott, Christus leibhaftig. So ist Lieben nicht Hobby sondern
Welterschaffung.
*
Nächstenliebe beschafft
Leben
Ein Schriftgelehrter fragte:
Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?
Jesus sprach zu ihm: Was sagen
die Gebote?
Er antwortete und sprach: »Du
sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von
allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst«
(5.Mose 6,5; 3.Mose 19,18).
Jesus sprach zu ihm: Du weißt
es. Tu es, so wirst du leben.
Er aber wollte sich selbst
rechtfertigen und sprach zu Jesus: Wer ist denn mein Nächster?
Lukas 10,25-29
Wir wissen, was gut ist und was
also Gott von uns fordert. Ja, im Gewissen sind wir zum Guten aufgefordert (das
ist fast ein Gottesbeweis: wir wissen uns vor einer letzten Instanz verantwortlich). Auch die abwehrende Frage, wer denn mein
Nächster sei, spricht nicht frei. Wie auch die Frage: Was ist denn Wahrheit?
(Johannes 18,38) nicht einlädt zum Lügen. Gott lieben,
den Nächsten, dich selbst- der dreifach gezwirnte Faden hält uns fest. Wer
fragt „wer ist denn mein Nächster?“-will nicht helfen. Aber irgendwann wird er
in Not sein und wird darum bitten, daß ihm einer zum Nächsten wird.
*
Der barmherzige Samariter
Jesus erzählt:
Es war ein Mensch, der ging
von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber; die zogen ihn aus
und schlugen ihn, machten sich davon und ließen ihn halb tot liegen.
Es traf sich aber, dass ein
Priester dieselbe Straße hinabzog; und als er ihn sah, ging er vorüber.
Desgleichen auch ein Lehrer: Als er zu der Stelle kam und ihn sah, ging er
vorüber.
Ein Samaritaner aber, ein
Ausländer, der auf der Reise war, kam auch dahin; und als er ihn sah, erfasste
ihn Mitleid. Er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie
ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn.
Am nächsten Tag gab er dem
Wirt zwei Silbermünzen und sprach: Pflege ihn weiter; und wenn du mehr
ausgibst, will ich dirs bezahlen, wenn ich wiederkomme.
Und Jesus fragt: Wer von
diesen dreien, meinst du, ist der Nächste gewesen dem, der unter die Räuber
gefallen war? Er sprach: Der die Barmherzigkeit an ihm tat. Da sprach Jesus zu
ihm: So geh hin und tue desgleichen!
Lukas 10,30-37
Wenn uns nur diese Geschichte des Jesus überliefert
wäre, hätten wir damit eine Quelle immer frischen Wassers. Es ist die reine
Wahrheit: Wer ist mein Nächster? Dem ich Nächster werde, wenn er mich braucht.
Typisch, dass der Priester seinen Dienstplan als Brett
vorm Kopf hat und der Lehrer muß erst im Beamtenrecht nachschlagen. Beide
meinten, sich rituell zu verunreinigen. Aber der Fremdling, der mit anderer
Religion, tut das Mitmenschliche.
An den aufgezählten Aktionen kann man den ganzen
sozialen Dienst aufschlüsseln: Sehen,
also merken, wahrnehmen; hingehen, Wunden säubern und desinfizieren, verbinden,
abtransportieren zu einer Versorgungsstation, bei ihm bleiben, Pflege
sicherstellen, dann Menschen zuständig machen durch Verpflichtung und
Bezahlung.
Heute käme noch Vorsorge dazu, Ausstattung der Straße
mit Beleuchtung und Notrufsäule, vielleicht auch Überwachungskameras?
Jedenfalls verbesserte Sozialarbeit in dieser Gegend. Auch ADAC, Feuerwehr und Rotes Kreuz haben beim
Samariter, bzw. bei Jesus gelernt.
Es mag so scheinen, daß in den Kirchen kein Feuer mehr brennt. Aber sie heizen das
soziale Gewissen an, die Glut unter der Asche, das Evangelium, ist noch heiß.
*
Was wichtiger
ist
Jesus kam in
ein Dorf und besuchte dort die Schwestern
Maria und Marta. Maria aber setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte
seinen Worten zu.
Marta jedoch
war ganz davon in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen. Irgendwann ging sie zu Jesus
und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit
mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!
Der Herr
antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines
ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen
werden.
Lukas 10,38-42
Immer noch ist
Streit zwischen Denken und Handeln, Beten und Arbeiten, Diakonie und Theologie,
Glauben und Lieben.
Jesus ist zu
Gast, die eine Schwester führt den Haushalt, bringt feine Sachen auf den Tisch,
die andere Schwester genießt den Jesus, sitzt zu seinen Füßen, hängt an seinen
Lippen. Marta sieht die beiden im Gespräch versunken, sieht auch Marias
glänzende Augen. Und Marta sieht sich in die Küche verbannt. Wenigstens
aufdecken könnte die andere mal eben… Da hält es Marta nicht mehr aus, sie herrscht
den Gast an, er solle Maria mal Beine machen. Da ergreift Jesus Partei für die
Hörende, die ihn Genießende.
Sicher ist Jesus
nach dem guten Mahl mit Marta in den Garten gegangen und hat sie gelobt für
alle Mühe und hat ihr Mut gemacht, auch mal zu ruhen. Und als sie wieder
reinkamen, hatte Maria abgedeckt und die Küche war sauber. Schön wärs.
*
Der reiche Mann
Jesus sagte: Auf den Feldern eines reichen
Mannes stand gute Ernte. Da überlegte er: Was soll ich tun? Wo soll ich die
Ernte unterbringen? Schließlich wußte er: So will ich es machen: Ich werde
meine Scheunen abreißen und größere bauen; dann kann ich mein ganzes Getreide
und meine Vorräte unterbringen. Und kann
zu mir sagen: Liebe Seele, nun hast du einen großen Vorrat für viele Jahre. Ruh
dich aus, iss und trink und freu dich des Lebens!
Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Noch in
dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann all das
gehören, was du angehäuft hast?
So geht es
jedem, der nur hier Schätze sammelt, aber nicht reich ist bei Gott.
Lukas12,13-21
Der reiche
Kornbauer, der rafft und sichert und Vorsorge trifft für viele Jahre, dann
einfach umkippt und nur geschuftet hat für die lachenden Erben- das ist zu
recht ein Horrorbild, dem jeder entgehen will.
Vorsorge ist ja
für uns Normale geboten. Mit Rentenversicherung und vernünftigem Sparverhalten
beschaffen wir, daß wir nicht der Armenpflege oder den Kindern anheim fallen
müssen.
Doch wir sind
im Rahmen unseres Vermögens auch verpflichtet, Hunger und Leid zu mildern.
Ekelhaft, wenn wir zu den wenigen gehören, denen es finanziell immer besser
geht.
*
Wo euer Schatz
ist, da ist auch euer Herz
Lukas 12,34
Woran du dein
Herz hängst, das ist dein Gott, sagt Luther. Wofür du dich begeisterst, das
macht dich aus. Wir müssen geben können, also brauchen wir Geld. Nicht das Geld
ist böse oder gut; es liegt an dem, ders brauchen tut.
*
Das Unglück von Siloah
Jesus sprach: Als
der Turm von Siloah umstürzte und
achtzehn Menschen erschlug – meint ihr, die seien schuldiger gewesen als all die
andern Menschen ringsum, die überlebten? Ich sage euch: Nein; sondern wenn ihr
nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen.
Lukas 13,4.5
Warum gerade die und nicht andere? Warum andere und
nicht ich? Es ist die ewige Frage, ob Unglück gezielt trifft. Dann müssten die
Opfer besonders viel Schuld auf sich gehäuft haben und wie zu einer Hinrichtung
von langer Hand an diesen Ort zu dieser Zeit geführt worden sein. Dieser
Gedanke ist absurd. Gar nicht auszudenken ist doch, Gott sortiere per Unglück
die Bösen aus.
Also keine Erklärung, warum gerade die starben. Und
keine Erklärung warum du, ich, noch am Leben sind. Und auch heiligmäßiges Handeln gibt keine
Sicherheit. Es ist Leid in der Welt und muss getragen werden. „Selig die Leid
tragen“ sagt Jesus (Matthäus 5,4) und hat sich vor seinem Quantum nicht
gedrückt.
Als Jesus bittet: Lass diesen Leidenskelch an mir
vorübergehen (Matthäus 26,39), weiß er sich in Gottes Hand, weiß Gott als die
Geschichtsmacht. „Warum lässt Gott das Leid in der Welt zu „- wir dürfen es
fragen als Leidende, aber nicht als Zuschauer die sich vor dem Helfen drücken.
Gott ist letzte Adresse für Dank und Klage - das ist keine Erklärung aber
unsere letzte Rettung.
Auf viele Arten können wir unter die Räder kommen,
unser Leben vertun, seelisch verhungern, geistig ersticken. „Tut Buße“ heißt:
halt inne, mach Bilanz, sieh zu, wovon du wegkommen musst, wovon weg du umkehren
willst zu einem Menschsein voll heiligem Geist? Wieviel Erschütterung müssen
wir zusammen durchmachen, daß die Erde eine Zukunft hat?
*
Der Feigenbaum
Jesus sagte
ihnen dies Gleichnis: Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in
seinem Weinberg, und er kam und suchte Frucht darauf und fand keine.
Da sprach er zu
dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang gekommen und habe Frucht
gesucht an diesem Feigenbaum und finde keine. So hau ihn ab! Was nimmt er dem
Boden die Kraft?
Er aber antwortete
und sprach zu ihm: Herr, lass ihn noch dies Jahr, ich will um ihn graben und
ihn düngen; vielleicht bringt er doch noch Frucht; wenn aber nicht, so hau du ihn
dann ab.
Lukas 13, 6-9
Manchmal haben
wir die Nase voll von einer Freundschaft, die enttäuscht; von einem Team, das
mobbt. Dann schmeißen wir hin, schmeißen raus. Auch Ehen können fruchtlos
scheinen und wir hauen den Stamm ab. Aber Halt!
Wieviel Gründe
hat Gott, dich und mich aufzugeben. Und doch hält er zu uns Schwierigen.
Wieviel ganz Andere könnte er pflanzen und uns Vorhandene ausrotten. Aber er
müht sich noch einmal und wieder noch einmal, beschafft uns Lebensmut, gibt
neuen Glauben, wir gehen noch einmal ans Werk.
Herrlich, wenn
einer für uns eintritt, uns „entschuldigt, Gutes von uns redet und alles zum
besten kehrt“ (M.Luther), uns einen anderen Standort gibt, eine neue Chance;
wenn sich einer für uns verbürgt und wir noch ein Jahr Zeit bekommen.
*
Gottes
Sammelleidenschaft
Gott spricht: Jerusalem,
Gemeinde, wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen wie eine Henne ihre
Küken unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt.
Lukas 13, 34
Jesus schenkt
uns den glückhaften Vergleich. So voll Hingabe sorgt sich Gott um uns wie eine
Henne um ihre Kleinen. Sieh dich auch behütet unter dem Schatten seiner Flügel.
Wenn du auch Mühe hast mit dem Leben, gehst du nicht verloren, auch dir selbst
nicht. Es ist eine Schutzmantelenergie um dich, immer.
*
Das große
Abendmahl
Jesu saß mit
einigen zu Tisch, da rief einer entzückt: Selig ist, der das Brot isst im Reich
Gottes!
Da sprach Jesus:
Hört mal, es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu
ein. Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen
zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit!
Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu
entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss
ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der zweite sprach: Ich habe
fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu beutachten; ich bitte
dich, entschuldige mich. Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen;
darum kann ich nicht kommen.
Und der Knecht
kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach
zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und
führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein.
Bald sprach der
Knecht: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da.
Und der Herr
sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und
nötige sie hereinzukommen, auf dass mein Haus voll werde. Denn ich sage euch,
dass keiner derer, die eingeladen waren, noch mitfeiern wird.
Lukas 14,15-24
Der Einstieg
ist wichtig: Jesus speist mit einigen
und da lobt jemand die schönen himmlischen Aussichten. Und Jesus sagt, das Fest
beginnt jetzt und hier. Und wer hier nicht mitfeiert, hat da nichts
mitzulachen.
Wir lassen uns
ja alle gern den Himmel schenken. Aber ihn hier mitzubauen, ihn hier anfangen
lassen, indem wir hier schon zur Christengemeinde
gehören und sie stärken, muss das denn sein? Die Lust am Privaten und Individuellen ist ja
heute stark. Man will sich nicht verpflichten.
Man will kommen, wenn’s einem passt. Auch bei Gott schaut man gern mal
rein, wenn einem danach ist. Und wenn die Geschäfte gemacht sind.
Ob wir wirklich
ausgeschlossen werden von der Vollendung, weil wir auf Erden so egoistisch
waren- (es gibt ja auch einen Egoismus zu Zweit)? Das ist nicht Jesu Wille.
Aber das Wichtige sollen wir nicht aufschieben-
das Fest der Liebe und der Freundschaft ist jetzt schon im Gange- es
kann nicht auf uns warten.
*
Vom verlorenen Schaf
Es kamen viele Verachteten und Ausgestoßene zu Jesus.
Rechtschaffende murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit
ihnen.
Jesus sagte ihnen:
Welcher Mensch, der hundert
Schafe hat und, wenn er eins von ihnen verliert, lässt nicht die neunundneunzig
zurück und geht dem verlorenen nach, bis er’s findet? Und wenn er’s gefunden
hat, so legt er sich’s auf die Schultern voller Freude und bringt es nach Hause
und die im Hause freuen sich mit?
Ich sage euch: Genau so
wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut- mehr als über
neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.
Lukas 15,1-5.7
„Zöllner und Sünder“ - das ist zu Jesus Zeiten ein
stehender Begriff für die Verachteten, die für unrein Gehaltenen, die die Speise-und
Waschgebote nicht einhielten, ob aus
Unwissenheit oder Unvermögen; die Zolleintreiber der römischen Besatzung und
alle anderen mit schlechtem Ruf. Sie waren
zum Ausschuss erklärt von den „Pharisäern und Schriftgelehrten“, den „Mullahs“ von damals. Jesus sucht die
Nähe derer mit dem schlechten Ruf. Die öffentlich als Sünder dastehen, die
Versager, die Ehrlosen, die, „mit denen man nichts zu tun haben will“, für die
steht Jesus ein, oft isst er mit ihnen, sagt ihnen, zeigt ihnen: Gott liebt
euch auch und braucht euch auch.
Jesus ist der Hirte, der den Verlorenen und
Abgeschriebenen wieder Platz einräumt in der Familie Gottes. Christliche Gemeinde als Familie Gottes auf
Erden muss der „Leib Christi“ sein, der den Verachteten ehrerbietig begegnet und eher Ärgernis riskiert als zu verstoßen.
Stellvertretend für Gott hegt Jesus die „Heruntergekommenen“
wie die Bürger ihren Besitz hegen. Jesus nimmt die Schiefblickenden bei ihrer
besten Seite: Ihr geht doch eurem verlorenen Schaf auch nach, sei es aus
Eigennutz oder aus Mitleid.
*
Offene Frage
Wird der Christus, wenn er
kommt, Glauben finden auf Erden?
Lukas 18,8
Findet er dich verliebt in Gott und das Leben? Sieht
er dich den Teig der Umstände kneten? Dass daraus Brot wachse, gerechtere
Verhältnisse, Verstehen? Bist du bereit
für den unteren Weg? Willst du dein Opfer bringen, wenn es sein muss? Sollen Menschen durch dich Mut gewinnen
und Freude?
Der Christus kommt ja inkognito- er ist mitten unter
uns, sonst hätten wir uns längst totgeschlagen. In jedem tröstenden, aufbauenden,
friedenschaffenden Wort wirkt er. Christus ist das Heilmittel –in Mutterliebe
und Feindesliebe; in Körperfreude und Gelingelust ist er mitten unter uns. Ob
er in uns einen Kumpan findet? (Cum pane –mit einem das Brot teilen; das Abendmahl bildet dies Zusammengehören ab).
*
Vierhundertneunzig mal
Petrus fragte Jesus: Herr, wie oft muss ich meinem
Bruder vergeben? Genügt siebenmal? Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: nicht
siebenmal, sondern siebzig mal siebenmal.
Matthäus 18,21f
Also einfach endlos vergeben soll ich meinem
Nächsten. Warum? Weil uns nichts
scheiden kann von der Liebe Christi (Römer 8,35), und er zu vergeben und
zurechtzubringen nicht aufhört. Darum
soll uns auch keine Schuld von irgendeinem abweisend machen gegen
diesen. Je mehr einer gegen uns schuldig wird, umso mehr braucht er unsere
Vergebung. Wie auch wir ja Vergebung brauchen. –Traurig, wenn wir uns
zurückziehen, nichts mehr zu tun haben wollen, nicht mehr verletzt werden
wollen. Wir sollen nicht aufhören, Nähe
anzubieten, egal was einer versäumt hat. Wir haben noch viel zu lernen.
*
Jesus, das Brot
Amen, ich sage euch: Ich
bin das Brot des Lebens, das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist.
Wer von diesem Brot isst, wird leben in Ewigkeit.
Johannes 6, 48.51
Das Lebensmittel überhaupt
ist (neben Reis) Brot. Jesus als Brot- das meint: Christus sei dir
Geistesnahrung, Lebensenergie, Quelle für Sinn:
Er sei dir Inbild der
Bewahrung. So findest du dich ins richtige Verhältnis zu Gott gesetzt: du Sohn
oder Tochter. Alles ist dir anvertraut, du Mitarbeiter, Mitfeiernder,
Mitleidender- alles auch dir zugemutet, alles auf dich hin erschaffen.
Mit Jesus-Energie gespeist,
bestehst du das Leben.
Jesus hat Gottes Nähe beim
Menschen und die Gottgehörigkeit des
Menschen mit seinem Leben dokumentiert
und mit seinem hoffnungsgetränktem Sterben verbürgt. Er ist auch das
Treibmittel für die Phantasie: Alles ist dir erlaubt, was aufbaut; es lässt gütiger werden und treibt die Kräfte
des Herzens an.
Glaub dem Jesus seinen
Gott, dass er dich liebt und braucht, dich ernährt und von deiner Verzweiflung,
deiner Oberflächlichkeit abkehrt.
Er ist das größte Ausstrahlungsereignis der
Geistesgeschichte.
*
Jesus und die Ehebrecherin
Jesus lehrte beim Tempel, und
alles Volk kam zu ihm. Da brachten
Schriftgelehrte eine Frau, beim Ehebruch ergriffen, zu
ihm und stellten sie in die Mitte und sprachen: Meister, diese Frau ist auf
frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. Mose hat uns im Gesetz geboten,
solche Frauen zu steinigen. Was sagst du?
Das sagten sie aber, ihn zu versuchen, damit sie ihn
verklagen könnten. Aber Jesus bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die
Erde.
Dann richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer
unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. Als sie das
hörten, gingen sie weg, einer nach dem andern, die Ältesten zuerst; und Jesus
blieb allein mit der Frau, die in der Mitte stand.
Jesus aber richtete sich auf und fragte sie: Wo sind
sie, Frau? Hat dich niemand verdammt? Sie antwortete: Niemand, Herr. Und Jesus
sprach: So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht
mehr.
Johannes 8,1-11
Eine Urszene:
Verdammende Männer. Und der männliche Teil des Ehebruchs kommt irgendwie davon.
Alle wollen sie sich zu Richtern aufwerfen, wollen sich empören, wollen strafen
und damit auf der guten Seite sein.
Jesus ist gefordert, aber er tut als hätte er ewig
Zeit und auch der Schuldsache schaffe er
Aufschub. Die mit Steinen bewaffneten
Kerle sind zum Strafvollzug bereit, je eher, desto besser- dann ist die Ordnung
wieder hergestellt: Und die Männer können weiter sicher sein, daß ihre Frau ihr
Besitz bleibt. Und sie ein Recht auf Totschlagen haben, wenn die Frau sich
einem andern zuwendet. Doch wer wendet denn Frau von ihrem Gemahl ab? Sind nicht die begehrenden Männer mindestens zur
Hälfte mit schuld?
Jesus sagt den wohl hellsichtigsten Satz der
Menschheit, um dessen willen man diesen leuchtenden Menschen schon lieben
müsste von ganzem Herzen. Und Mann für Mann läßt seinen Stein fallen und hebt
sich davon. Sie erkennen ihre geheime Mitschuld an. Wir Lesende auch?
Die Frau mit
Jesus allein- wahrscheinlich hat er sie nicht mehr ermahnt, sie wusste selbst.
*
Jesus- das Licht
Jesus spricht:
Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der
Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.
Johannes 8,12
Dem Jesus nach sich und jeden kostbar und geliebt von
Gott wissen. Das macht ein herrliches Bewusstsein von Würde und Ehre. Man geht
einen aufrechten Gang, nicht aus Vielwissen oder aus Zahlungsfähigkeit- das
alles sind Gaben, in denen immer ein anderer noch besser ist. Sich als Sohn/Tochter Gottes glauben, dem Jesus
nach- das heißt: das Licht des Lebens und also die Wirklichkeit erleuchtet
sehen.
*
Wahre Freiheit
Jesus sprach: Wenn ihr in
meinem Wort bleibt, so seid ihr wahrhaft meine Jünger; und ihr werdet die
Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.
Johannes 8,31f
In Jesu Wort bleiben macht
das Jüngersein aus; es macht die Wahrheit erkennen und lässt frei werden. Große
Worte, weiter Horizont. An, in Jesu Wort bleiben heißt, ihm nach Söhne, Töchter
Gottes zu sein. Die wollen hellsichtig leben, unzerstreut, gesammelt, strebend
nach den richtigen Begriffen von unseren wesentlichen Bedürfnissen nach dem
Guten, dem Schönen, dem Wahren. Liebe und Wahrheit sollen siegen über Lüge und
Gewalt (Vaclav Havel). Und das müssen wir wissen: „Wer mit einem Scheißdreck
rammelt, er gewinne oder verliere, er geht beschissen davon“ (M. Luther).
*
Jesus- Licht, Tür, Hirte
Jesus spricht: Ich bin das Licht der Welt.
(Johannes 8,12)
Ich bin die Tür.(Johannes 10,9)
Ich bin der gute Hirte.
(Johannes 10,11)
Die ewigen Bilder für das
Erhellende, Öffnende, Behütende von Jesus-Gott.
Wer Jesu Worte hört, dem
geht die Welt als geliebte Schöpfung auf.
Sein Tun und Sagen öffnet mein Herz für die Schöpfung, für alle Kreatur,
den Nächsten und mich selbst. Alle Verachtung und Verneinung fällt ab. Ich
werde offen, Angst löst sich auf. Der Menschenhirte geht mir zur Seite. Ich
kann loslassen und annehmen, Frieden geben, Liebe nehmen. Dunkel wird hell. Ich werde brauchbar fürs Leben.
*
Ehe ist ein Segen
Die Lehrer fragten Jesus: Ist’s erlaubt, dass sich ein
Mann von seiner Frau scheidet?
Jesus antwortete: Habt ihr nicht gelesen: Der im
Anfang den Menschen geschaffen hat, schuf sie als Mann und Frau und sprach
(1.Mose 2,24): »Darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und an seinem
Gefährten hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein«? So sind sie nun nicht
mehr zwei, sondern ein Ganzes. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der
Mensch nicht scheiden!
Da fragten sie: Warum hat dann Mose erlaubt, mit einem
Scheidebrief sich doch trennen zu
können? Er sprach zu ihnen: Um eurer Herzenshärte willen hat er es gesagt; im
Grunde ist’s nicht so gemeint.
Und er sagte auch: Die Ehe ist
nicht jedes Menschen Sache.
Matthäus 19,2-8.12
In der Schöpfungsgeschichte
klingt es so, dass der Mensch paarweise gedacht ist. Tatsächlich sind wir von
Grund auf aufs Du angelegt. Aber nicht jeder Mensch ist für eine lebenslange
Zweieinigkeit gemacht, nicht für eine gänzliche soziale Einheit, ein Wohnen,
eine Familie, ein Konto, ein Altwerden, eine Lebensgesprächspartnerschaft.
Auch Jesus war nicht
verheiratet, er lebte die wohl einzig echte Alternative zur Ehe: die
Befreundung mit vielen.
Ehe ist das Immer- wieder-
einig- werden -Wollen, das „in Freud und Leid sich nicht verlassen“ -Wollen,
das Liebenwollen, bis dass der Tod uns scheidet- wenn es gewährt ist. Heiratet
man, dann müssen die beiden glauben, daß Gott sie für einander meint für immer.
Das ist das Wesentliche der Ehe. Aber es kann sein, dass sie einmal das
Füreinanderbestimmtsein nicht mehr
glauben können. Dann, wenn auch das soziale Füreinander nicht mehr geht, ist
Scheidung ein schmerzlicher Notausgang, voll Wehmut und Verwundung. Und Schuld,
Herzensverhärtung, Jammer ist immer dabei. Aber auch Geschiedene gehen mit Gott
und haben ein Recht auf eine neue Liebe.
Das Trauversprechen „Ich
will dich annehmen aus Gottes Hand, dich lieben und ehren, in Freude und Leid
nicht verlassen und die Ehe halten, bis dass der Tod uns scheidet“- ist kein
Eid sondern eine Willensbekundung. Nicht: “Ich werde dich annehmen bis zum Tod“
sondern: „Ich will dich annehmen“. Ohne diesen innigen Willen sollte niemand
heiraten. Aber Liebe ist Gottes Kraft
–von der gilt, was vom Wind gilt: Er weht, wo er will (Johannes 3,8).
Absurd ist die Meinung,
Gott habe uns die geschlechtliche Freude nur gegeben um Kinder zu zeugen. Aber
dass wir Kinder empfangen können, wenn wir uns aneinander hingeben, dass wir
als Liebende Mitschaffende werden
können, ist wunderbar.
*
Die wiedergefundenen Söhne
Jesus sprach:
Es waren zwei Brüder. Und der jüngere von ihnen sprach zu seinen Eltern: Gebt
mir das Erbteil, das mir zusteht. Und sie teilten das Gut unter die Beiden.
Bald darauf packte der jüngere Sohn
seine Sachen und zog in ein fernes Land; und dort verprasste er sein Geld in
kurzer Zeit.
Als er all das Seine durchgebracht hatte, kam eine
große Hungersnot über jenes Land und er fing an zu darben und hängte sich an
einen Großbauern; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten.
Lukas 15,11-16
Hinreißend die Geschichte, die bekannt ist als „Das
Gleichnis vom verlorenen Sohn“. Man kann
sie lesen als Familientragödie, die durch Güte geheilt wird. Sie kann aber auch
Gleichnis für verschiedenen Umgang mit Religion sein. Vor allem aber ist sie
eine Geschichte der Liebe Gottes zu seinen sehr verschiedenen Menschen.
Typisch, die Geschwisterrollen: Der Ältere, der
Verlässliche, bleibt in der elterlichen Ordnung. Der Jüngere, kühner,
vielleicht genialer, bricht aus, bricht
auf, will die Welt erobern. Er geht die Eltern ums Erbe an- ziemlich frech behandelt er sie schon wie
tot. Die Eltern sind großmütig, sie geben von dem Ihren dem Ausreißer viel mit.
Der feiert die Freiheit, macht sich Freunde mit dem
Erbe, das sorglos ausgegeben wird und unter den Händen zerfließt. Dann sind die
Freunde weg, klar, er landet bei den Schweinen.
Das ist auch ein Bild für den modernen Menschen, der
die Schätze der Religion mitnimmt in seine weltliche Welt: Vertrauen,
Lebensmut, Gestaltungswille, Lust am Leben. Aber diese Begabungen verwildern,
wenn sie die Anbindung an Gott verlieren;
der Junge ist großmannssüchtig und stürzt ab. Bei den Schweinen sein,
heißt „jenseits von Eden“ sein. Er hat sein Zugottgehören vergessen.
Und bei den Schweinen hatte der
Junge nichts anderes als deren Fraß.
Da ging er in sich und sprach: Wie viele Arbeiter
haben bei meinem Vater ihr gutes Auskommen, und ich verderbe hier im Hunger!
Ich will mich aufmachen und nach Hause gehen.
Lukas 15,16-18
Hat der Zeitgenosse heutzutage noch gute Erinnerung
mitbekommen an Gott? Wir kamen alle zur Welt mit dem Seelenschatz: Ich bin vom
Himmel her, bin Kind Gottes. Der erste Schrei ist doch auch ein Ruf: Hej Leute,
da bin ich, ich soll euch schön grüßen von „Vatermutter- Lebensgrund“; was ist
das für ein Empfang hier, kalt und grell?
Wir
kommen mit Segen im Gedächtnis, kommen mit
viel Urvertrauen- das sollte gestärkt und ausgebildet werden durch
Elternliebe und dam Freundschaft und Liebe überhaupt. Doch das Leben ist hart.
Und der Lebensmut kann ausgehen. Dann ist Erinnerung wichtig: Du, geliebt,
gebraucht, von weit her. Dein Zuhause geht immer mit dir, nur nimm es wieder
Besitz, lass dich nicht mehr abspeisen mit seichter Unterhaltung und Sätzen aus
fünf Wörtern, lass deine Seele wieder weit werden.
Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater
und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt
gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein
Sohn heiße.
Aber der Vater sprach zu seinen Leuten: Bringt schnell
das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand
und Schuhe an seine Füße und schlachtet das gemästete Kalb; lasst uns essen und
fröhlich sein!
Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig
geworden Und sie fingen an zu feiern.
Lukas 15,20-24
Der Vater, also der mütterliche Gott, hält Ausschau
nach uns- kommt uns entgegen, fällt uns um den Hals. Während wir uns noch
gottfern und verloren vorkommen, sucht Gott uns schon und hilft uns, ihn zu
finden. Im Märchen von Hänsel und Gretel streuen die Kinder im Finsteren
Brotkrümel aus, um sich später an ihnen zurückzutasten. Welche Spuren hat Gott
in unserm Leben gelegt, an denen wir uns heimtasten können? „In wieviel Not hat
nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet?“ Übermäßig viel Bewahrung und
Befreundung und stellvertretende Achtsamkeit im Verkehr ist dir schon zuteil geworden.
Uns wird vergeben, das Leben spielt uns neue Chancen
zu. Eine neue Liebe oder ein Auferstehen alten Zugehörens, eine neue Berufung,
ein Kredit, das Angebot einer neuen Beziehung- Manchmal müssen wir tief unten
sein, aller Irrsein muss uns ausgetrieben sein, wir müssen um Verzeihung bitten
und wieder gutmachen wollen. Dann können Gott und Menschen wieder mit uns
feiern.
Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe
zum Hause kam, hörte er Singen und Tanzen und rief einen der Knechte und
fragte, was das wäre. Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen und dein
Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wieder hat.
Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da
ging sein Vater heraus und bat ihn.
Lukas 15,24-28
Was Ehre ausmacht und verletzter Stolz- das Leben ist
voll Achtung und Verachtung. Vor Freude über die Heimkehr des Jüngsten denken
die Eltern erst mal nicht an den Ältesten. Verständlich, aber bei ihm reißt dies
Wunden von einst auf. Die Ältesten haben
allermeist das Empfinden, der Jüngere würde vorgezogen. Das liegt daran, daß
der Ältere miterlebte, wie der Jüngere beschmust und geschont wurde. Der Älteste wurde früher
auch mal so verwöhnt, er war mal allein das Objekt der elterlichen Liebe. Das
weiß er nicht mehr; wohl aber weiß er, daß er immer eingespannt war, daß dem
Jüngsten kein Leid geschah.
Der Jüngere, vom Bruder längst abgeschrieben , taucht
auf einmal wieder auf und Jahre seines Fleißes und Gehorsams sind wie
weggewischt. Verbittert bleibt er draußen vor der Tür. Da kommt der Vater zu
ihm, bittet ihn; befiehlt nicht sondern demütigt sich.
Der Ältere antwortete aber seinem Vater: Siehe, so
viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten, und du hast
mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden mal hätte feiern
können. Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Gut verprasst hat,
hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet.
Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei
mir und alles, was mein ist, das ist dein. Du solltest aber fröhlich und guten
Mutes sein; denn dieser dein Bruder war verloren und ist wiedergefunden.
Lukas 15,29-32
Als hätten die beiden sich auch verloren und suchen
sich jetzt mühsam. Der Sohn hat den Vater
für hart und geizig gehalten.
Jetzt bekommt es der Vater um die Ohren: Richtig, wenn der Junge nie mal ein
Fest bekam für all die Verlässlichkeit und Mühe, ist das gemästete Kalb für den Heimkehrer ziemlich
üppig. Aber Junge, sagt der Vater, wie kannst du nur so verquer denken, all die
Jahre. Was mein ist, ist doch dein. Einen Bock nach dem andern hättest du
verfeiern können. Wir habens doch, auch dank deines Fleißes-
Doch der Vater konnte wohl den Älteren, den
Pflichtbewussten und Gerechten nicht auch zur Leichtigkeit gewinnen. Übertragen:
Es ist eine dauernde Anfrage, warum viele Fromme so gesetzlich sind und so unerlöst wirken. Deren Sünde wiegt
schwerer, schmerzt Gott wohl noch mehr als die Lässigkeit des Leichtfußes. Der
Jüngere hat die Eltern, hat Gott nur ausgebeutet, der Ältere hat sie, hat Gott
verkannt. –Doch es gibt gute Nachricht für beide- Der Vater führt die Brüder
wieder zueinander. Und die Brüder haben die Chance, daß einer im andern seine
ungelebte Seite erkennt und annimmt.
In der Eremitage in Petersburg hängt ein großes Bild
von Rembrand: Die Heimkehr des verlorenen Sohnes- Da segnet der Vater den
Jungen mit zwei verschieden geformten Händen: eine ist männlich-streng, eine ist mütterlich,
zärtlich. Rembrand gibt zu verstehen: Der väterlich-mütterliche Lebensgrund
heilt uns.- Mit der Strenge der Wirklichkeit- alles hat seinen Preis- ist eine
Scheibe der Realität; Und mit Gnade und Liebe: ..“der dich erhält, wie es dir
selber gefällt“ (Lobe den Herrn, 2. Strophe) ist doch auch dein Lied.
*
Das Gleichnis vom unehrlichen
Verwalter
Jesus erzählt: Es war
ein reicher Mann. Er hatte einen Verwalter; der bei ihm beschuldigt wurde, er
verschleudere seinen Besitz. Er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich
da über dich? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; du kannst hinfort nicht
mehr Verwalter sein. Der aber sprach bei
sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich
nicht, auch schäme ich mich zu betteln. Ich weiß, was ich tun will, damit sie
mir Dank erweisen, auch wenn ich das Amt verloren habe. Und er rief die
Schuldner seines Herrn zu sich, einen jeden einzeln, und halbierte jedem seine
Schulden.
Und Jesus lobte den ungetreuen Verwalter, weil er klug
gehandelt habe. Und schloss noch den Gedanken an: Die Kinder dieser Welt sind
in weltlichen Dingen klüger als die
Kinder des Lichts.
Lukas 16,1-8
Leicht mißzuverstehen ist da Jesus. Gemeint ist doch
dies: In Zwecksachen sind wir so scharfsichtig, aber fürs Ganze so blind. Weitsichtig
für das Ganze werden und eben auch irdisch geschickt sein, ist wichtig. Da hat einer eben noch Macht, kann Vorteile
einräumen und daran mitverdienen. Etwas
von diesem Geschicktsein müssten wir auch in Himmlischen Angelegenheiten haben.
Bald ist hier unsere Zeit abgelaufen. Und dann? „Wir bauen hier so feste und
sind doch fremde Gäste. Und wo wir sollten ewig sein, da bauen wir so wenig
ein,“ heißt ein kluges Wort. Wie halbieren wir unsere Schuld? Wie werden wir
großmütig? Und sollten wir nicht langsam so leben, wie wir mal wünschen werden,
gelebt zu haben?
Jesus billigt sicher nicht den Betrug. Aber er hält uns für so wach, daß wir den
ungetreuen Prokuristen verstehen, wenn er kurz vor Toresschluss noch Geschäfte
macht, die sich für ihn auszahlen, auch wenn er längst gefeuert ist. Und wir,
die wir im Geschäftlichen solche Cleverness verstehen oder sogar selbst an den
Tag legen, wir sollten um so mehr vorbauen
für Dermaleinst und klug werden in den „letzten Dingen“.
*
Jesus spricht: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon
Lukas 16,9
Wenig höflich denkt Jesus vom Geld. Meist hatte er auch
keins. Aber er hatte Freunde und Freundinnen mit Geld. So musste Jesus nicht schuften,
um sein täglich Brot zu erlangen. Er konnte sich ganz dem widmen, was er gern
tat. Wohl dem, der nichts tun muss wegen Geld- weder malochen, um an das Geld
anderer Leute zu kommen; noch, daß man unruhig sein Geld hin und her zappt von
einer günstig scheinenden Anlage zur nächsten.
Arbeiten hat seine Würde. Gerechter Lohn gehört zur Ehre. Hat einer mehr Geld als er
seinen Ansprüchen nach zum Leben braucht, soll er es verschenken, besser noch:
er soll Menschen damit in Arbeit
bringen. Ungerecht ist alles Geld, das nicht Hunger stillt und das nur zur
eigenen Sicherheit still liegt.
*
Vom reichen Mann und dem armen
Lazarus
Es war ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur
und kostbares Leinen und er lebte alle Tage herrlich und in Freuden. Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der
lag vor seiner Tür voll von Geschwüren und begehrte sich zu sättigen mit dem,
was von des Reichen Tisch fiel; und Hunde und leckten seine Geschwüre.
Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde
von den Engeln gen Himmel getragen. Der Reiche aber starb auch und wurde
begraben und kam in die Hölle. Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen
auf in seiner Qual und sah im Himmel Abraham und Lazarus in seinem Schoß.
Und er rief: Vater Abraham, erbarme dich meiner.
Abraham aber sprach: Gedenke, Sohn, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem
Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet und du
wirst gepeinigt.
Lukas 16,19-25
Diese Geschichte ist eine jüdische Legende zur Warnung
der Reichen. Schon die pauschale
Gleichsetzung von wohlhabend mit gottverhasst und arm mit gottgeliebt ist Jesu
Sache nicht. Jesus glaubt an den liebenden Gott, der nur Himmel, nur Reich
Gottes mit uns allen vor hat.
Von Jesus
könnte eher die andere jüdische Legende stammen: Als der himmlische Tanzsaal zu
wenig Platz hatte, ließ Gott die Wände zur Hölle abbrechen und lud sie alle
ein, damit wir alle eins seien.
Trotzdem ist „Hölle“ nicht einfach abgetan. Schon im
Leben gibt es Tage, „die sind die Hölle“, gibt es Anlässe, da gilt: „die Hölle,
das sind die anderen“ (J.P. Satre). Wir sind einander auch Teufel. Höllenfeuer
kann in uns brennen, wenn wir gegen unser Gewissen gehandelt haben, Bilder
infamen Unrechts bleiben uns
eingebrannt.
Auch sehnen wir uns nach einer ausgleichenden
Gerechtigkeit, vor allem wenn wir uns selbst im Unglück sehen. Und der Gott der
Liebe hat so viel Kränkung erfahren, daß er und mit ihm alle Gekränkten dieser
Erde, vielleicht auch die geschundenen Tiere mit- wenigstens Kniefall und Reue
von den übelsten Übeltätern erfahren sollen.
Daß noch mal alles zur Sprache kommt, ist wohl eine
Frage der Ehre für Gott und die
Geschundenen. Das ist dann „Hölle“, vor den Opfern der eigenen Schuld zu stehen
und Abbitte tun. Wolle Gott dann die Herzen der Geschundenen zu den Tätern
bekehren. Und die Opfer bitten, Gott möge ihnen vergeben.
Wer heute noch Hölle predigt, der meint wohl, er hätte
den Himmel parat zu seinen Bedingungen.
Alle Alarmglocken sollten läuten,
wenn einer meint, er könne uns freikaufen, er wisse einen irdischen „pontifex“ (Brückenbauer), oder in seiner
Kirche, seiner Gemeinschaft sei man auf der sicheren Seite. Mit „Hölle“ Angst
machen, verdient so was wie Hölle.
Ein Schimmer von Hoffnung ist auch in der harten
jüdischen Legende: Abraham nennt das Höllenopfer: Sohn. So ist auch in dieser
harten Geschichte noch nicht aller Tage Abend.
*
Von der Kraft des Glaubens
Jesus spricht: Wenn ihr Glauben hättet, groß wie ein
Senfkorn, dann könntet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und
versetze dich ins Meer! Und er würde euch gehorchen.
(Lukas 17,6)
Bärenstark ist deine
Zuversicht, wenn sie übereinstimmt mit dem Herzen der Welt. Du kannst,
was du willst, wenn es im Einklang der Dinge ist. Also leb und schöpfe aus, was
dir an Leben zugedacht ist. Und geh
nicht schlampig um mit deinen Begabungen;
achte dich, mach dich gerade- in dem Sinne, daß du aufhörst, dich
durchzulavieren. „Und wenn es anders kommt als wirs erbitten, kommt es
besser“(Martin Luther).- Die meisten Bäume sollen da stehen, wo sie stehen und
eignen sich nicht für fromme
Kraftakte.
*
Die zehn Aussätzigen
Einmal begegneten Jesus zehn aussätzigen Männer; die standen
von ferne
und erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, lieber
Meister, erbarme dich unser!
Und als er sie sah, sprach er zu ihnen: Geht und zeigt
euch den Priestern! Und es geschah, als sie hin gingen, da wurden sie rein.
Einer aber kehrte um und pries Gott mit lauter Stimme
und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm. Jesus aber
sagte: Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? Hat sich sonst
keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben?
Und er sprach zu ihm: Steh auf,
geh hin; dein Glaube hat dir geholfen.
Lukas 17,11-19
Jesus schickt sie zu den Ärzte-Priestern. Und auf dem
Weg genesen sie- während sie gehen, also während sie vertrauen, während sie
Gesundung mit ihren Beinen sich ergehen. Doch nur einer sagt dem Himmel dank
vor dem konkreten Jesus.
In Not bitten wir Gott unbewusst oder wortstark. Geht
es dann wieder gut, führen wir es auf unsern Fleiß zurück oder auf die
tüchtigen Ärzte oder auf unsere Gene. Oder danken ins Blaue ohne Folgen. Einer
von zehn Genesenen kehrt um, dankt bewusst
und geht an ein anderes Leben. Dem hat sein Glaube geholfen.
*
Vom Kommen des Gottesreiches
Jesus wurde von den Pharisäern gefragt: Wann kommt das
Reich Gottes? Er antwortete ihnen: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man’s beobachten
kann; man wird nicht sagen: Sieh, hier ist es!, oder: da ist es! Sondern so ist
es: Das Reich Gottes ist mitten unter euch im Anbruch.
Lukas 17,20f
Also nicht Ausschau halten nach Zeichen von
Weltuntergang und Himmelfahrt aller Dinge. Sondern hier das Reich Gottes Fuß
fassen sehen, hier Frieden ausbreiten, jetzt Versöhnung anrichten, Armut
mindern, auf Privilegien verzichten.
Jetzt ist schon Himmel auf Erden, wenigstens eine Spanne weit, wenn wir Liebe
als Himmelsgeschenk genießen uns sie mehren, Schranken abbauen, Streit
schlichten. Jetzt sind schon Jesu Heilkräfte wirkmächtig- oft unerkannt, und
anonym. Engel sind unterwegs, steh ihnen bei.
*
Gut ist nur der Eine
Einer fragte Jesus: Guter Meister, was soll ich tun,
damit ich das ewige Leben erlange? Jesus sprach zu ihm: Was nennst du mich gut?
Niemand ist gut, als Gott allein.
Markus 10,17f
Hier haben wir es schriftlich: Jesus rückt sich nicht
ab von uns. Er hat auch sein Quantum Sünde,
ist menschlich, ist uns nah. Er weiß, wie es uns geht, darum sind seine
Lebensvorschläge so brauchbar. Gott ist gut, ist vollkommen ganz, er kann
nichts Böses tun auch nicht durch Helfershelfer. Er schlägt auch nicht mit
Gewalt das Böses nieder. Er leidet es mit. Vielleicht kann man auch wie mit
Thomas Mann sagen: Gott ist mehr als der Gute- er ist der Ganze, Sagen wir
doch: Er ist der GuteGanze.
Er fragte, was richtig
gutes Leben wäre. Jesus sagt: Wenn du
hinauswillst in das richtige, gute Leben, dann halte die Gebote: »Du sollst nicht töten; du sollst
nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht lügen; ehre Vater
und Mutter« und: Du sollst deinen Nächsten
lieben wie dich selbst (3.Mose 19,18) (Matthäus 19,16-19).
Da sprach der junge Mann zu
ihm: Das habe ich alles gehalten von Jugend auf. Da antwortete Jesus, der ihn
liebgewonnen hatte: Willst du vollkommen ganz sein, so geh hin, verkaufe, was
du hast, und gibs den Armen, und komm und folge mir nach!
Als der Jüngling das hörte,
ging er betrübt davon; denn er hatte viele Güter.
Markus 10,19-22
Hätte der junge Mann doch den Mund gehalten. Mit den
Geboten wird doch niemand fertig. Die sind doch Lebensarbeit. (Dazu Goethe:
„Schwerer Dienste tägliche Bewahrung/sonst bedarf es keiner Offenbarung“.) Wie
kann er nur müde abwinken, als hätte er die Gebote alles schon vollbrach und abgehakt.
Jesus macht den Härtetest: Wie kann man reich bleiben
(im Sinne von immer mehr haben), wenn man Nächstenliebe wirklich lebt. Wie kann
man reich sein ohne zu stehlen ( im Sinne von: mehr nehmen als man braucht, nur
weil man stärker ist und die Konkurrenz schwach)? Wie kann man zu vielen Gütern
kommen, ohne zu lügen( im Sinne von Nachteile verschweigen)? Wie kann man zu
vielen Gütern kommen, ohne möglichst wenig zu zahlen und die Arbeitskraft der andern auszunutzen? Der
Reichtum geht immer auf Kosten anderer. Ja, es kann sein, daß der gemeinsame
Kuchen wächst und damit auch die Armen weniger hungrig bleiben; aber der Reichtum
der einen ist mit Armut anderer bezahlt;
die reichen Industrienationen kaufen den armen Ländern ihre Schätze ab, keine
Frage.
Jesus rät zu freiwilliger Armut. Alle „Anhaftungen“
machen unfrei. Je mehr er hat, desto mehr er will- nie schweigen seine Sorgen
still- es ist doch so. Andrerseits sieht Jesus den Wohlstand auch als Begabung
an, Jesus lässt sich Fürsorge gefallen: Auch Frauen folgten ihm nach und
dienten den Jüngern mit ihrer Habe (Lukas 8,3). Gern ließ er sich einladen. Er
verpflichtet uns geradezu dazu, den Besitz als anvertrautes Gut verantwortlich
zu nutzen (Matthäus 25,15ff).
Jesus möchte, die er lieb
hat, freisprechen von dem ewigen Bemühen, zu rechnen und aus allem für sich Vorteile
zu ziehen.
*
Jesus spricht:
Es ist leichter, dass ein
Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.
Matthäus 19,24
Auch wenn das „Nadelöhr“
ein schmales Stadttor in Jerusalem war, durch das sich die Kamele zwängen
mussten- die Idee ist klar: Wir Reichen sind gefährdet. Wir sind vor
Bittenmüssen geschützt; wir können uns abgrenzen von der Außenwelt, können
Mühen, Schmutz, Beengtheit, Hunger abwehren und die Armen von uns fern halten.
Statt Freude zu machen, uns und anderen, horten wir eher. Man sehe nur die oft leuchtenden Gesichter
der Armen, dagegen schauen wir doch oft
besorgt und miesepitrig drein. Außerdem kann viel Geld den
Charakter verderben, weil man immer
Menschen findet, die sich ein Vergnügen daraus machen, uns gefällig zu sein.
Sie müssen sich zu Markte tragen, während andere, (wir?) nur Geld springen
lassen brauchen. Im Reich Gottes jedenfalls herrscht geteilte Freude. In dieser
Hinsicht sind wir wohl noch Anfänger.
*
Der Lohn der Nachfolge
Als mal vom Lohn für Verzichten die Rede war, sagte
Petrus zu Jesus: Wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt.
Jesus sprach: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand,
der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder
Äcker verlässt um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der nicht
hundertfach empfange: jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und
Mütter und Kinder und Äcker mitten unter Verfolgungen - und in der zukünftigen
Welt das ewige Leben.
Markus 10,28-30
Stellen wir uns Jesus als glücklichen Menschen vor!
Und er leitet zum Glück, an. Verzicht hier für Fülle dermaleinst- ist Jesu
Sache nicht. Als Petrus mal in diese Richtung fragte- vielleicht in Hoffnung
auf Zusage bester himmlischer Plätze- da stellte Jesus den Anbruch von Himmel
hier in Aussicht. Wer Friede und Freude hier betreibt, auch wenn es auf Kosten
des Eigenen geht, der bekommt Vielfaches wieder. Hier bleiben Hände nicht leer,
wenn wir viel verschenken. Wenn aus Gewissensentscheid wir uns lossagen
von angestammten Familienbanden, finden
wir Wahlverwandtschaft. Die Erde ist voller Brüder und Schwestern, wenn wir dem
Jesus nach, also brüderlich, geschwisterlich leben. Ja auch ewiges Leben steht
an. Aber Himmel soll uns hier anfangen,
wenn auch mit Schmerzen, hundertfältiges Glück unter Mühen.
*
Wehe den Siegern
Die Letzten werden die Ersten
sein, und Erste die Letzten.
Markus 10,21
Die Reihenfolge im Himmelreich wird wohl die irdischen
Verhältnisse auf den Kopf stellen. Wer hier viel Ehre bekam, wird lernen, wie
er damit auch andere in den Schatten stellte – und wird anderen den Vortritt zu
lassen. Wer hier viel bitten musste, wird noch mal viel Dank erfahren. Die hier
dienten, denen wird gedient. Wer hier wenig zu lachen hatte, wird in Freuden
sein. Diese Umkehrung der Verhältnisse lasst uns schon mal in die Wege leiten, den
Wechsel lasst uns schon mal üben. Jetzt Chancen geben, jetzt den
Benachteiligten vorziehen, jetzt dem, dem über den Mund gefahren wird, Gehör
verschaffen.
Jetzt die eigene Werteskala überprüfen- jedenfalls
skeptisch werden gegen die eigenen Vorlieben und Zurückweisungen. Wen achtet
man, wen schätzt man gering?
*
Berühmt: Die Arbeiter im
Weinberg des Herrn
Jesus sagt: Das Himmelreich gleicht einem
Weinbergbesitzer, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter einzustellen. Er
wurde mit ihnen einig über einen Silbergroschen als Tageslohn und sandte sie in seinen Weinberg. Gegen neun
ging er wieder auf den Markt und sah andere tatenlos rumstehen und sprach zu
ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist.
Und sie gingen hin.
Und er ging wieder hin gegen Mittag und Nachmittag und
tat dasselbe. Gegen fünf Uhr ging er noch einmal aus und fand andere und sprach
zu ihnen: Was steht ihr hier so rum? Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand
eingestellt. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg.
Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs
zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn, gib jedem einen
Silbergroschen.
Als aber die von Frühmorgens drankamen, meinten sie,
sie würden mehr empfangen; doch auch sie erhielten ein jeder seinen
Silbergroschen.
Da murrten die lange gearbeitet hatten gegen den
Besitzer und sprachen: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du
hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben.
Er sagte zu einem von ihnen: Freund, ich tu euch nicht Unrecht. Wir sind uns doch einig geworden
über einen Silbergroschen. Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber den
Letzten dasselbe geben wie euch. Was bist du neidisch, weil ich gütig bin?
Matthäus 20,1-16
Natürlich ist es menschlich, daß die Vielarbeiter auch
viel einnehmen wollen. Aber ob viel oder wenig gearbeitet wurde- jeder braucht
für sich und seine Familie den Silbergroschen Tageslohn. Ob viel oder wenig
gebetet, ob viel oder wenig Gutes getan, ob viel oder wenig vergeben- Jeder
braucht sein Quantum Lebensgüte. Und Gott will einem jeden seinen Platz einräumen,
seine Würde, sein Arbeitsfeld, sein Quantum Behütung. Sehen wir uns selbst der
Gnade in vieler Hinsicht bedürftig, könnten wir großzügiger dem anderen sein
Glück gönnen.
Sicher ist das Leben eine Mischkalkulation: Die
Fleißigen und die Geschickten, die Bedächtigen und die Flinken, die Handwerker
und die “Mundwerker“, die Künstler; die Überflieger und die, die ihre Ruhe
haben wollen, die Fitten und die mit Handikap. Wir sollten nicht so viel
vergleichen. Jeder kann Seins und daß jeder Seins ins Ganze einbringen kann,
dafür müssen wir sorgen.
*
Die Auferweckung des Lazarus
Es lag aber Lazarus krank, der
Bruder von Maria und Marta aus Betanien.
Da ließen sie dem Jesus
ausrichten: Herr, der, den du lieb hast, er ist in Not.
Als Jesus das hörte, sprach er: Diese Krankheit ist
nicht zum Tode, sondern zur Verherrlichung Gottes und seines Sohnes.
Dann war Lazarus gestorben und
viele kamen, um die Schwestern zu trösten.
Auch Jesus kam. Da sagte Marta: Wärst du hier gewesen,
unser Bruder wäre nicht gestorben.
Jesus spricht zu ihr: Dein
Bruder wird auferstehen.
Spricht Marta zu ihm: Ich weiß wohl, dass er
auferstehen wird - bei der Auferstehung am Jüngsten Tage.
Spricht Jesus zu ihr: Ich bin
die Auferstehung und das Leben. Wer an mich
glaubt, der
wird leben, auch wenn er stürbe; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird
nimmermehr sterben.
Aber sie alle weinten um ihn herum. Da ergrimmte er
und sprach: Hebt den Stein vom Grab! Ich will ihn rufen. Spricht zu ihm Marta:
Herr, er stinkt schon; er ist schon in Verwesung übergegangen.
Spricht Jesus zu Gott: Ich weiß, dass du mich allezeit
hörst; aber um des Volkes willen, das umhersteht, sage ich’s, damit sie
glauben, dass du mich gesandt hast.
Und rief mit lauter Stimme:
Lazarus, komm heraus!
Und der Verstorbene kam heraus, gebunden mit
Grabtüchern an Füßen und Händen, und sein Gesicht war verhüllt mit einem
Schweißtuch. Jesus spricht zu ihnen: Löst die Binden und lasst ihn gehen! Nun
glaubten viele an ihn.
Johannes 11
Eine starke Geschichte. Oft wurde sie als Beispiel für
die Unglaubwürdigkeit des Christentums aufgefahren. Dabei ist sie ein
hinreißendes Bild für die Verwandelkraft des Glaubens. Jesus und ihm nach auch
wir können „auferstehen aus Ruinen“. Totgesagte Liebe kann neu erwachen. Was
schon verdorben und verloren scheint,
kann wiedererstarken.-
Du mußt nur Gott, Christus bei der Arbeit wissen, zu
Gange wissen mit dir. Drum gib nichts verloren. Alles bleibt im Wandel der
Schöpfung mitgenommen.
Jesus weckt unsere toten Geister auf, er haucht uns
mit Auferstehungskraft an, er ruft uns aus den Gräbern der Trägheit und
Lieblosigkeit. Allein das Bild des aus dem Grab Steigenden- und die Binden, die
Leichentücher flattern von ihm weg! Dem Jesus nachglaubend empfangen wir neuen
Lebenswillen und neue Liebeskraft. Wir stehen auf, „mitten am Tag, in unserer
atmendenden Haut, vorweggenommen in ein Haus von Licht“ (nach M.L.
Kaschnitz). Wir werden leben, auch wenn
wir zwischendurch sterben- „des Lebensruf an uns wird niemals enden“ (H.
Hesse).
„Lazarus, komm heraus“ – ist der Ruf an dich und mich:
Leb begeistert, gib keinen auf, auch dich nicht. Vor dir ist immer Einssein mit
Gott.
Warum haben Gläubige zwei, drei Generationen später
dem Christus die biologische Wiederbelebung eines Toten zugeschrieben? Sie
erlebten sich als Auferweckte, als zu neuen Ufern Aufbrechende, erfuhren sich
wie neu geboren in ihrem bekehrten Zustand. Sie sahen sich aus der Zementierung
in Zwänge und Regeln herausgemeißelt, spürten sich als von neuem Leben
durchflutet.
Die Wiederbelebung des Lazarus ist ein Bild für einen neuen
Schöpfungstag, der uns allen zugesagt ist.
*
Vom Herrschen und vom Dienen
Jesus sprach: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre
Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein
unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer
unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht.
Ich bin auch nicht gekommen, dass ich mir dienen
lasse, sondern dass ich diene und gebe
mein Leben zu einer Erlösung für viele.
Matthäus 20,25-28
Dienen ist das Jesus-Prinzip. Das heißt nicht, sich
aller Mittel zu entledigen. Sondern tun, was möglichst allen hilft. Und lieber
verachtet sein als gefürchtet (E. Canetti), lieber zuerst grüßen, zuhause den
Dreck (mit)wegmachen, möglichst nicht sich sein Recht erstreiten, nicht
protzen, keine Vorzugsbehandlung sich gefallen lassen.
Jesus hat uns vom Leistungswahn
erlöst. Gott liebt uns, weil er uns liebt und
nicht, weil wir hier hoch in Kurs stehen. Das verlangt
auch eine bescheidene Kirche, alles Triumphale ist nicht im Sinne des
Herrn.
*
Und Jesus ging
nach Jericho hinein.
Da war ein Mann
mit Namen Zachäus, der war ein Oberer der Zöllner und war reich. Und er
begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge;
denn er war klein von Gestalt. Und er lief voraus und stieg auf einen
Maulbeerbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen.
Und als Jesus
an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig schnell
herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren.
Und er stieg
eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden.
Als sie das
sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt.
(Zachäus aber
trat vor den Herrn und sprach: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe
ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach
zurück.)
Jesus aber
sprach: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist Abrahams
Sohn. Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was
verloren ist.
Lukas 19,1-10
Die Tempelreinigung
Einmal ging Jesus in den Tempel und trieb die
Geschäftemacher und Käufer hinaus und stieß die Tische der Geldwechsler um und
die Stände der Händler mit Opfertieren
und sprach zu ihnen: Es steht geschrieben (Jesaja 56,7): »Mein Haus soll
ein Bethaus heißen«; ihr aber macht eine Räuberhöhle daraus.
Matthäus 21,12f
Kirche als Bethaus- das setzt die Grenze gegen
Geldmacherei und Remmidemmi, auch gegen Kunstspektakel, die Aufsehen erlangen wollen aus Tabuverletzung, Es muß
heilige Räume geben, wo man nicht seine Augenlust befriedigt, auch nicht sein
Wurstbrot auspackt oder seinen Hund mitnimmt- Orte der Stille und der Anbetung
eben. Diese sakralen Zonen zu erhalten, kostet Geld. Sie sollten nicht durch Eintrittsgelder finanziert werden
müssen. Wieviel Zuschuss brauchen Opernhäuser, Hallenbäder, Musikschulen auch
von denen, die sie nicht benutzen? Müßten nicht die Orte der Frömmigkeit auch
von unserm Staat mitgetragen werden? Die
Kirchensteuer ist auch eine
Kultursteuer. Sie hilft, daß Kirche möglichst wenig tun muss, um an Geld
zu kommen sondern sie kann alle Kraft der Frömmigkeit widmen.
*
Steuern zahlen: Gut, wers
kann
Wem viel anvertraut ist, dem
wird viel abverlangt.
Lukas 12,48.
Geld oder Geist oder
Musikalität oder Geschick oder Hinhörfähigkeit oder Inarbeitbringenkönnen oder
Gastfreundschaft oder, oder. . All das
sind Begabungen, und wir müssen sie
ausgeben und anwenden, sonst werden sie stockig und wir sind ganz unglücklich.
Leistungsfähig sein ist Geschenk. Es braucht natürlich unsern Fleiß, braucht
Teamfähigkeit, Lust am Gelingen und Mühe, Mühe, Mühe. Aber daß wir können, was
wir sollen, ist auch schon Begabung. Das Beklopfen der eigenen Schultern können
wir uns sparen.
Alle Fähigkeiten, auch die
Zahlungsfähigkeit, sind anvertrautes Gut, anvertraut und zugemutet. Wir sind
zuständig im Rahmen unserer Kräfte und wer viel hat oder kann, wird viel
angegangen. Das ist so. Auch Steuerzahlenkönnen ist Gnade. Es ist einfach unter
Niveau, sich der Gelder zu rühmen, die man am Fiskus vorbeischummelte.
*
Die große Einladung
Als Jesus mit seinen Jüngern zu Tisch saß, kam einer
hinzu, der rief: Selig ist, der das Brot isst dermaleinst im Reich Gottes!
Jesus aber sagte: Was heißt hier „dermaleinst“? Es war
ein Mensch, der machte ein großes Mahl und lud viele dazu ein. Und sandte
seinen Knecht aus zur Stunde des Mahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, es ist
alles bereit! Aber nacheinander fingen
sie alle an, sich zu entschuldigen.
Der erste sagte: Ich habe einen Acker gekauft und muss
hingehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der zweite
sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt, sie
anzuschauen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der dritte sprach: Ich habe
eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen.
Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn.
Da wurde der zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh hinaus auf die Straßen und
Gassen der Stadt, schnell, und lade ein, wenn du triffst- Arme, Verkrüppelte,
Blinde und Lahme- führe sie alle herein.
Später sprach der Knecht: Herr, es ist geschehen, was
du gesagt hast; es ist aber noch Raum da. Da
sprach der Herr zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen, an die
Hecken und Zäune und nötige sie hereinzukommen, auf dass mein Haus voll werde.
Und wenn die Erstgeladenen doch noch kommen, werden
sie stehen müssen.
Lukas 14,15-24
Das Fest ist jetzt. Jetzt lädt uns Gott schon ein, das
Leben festlich zu leben. Jetzt will er sich schon mit uns freuen. Will Frieden
mit uns bauen und hinreißende Gefühle uns schenken, will uns anstecken mit
freudvoller Gemeinschaft. Musik, die Sonne, die Liebesumarmung, Lachen,
Trösten, Teilen sollen uns schon jetzt den Himmel auf die Erde bringen.
Auch Kaufen und Verkaufen kann mit „gottvollem“ Leben
zusammengehen. Eigentum soll sein, kann sein, Ehe soll sein, kann sein-
Wichtig, dass wir das Eigene nicht gegen
das Gemeinsame ausspielen. Wer vor lauter Arbeit und Sammeln das Fest des
Lebens verpasst, wer vor lauter „Egoismus zu Zweit“ die anderen verrät, ist
doch nur ein armer Tropf auf der schönen Erde. Und meinen wir doch nicht,
später sei immer noch Zeit für das richtige Leben.
Das Gleichnis wurde
oft gelesen als Warnung, es gibt ein „Zuspät“ in himmlischen- also den
allerwichtigsten Angelegenheiten. Aber die Drohung, der himmlische Freudensaal
sei für die Weltkinder für immer zugesperrt, ist von wohlmeinenden Frommen,
nicht von Jesus. Gerade, wer nur rafft
und für seine Familie sorgt, wird unabgefunden in seinen Wünschen und
mit Wehmut von dieser Erde gehen. Gerade
wer sich hier das Fest des Lebens nicht gegönnt hat, braucht doch spätestens
dann Erlösung von sich selbst. Und wird sie bekommen. Aber er wird staunen, wie
lange die andern schon fröhlich sind, weil sie in Jesu Gemeinschaft schon so
lange gute Erfahrung haben.
Es gab Zeiten, da hat die
Kirche aus diesem Gleichnis die Aufforderung gelesen, Andersgläubige mit Macht
zu Taufe und Kirchzugehörigkeit zu nötigen. Damit hat sie viel Unrecht getan;
sie dachte von sich zu groß (im Sinne von wichtig) und von Gott zu klein (im
Sinne von kleinlich).
*
Von der
bittenden Witwe
Er sagte ihnen
aber ein Gleichnis darüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen
sollten, und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich
nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen.
Es war aber
eine Witwe in derselben Stadt, die kam zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht
gegen meinen Widersacher! Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei
sich selbst: Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem
Menschen scheue, will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht,
Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage.
Da sprach der
Herr: Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte dann Gott nicht auch Recht
schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er's
bei ihnen lange hinziehen?
Ich sage euch:
Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze.
Lukas 18,1-8
Eine heikle
Geschichte. Wenn schon ein ungerechter Richter
der Bittenden Recht schafft (und
sei es aus Berechnung), dann wird doch
Gott die Seinen erst recht und in Bälde erhören.
Und erhört Gott
unsere Gebete prompt? Das Weinen und Schreien von Auschwitz liegt Gott immer
noch in den Ohren, ja, es ist Teil von
Gottes Geschichte für immer. Zu seinem Bilde schuf er uns, und was haben
wir aneinander für Verbrechen begangen, haben zu erniedrigten, geknechteten,
verlassenen, verächteten, verhungernden Wesen gemacht. Geschundene rufen den
Himmel um Hilfe an gegen unsereinen. Weil ihre unendliche Sehnsucht die Mörder
nicht sich selbst überlassen kann. Darum können sie das Schreien um Hilfe nicht
lassen, auch wenn ihre Schmerzen ihnen den Himmel leer machen. Wenn nicht in
Gott, in wen sonst können wir uns denn hineinweinen, letzten Endes? Dass er
teilnimmt ist sein Erhören.
*
Pharisäer und
Zöllner
Er sagte aber
zu einigen, die sich anmaßten, fromm zu sein, und verachteten die andern, dies
Gleichnis: Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine
ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.
Der Pharisäer
stand für sich und betete so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die
andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich
faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.
Der Zöllner
aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern
schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!
Ich sage euch:
Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich
selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der
wird erhöht werden.
Lukas 18, 9-14
Der
Selbstgerechte und der Bittende- in wechselnden Gestalten gehen sie durch uns
hindurch. Der Pharisäer ist uns dermaßen zum Schimpfwort geworden, daß wir gern
auf bescheiden machen. Der Kern aber ist, ob wir glauben an das nie erlöschende
Gemeinsame, das uns trägt (Robert Walser).
Der Welt
Schlüssel heißt Demut; ohne ihn ist alles Klopfen, Horchen, Spähen umsonst
(Christian Morgenstern).
*
Die Segnung der
Kinder
Sie brachten
Kinder zu ihm, damit er sie anrühren sollte. Als das aber die Jünger sahen,
fuhren sie die Mütter an: Belästigt den Meister nicht.
Aber Jesus
sprach: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen
gehört das Reich Gottes.
Wahrlich, ich
sage euch: Wer nicht das Reich Gottes annimmt wie ein Kind, der wird nicht
hineinkommen.
Lukas 18,15-17
Die
„Weltneulinge“- mit „Trompeten des Lichtes“ öffnet sich ihnen Alles,
unabsehbar, ungewiss (Peter Sloterdijk). Schließen wir mit ihnen Freundschaft,
wenn wir sie aufziehen.
„Ehre die
Eigentümlichkeit und die Willkür deiner
Kinder, auf dass es ihnen wohl gehe und sie kräftig leben auf Erden (Friedrich
Schleiermacher). „Ihre Seele wohnt im Haus von morgen“(Khalil Gibran). Ja,
ehren wir gebührend, das fremde, herübergekommene Wesen, das noch anderen
Mächten nachlauscht, die es zur Welt brachten. Begrüßen wir den plötzlich
Eintretenden, den wir nicht kennen. In uns soll er Engel, Helfer, Gottes
Gefährten finden (nach Botho Strauß).
*
Zachäus
Und er ging
nach Jericho hinein, da war ein Mann mit Namen Zachäus, ein Oberer der Zöllner
und reich. Der begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen
der Menge; denn er war klein von Gestalt. Und er lief voraus und stieg auf
einen Maulbeerbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen.
Und als Jesus
an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend
herunter; heute muss ich in dein Haus einkehren. Und der stieg eilend herunter
und nahm ihn auf mit Freuden. Als die Leute das sahen, murrten etliche und
sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt.
(v.8 Zachäus aber trat vor den Herrn und sprach:
Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich
jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück.)
Jesus aber
sprach: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, auch er ist Abrahams Sohn. Der
Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.
Lukas 19, 1-10
Eine der
beliebtesten Geschichten aus der Kinderkirche: Der kleine reiche Mann klettert
auf den Baum, um den wunderbaren Jesus zu sehen. Und der sieht ihn, nimmt ihn
wahr; beschenkt ich damit, dass er ihn zu Gast haben darf. Die andern gönnen
das dem ungeliebten Geldeintreiber nicht. Jesus sieht die maulenden
ordentlichen Bürger und bittet sie sie von ihrer Hartherzigkeit abzulassen: Wie
ihr nicht aus Verdienst Abrahams und Saras Nachkommen seid -und damit zu Gottes
Volk gehörend-, so schließt er sich auch nicht aus durch seine Fehler. (darum
ist Vers 8 nicht nötig, eher schädlich, und sicher so nicht passiert!) Jesus
kommt, um die Gotteskindschaft aller zu gewährleisten.
Also wenn du
zweifelst daran, Sohn/Tochter Gottes zu sein, dann lade welche in dein Haus,
die an der Menschenwürde beschädigt sind. Nimm sie auf mit Freuden, in ihnen
ist Jesus/ Gott bei Dir.
Das Kreuz war gegen Gottes
Willen
Jesus
erzählte: Es war ein Gutsbesitzer, der hatte einen Weinberg mit Kelter und
Turm. Der Weinberg trug gut. Dann verpachtete er den Weinberg.
Zur Erntezeit schickte er
seine Leute zu den Winzern, um seinen Anteil an den Früchten abzuholen.
Die Winzer aber
verprügelten seine Leute; darauf schickte er andere Boten, mehr als das erste
Mal; die brachten sie um.
Zuletzt sandte er seinen
Sohn zu ihnen; denn er dachte: Vor meinem Sohn werden sie Respekt haben. Als
die Winzer den Sohn sahen, sagten sie zueinander: Das ist der Erbe. Töten wir
ihn, werden wir den Weinberg behalten können. Und sie packten ihn, warfen ihn
aus dem Weinberg hinaus und brachten ihn um.
Was meint ihr, fragte Jesus
die Zuhörer- wenn nun der Besitzer des
Weinbergs selbst kommt: Was wird er mit den Pächtern tun?
Sie sagten zu ihm: Er wird
diesen bösen Menschen ein böses Ende bereiten und den Weinberg an andere Winzer
geben.
Matthäus 21, 31-41
Eigentlich einfach zu
verstehen: Denen der Weinberg anvertraut war, die wollten allein für sich die
Ernte haben. Der Besitzer schickt Mahner und Kassierer, die Pächter schaffen
die sich vom Hals, der Besitzer schickt seinen Sohn, an den werden sie ja wohl
zahlen. Auch den bringen sie um in der falschen Meinung, so Ruhe zu haben. Dann
kommt der Besitzer selber, straft und entzieht und verteilt neu.
Übertragen: Gott hat das
Wissen von sich den Gottesgelehrten Israels anvertraut, die aber haben nicht
getan, was sich damit zu tun gehört, nämlich Liebe üben, sondern haben das
Gotteswissen zum Eigennutz (zur Selbsterhöhung) gebraucht. Mahner, Propheten
kommen und werden nicht gehört. Dann kommt der Sohn, der wird ermordet. Sie
wollten das Gotteswissen so handhaben, wie sie es verstanden. Dann aber fängt
Gott nochmal das Evangelium von seiner Liebe neu an.
Mit dieser Geschichte macht
sich die Urgemeinde klar, Jesus hat nicht umgebracht werden sollen. Gott
schickte Jesus, um das Evangelium vom liebenden Gott in Wort und Tat
umzusetzen.- Doch sie nahmen den Ruf in
den liebenden, vertrauten Umgang mit Gott nicht an. Sie trauten mehr dem Gesetzesgott
des Mose, wollten lieber aus eigener Leistung Gott recht sein, wollten auch
ihre (durch Gebotegehorsam erworbene) bevorzugte Stellung vor andern Menschen
und Völkern nicht verlieren.
Gott erlebt Rückschläge
noch und noch- seine geliebten Menschen tun Böses- und Gott muss leiden, immer
noch. Denn der Liebende kann Liebe nicht aufzwingen, er kann für seine Liebe
nur kämpfen durch Weiterlieben. Darum muss Liebe leiden, und der Schöpfer aller
Liebe muss leiden, bis die Liebe der Sünden Menge aufgesogen hat. Jesu
Auferstehung ist Gottes Versprechen, daß er durchhält mit seinem Lieben und
kein Tod uns von ihm scheidet.
*
Die Frage nach der Steuer (»Der Zinsgroschen«)
Die Schriftgelehrten ließen bei Jesus anfragen: Was
meinst du: Ist es recht, dass man dem Kaiser Steuern zahlt oder nicht?
Jesus ließ sich eine Münze reichen. Und sprach: Wessen
Bild und Aufschrift ist das?
Sie sprachen zu ihm: Des Kaisers. Da sprach er zu
ihnen: So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.
Matthäus 22,17-21
Steuern zahlen tut wohl keiner gern. Auch die Gegner
Jesu wollten ihm einen Strick drehen mit dieser Frage: Rät er zu Steuern,
verliert er die Sympathie beim Volk, ruft er zum Steuerboykott auf, wird er
Staatsfeind. Jesus läßt sich eine Münze reichen- darauf das Bild des Kaisers.
Also geht ihr mit des Kaisers Geld um, dann zahlt ihm auch seinen Anteil. Aber
viel wichtiger: Was zeigt denn euer Gesicht? Ist nicht jedes eine Vision
Gottes? Ihr gehört ihm. Also gebt euch ihm. Gemessen daran sind Geldsachen doch
Lappalie.
Wir geben uns Gott ja
schon in kleiner Münze. In den vielen Gestalten der Liebe geben wir uns
ab, wir sind nicht glücklich mit Festhalten und Sammeln. Doch vielleicht können wir auch noch etwas über uns hinauswachsen.
*
Die Pfennige der Witwe
Er war am Tempel und sah, wie die Reichen ihre Opfer
in den Gotteskasten einlegten. Und viele legten viel ein. Er sah aber auch eine
arme Witwe, die legte zwei kleine Münzen ein. Und er sprach: Diese Frau hat
mehr als sie alle eingelegt. All die haben etwas von ihrem Überfluss eingelegt;
sie aber hat eingelegt, was sie zum Leben hatte.
Lukas 21,1-4
Am Tagesende (oder Jahresende) sich all dessen
entledigen, was man noch an Geld hat und am neuen Tag wieder neu das Nötige
kommen lassen - das wäre ein ins Vertrauen geschmiegtes Leben. Ich kann
das nicht. Aber daß ich nicht mal viel
von meinem Überfluß einlege, dessen schäme ich mich. Jesus forderte seine
Jünger auf, ohne Tasche, ohne Geldbeutel loszugehen (Matthäus 10,10). Sie
werden Menschen finden, die genug haben, um ihnen was abzugeben. Es ist von Jesus als Freispruch
gedacht, nicht als Pflicht. Mit weniger auszukommen versuchen, wäre wohl Anfang
von Freiheit.
*
Von den klugen und törichten
Frauen
Mit dem Himmelreich geht es ähnlich wie den
Frauen, die ihre Lampen nahmen und dem
Bräutigam entgegen gingen. Fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug.
Als nämlich der Bräutigam lange ausblieb, schliefen
sie alle ein. Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam
kommt! Geht ihm entgegen! Da standen die Frauen alle auf und machten ihre
Lampen fertig. Den törichten aber war ihr Öl zuneige gegangen und sie baten die
klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen.
Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst
würde es weder für uns noch für euch genug sein.
(Matthäus 25, 1-9)
Es ist wichtig, mit seinen Kräften hauszuhalten. „Wenn
du weißt, was du willst, musst du machen, daß du hinkommst“ sangen die
„Mißfits“. Einfach drauf los leben, ist nicht. Wenn du den Bräutigam/ die Braut
treffen willst, musst du „genug Öl auf der Lampe haben“- musst bei Kräften sein
und sie einteilen. Du musst dein Licht leuchten lassen, wenn es sich
lohnt. Mit anderer Leute
Hilfsbereitschaft zu rechnen, ist weder klug noch fair.
Die ausgebrannt waren, wollten noch schnell neuen
Stoff besorgen. Doch sie kamen zu spät
zum Fest, die Tür war schon verschlossen. Und soviel sie auch baten: Herr,
Herr, tu uns auf!- sie hörten nur: Ich kenne euch nicht!
Also wachet! Denn ihr wisst
weder Tag noch Stunde.
(Matthäus 25,10-14)
Einige Frauen verpassen ein Hochzeitsgeleit aus Unachtsamkeit.
Dies Missgeschick diente in der Urgemeinde als warnendes Predigt-Beispiel, nur
ja wachsam zu sein in Richtung Jüngster Tag.
Richtig, daß wir unsern Jesus Christus nah wissen und unser Tun gewogen wird
daran, ob wir sein Fest mit vorbereitet haben. Aber unser Christus macht uns
nicht gefügig mit Angst. Wenn wir zu spät (zum Glauben) kommen, hat uns das
Leben schon genug bestraft. Der Herr kennt uns, gerade die Schwierigen.
(Die Geschichte taugt heute nicht mehr- zu sehr sind
wir auf Solidarität geeicht. Zu gut können wir das Bevorraten organisieren (Abwechselnd
hält einer das Feuer wach für die andern
mit). Und die ewige Strafe für die Dummheit ist grotesk überzogen. Jedenfalls darf diese Geschichte nicht
kommentarlos –gar noch als „Evangelium des Sonntags“ verlesen werden.
*
Die anvertrauten Pfunde
Mit dem Himmelreich geht es so wie einem Menschen, der
in ein fernes Land zog: Er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein Vermögen
an;
dem einen gab er fünf Zentner Silber, dem andern zwei,
dem dritten einen- jedem nach seiner Fähigkeit, und zog fort.
Sogleich ging der hin, der fünf Zentner empfangen
hatte, und handelte mit ihnen und gewann weitere dazu. Ebenso der andere. Und
der dritte?
Nach langer Zeit kam der Herr zurück und forderte von
den Knechten Rechenschaft.
Da trat der erste hinzu: Herr, du hast mir fünf Zentner anvertraut;
siehe da, ich habe damit weitere fünf Zentner gewonnen. Da sprach sein Herr zu
ihm: Gut so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen,
ich will dich über viel setzen; feier mit das Freudenfest!
Da trat auch der hinzu, der zwei Zentner empfangen
hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner anvertraut; siehe da, ich
habe damit zwei weitere gewonnen. Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, du
tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich
über viel setzen; geh hinein zum Freudenfest!
Zuletzt trat auch der hinzu, der einen Zentner
empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: Du
erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut
hast; und ich fürchtete mich, ich ging hin und vergrub deinen Zentner in der
Erde. Siehe, da hast du das Deine.
Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser
und fauler Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und
einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe? Dann hättest du mein Geld wenigstens zu
den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine
wiederbekommen mit Zinsen.
Darum nehmt ihm den Zentner ab
und gebt ihn dem, der zehn Zentner hat.
Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird
die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen
werden. Und den unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus; da wird sein
Heulen und Zähneklappern.
Matthäus 25, 15-30
„Wer da hat, dem wird gegeben“- ist wohl ein
ursprüngliches Jesuswort. Es ist später an die Gemeindepredigt von den
anvertrauten Talenten angefügt, aber geht am
Sinn der Erzählung vorbei.
Es ist schon so: Wer hat, erhält mehr. Wer seine
Fähigkeiten fleißig einsetzt, wird Erfolge ernten. Wer anderen viel nützt mit
seinem Vermögen, der wird viel erlösen. Wer nichts hat, womit er anderen zu
Diensten sein kann, steht leer da. Und seine Restbegabungen verkümmern auch
noch.
Ein Reicher verteilt sein Geld und sagt: Schafft damit für mich und euch. Er
vertraut seinen Mitarbeitern Mittel an, Talente- eine griechische Münzeinheit
für Silber- wovon unser Wort „Talent“ genommen ist. Je nach Tüchtigkeit weist
der Herr- also Gott- die Mittel zu, aber auch die Fähigkeiten sind schon Gaben,
sind schon Anvertrautes.
Und jeder, sagt das Gleichnis, soll sich darauf
verlassen, daß er genug Begabungen hat- ja, daß das Leben genau seine
Begabungen nötig hat. Darum ist es auch so sträflich, seine Gaben zu vergraben,
zu verstecken, zu vergeuden. Und es ist eben auch so, daß die nicht genutzten
Fähigkeiten verloren gehen und man am Ende sich wie verloren vorkommt. Das ist schon
zum Heulen. Aber unser Versagen wird nie das letzte Wort haben, wir enden nicht
in Finsternis. (Darum sollte man den Schlussvers weglassen- wahrscheinlich ist
er als moralischer Zeigefinger angeklebt).
*
Vom Weltgericht
Christus spricht: Wenn aber der Christus kommen wird
in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem
Thron seiner Herrlichkeit, und alle Völker werden vor ihm versammelt werden. Da
wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten
meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt!
Denn ich bin hungrig
gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt
mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich
aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank
gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu
mir gekommen.
Dann werden ihm die
Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und
haben dir zu essen gegeben, oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? Wann
haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen, oder nackt und
haben dich gekleidet? Wann dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir
gekommen?
Und der König wird
antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem
von diesen meinen geringsten Brüdern und Schwestern, das habt ihr mir getan.
Und was ihr ihnen schuldig bliebt, das
bliebt ihr auch mir schuldig.
Aus Matthäus 25,31-40
So wichtig ist unser Handeln: es hat Folgen bis in die
Ewigkeit. Wir haben hier schon mit Christus, mit Gott persönlich zu tun. In den
Menschen, die wir stärken oder schwächen, ist Gott mit drin, wir tun ihm mit
gut oder tun ihm mit weh.
Aber Gott wird uns, auch wenn wir nur schwach geliebt
haben, lieben, ergänzen, heilmachen. Wir verdienen uns den Himmel nicht, er
steht uns offen, weil uns Gottes Herz offen steht- das ist Jesu Offenbarung.
Gibt es also kein Belohnen und Bestrafen mehr bei
Gott? Paulus sagt es mal so : Unsere Taten werden geprüft, ob sie Gold oder
Stroh waren- aber wir selbst werden gerettet werden „als wie durch Feuer
hindurch“ (1.Korinther 3,15). Die Lohe des Lebendigen wird uns alle versengt
haben- „keiner ist gut, außer Gott allein“(Markus 10,18). Gutes tun tut einfach
gut, und freiwillig ist keiner bös.
Im ausführlichen Bibeltext steht das „doppelte Gericht“; die einen kommen in den Himmel, die andern in die ewige Verdammnis. Genau spiegelbildlich zu den Guten werden die Bösen aufgezählt. Aber das kann nicht von Jesus stammen. Das hat ein judenchristlicher Rabbi so weitergesponnen aus pädagogischen Gründen. Er wollte warnen vor dem Bösen. Doch der Zweck heiligt die Mittel nicht. Wenn wir nur aus Angst Böses sein ließen, obwohl wirs uns wünschten, was wären wir arm dran. Jesus traut uns doch zu, aus freien Stücken gern Gutes zu tun. Und er traut Gott zu, uns liebesfähig geschaffen zu haben, auch wenn wir oft versagen. Und er wird uns erlösen, nicht wir uns selbst.
In dem Film „Blow up“ spielen Zwei
imaginäres Tennis, als hätten sie Schläger , als klackten die Bälle, sie
spielen so hingebungsvoll, daß dann Aufschlag, Netzball, Schmetterball Töne
annehmen. Es ist wahres Tennis. So auch die Wunderkräfte der Liebe leben; Jesu
Taten tun, als ob in unserm Spiel er real wird. Und er geschieht.
* *
A3 Jesu Passion- Kreuzigung- Auferstehung
Nicht böser Wille brachte Jesus ans
Kreuz
Die Hohenpriester und die Pharisäer
versammelten den Hohen Rat und sprachen: Was ist zu tun? Jesus, dieser Mensch,
liefert viele Zeichen. Lassen wir ihn gewähren, dann werden sie alle an ihn
glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute.
Einer aber von ihnen, Kaiphas, der in dem Jahr Hoherpriester war, sprach zu
ihnen: Es ist besser, ein Mensch sterbe für das Volk, als daß das ganze Volk
verderbe. Von dem Tage an war es für sie beschlossen, dass sie ihn umbrachten.
Kaiphas hatte das nicht von sich aus
gesagt, sondern er weissagte es. Denn Jesus sollte sterben für das Volk und
nicht für das Volk Israel allein, sondern auch, um die verstreuten Kinder
Gottes zusammenzubringen.
Johannes 11, 47-53
Die offiziellen Religionsvertreter
hatten sicher recht mit ihrer Einschätzung: Jesus war weit weg vom jüdischen
Gesetzesgehorsam und vom Untertansein dem Kaiser in Rom. Er verkündigte den
Gott der Liebe und betrieb eine Revolution der Gerechtigkeit und Freiheit. Der
Tempel und das Lehramt aber geboten Ruhe und Ordnung. Um nicht ihre Stellung zu
gefährden und sicher auch, um durchzusetzen, was sie für Gottes Willen hielten,
wollten sie Jesus töten. Damit setzten sie unwissentlich Jesus in die Rolle des Heilsbringers ein.
Die Passionsgeschichte beschreibt die
welterschütternste Tragödie. Alle Leiden und Schmerzen verkörpern sich in
diesem Jesus: „Sehet, welch ein Jammermensch!“ Doch das irdische Ende ist
Anfang von Auferstehung, Jesus gebiert das „Prinzip Hoffnung“. Die Auferstehung
von den Toten ist die „härteste Währung auf dem Markt der Möglichkeiten“ (Wolf
Biermann).
*
Die Salbung in Betanien
Jesus war auf dem Weg nach Jerusalem. Er kam
durch Betanien, da war er zu Gast im Hause Simons des
Aussätzigen. Und es trat zu ihm eine Frau, die hatte ein Glas mit kostbarem
Salböl und netzte damit sein Haar und
Gesicht, als er zu Tisch saß.
Als das die Jünger sahen, wurden sie unwillig und
sprachen: Wozu diese Vergeudung? Es hätte teuer verkauft und das Geld den Armen
gegeben werden können.
Als Jesus das merkte, sprach er zu ihnen: Was betrübt
ihr die Frau? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Arme habt ihr allezeit bei
euch, mich aber habt ihr nicht allezeit. Dass sie das Öl auf meinen Leib
gegossen hat, das hat sie auf mein
Begräbnis hin getan.
Matthäus 26, 6-12
Auch ein Hohes Lied der Liebe: Die Jünger haben keine
Ahnung, dass sich alles zuspitzt auf
Leben und Tod. Eine namenlose Frau scheint zu wissen, welch schweren Weg
Jesus vor sich hat. Sie salbt ihn, segnet ihn, rüstet ihn zu für seinen Kampf,
einzustehen für die Liebe Gottes, und nicht seine Freiheitspredigt zu
widerrufen.
Die Männer rechnen nur, sehen Verschwendung und möglichen Nutzen. Aber Jesus lässt sich die
Liebesbezeugung der Frau gefallen- und
zieht die tumben Männer mit ins Einverständnis.
*
Liebesdienst
Jesus sprach zu seinen Jüngern: Ihr wisst, dass die
Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So
soll es bei euch nicht sein; sondern wer unter euch groß sein will, der sei
euer Diener. Und wer unter euch der Erste sein will, der sei Knecht aller.
Ich bin auch nicht gekommen, mir dienen zu lassen,
sondern dass ich diene und gebe mein Leben zur Erlösung für viele. Es ist so: Wer sein Leben für sich behalten
will, der wird’s verlieren; und wer sein Leben drangibt für das Gute, dem wird
es erhalten.
Matthäus 20, 25-28,Markus 8,
35
Kurz, klar, wahr ist das Jesusprojekt: Sich hingeben
fürs Gesamte; sich mühen; dem andern die Last mittragen- das hilft zum
Leben. Wer anderer Leute Leben aussaugt,
wird trotzdem keinen Zuwachs an eigenem
Wert erlangen. Wer das Ganze fördert, dessen Selbst wird bleiben, auch wenn er
vergeht. Dieses Prinzip der Mütter, der Helfenden, der nicht aufs Rechhaben
Drängenden, der Freudenstifter kann einen aber auch ins eigene Fleisch
schneiden.
Jesus wußte, daß sogar Gott dient.
Das aber schien den „von Gottes Gnaden“ Herrschenden ein Abbruch an
Würde. Sie wollten nicht Diener eines dienenden Gottes sondern machtvolle
Stellvertreter eines Macht- Gottes sein. Jesus dagegen steht mit seinem Leben
für die liebende Allmacht ein. Damit erlöst
er von dem herrischen Gottesbild und begründet auch das Leuchtbild vom
liebenden Mitmenschen.
*
Jesus spricht:
Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.
Johannes 14,6
Was den Weg zum
Lebendigen ausmacht, was die Wahrheit vom Lebendigen, ja, was das Lebendige des
Leben ausmacht, das ist Christi Wesen. Er bildet die uns zum Ziel führende
Wahrheit des Seins. Er ist uns Hirte des Lebensweges, mit ihm sein, heißt in
Gottes Wahrheit sich aufgehoben wissen. Mit ihm leb ich, auch wenn ich sterbe.
–
„Ich und der Vater, wir sind eins“, sagt Jesus
einmal (Johannes 10,30) . Das hält fest: wir sollen Gott und Christus
nicht auseinander dividieren. „Wer mich sieht, sieht den Vater“ (Johannes
14,9).
„Fragst du, wer Gott ist, er heißt Jesus Christ“ (M. Luther). –
Einmal kann man Gott fühlen in Gestalt des Hirten Jesus- ich ihm zur Seite-
einmal kann man Gott schauen als Schöpfer, wenn man durchs Mikroskop oder
durchs Fernrohr zum Himmel sieht.
An Jesus Christus zeigt uns Gott, wie er zu uns ist, und wie er
uns haben will.
*
Ich lebe und ihr sollt auch
leben.
Johannes 14.19
Das Herz der Welt- Gott- war leibhaftig in diesem
Jesus. Damit ist uns ein Bild gegeben vom wahren Menschsein: Wach, liebevoll,
lustvoll ausgestreckt nach Glücklichwerden und Glücklichmachen, kämpferisch die
falschen Bauformeln bloßlegend und das gute Gesicht Gottes spiegelnd- so ist er, so sollen wir sein, annähernd.
Auch wir werden uns dann als lebendig erkennen. Das
ist versprochen. Und es ist jetzt erfahrbar. Manchmal stehen wir zur
Auferstehung auf- spüren Frühling in unserer Seele, sind gerne wir. Diese
innere Verwandtschaft mit Jesus soll uns oft gelingen. Und nie bleiben wir tot,
höchstens drei Tage. Warum? Weil Gott nicht ohne dich sein will, darum wirst du
ewig leben. Und es wird Freude sein, Freude sein.
Daß wir noch irdisch sind, lasst uns nutzen- noch ist
Werdezeit, noch ist Zeit zu lieben. Hilf, daß ein Mensch aufatmet wegen dir.
*
Verschiedene Vorbereitungen
Als es auf das Passa zuging, das jährliche Fest der
Rettung aus der Knechtschaft in Ägypten, fragten die Jünger: Jesus, wo sollen
wir das Mahl zubereiten? Er sprach: Geht hin in die Stadt zu einem und sprecht
zu ihm: Der Meister lässt dir sagen: Meine Zeit ist nahe; ich will bei dir das
Passa feiern mit meinen Jüngern. Und die Jünger taten, wie ihnen Jesus befohlen
hatte.
Und einer von
den Zwölfen, mit Namen Judas Iskariot, ging hin zu den Hohenpriestern und
sprach: Ich will ihn euch ausliefern. Und sie boten ihm dreißig Silberlinge.
Als das Mahl bereitet war und alle Jünger versammelt
waren, stand Jesus auf, legte sein Obergewand ab, nahm eine Schürze und
umgürtete sich. Dann goß er Wasser in ein Becken und fing an, den Jüngern die
Füße zu waschen und sie auch abzutrocknen.
Dann sprach zu
ihnen: Wisst ihr, was ich euch getan habe? Ihr nennt mich Meister und Herr und
sagt es mit Recht, denn ich bin’s auch. Wenn nun ich, euer Herr und Meister,
euch die Füße gewaschen habe, so sollt ihr es euch untereinander auch tun. Ein
Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.
Matthäus 26, 14-19, Johannes
13,4-15
Während die einen das Fest vorbereiten, geht der
Andere los und organisiert die Auslieferung in den Tod. Aber auch ihm wäscht
Jesus die Füße. Die Waschung ist beispielhafte Geste der Demut: Wir sollen, statt auf den eigenen Vorteil zu
achten, einander dienen.
*
Dann setzten sie sich zu Tisch.
Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und
brach’s und gab’s seinen Jüngern und sprach: (1. Korinther 11,23) Nehmet hin
und esset; das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem
Gedächtnis. (Lukas 22,20) Und er nahm den Kelch, dankte, gab ihnen den und
sprach: Diese Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das vergossen wird zur
Vergebung der Sünden.
Und als sie den Lobgesang
gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.
Matthäus 26,20; 26,30
Das Passamahl erinnert an die Herausführung Israels
aus der Knechtschaft. Damals sollte das Blut eines Lammes sollte an die
Türpfosten der Hütten Israels gestrichen sein, wenn der Todesengel Ägyptens
Erstgeburten erwürge; und sie sollten essen als „die Hinwegeilenden“ (2. Mose
12), die keine Zeit mehr hatten, mit Sauerteig Brot zu backen.
Im Abendmahl setzt sich
Jesus Christus als das rettende Lamm des neuen Bundes ein; „Jesu Blut für dich vergossen“ besorgt,
bzw. kennzeichnet die Vergebung der Sünden. Diese „Einsetzungsworte“ spiegeln
die Situation und Theologie der frühen Kirche. Da war das Mahl schon zum Symbol
geworden, zum Pfand für die Rettung im Jüngsten Gericht- zum „Heilmittel gegen
den ewigen Tod“.
Das historische letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern
war sicher voller Abschiedsreden -„esst, trinkt (oft noch) zu meinem
Gedächtnis“- und voll Entsetzen über den bevorstehenden Verrat.
Das Mahl der
Gewissheit, dass Christus mitten unter uns ist, stärke uns, den Alltag zu
bestehen als die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Christus heute. In wie weit Brot und Wein verwandelt werden, sollte nicht
mehr die Konfessionen trennen. Wir sind alle ein Leib, denn wir essen von dem
einen gesegneten Laib Brot. Wir viele bilden
einen Leib, einen Corpus, eine Korporation; in uns strömt der geistige
Blutkreislauf des Christus. „Einer nährt den andern.“
Das Sakrament
(„religiöses Geheimnis“) der Teilhabe am Leib Christi schafft
Mahlgemeinschaft und Mittrage- Genossenschaft,
gleich, ob zu „Communio“ (Gemeinschaft)
oder „Eucharistie“ (Danksagung) oder
„Abendmahl“ oder am schönsten zum „Liebesmahl“
mit duftendem Brot geladen wird.
*
Jesus, Gott weiß
Und Jesus sprach zu seinen Jüngern: Ihr werdet alle
irre an mir, ihr werdet mich alle
verlassen. Petrus sagte: Aber ich nicht! Und Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir:
heute, in dieser Nacht, ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal
verleugnen.
Matthäus 26,31-33
Jesus weiss, wie es wird. Ihm wird der Prozess wegen
Gotteslästerung gemacht und die Jünger werden kopflos sein, sie werden fliehen.
Natürlich ist da einer, der will treu sein, will sich schützend vor ihn
stellen, aber Jesus ahnt seine Instabilität. Er sagt dem Petrus den schon sich anbahnenden
Verrat auf den Kopf zu; vielleicht garnicht, damit er sich eines Besseren besinnt.
Sondern damit er auch im schlimmsten Fall sich nicht für verworfen hält. Gott weiss
auch dich, die Schatten inklusive.
*
Jesus ganz Mensch, uns ganz nah
Und Jesus kam
mit ihnen zu einem Garten, der hieß Gethsemane, und sprach zu den Jüngern:
Setzt euch, ich geh ein Stück weiter und bete. Petrus und noch zwei begleiteten
ihn. Er wurde traurig und verzagt und sagte: Meine Seele ist betrübt bis in
Todestiefe; bleibt bei mir!
Matthäus 26,36-38
Ein Garten steht am Menschenanfang und am Wegesende
des exemplarischen Menschen Jesus. Im
Paradies-Bild spricht Gott mit seinen Menschen über Gut und Böse- damit werden
sie menschlich, werden abgerückt vom nur Natursein- werden zu Freude- und
Leidpartnern Gottes. Im Garten Gethsemane nun sucht Jesus, der bestmögliche
Mensch, seinen Herrgott; sein Leben spitzt sich zu. Es könnte ausgehen, wo er
doch so gern lebt. Was hat Gott mit ihm
vor, soll er jetzt durch das Nadelöhr Tod? Und wie passt das zu der guten
Botschaft, daß unser Leben hier gelingen soll? Jesus geht, weint und betet sich
in Gott hinein.
*
Der Kelch, der bittere
Jesus betete: Mein Vater, ist’s möglich, so gehe
dieser Kelch voll Leid an mir vorüber. Doch nicht wie ich will, sondern wie du
willst!
Matthäus 26,39
Jesus will so gern noch leben, will hier weiterhin die
Anbrüche von Reich Gottes inszenieren und feiern. Doch der Fels, an dem die
irdische Zeit zerschellt, ist der Tod. Er will ihn noch nicht. Aber er legt die
Entscheidung über sich in Gottes Hände. Also dürfen wir auch kräftig bitten,
daß Leid von uns abgewendet werden möge. Dürfen und sollen auch für andere
bitten. Aber sollen den Vorbehalt immer wissen: „dein Wille geschehe“.
Weggeschlafen
Dann ging er zu
seinen Jüngern. Sie waren eingeschlafen.
Er weckte sie: Könnt ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen?
Überhaupt: Wachet, betet, seid hellwach. Scheitern geht schnell. Der Geist ist
willig; aber das Fleisch ist schwach.
Matthäus 26,40f
Sehr menschlich und sehr tröstlich: Jesus weckt die
Schläfer. Er zeigt, dass er die Freundesnähe braucht. Er verzichtet auf die
herrische Geste der stolzen Einsamkeit. Er zieht sich nicht gekränkt zurück,
sondern weckt sie. Er entschuldigt sie sogar; er will nicht, dass sie sich
schämen müssen- er ist ein wahrer Freund.
Noch ein Anlauf, sich ins Leid zu finden
Zum zweiten Mal ging er, betete und sprach: Mein
Vater, führt kein Weg am Leid vorbei, so geschehe dein Wille!
Matthäus 26,42
So geschehe wenigstens damit dein Wille- kann das
gemeint sein? Muss ich ans Kreuz, so mach was draus, Gott! Lass es wenigstens
nicht umsonst sein, nicht banal und aus Versehen; lass mich nicht ein weiteres
Opfer sein, das keiner braucht und keinem nützt, Gott. Nicht, dass sie alle fragen: Wie kann Gott
das zulassen? Du musst das jetzt wollen, weil du es brauchst, um was ein für
allemal zu klären- Auch wenn ich jetzt nicht den Sinn weiß, lass mich wissen,
dass du, „der Gott der Liebe“ (2. Korinther 13,11) das Geschehen brauchst. Wenn
es nicht sinnlos ist bei dir, dann kann ich getrost an mein Verhängnis gehen.
Die Stunde ist da
Und er kam zu ihnen- und sie schliefen wieder,
schliefen tief. Da ließ er sie und ging ein drittes Mal hin und betete noch
mal. Dann kam er zu seinen Jüngern, weckte sie und sprach: Die Stunde ist da,
dass die Sünder Hand an mich legen. Kommt, wir gehen! Er ist da, der mich
ausliefert.
Matthäus 26, 43-46
Ein drittes Mal geht er zur Seite, redet mit dem „Herz
aller Dinge“. Die Jünger schlafen derweil wieder ein. Grausam, wie weit weg uns
das Leid anderer sein kann. Wir rutschen einfach aus der Not in eine Traumzeit,
wollen nicht Zeuge sein. Jesus versteht seine schwachen Freunde, er kehrt ihnen nicht den Rücken. Zuletzt gehen alle mit, erst mal.
*
Ein falscher Kuß, ein
verlorenes Ohr
Dann kam Judas mit einer bewaffneten Schar der
Hohenpriester und Ältesten. Er hatte ihnen gesagt: Welchen ich küssen werde,
der ist’s. Er trat zu Jesus und sprach: Sei gegrüßt, Rabbi! und küßte ihn.
Jesus aber sprach zu ihm: Mein Freund, was machst du? Und sie ergriffen Jesus
und führten ihn ab.
Einer der mitgekommen war, hatte ein Schwert bei sich,
er zog es und schlug nach dem Knecht des
Hohenpriesters. Er hieb ihm ein Ohr ab. (Da sprach Jesus: Lass ab, nicht
weiter! Und er rührte sein Ohr an und heilte ihn (Lukas 22,51)). Und Jesus
sprach: Stecke dein Schwert weg! Wer das Schwert nimmt, wird durchs Schwert
umkommen. Ginge es um Gewalt, könnte ich meinen Vater bitten- mehr als zwölf Legionen Engel schickte er sofort.
So aber kann der Wille Gottes nicht geschehen. Da verließen ihn alle Jünger und
flohen.
Matthäus 26, 47-54
Judas verrät
Jesus mit dem Symbol der Liebe. Seitdem ist der Judaskuss Zeichen für
Falschheit. Doch es kann sein, dass der Jünger tatsächlich meint, dem Jesus
einen Liebesdienst zu erweisen: Durch
die Auslieferung an die Staatsmacht will er seinen Herrn zwingen, sich als Held
zu offenbaren: Vielleicht wirft Jesus endlich alle Sanftmut ab und zeigt sich
als Gottes strahlender Sohn.
In diese Richtung
hat wohl auch der Schwertträger gedacht: Er will erster der siegreichen
Engels-Kämpfer sein, die Gott- das ist zu erwarten- jetzt in die Schlacht
schickt.
Aber Jesus weiß, dass Gewalt nicht Frieden schafft. In
der Natur gilt: Das Stärkste überlebt.
Doch die Wahrheit der Liebe ist umfassender: Gottes Liebe gilt uns, weil
wir sie brauchen, nicht weil wir so liebenswert sind. Darum nennt Jesus den
Verräter “Freund“ und setzt dem Verletzten noch eben das Ohr an.
*
Jesus bietet die Stirn
Sie führten Jesus ab ins Haus des Hohenpriesters
(Matthäus 26, 57) Der Hohepriester befragte Jesus über seine Jünger und über
seine Lehre. Jesus antwortete ihm: Ich habe frei und offen vor aller Welt
geredet. Was fragst du mich? Frage die, die gehört haben, was ich zu ihnen
geredet habe. Da schlug einer von den Knechten Jesus ins Gesicht und sprach:
Sollst du dem Hohenpriester so antworten? Jesus antwortete: Habe ich Übel
geredet, so beweise, daß es böse ist; habe ich aber recht geredet, was schlägst
du mich?
Johannes 18, 19-23
Jesus entlarvt die Machthaber der Wahrheit. Sie selbst
lassen die Wahrheit nicht an sich ran, sie weichen aus ins Formale, fordern
artiges Benehmen. Schneidend klärt Jesus:
Der Ankläger muß das Recht der Anklage beweisen, sonst- was übt ihr
Gewalt?
*
Er hält sich hin, hält sich
nicht raus
Der Hohepriester sprach weiter zu ihm: Ich beschwöre
dich bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagst, ob du der Christus bist, der
Sohn Gottes.
Jesus sprach zu ihm: Du sagst es. Und ich sage euch:
Von nun an werdet ihr sehen den Menschensohn sitzen zur Rechten der Kraft und
kommen auf den Wolken des Himmels.
Da zerriss der Hohepriester sein Gewand und sprach: Er
hat Gott gelästert! Was bedürfen wir weiterer Zeugen? Was ist euer Urteil? Sie
antworteten und sprachen: Er ist des Todes schuldig. Da spuckten sie ihn an.
Einige aber schlugen ihn ins Gesicht und
höhnten: Weissage uns, Christus, wer ist’s, der dich schlug?
Matthäus 26, 63-68
Offensichtlich hat
Jesus die gottvollen Taten getan, die zu wirken dem Messias vorbehalten
waren. Auch sein: „Zu den Alten war gesagt...Ich aber sage euch“ (Matthäus
5,33) wies auf eine Autorität höherer
Art hin. Und doch konnten oder wollten, konnten und wollten sie Jesus nicht glauben. Zu sehr waren sie in
ihr Messias-Bild vom neuen David verliebt, vom Revolutionär und Heidenfresser,
der die Römer aus dem Land wirft und den Himmel auf die Erde bringt. Das konnte
der nicht sein, der da so menschlich vor ihnen stand. Sie verhöhnten ihn,
wollten so ihre Angst besiegen vor dem edlen Antlitz. Messias kann doch nicht
sein, wer sich von Kerlen aus dem Feld drängen läßt, denen gerade danach ist,
unangenehm zu werden- das meinten sie.
Immer wieder verwechseln auch wir Gewalt mit Wahrheit
und Schwachheit gilt uns als unwürdig. Darum sind wir auch erst am Anfang,
Jesus nachzuglauben.
*
Verrat geht schnell
Petrus war ihnen von ferne gefolgt, dann setzte er sich zu den Knechten im Innenhof
ans Feuer. Da trat eine Magd zu ihm und sagte: Du warst doch auch mit dem Jesus
aus Galiläa.
Er leugnete aber und sprach: Ich weiß nicht, was du
sagst. Und ging hinaus in die Torhalle- da
sah ihn eine andere und sprach zu denen, die da standen: Dieser war auch
mit dem Jesus von Nazareth.
Und er leugnete abermals
und schwor dazu: Ich kenne den Menschen nicht. Später traten andere hinzu, und sprachen zu Petrus:
Auf jeden Fall gehörst du zu ihm, deine Sprache verrät dich.
Da fing er an, sich zu verfluchen und zu schwören: Ich
kenne den Menschen nicht. Und alsbald krähte der Hahn. (Lukas 22,61) Und der
Herr wandte sich um und sah Petrus an.
Da dachte Petrus an das Wort, das Jesus zu ihm gesagt
hatte: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus
und weinte bitterlich.
Matthäus 26, 57, 69-75
Das Drama fängt gerade erst
an, da fürchtet Petrus schon um sein
Leben. Jesus wird drinnen scharf verhört, da lockt draußen ein Feuer- es verheißt gefahrloses Dazugehören. Eine Magd
redet daher, vielleicht nur leichthin, neckend. Doch er macht dicht und läuft weg. Ein zweites Mal wird er zur Rede
gestellt.- Nur ein kleines Einstehen wäre fällig gewesen, vielleicht hätte man
ihn vom Hof gejagt, mehr wohl nicht. Aber er leugnet und beeidet sogar, ihn nie
gekannt zu haben. Beim dritten Mal, verflucht er ihn und sich selber. „Ich
kenne den Menschen nicht“- kenne meinen Jesus nicht mehr und mich auch nicht.
Durch Verleugnung machen wir uns selbst unkenntlich für uns selbst.
Aber ein Glück: Ihm krähte ein
Hahn, „der kleine Prophet auf dem Mist“. Er sieht zu Jesus, fängt seinen Blick
auf, der soviel sagt wie: Gott kennt seinen Simon. Das ist die Rettung:
Bitterlich weinen und wissen: Gott weiss.
*
Gute Nachricht für Judas
Am Morgen aber faßten alle Hohenpriester und die
Ältesten des Volkes den Beschluß, Jesus zu töten. Und sie führten ihn ab und
übergaben ihn dem Statthalter Pilatus.
Als Judas, der ihn ausgeliefert hatte, sah, dass es
für Jesus auf den Tod hinauslief, reute es ihn. Er brachte die dreißig
Silberlinge den Hohenpriestern zurück und sprach: Ich habe Unrecht getan, daß
ich unschuldiges Blut verraten habe. Sie aber sprachen: Was geht das uns an?
Komm du damit zurecht! Da warf er die Silberlinge in den Tempel, ging hin und
erhängte sich.
Matthäus 27, 1-5
Judas,
der verratende Jünger, wurde Vorlage für das Zerrbild
vom hässlichen Juden. Die Christenheit
hat unendliches Unrecht an Israel getan. Sie gab vor, den Heiland zu rächen und
tobte doch nur Habgier und Mordlust aus. Wir
können nur für die Schuld unserer Eltern und Vorfahren um Vergebung bitten und
uns fortan zu mühen um die gebotene Nächstenliebe gegen Israel. Dazu gehört
auch eine Wiedergutmachung für Judas. Er scheint Kämpfer für ein irdisches
messianisches Reich gewesen zu sein. Dies Reich sah er mit Jesus anbrechen,
jetzt sollte er auch sein Werk vollenden. Dass er verraten habe aus Geldgier
ist nur üble Nachrede - auf daß die übrigen Jünger und die Urkirche umso
leuchtender strahlen.
Dem Judas krähte kein Hahn nach, er konnte keinen Blick
von Jesus auffangen. Er war mit seiner Schuld allein.
Aber es gibt gute Nachricht auch für Judas: In der
Kathedrale von Vézelay in Burgund zeigt eine Säulenplastik einen Jesus, der
sich den toten Judas auf die Schulter lädt und den verlorenen Sohn
heimträgt in seines Vaters Haus.
*
In der Welt, nicht von der Welt
Nach dem Beschluß, Jesus zu töten, überstellten
sie ihn dem Stadthalter Pontius Pilatus
(Matthäus 27,2). Pilatus fragte ihn: Was hast du getan? Was werfen sie dir vor?
Bist du ein König? Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre
mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden kämpfen; nun aber ist mein
Reich nicht von dieser Welt. Darauf Pilatus:
Und bist dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein
König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit
bezeuge. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme. Spricht Pilatus zu
ihm: Was ist Wahrheit?
Johannes 18,
35-38
Todesstrafen hatte sich die römische Besatzungsmacht
vorbehalten. Das kam den Schriftgelehrten recht, ihrerseits die Schuld
weiterzureichen. Pilatus widmet sich dem Fall.
Ein König- das roch nach Umsturz. Aber nicht von dieser Welt? Also nur
fürs Reich der Träume? Nein, schon in dieser Welt!- aber nicht von dieser Welt
genommen sind die Maßstäbe- eben nicht Herodes, nicht Rom, sondern Sanftmut,
innerer Friede, bereit für den unteren Weg.
Er will „König der Wahrheit“ sein. Das scheint dem Machtmenschen Pilatus
nicht riskant; für ihn gibt es nur viele Wahrheiten und die klaren Befehle der
Waffen.
Ob wir
wenigstens jetzt erkennen, dass da das größte Ausstrahlungsereignis der
Geistesgeschichte geschah? Wollen wir lieber mit diesem Jesus unrecht haben als
ohne ihn recht? Also lieber mit ihm, nach seinen Maßstäben, erfolglos, als im
Widerspruch zu ihm siegreich? Also lieber verachtet als gefürchtet? Unser
Inneres weiß, was wahr ist. Aber man kann sich auch durchs Leben schwindeln und
winden.
*
Wasser wäscht Blut nicht ab
Als Pilatus noch zu Gericht saß, schickte seine Frau
einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: Habe nichts zu schaffen mit diesem
Gerechten; denn ich habe heute viel durchgemacht im Traum um seinetwillen. Da
ließ er sich eine Schüssel Wasser bringen und wusch seine Hände in Unschuld.
Matthäus 27, 19.24a
Sicher spüren Frauen eher, was im Grunde los ist, sie
träumen wohl auch inniger. Träume schärfen unsere Sinne, vergrößern Geschehen,
spielen Möglichkeiten durch. Frau Pilatus hat Jesus tiefer erkannt, ihn von
ferne vielleicht geliebt, hat sein Leid am eigenen Leib mitgefühlt,
möglicherweise. Sie warnt ihren Mann. Er soll sich nicht die Hände an ihm
schmutzig machen. Da ließ er Wasser kommen, tat die Geste des Saubermanns, wusch
seine Hände zum Zeichen für das Volk, daß er, wenn Blut fließe, unschuldig sei.
Aber Jesus freizusprechen, fand er den Mut nicht.
*
Barrabas, der erste durch Jesu
Tod Freigekommene
Pilatus fasste zusammen: Ich finde keine Schuld an
ihm. Und gedachte sich aus der Affäre zu
ziehen, indem er das Volk entscheiden ließ: Es gibt doch bei euch ein
Gewohnheitsrecht, dass ein Verbrecher zum Passafest loskommt; wollt ihr nun,
daß ich euch den Mörder Barrabas losgebe oder diesen König der Juden? Da
schrien sie Barabbas! Barabbas!
Johannes 18,39-40
Man muß sich vor Augen halten, daß die Geschichten
über den leidenden Jesus keine historischen Protokolle sind sondern
Verkündigungstexte. Sie sind so verfasst, dass in der (damaligen )Gegenwart die
christliche Gemeinde sich an den Geschichten wärmen und stärken konnten. Auch
meinte man, missionarische Vorteile zu erzielen, wenn man dem Judentum die
Schuld an Jesu Tod auflud. Auch wollte
man Rom schonen, oder besser: Man wollte den Römer Pilatus als leisen
Symphatisanten schildern, um Rom duldsam zu stimmen für die (vorerst) kleine
Christengemeinde. Sicher hat nicht „das Volk“ den Mörder Barrabas vorgezogen.
Die Szene ist infam erfunden, um die jüdische Schuld am Kreuzestod zweifelsfrei
zu machen. Barrabas oder Christus- das ist die Frage auch an uns. Wir rufen „Barrabas“, wenn wir etwa den Schwachen
verstoßen, oder die Despoten eines rohstoffreichen Landes hofieren.
*
Krone aus Schmerz
Da ließ Pilatus Jesus auspeitschen. Die Soldaten
flochten eine Krone aus Dornen und drückten sie auf sein Haupt und legten ihm
ein Purpurgewand an, schlugen ihm ins Gesicht und feixten: Sei gegrüßt, du Judenkönig!
Pilatus sagte nur: Seht, welch ein Mensch!
Johannes 19, 1-5
Den Gefolterten dieser Erde soll die Menschenwürde
ausgeprügelt werden- die Folterknechte versuchen, ihrer Gewissensbisse Herr zu
werden durch Verhöhnung. Pilatus sieht die Heiligkeit in dem Antlitz des
Geschundenen noch. Warum gebietet er nicht Einhalt? Doch was fragen wir, warum
nicht er?- Wir sind die Gefragten. Warum lassen wir zu, dass Menschen entehrt
werden, nebenan?
*
Sie meinten, er habe sich die
Würde angemaßt
Pilatus spricht zur Priesterschaft: Ihr fordert, ich
soll ihn kreuzigen. Nehmt ihn, kreuzigt ihr ihn, ich finde keine Schuld an ihm.
Die Priester antworteten: Wir haben ein Gesetz, und nach dem Gesetz muss er sterben,
denn er hat sich selbst zu Gottes Sohn gemacht.
Pilatus wendet sich wieder an Jesus: Woher kommst du,
wer bist du? Doch Jesus gab ihm keine Antwort.
Johannes 19, 6-9
Pilatus spürt Jesu Überirdischsein, will sich aber
nicht vertiefen. Er will sich mit den jüdischen Tempelgeistlichen auch nicht
anlegen, so wichtig ist ihm „der Heilige da“ auch nicht. Die Geistlichkeit muss
die Kreuzigung fordern, weil sie Jesu Anspruch für gotteslästerlich hält.
Pilatus will noch mal nachfragen, es wird ihm jetzt doch heikel. Sein Kaiser
gilt auch als Sohn Gottes (Jupiters). Sollte da ein weiterer Gottessohn die
Erde betreten? Und er, Pilatus hätte es überhört. So fragt er Jesus nach seiner
Herkunft. Der aber schweigt. An anderer Stelle (Matthäus 11,4) hat Jesus auf seine
Worte und Taten hingewiesen- sprechen die nicht eine göttliche Sprache? Auch
Jesus wartet auf eine Verwandlung, die seine Gottessohnschaft beglaubigt. Darum
wohl schweigt er.
*
Alle Macht ist geliehen
Da sprach Pilatus zu ihm: Redest du nicht mit mir?
Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich freizulassen, und Macht habe, dich zu
kreuzigen? Jesus antwortete: Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir
nicht von oben her gegeben wäre.
Johannes 19,10.11
Diese Situation passiert uns auch, in kleinerer Münze: Einer ist frech
oder unhöflich und wir werden kalt gegen ihn. Muss ich mir das gefallen lassen?
Ich hab doch Mittel, dem andern Respekt einzuflößen. Ich kann ihn kalt abfahren
lassen, kann das Trinkgeld verweigern, kann ihm die Freundschaft kündigen, kann
ihn anzeigen. Und wenn dann eine Stimme in mir sagt: Was fuchtelst du mit
deinen Druckmitteln? Hat Gott dir darum die Position gegeben, die Geldmittel,
die Liebe- dass du „die Puppen tanzen lassen“ kannst? Begabungen und Mittel
sind anvertrautes Gut- nicht, um mich durchzusetzen sondern um gute Frucht zu
bringen fürs Gesamte.
Pilatus lässt sich berühren; er
bemerkt sich als Diener Gottes.
*
Freisein ist riskant
Von da an trachtete Pilatus danach, ihn freizulassen.
Die Schriftgelehrten aber schrien: „Lässt du diesen frei, so bist du nicht mehr Freund des Kaisers.“ Da befahl er die
Kreuzigung.
Johannes 19, 12-16
Pilatus erbleichte. Er bekam es mit der Angst. Wenn
dem Kaiser in Rom zu Ohren käme, daß er Nerven zeigte bei einem unbekannten
Sektenprediger- hätte er sich doch lächerlich gemacht
und seine Karriere wäre zu Ende.
Wieviel Verrat haben auch wir schon
begangen, weil wir das Gesicht wahren wollten, und nicht aufstanden unter
Protest. Wir stimmten so manches Mal ein ins Gelächter, ergreifen nicht das
Wort für den Bloßgestellten.
*
Er trug sein Kreuz.
Und sie zogen vor die Stadt zur
Hinrichtungsstätte, auf hebräisch Golgatha.
Johannes 19, 17
Jesu Kreuz ist das Marterholz, er muss es selbst
schleppen. Es ist so ähnlich wie es den Menschen jüdischen Glaubens erging. Die
wurden von den Nazischergen gezwungen, die Gräber erst auszuheben, in die sie,
erschossen, dann stürzten. Jesus am Kreuz zwingt zusammen das Zerissenwerden im
Leid und das Bleiben bei Gott.
Was ist dein, was mein Kreuz? Was musst du tragen,
ertragen? Was muß von dir ein Stück Wegs geschleppt werden, damit es ein Weiter
gibt?
*
Zwischendurch Last tragen
Auf dem Wege zwangen sie einen mit Namen Simon von
Kyrene, der eben vom Feld kam, dass er ihm das Kreuz ein Stück weit trage, und
er tat es.
Matthäus 27,32
In die Weltgeschichte ist dieser Simon eingegangen,
weil er zur richtigen Zeit am richtigen Ort war und sich greifen ließ von der
Situation. Ein Stück weit dem andern die Last mittragen, eine Quantum Zeit und
Kraft abgeben- lass dein natürliches
Gutsein wirken, hab nicht soviel Bedenken. Aber du darfst dich auch wieder
lösen und das Deine tun.
*
Es ist zum Heulen
Es folgte ihm aber eine große Volksmenge, auch viele Frauen, die klagten und ihn beweinten.
Jesus aber wandte sich um zu ihnen und sprach: Ihr Töchter von Jerusalem, weint
nicht über mich, sondern weint über euch und eure Kinder.
Lukas 23, 27-28
Weinen wir, weil Menschenantlitze zerschlagen werden,
ohne daß wir zur Hilfe kommen? An jedem Tag kreuzigen Menschen Menschen und wir
wollen nicht Zeuge sein, gehen nicht dazwischen, werden uns wieder nicht
empören. Doch, in hellsichtigen Augenblicken finden wir das Elend in der Welt
furchtbar und schämen uns über unsern Geiz und unser Wohlleben. Wir sind schon
nah dran, zu weinen über uns und unsere Kinder.
*
Die Kreuzigung
Sie nahmen ihn und schlugen ihn ans Kreuz, mit ihm
zwei andere zu beiden Seiten. Pilatus aber ließ eine Aufschrift anfertigen und
sie oben ans Kreuz nageln :“Jesus von Nazareth, der König der Juden“. Da
sprachen die Hohenpriester zu Pilatus: Schreib nicht: „ König der Juden“,
sondern nur dass er gesagt hat: „Ich bin der König der Juden“. Pilatus
antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.
Johannes 19,17-22
Die Aufschrift gab den Grund für das Todesurteil an:
Er gab sich aus als König der Juden- das wäre Rebellion. Oder ist es anders:
Pilatus meint es zynisch- verächtlich: Da! Euer König-lächerlich das
Ganze! Oder war es doch Weissagung:
Dieser ist der König. Pilatus herrisch: Es bleibt dabei.
Doch wer ist er uns?
Ein Idealist? Ein Narr? Lassen wir ihn uns Gottes Zeuge sein?
*
Das Gewand als Bild
Die Soldaten kreuzigten Jesus. Dann nahmen sie seine
Sachen und teilten sie unter sich auf.
Das Obergewand war aber gewebt in einem Stück. Da sprachen sie untereinander:
Lasst uns das nicht zerteilen, sondern losen wir, wem es gehören soll. So
sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt (Psalm 22,19): »Sie haben meine
Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.«
Johannes 19 23-24
Ein starkes Bild: Das ungeteilte Gewand des Herrn. Es
symbolisiert die Einheit der Kirche- natürlich wähnt sich Rom im Besitz des
heiligen Textils. Doch es geht nicht um ein Souvenir des Herrn sondern den
immer neuen Auftrag, die eine Kirche in dem Verschiedenem zu glauben und zu gestalten.
Alles Rechthaben höre unter dem Kreuz auf, alles
Zusammengehören fange unterm Kreuz an.
*
An einander gewiesen
Es standen aber bei dem Kreuz seine Mutter und ihre
Schwester und Maria von Magdala und der Jünger, den er lieb hatte. Jesus sah
seine Mutter an und den Jünger und spricht zu seiner Mutter: Frau, siehe, das
ist dein Sohn! Und zu dem Jünger: Siehe,
das ist deine Mutter! Und der Jünger nahm sie zu sich.
Johannes 19, 25-27
Ein wunderbares Bild für die Kirche, die Jesus will:
Dass wir uns einander anvertraut wissen. Nicht erst Blutsbande oder
standesamtliche Besiegelungen machen uns zu Nächsten. Sondern wir werden
einander zugewendet. Der ist dein Nächster, der dich braucht. Jesus sagt mal
glasklar: Der den Willen meines Vaters im Himmel tut, der ist mir Bruder und
Mutter (Matthäus 12,50). Das hebt das
Einstehen in Ehe und Elternschaft nicht auf, aber sollte uns abhalten von
Egoismus zu Zweit und von Familie als einer Burg gegen den Rest der Welt.
*
Der Himmel ist nebenan
Zwei Mörder wurden mit ihm gekreuzigt, einer schrie: Bist du nicht der Christus? Hilf dir und uns! Der andere schrie: Gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst!
Und Jesus
sprach: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.
Lukas 23,39-43
Die Evangelisten waren ja auch Lehrer, und Lehrer
malen auch schon mal schwarzweiß. Der eine fordert Hilfe, und zwar sofort und
hier, aber doch für sie beide. Der Andere macht einen reuevollen Eindruck ,doch
allein zu seinen Gunsten. Sicher hat Jesus beide mitgenommen in den Himmel. Der
Gnade sind beide bedürftig.
Diese Szene lässt sich auch lesen als Verheißung, daß
wir nicht erst am Jüngsten Tag mit Christus eins sind sondern daß wir hin sterben
in Gottes Arme.
*
Jesus hält fest am
verdunkelten Gott
Die aber vorübergingen,
schüttelten ihre Köpfe und sprachen:
Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Ist er der König von
Israel, so steige er vom Kreuz, dann wollen wir an ihn glauben. Er hat Gott
vertraut; der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen an ihm hat. Er hat doch gesagt,
er sei Gottes Sohn.
Von Mittag bis
Nachmittag fiel eine Finsternis auf das
ganze Land. Und Jesus schrie laut Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt: Mein
Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Matthäus 27, 39-43
Das ganze Grauen des
Karfreitag steht hier offen: Er hat tatsächlich
anderen vom Tod zum Leben geholfen. Er hat geliebt bis zum bitteren Ende. Er
war zu gut für diese Welt- zu geradlinig hat er die Liebe als Gottes Wesen
bezeichnet und vorgelebt. Das war den Gotteswisser nicht geheuer. Und sie
überließen es Gott, soll er sagen, ob er so sich seinen Ersten Sohn vorstellt.
Dann wird er vom Himmel ja dazwischenfahren.
Auch Jesus versteht Gott nicht mehr, aber er hält zu ihm, sagt bis zuletzt:
„Mein Gott“. Jesus gebraucht damit einen Gebets-Schrei aus Psalm 22. Der Psalm schließt zum Glück: „Sie werden kommen
und seine Gerechtigkeit predigen dem Volk, das geboren wird. Denn er hat es
bestanden.“
Er hat sich als gerecht, als Gott recht, erwiesen am
Kreuz, indem er für Gott vor den Menschen einstand: Gott ist Liebe, die eher
sich kreuzigen lässt als mit Gewalt ihre
Herrschaft zu erweisen. Das Leid der Welt wird von Gott nicht verhängt
sondern erlitten. Gott ist ja das
Zentralbewusstsein der Welt, ihm geschieht alles Geschehen. Alle Freuden, alle
Leiden geschehen an seinem Leib. Auch
wenn sich Menschen von Gott verlassen sehen, geschieht das in Gott – ob dies
Einsein auch durch den Tod hindurch reicht, erprobt Jesus.
Jedenfalls ist die Sühnopfertheorie nicht mehr
brauchbar, um das Heilswerk Christi zu deuten. Gott opfert nicht seinen
(ersten) Sohn für unsere Sünden. Will man das
Wort „Opfer“ bewahren, dann nicht mehr im Sinne von Opfergabe
(sacrifice), sondern im Sinne von
Verkehrsopfer (victim).
*
Gottesfinsternis
Und es kam eine Finsternis über das ganze Land und die Sonne verlor ihren Schein, und die
Erde bebte und der Vorhang des Tempels
zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus (Matthäus 26,51). Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen
Geist in deine Hände!
Lukas 23, 44-46
Ungeheuerliches stand in Jesu Tod auf dem Spiel, das
bilden die Naturereignisse ab. Das Ungeheuerliche zeigt sich auch im Tempel:
Der Vorhang, der imTempel das Allerheiligste vom Volk trennt ,und abbildet, dass
Gott getrennt ist von der Welt, der
zerreißt. Und zwar von oben an, vom Himmel her, was zeigt: Das Verborgensein Gottes hat ein Ende. Mit
Jesus ist die Heiligkeit zur Welt gekommen, ist weltlich geworden, nichts
trennt mehr Heiliges und Profanes. Gott hat sich in Jesus geerdet, hat
Menschenschicksal und Sterben selber angezogen.
Mit Jesu Wort: „In deine Hände schick ich meinen
Geist“ wollen wir alle sterben. Dass diese Bitte gehört und erhört wird, dafür
steht Jesus ein.
Er musste den Glauben wagen ohne Vorbild. Wir dürfen
ihm nachleben und auch nachsterben im Vertrauen: wir bleiben in Gottes
Hand.
*
Gut, wenn alles vollbracht ist
Danach spricht Jesus: „Mich dürstet“. Es stand da ein
Gefäß voll Essig. Sie füllten einen Schwamm mit Essig und steckten ihn auf ein
Rohr und hielten es ihm an den Mund. Und zuletzt sprach er: Es ist vollbracht!
und neigte sein Haupt und verschied.
Johannes 19,28-30
Der Evangelist Johannes gestaltet die Sterbeszene dem
Psalm 22 nach; da ist das Würfeln um die
Kleider und der fürchterliche Durst
vorabgebildet. Es ist ja tiefe Christen-Überzeugung, dass die Verheißung
des kommenden Christus schon in den Schriften des Volkes Israel bewahrt sind.
„Vollbracht“ ist der Lebenslauf des Menschen Jesus, in dem sich Gottes Güte und
des Menschen Gotteskindschaft verband.
*
An die eigene Brust schlagen
Und als die Leute sahen, was da geschah, schlugen sie
sich an ihre Brust und gingen weg. Der Hauptmann, als er sah, was da geschah,
sprach: Wohl wahr, dieser ist Gottes Sohn gewesen (Markus 15,39). Von ferne
standen Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und ihm gedient hatten,
und sahen das alles, unter ihnen Maria von Magdala und Maria, die Mutter
Jakobus’ und Salome.
Lukas 23, 48.49
Wir sind auch unter den Zuschauern. Jeden Abend zeigt
uns die Tagesschau ausgewählte Leidende
des Tages. Und wir wissen nicht, was wir denken sollen. Die Zeugen des Todes Jesu schlugen sich auf
die Brust und kehrten heim- ja, schon
betroffen, Mitschuld ahnend, froh, dass sie davongekommen sind. Frauen, einige
mit Namen, blieben am längsten bei ihm, sie weinten um den Menschen, der ihnen
ihre Würde neu entdeckt hatte. Dem römischen Hauptmann legten die Christen das
erste Gottessohnbekenntnis in den Mund, auch zum Zeichen, dass die Untreue der
geflohenen Jünger ein dauernder Schmerz bleibt.
*
Totenstille
Es gab da einen Menschen mit Namen Josef, ein Ratsherr
aus Arimathia, der wartete auf das Reich Gottes. Der ging zu Pilatus und bat um
den Leib Jesu und nahm ihn ab vom Kreuz, wickelte ihn in ein Leinentuch und
legte ihn in sein Grab, das war in einen Felsen gehauen, und wälzte einen Stein
vor des Grabes Tür. Und es war Rüsttag, und der Sabbat brach an.
Lukas 23, 50-54
Alles schien aus und vorbei, die Freuden mit dem
wunderbaren Jesus und dann seine Todesqualen. Die Menschen waren nach Hause gegangen,
wollten nichts mehr sehen, konnten nichts mehr denken. Was zurückblieb waren
ausgezehrte Leichname. Dann erbarmte sich einer. Er bat um Freigabe und brachte
Jesu Leichnam zu Grabe- sicher auch die der beiden Mitgestorbenen. Dann ließ er
einen Riesenschlußstein vor die Grabkammer wälzen. –Vielleicht, dass jetzt Ruhe
sei, auch Ruhe einkehre in die Seelen- man war viel schuldig geblieben diesem
leuchtenden Menschen.
Eine liebevolle Beerdigung hat auch was von Friedenmachen.
Der für das Begräbnis sorgte, wartete, so heißt es, auf das Reich Gottes. Sah
er in Jesus den Anfänger und Aufreißer des kommenden Reiches. War er gespannt?
Jedenfalls war er wohl offen in der
Erwartung nach vorn.
*
Fanfaren des Lichtes
Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von
Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um
hinzugehen, den Leichnam zu salben. Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der
Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer
wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?
Als sie aber hinsahen erschraken sie: Der Stein war
weggewälzt. Sie gingen hinein in das Grab und sahen rechts ein engelhaftes Wesen
in weißen Kleidern sitzen. Und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen:
Fürchtet euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist
auferstanden, er ist nicht hier. Geht und sagt seinen Jüngern, dass er vor euch
hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.
Markus 16, 1-6
Die Frauen trauern tätig. Sie wollen salben und schöne
Düfte versprühen und reden, reden miteinander, wie es alles war mit dem
geliebten Menschen und wie allein sie jetzt sind. Da fährt ein Blitz der Erkenntnis
in sie. Sie werden nach vorn gerissen in ihrem Denken. Der ist nicht tot, den
ihr liebt, er ist mitgenommen in den Schwall der Gegenwart Gottes! Er ist noch
viel mehr bei euch als vorher, will euch treffen, schicken, senden. Ihr werdet
sehen. Und sagt es weiter: Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig
auferstanden.
*
Sie meint, es sei der Gärtner
Maria weinte am Grab, dann ging sie hinein. Da sieht
sie zwei Engel in weiß, die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht
zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn
hingetan haben.
Als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus
stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. Spricht Jesus zu ihr: Frau, was
weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm:
Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast. Spricht
Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm: Rabbuni!, das
heißt: Mein lieber Meister!
Spricht Jesus zu ihr: Halt mich nicht fest! Denn ich
muss und will auffahren zum Vater. Du aber geh hin zu den Brüdern und sage
ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und
eurem Gott.
Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich
habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt.
Johannes 20,11-18
Maria von Magdala will den Toten in ihrer Liebe
lebendig halten. Tot sind nur die Vergessenen, sagt sie, hilflos,
trotzig. Durch den Kraftakt ihres Gedenkens
will Magdalena ihn bei sich gegenwärtig haben. Aber Jesus ist im Leben, weil ja
Gott im Leben ist und Jesus bei Gott
ist; Nicht wir bilden uns seine Präsens ein. Sondern Christi Präsens bildet
sich uns ein.
Leibhaftig ist Christus nicht mehr zu haben. Und doch
flirrt die Luft von ihm. Die Gegenwart ist voll Christus, so real wie der
Gärtner- nur: Wir müssen seine Stimme hören. Er spricht uns an- das erhebt uns
auf das Niveau des Auferstandenen.
Du, hör dich angesprochen von ihm: Du, fürchte dich nicht; ich, der Engel Gottes bei
den Menschen, ich, Christus gehe mit dir. Und fährst du durch die Höll, ich bin
doch dein Gesell- spricht Christus zu dir.
Du mit mir im Konvoi- ich hab alles durchstanden, jetzt durchsteh ich
Deins auch mit dir. Und ziehe dich in Freude, Himmel, Ganzwerden, zersorg dich
nicht. Sag es weiter. Du bist in leuchtender Gemeinschaft, bist im Werden vor
Gott. Der führt dich auf dem Weg zu werden, der du gemeint bist.
*
Zweien gehen die Augen auf
Und zwei von ihnen gingen in ein Dorf, das war von
Jerusalem etwa zwei Wegstunden entfernt; dessen Name ist Emmaus. Und sie
redeten miteinander von allen diesen Geschichten.
Und es geschah, als sie so redeten und sich miteinander
besprachen, da gesellte sich jemand zu
ihnen und ging mit ihnen. Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie nicht
merkten, wer da mit ihnen ging.
Und der Fremde sprach zu ihnen: Was sind das für
Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs? Da blieben sie traurig stehen.
Und der eine, mit Namen Kleopas, sprach zu ihm: Bist du der Einzige in
Jerusalem, der nicht weiß, was in diesen Tagen dort geschehen ist?
Und er sprach zu ihnen: Was denn? Sie aber sprachen zu
ihm: Das mit Jesus von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig in Taten und
Worten vor Gott und allem Volk; und unsre Hohenpriester haben ihn gekreuzigt.
Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde. Und über das alles ist
heute der dritte Tag, dass dies geschehen ist.
Auch haben uns einige Frauen aus unserer Mitte
erschreckt, die sind früh bei dem Grab gewesen, haben seinen Leichnam nicht
gefunden, kommen und sagen, sie haben eine Erscheinung von Engeln gesehen, die
verkündeten, er lebe. Und einige von uns gingen hin zum Grab und fanden es so,
wie die Frauen sagten; aber ihn sahen sie nicht.
Er aber sprach zu ihnen: Eure Herzens sind nicht
hellhörig- musste nicht Christus dies erleiden um in seine Herrlichkeit
einzugehen?
Und er öffnete ihnen die Schrift von
Mose bis zu den
Propheten –wie das alles auf ihn hindeutete und hinauslief.
Und sie kamen nahe an das Dorf.
Und er tat so, als wollte er weitergehen.
Sie aber baten und drängten ihn: Herr, bleib in
unserer Nähe. Und er blieb.
Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er
das Brot, dankte, brachs und gabs ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet und sie
erkannten ihn. Dann aber war die
Erscheinung zu Ende. Sie konnten es nicht fassen, sie erinnerten sich nur:
Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die
Schrift öffnete?
Zurück in Jerusalem fanden sie die Elf versammelt. Die
überschlugen sich, ihnen mitzuteilen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und
Simon erschienen. Und sie erzählten ihnen, was ihnen auf dem Wege geschehen war
und wie er von ihnen erkannt wurde am Brotbrechen.
Lukas 24, 13-35
Ob von Mose bis zu den Propheten alles auf Christus
hindeutet, ist Auslegungssache. Aber dass der Christus selbst den Schriftbeweis
darlegte, ist für die Urkirche hochwichtig. Dann ist sie nicht eine jüdische
Sekte sondern Avantgarde der neuen Menschheit: Sie- die beginnende Kirche- hat
Gottes Retter, den Jesus Christus als erste verstanden und angemessen
aufgenommen. Aus Sicht der Kirche gelten die Jünger als die ersten wahren
Zeugen des Messias. Sie leben aus der Gewissheit: wo andere noch auf sein
Kommen warten, haben wir Christen ihn schon zur Seite.
Aber auch für Christen ist der Messias noch im Kommen.
Wir haben ihn jetzt erst unter den Zeichen von
Brot und Wein, wie die beiden Jünger, denen zwar das Herz brannte, die
aber trotzdem noch erst auf dem Weg zur Erkenntnis sind.
Glauben wir doch, dass wir mit Christus am Heilwerden
sind. Auch wenn unsere Augen „noch gehalten sind“, steht unser Herz für die
Liebe als die Gottesenergie offen und wir haben Mut zu dienen.
*
Auferstehung jetzt
Eines Abends waren die Jünger beisammen, die Türen
waren verschlossen aus Furcht. Da kam Jesus, trat mitten unter sie, sein Auferstehungsleib
trug noch die Wundmale. Die Jünger wurden froh. Er spricht zu ihnen: Friede sei
mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Und als er das
gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen
Geist! Und gebt ihn weiter.
Johannes 20, 19-23
Ostern ist das größte Ausstrahlungsereignis der
Geistesgeschichte. Verwandelt werden die Anhänger Jesu zu Christen. Zuerst stirbt der Mensch Jesus und wird zum Christus verwandelt. Der trägt
weiter mit sich die Leidensspuren seines Erdenlebens, aber statt aus
Erdenfleisch ist er jetzt aus Gottesmaterie. Er ist Teil der Allmacht Gottes,
er ist Friedensenergie. Und haucht Seins den Seinen ein.
Diese heilige Christus-Energie macht froh und wendet uns der Zukunft zu; sie lässt uns nicht
stecken im Vergänglichen, Verpfuschten, sondern verwandelt uns zu Friedensmachern.
Geh nur davon aus, dass du ein vom Geist angehauchter
Mensch bist. Du denkst bestmöglich ab jetzt für dich und alle. Von dir geht
Friede aus. Du bist ein Gesandter des Herrn, also geschickt, die Umstände zu
entwirren auf Frieden hin.
*
Petrus - erster Hirte
Jesus spricht zu Simon Petrus: Simon hast du mich
lieber, als mich die andern haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass
ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer! Er spricht ein zweites Mal zu ihm: Simon, hast du mich
lieb? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht
Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! Und er spricht zum dritten Mal: Simon, hast
du mich lieb? Petrus sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass
ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!
Und ich sage
dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hin
wolltest; einmal alt geworden, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer
wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst. Also: Folge mir nach!
Johannes 21,15-19
Sicher ist diese Geschichte auch Zeichen, dass die
sonst dem Apostel Paulus näherstehende Johannesgemeinde (in Alexandrien) die
beginnende Priorität Roms zu achten
bereit ist.
Das ist kein wörtliches Protokoll. Wohl drei
Generationen nach Jesus Erdenleben verdichtet
Johannes die entscheidende Glaubensfrage
zu dieser „ideale Szene“. Dreifach die eindringliche Frage, dreifach gezwirnt
der Auftrag. Die Gemeinde und auch wir Heutigen, stehen vor der Frage des Christus: Liebst Du
mich?
Doch wie ihn lieben? Wir sind von ihm zu Durchdrungenen gemacht, nicht zu
Durchschauern. Weiß dich geliebt von dem leuchtenden Gottmensch, Menschengott-
der immer noch mitgeht im Alltag und dich, mich aufrecht gehen und handeln
lehrt. Und der uns zu Hirten macht für
einander.
Wir alle, alt geworden, werden uns beugen; und werden
geführt- letztlich, wohin es für uns gut ist. Auch Jesus sah sich geführt,
wohin er nicht wollte. Auch auf den Märtyrertod des Petrus schaut Johannes
zurück. Und nimmt daraus die Ansage:
Christus nachfolgen heißt sich auf dem Heimweg wissen, auch durch Wirren und
Verzichte und Tod hindurch.
*
Aber der Tröster
Christus spricht: Jetzt gehe ich hin zu dem, der mich
gesandt hat. Euer Herz ist voll Trauer. Aber ich sage: Es ist gut für euch,
dass ich gehe. Kommen wird Der Tröster. Den werde ich euch senden vom Vater. Der Geist der
Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird Zeugnis geben von mir. Der wird euch
in alle Wahrheit leiten.
Ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen,
und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.
An dem Tag werdet ihr mich nichts fragen.
Johannes 16,5.7; 15,26;
16,12.20-23
Der Evangelist Johannes hat vor die Passionsgeschichte
lange Abschiedsreden des Jesus Christus gesetzt. Der irdische Jesus hat sicher
kerniger gesprochen, mit Worten wie
Nägel die ein Zimmermann einschlägt,
jeden genau richtig. Die Abschiedsreden,
die der Evangelist Johannes komponiert hat, sind nicht historisch. Und
doch sind sie echt, in dem Sinne, dass
sie aus dem Geist Christi geredet sind.
Ähnliche Nähe braucht eine Predigt. Sie soll im Geist und aus dem Geist Christi sprechen.
„Tröster“ ist ein herrlicher Begriff für den heiligen Geist, der kein Ersatz
ist für den zum Himmel gefahrenen Jesus sondern er ist der “Christus noch
einmal“, ist die Christusenergie, die uns hoffentlich antreibt. Sie leitet in
alle Wahrheit: der letzte Grund von allem ist Liebe. Liebst du, kannst du
nichts ganz falsch machen, liebend ist
auch im Falschen noch Richtiges. In Aussicht steht Vollendetwerden und das Ende aller Fragen.
*
Bei euch alle Tage
Und Jesus sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt
im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker:
Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und
lehret sie halten alles, was ich euch sage. Und siehe, ich bin bei euch alle
Tage bis an der Welt Ende.
Matthäus 28,18-20
Ob es eine förmliche Aussendung gab, ist fraglich.
Aber nicht fraglich ist, daß sich die Jünger und ersten Mitchristen gesandt
wussten. Paulus ist ja „aus dem Stand“
ins Apostelamt katapultiert. Und ging sofort los, das Evangelium von der
rettenden Liebe auszustreuen, unter Menschen, Städte, Völker. Paulus sieht die
Jünger und sich als Spätberufenen ausgesandt, um - im letzten Augenblick- kurz
vor Einbruch des Himmels auf die Erde die Menschen zum Glauben zu rufen.
Man sagt: Statt
des Reiches Gottes kam die Kirche“ (A. Loisy). Der Missionsbefehl
des Christus weist die ersten Christen in die Geschichte: Wir sollen sie nicht
meiden sondern gestalten, wissend: Alle Gewalt, alle Dynamik, alle Energie
ist Liebe- und unter wie viel Tragik
auch verborgen, soll sie der Liebe dienen. Jünger Jesus sind eben die, die die Liebe
als Herzschlag Gottes und der Geschichte glauben. Sich taufen lassen, heißt, im
Sinne des Jesus zu leben und sich gesandt wissen an die Arbeit für eine
gerechtere Welt.
Nur hier in der Bibel taucht die dreifache Gottesformel auf: Gott ist Schöpfer
und in Christus Retter und als Heiliger Geist ist er Begeisterer,
Zueinanderwender. Die „trinitarische Formel“ entfaltet Gott in seinen drei wesentlichen Dimensionen:
Schöpfungsmacht, Liebe, Geist. Man sagt
für das Wichtigste, Endgültige auch: „Es ist Matthäi am Letzten“: Zuletzt gilt Jesu Zusage: Ich bin bei euch
bis an der Welt Ende.
Christus ist
bei uns als Energiestrom, der uns belebt, sodaß wir gewiss sein können:“Und
wäre dir auch was verloren, kannst immer tun wie neugeboren“ (J.W Goethe).
*
Ein anderes Schlusswort:
Christi Himmelfahrt
Christus sprach zu ihnen: Ihr werdet die Kraft des
Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen
sein in Jerusalem und bis an das Ende der Erde. Und als er das gesagt hatte,
wurde er erhoben, und eine Wolke nahm ihn weg vor ihren Augen.
Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe,
da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern. Die sagten: Ihr Männer
von Galiläa, was steht ihr da und starrt nach oben? Dieser Jesus, der von euch
weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird wiederkommen. Jetzt geht los; geht an
die Arbeit, seine Zeugen zu sein.
Apostelgeschichte 1, 7-11
Es ist dies eine Zeitkonstruktion späterer
Generationen: Vierzig Tage nach Ostern: Himmelfahrt; zehn Tage später
Pfingsten. Sicher ist: Nach Jesu Tod haben ungeahnte Ereignisse den Jüngern
klargemacht, dass ihr Christus lebt. Diese Ereignisse sind nicht isoliert und
objektiviert zu haben. Jedenfalls erschien Jesus ihnen; von außen drangen
Begegnungen mit Christus auf sie ein.
Die machten die ersten Zeugen zu seinen Boten und nahezu alle zu Märtyrern.
Hinter den Glauben der Jünger können wir nicht zurück. Wir müssen ihnen den
Auferstandenen nachglauben.
Nach einer kurzen Spanne hörten die sichtbaren
Vergegenwärtigungen des Christus auf.
Eine „Abschiedsgala“ ist unwahrscheinlich, aber für so was wie Himmelfahrt
stand im Alten Tesament Elia`Erhebung im feurigen Wagen- (2.Könige 2)
bereit. Schon früh setzte sich das Bild
der Erhebung in den Himmel bei den Christen fest; und die ging einher mit der
Forderung: jetzt glotzt nicht gen Himmel sondern geht an die Arbeit; Es gibt
viel zu tun im Namen des Herrn.
*
Das Pfingstwunder
Und als das „Fest der fünfzig Tage nach Passah“
gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötzlich
ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze
Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer;
und sie setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von
dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist
ihnen gab, es auszusprechen.
Apostelgeschichte 2,1-4
Auskommen
ohne den „Jesus- leibhaftig“ und doch von seiner
Gegenwart überzeugt sein- das ist der Geburtstag der Kirche. Das Wesen von Kirche
ist: „Ich, Christus, bin bei euch –seid ihr darum hoffnungsvoll, liebevoll und
tatkräftig!“
Es gab in der Jüngergemeinde ein Ereignis, das verband
sie. Sie erlebten sich als eine Familie, die vom Geist Christi verschmolzen war zu einem Leib. Sie erlebten
sich zugehörig zu einem Ganzen- und
verstanden einander, auch wenn die Herkunftssprache verschieden war. Wir nennen
dies himmlische Dolmetscherfest „Pfingsten“- vom griechischen:
“pentekoste“-fünfzig Tage (nach Ostern).
Das Gegenstück zu Babylon
Es wohnten in Jerusalem Juden aus allen Völkern unter
dem Himmel. Als nun dieses Brausen vom Himmel geschah, lief viel Volk zusammen
und sie gerieten außer sich; ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache
reden. Sie fragten: Sind nicht diese alle aus Galiläa? Was hören wir jeder
seine eigene Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen
in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien, Phrygien
und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus
Rom, Juden und Judengenossen, Kreter und Pleter- wir hören sie in unsern
Sprachen die großen Taten Gottes reden.
Und die einen entsetzten sich: Was will das werden?
Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein.
Apostelgeschichte 2,5-13
Die Gegengeschichte zur Sprachverwirrung von Babel (1.
Mose 10) ist die Ausschüttung des Heiligen Geistes. Den ersten Christen geschah
überschwängliches Glück. Sie, die sich noch scheu verkrochen, weil ihnen ihr
Herr abhanden kam- sie wurden durch einzelne Begegnungen mit dem Auferstandenen
zusammengeführt zu einer neuen Christus- Geschwisterschaft. Die wurde der Kern
der weltumspannenden Kirche, beseelt von Liebesfeuer und Geist.
Ein Ereignis soll fünfhundert Brüder und Schwestern
auf einmal (1. Korinther 15,6) getroffen haben- es muß mit dem Pfingstereignis
identisch sein. Sie haben ihr „coming out“- sie gestehen einander ihr
ZuChristusgehören. Es ist in höchstem Maße ein Sprachereignis: Christus macht, dass
man sich und die andern versteht. Und die andern reden einem aus dem Herzen,
wenn sie die großen Taten Gottes – aus der langen Heilsgeschichte und dem
persönlichen Erleben- begeistert ausbreiten. Kirche erbaut sich aus den
lebendigen Steinen der vom Heiligen Geist berufenen, gesammelten, erleuchteten
und geheiligten Menschen.
Pfingsten- auf Dauer
Hinter den menschlichen Worten, wenn sie nicht
zerstörend benutzt werden, schimmert unsere Gottesherkunft. Wir sind einander
als verwandt erdacht, dazu soll uns das Mitteilen und Benennen mittels der
Worte dienen. Mit Sprache begabt geben wir nicht nur Laut sondern uns, können
uns einander vertraut machen, so ein Glück. Heiliger Geist nun ist die Energie
der Kommunikation; er begeistert uns füreinander, stellt Zusammenhänge her,
verknüpft, vernetzt uns. Freundlichkeit durchflutet uns, Müdigkeit wird
ausgekehrt, Erbarmen ruft zur Tat, Eros neigt uns zueinander,
Gerechtigkeitssinn nimmt in Dienst.
Wie Wildgänse
in Flugstimmung geraten- so durchfährt uns Menschen Wissen von Einssein
und hebt uns zueinander. Diese
Durchflutung mit Einsseinwissen ist Jesu Geist. In allen Formen von
befreundender Begeisterung regnet Gott den Jesus-Geist über uns aus- auch das
Kirchenfeld soll blühen.
* *
B Apostelgeschichte,
Briefe, Offenbarung
Apostelgeschichte
Ein Blick auf die Anfänge der
Kirche
Die nun sein Wort annahmen, ließen sich taufen;. Sie
blieben beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im
Gottesdienst und im Gebet.
Alle Dinge hatten sie gemeinsam. Sie verkauften Güter
und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem wie nötig es einer hatte.
Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier
und dort in den Häusern, teilten die Mahlzeiten mit Freude, sie lobten Gott und
waren wohlgelitten beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich Neue zur
Gemeinde hinzu, die gerettet wurden- an einem Tage wurden hinzugefügt etwa
dreitausend Menschen
Apostelgeschichte 2,41-47
Der Arzt Lukas, der auch das Lukas-Evangelium geschrieben
hat, wagt als erster den großen Wurf einer ersten kurzen Kirchengeschichte. Er
schreibt für Rom. Dort im Zentrum des Reiches – Petrus und Paulus waren schon
wohl zwanzig Jahre vorher als Märtyrer umgebracht worden- sollte die Gemeinde
gestärkt werden. Eine Urkunde ihrer erstaunlichen Ursprünge sollte den Ruf der
neuen Gottesgemeinschaft stärken.
Am Anfang, so Lukas, stand ein urchristlicher
Liebeskommunismus. Paulus war mit der Gemeinde in Korinth, wohl 30 Jahre
vorher-hart ins Gericht gegangen. Die waren beim Abendmahl so egoistisch, dass,
wer genug hatte, sich mitbrachte und erst mal sich selber satt aß. Und wie
Paulus sich mühte, für die mangelleidenden Christen in Jerusalem eine Kollekte
zusammen zu bringen- das zeugt vom „Menscheln“ auch in der Urgemeinde.
Und doch ist die Idee
umstürzend: Jeder gibt, was er hat und nimmt (nur), was er braucht; der
verzichtet auf privaten Besitz zugunsten eines Gemeinsamen Lebens. Ob die
Ersten Christen tatsächlich vom Geld lassen konnten oder nicht- jedenfalls
Einzelne führten überzeugende Leben, einige Gemeinden mühten sich, dem Jesus
ähnlich zu werden, der nicht wußte, wo er zur Nacht sein Haupt hinlegen würde
(Lukas 9,58). Die ersten idealisierten Christen, wurden Vorbilder für christlichen
Enthusiasmus und ein asketisches
Mönchstum und auch für die kommunistische Utopie einer geschwisterlichen Welt.
*
Aus Saulus wird Paulus
Saulus war ein scharfer Christenverfolger. Auf dem
Wege nach Damaskus umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; er stürzte
zur Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du
mich?
Er aber sprach: Herr, wer bist
du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst.
Als er seine Augen aufschlug, sah er nichts. Man nahm
ihn bei der Hand und führten ihn nach Damaskus zu einem Hananias!
Der legte ihm
die Hände auf ihn und sprach: Lieber Bruder Saul, der Herr Jesus, der dir auf
dem Wege hierher erschienen ist, hat mich gesandt, dir zu sagen: Du sollst
wieder neu sehend und mit dem Heiligen Geist erfüllt werden. Und sogleich fiel
es von seinen Augen wie Schuppen und er wurde wieder sehend; und er stand auf,
ließ sich taufen und nahm Speise zu sich und stärkte sich. Und bald predigte er
in den Synagogen von Jesus, dass dieser Gottes Sohn sei.
Aus Apostelgeschichte 9
Eine umstürzende Bekehrung nennt man auch ein
„Damaskuserlebnis“. Geschieht einem eine dramatische Wesens-verwandlung, dann
sagt man auch, aus einem Saulus sei ein Paulus geworden. Dem jüdischen
Schriftgelehrten Saulus aus Tarsus, (mit römischer Staatsbürgerschaft!) fällt
es tatsächlich wie Schuppen von den Augen, daß die Gotteskindschaft uns
zuwächst durch den Glauben an Jesus Christus.( Man muss immer dazusagen: mittels des Glaubens, nicht wegen des
Glaubens.) Nicht mehr die Zugehörigkeit
zum Volk Israel ist zwingend, auch nicht Gehorsam gegen ein Gesetzbuch. Paulus
wird der Theoretiker des Christentums, er erkennt die Internationalität der Kirche, ihre Katholizität
( von kat olos, den ganzen Erdkreis umfassend). Und dass die Liebe das Größte
ist. Statt weiter die Christen zu verfolgen, wird er der glühendste
Christus-Jünger. Er weiß sich durch eine ganz persönliche Vision zum Apostel (neben den Jüngern) berufen.
*
Engel sind um uns
Um diese Zeit legte der König
Herodes Hand an einige von der Gemeinde, sie zu misshandeln. Jakobus, den
Bruder des Johannes, ließ er töten mit dem Schwert.
Und er nahm auch Petrus
gefangen, warf ihn ins Gefängnis und überantwortete ihn vier Wachen von je vier
Soldaten, ihn zu bewachen. Denn er gedachte,
ihn vor Gericht zu stellen.
Wachen auch vor der Tür
bewachten das Gefängnis. Doch der Engel des Herrn kam herein und Licht
leuchtete auf in dem Raum; und er stieß Petrus in die Seite und weckte ihn und
sprach: Steh schnell auf! Und die Ketten fielen ihm von seinen Händen. Und er
sprach zu ihm: Wirf deinen Mantel um und folge mir!
Und er ging hinaus und folgte
ihm und wusste nicht, dass ihm das wahrhaftig geschehe durch den Engel, sondern
meinte, nur eine Erscheinung zu sehen.
Sie gingen aber durch die
erste und zweite Wache und kamen zu dem eisernen Tor, das zur Stadt führt; das
tat sich ihnen von selber auf. Und sie traten hinaus und gingen eine Straße
weit, und alsbald verließ ihn der Engel.
Apostelgeschichte 12, 1-10
Auch Petrus stellt nicht
klar, woran man den Engel erkennen kann. Es muss einer gewesen sein, das ist
ihm klar- wenn das Unmögliche wunderbarerweise doch geschieht, dann war Gottes
geballte Energie am Werk. Gotteskraft, Engelskraft , wie auch immer verpackt,
sie geschieht uns.
Und manchmal sind wir
Handlanger der Engel. Wenn uns dann jemand anspricht, den wir gerade vor dem
heranbrausenden Auto zurückgerissen haben oder dem wir sein eben aus der Tasche
gefallenes Portemonnaie zurückgeben, dann sagt er: “Sie Engel“. Und du sagst: “Ich
tat nur meine Pflicht, ist nicht der Rede wert“. Und du
hast das Gefühl, Überirdische zwinkert dir zu.
Paulus in Athen
Paulus zog rastlos durch Kleinasien um zu
missionieren. Er kam auch nach Athen, das geistige Zentrum der damaligen Welt.
Als er die Stadt voller Götzenbilder sah, ergrimmte sein Geist. Leuchtend und
lodernd predigte er dagegen das
Evangelium von Jesus und seiner Auferstehung.
Einige Philosophen legten sich mit ihm an und
sprachen: Was will uns dieser Schwätzer sagen? Andere aber sprachen: Er will
uns wohl fremde Götter verkündigen. Lasst ihn reden- wir Athener hören ja gern
Neues. Und sie zogen mit ihm auf den Areopag, den zentralen Denk- und Redeort
der Stadt.
Und er
sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken
sehr verehrt. Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und
fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: „Dem unbekannten Gott.“ Nun
verkündige ich euch, wen ihr unwissend verehrt.
Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin
ist; Er, der doch selber jedem Leben und Odem und alles gibt; Er hat das ganze
Menschengeschlecht gemacht, damit wir Gott suchen sollen, und wahrlich: Er ist
nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, wirken und sind wir;
wie auch einige Dichter bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts.
Aus Apostelgeschichte 17, 16-
28
Ob dies ein originales Predigtstück des Paulus ist?
Großzügig wie die Griechen selbst –die noch dem unbekannten Gott einen Altar
errichteten und Opferdienst halten- spricht Paulus vom Christengott: Nah einem
jedem ist er. Wir leben in ihm, wirken in ihm, sind in ihm. Näher, identischer
geht es nicht. Und keine Riten, keine Zeremonien, keine Urkunden sind dazu
notwendig. Mit Geburt sind wir Kinder Gottes,
alle Religionen und Kirchen können dieses Grundrecht nur feiern aber
nicht durch Pflichtbekenntnisse oder Mitgliedschaften einengen. Auch wer sich
für „gottlos“ erklärt, meint der nicht eher „kirchenfern“ oder
„bekenntnisneutral“ ? Erklärten wir Gott als unwichtig für uns- wie klein
müssen wir von ihm denken. In ihm leben,
wie der Fisch im Wasser- es kann höchstens sein, daß wirs nicht wissen. Aber
das hebt unser Existieren in Gott nicht auf.
*
Der Römerbrief
Spuren Gottes in der Natur
Gottes unsichtbares Wesen, seine ewige Kraft und
Gottheit, wird seit Schöpfung der Welt aus seinen Werken ersichtlich. Man muss
sie nur wahrnehmen. Die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes aus der Natur
nicht erahnen- dafür gibt es keine Entschuldigung.
Römerbrief 1,20
Wenigstens erahnen können wir Gottes Existenz. Sonnenglanz
und Feuersbrunst, Wogenschwall und Spinnennetz- sie sind doch Wunder über
Wunder. Materie ist doch eine der Sprachen Gottes. Daß wir gewollt sind vom
Urgrund des Seins- wenigstens wünschen muß man es doch. Wie sollte man aus
bloßem, nacktem Zufall vorhanden sein wollen? Es muß doch Gott geben- muss
geben den, der geschehen lässt, auch mich. Alles Sein ist Zusammensein mit
Gott- dies nicht wenigstens wünschen, würde doch unser Denken enthaupten.
*
Das Evangelium als Kraft Gottes
Ich schäme mich des Evangeliums nicht; es ist eine
Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben. Denn darin wird
offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in
Glauben. Das sagt auch das Alte Testament: „Abraham hat Gott geglaubt und das
ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden« (1.Mose 15,6). Kein Mensch kann durch Gehorsam gegen die Gebote
sich vor Gott gut machen. Die Gebote sind nur
da zur Erkenntnis der Sünde.
Gott Rechtsein erwächst aus Glauben an Jesus Christus. Ohne eigene
Verdienste sind wir Gott recht, aus
Gnade- eben durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.
Wer aus eigenem Guttun vor Gott gut dastehen will, dem
wird Lohn zuteil nach seinem Verdienst. Dem aber, der sich nicht auf seine
guten Werke verläßt, glaubt aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem
wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit.
Römerbrief 1,16f ;3,20f; 4,3-5
Das ist der Kern des Evangeliums. Wir brauchen uns
nicht mehr vor Gott abschuften. Nicht
mit Verzichten und Askese, nicht durch Aufopferung und Gehorsam sollen wir vor
dem Jüngsten Gericht bestehen. Sondern die Zuversicht soll uns retten, daß Gott
uns liebt und braucht. Dabei rettet uns nicht der Glaube als intellektuelle
Leistung. Nicht wegen unseres Glaubens sondern mittels des Glaubens werden wir
Gott recht. Wir beziehen mittels Glauben die Güte Gottes auf uns. Wir lassen
uns sagen: Auch für dich ist Christus gestorben- du, glaub ihm sein
Gottvertrauen nach, nimm ihn als deinen Kundschafter an für richtiges Leben:
Wohl viel Gutes tun- aber nicht zwecks Punktemachen im Himmel sondern aus
Freude am Guten, aus Lust, Jesu Mitarbeiter hier und heute zu sein.
So ist auch die Kirchengliedschaft nicht Bedingung für
den richtigen Glauben, Kirche ist bestenfalls ein Dolmetscher des Herrn. Die
Reformation hat die gute Nachricht von der Freiheit eines Christenmenschen
wesentlich aus diesem Freispruch des Paulus im Römerbrief geschöpft.
*
Basistext der Reformation Die
Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, gibt es ohne Zutun des Gesetzes. Sie kommt
durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Die Unterschiede
zwischen den Gläubigkeiten der Menschen sind letztlich belanglos- allesamt sind
wir Sünder und ermangeln des Glanzes, den wir bei Gott haben sollten. Wir
werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch
Christus Jesus geschehen ist. Den hat Gott für den Glauben hingestellt als
Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit.
Wo bleibt dann noch Grund
für Eigenlob? Es ist ausgeschlossen durch das Gesetz des Glaubens: Der Mensch
wird nicht Gott recht durch Gehorsam
gegen die Gebote, sondern allein durch den Glauben, daß wir Gott recht sind.
Daraus folgt dann das richtige Tun.
Römer 3,21-28
Noch einmal, weil es so
wichtig ist: Nicht unser Tun sondern Gottes Lieben macht uns ihm recht. „Es
liegt nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen“
(Römer 9,16). Er weiß was für ein Verein wir sind; er weiß, daß wir vom Staub
genommen sind (Psalm 103,14). Aber wir
aus Erde Berufene, in uns hat der Staub Feuer
gefangen. Wir sind „Schilfrohr, aber denkendes“ (B.Pascal), wir sind Gottes
geliebte, schwierige Geschöpfe.
Uns heilig, also
gottgehörig machen, das können und brauchen wir nicht. Wir sind Heilige, sind
Kinder Gottes. Das allerdings müssen wir
annehmen, müssen es über uns gelten lassen. Wir können es gelten lassen, wenn
wir in Sommerlaune am Strand im Sand liegen und einfach da sind sorglos „ in
uns selbst vergnügt“ sind .Wenn wir das Geliebtsein nicht über uns gelten
lassen, ist es hart, ein Mensch zu sein. Darum ja, sind „die Atheisten Gottes
liebste Kinder“ (M.Luther), seine Sorgenkinder, die es so schwer haben, weil
sie sich selbst ihre Würde erringen müssen. Wir aber dürfen uns stärken aus dem
Schatz: „Gott liebt dich und Gott braucht dich, darum lebst du“.
„Allein aus Glauben“- also
auch nicht wegen des Glaubens, nur mittels des Glaubens. Nicht wird uns der
Glaube als Verdienst angerechnet, als wäre er eine Leistung. Gott vertrauen,
wegen diesem wunderbaren Jesus- das ist alles, was nötig ist, damit Liebe und
Freiheit –Gottes Flügel- sich bei dir entfalten können. Und der Himmel geht dir
auf. Und du gehst von selbst den rechten Weg.
Also kein Ablass, als müßte
und könnte ich mich von Schuld freikaufen. Keine Notwendigkeit von Taufe,
Kirchzugehörigkeit, Gottesdienstbesuchen.- Gut und hilfreich ist das alles,
weil sie meiner Person Halt in Gemeinschaft geben. Aber von nichts macht Gott
seine Liebe abhängig. Keine Todsünde, nichts kann mich trennen von Gott. Nur er
sich von mir; das aber hat er versprochen, nie zu tun. Ungeheuer ist die Freiheit des Glaubens: Keine Ämter, kein
Klerus, keine Unfehlbarkeit, keine „richtige“ Form der Anbetung. Keine
verpflichtenden Glaubenssätze: „Prüfet alles, aber das Gute bewahret“, so
Paulus (1. Thessalonicher 5,21)- wie es dir in deinem Gewissen einleuchtet. Und
deine Liebe lass tätig sein.
Also glauben müssen? Ja, in
dem Sinne, wie Kinder auch der Lehrerin glauben müssen, daß die sie lieb hat,
auch wenn sie mal böse guckt. –Aber sie halten die Lehrerin ja nicht blind für
gut. Sie wissen aus der Erfahrung.
Und was hast du von Gott,
mit Gott erfahren? Versteh doch dein nacktes Existieren schon als ungeheure
Zuwendung und Bejahung. Und staune doch über dein Zurechtkommen durch
Katastrophen hindurch.
Dafür ist Jesus ein Trainer in Vertrauen. Er wusste, daß ihn
nichts aus Gottes Hand reißt, darum lebte er mutig, befreundet, großzügig. Er
tat Gutes, nicht damit, sondern weil Gott und das Leben ihn liebt.
*
Frieden mit Gott
Wir sind Gott
recht durch den Glauben. Wir haben Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus
Christus. Durch ihn haben wir den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir
stehen. Und wir feiern die Hoffnung der
zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird.
Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der
Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber
Bewährung, Bewährung aber Hoffnung. Hoffnung aber lässt nicht zuschanden
werden. Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen
Geist, der uns gegeben ist.
Römerbrief 5,1-5
Glaube ist nicht Nichtwissen sondern ist gewissestes
Herzenswissen. Fragt uns jemand nach der
Uhrzeit und wir sagen: „I7 Uhr, glaub ich“, so ist das ein (schlechtes) Wort
für „na so ungefähr“. Aber an Gott glauben, das kommt vom Wort „geloben“; für etwas mit dem Innersten einstehen- etwa so, wenn ein Liebender sagt:
„Ich glaube an Dich“.
Also Gott recht sein durch den Glauben, meint: Ich
gehöre zu ihm mittels der innersten Gewissheit: Gott ist mein, ich bin sein.
Durch Christus und andere heilsame Menschen ist mir dies Vertrauen zugewachsen.
Jesu Leben, Sterben, Auferstehen, und sein Beimirsein im Heiligen Geist machen
mich mit anderen zu einem Familienglied Gottes.
*
Komm, Heiliger Geist
Wenn der Geist dessen, der Jesus von den Toten
auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt
hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen. Gottes Kinder treibt der
Heilige Geist. Ihr habt nicht einen sklavischen Geist empfangen, dass ihr euch
abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen kindhaften Geist empfangen,
durch den rufen wir: Abba, lieber Vater!
Römerbrief 8,11.14.15
Der aus dem Nichtsein ins Leben ruft, der wird auch
uns, die wir schon vorhanden sind, überschäumend lebendig machen, uns mit Geist
und Hirn und gefühlvollem Leib versehen. Vom Heiligen Geist getrieben, gelingt
waches, dankbares, kreatives Hiersein. Müsste dazu mein Ich ausgetauscht
werden? Nein, denn der Heilige Geist bringt mich richtig zu mir, lässt mein
eigensinniges, träges Ego abschmelzen, löst die Zwangsgeister auf, denen ich
mich verfallen wähne. Ich muß nur merken, daß der freie Geist an mir rüttelt
und zwar zwischen mir und dem Nächsten.
Im Dazwischen von Ich und Du ist die Spannung vom Ungeist der Feindschaft
oder eben von Lust auf Gemeinsames, von Freude und Tatendurst. Das
ist der Heilige Geist, der Gottes- Geist, der die Gestirne betreibt und die
Fremdheit nimmt, Würde und Verstehen verleiht. Mit jedem in seiner Sprache
reden, freimütig, das ist uns verheißen; müh dich drum.
*
Das Größte kommt doch erst
Ich bin überzeugt, dass die Leiden jetzt nicht ins
Gewicht fallen gemessen an der
Herrlichkeit, die auf uns zukommen soll. Auch die übrige Schöpfung mit ihrem
ängstlichen Harren wartet darauf, dass die Kinder Gottes erstehen in
Glanz und Herrlichkeit.
Noch ist ja die Schöpfung unterworfen der
Vergänglichkeit - doch auf Hoffnung! Die ganze
Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zur
herrlichen Freiheit der Kindschaft Gottes.
Römerbrief 8,18-21
Dieser Posaunenstoß der Zuversicht reißt mit. Vor uns
das ganz Große. Vor uns die Fülle an Freude und Freiheit. Ja, noch sind wir
Kinder Gottes auch mürrisch und unfair, nachtragend und träge- aber das sind
die Schleifspuren der Vergänglichkeit- in unsern Schwächen bahnt sich unser
Sterbenmüssen an. Wir werden vielmals schuldig, wir sind auch
zerstörerisch. Wir dienen dem Tod.
Müdigkeit und Geiz schnüren uns ein. Die Schöpfung insgesamt ist noch
sterblich. Aber das soll nicht so bleiben. Die Leiden dieser Zeit behalten nicht die Oberhand. Vor uns ist
Zukunft und Heilung und Vollendung. Darum sollen wir uns nicht der
Hinfälligkeit hingeben. Sogar das Sterben wird Hingang in die herrliche
Freiheit.
*
Die seufzende Schöpfung
Wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem
Augenblick mit uns seufzt und sich ängstet. Nicht allein aber sie, sondern auch
wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns selbst
und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes. Wir sind zwar
gerettet, doch erst auf Hoffnung.
Römer 8, 22-24
Die Natur ist der Notwendigkeit unterworfen, zu
fressen und gefressen zu werden. Und da hat es der Löwe nicht leichter als das
Zebra: Um zu überleben, muß das Zebra schneller sein als der Löwe. Um zu
überleben, muß der Löwe schneller sein als das Zebra. Beide sind voll Angst zu
verhungern oder gefressen zu werden. Auch die Menschen kämpfen ums Überleben.
Es gibt nicht genug für alle und wir handeln nicht fair. Es bleibt noch Jammer
und Seufzen und der Kampf ums Dasein. Doch das soll nicht das letzte Wort
Gottes sein. Wir gehen noch aufs Reich Gottes zu- oder anders: das Reich Gottes
kommt auf uns zu.
*
Der Geist hilft unsrer
Schwachheit auf. Wissen wir nicht, was wir beten sollen, so vertritt uns der
Geist mit unaussprechlichem Seufzen.
Römer 8,26
Gottes Geist-Energie treibt uns an. Schlaf, Nahrung,
Liebe, Phantasie, Gelingen, Lust, Freude, Schönheitssinn,
Gerechtigkeitswille sind die Botenstoffe
des Himmels. Auch das wortlose Aufatmen und das Seufzen aus tiefer Seele ist
Verbundensein mit Gott. Wir müssen nicht in passenden Worten uns vor Gott
ausbreiten. Wir geschehen in ihm, sein Geist beatmet uns, mal mit Jubel, mal
mit Heulen.
Komm Geist, hilf
unserer Schwachheit auf! Du unerschöpfliche Lohe, Du Geist –Dynamik, heb
unsern Blick, befeure unser Denken und
Lieben!
*
Wir wissen, dass denen, die
Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.
Römer 8,28
Das zu wissen, es aus Glauben wissen, ist das Höchste.
Und dann soll ich mir zum Besten dienen lassen, was ist. Auch meinen Charakter
mir recht sein lassen. Luther sagt es knapp: Wenn es anders kommt als wirs erbitten,
kommt es besser. Also nichts auf Biegen und Brechen erzwingen. Sieh daraufhin
mal dein Leben an- lief es sich nicht zurecht? Obwohl du viele Warnungen in den
Wind geschlagen und genügend Gewissensmahnungen wegargumentiert hast? Hat dir
zum Besten gedient, was dir geschah? Und jetzt „dig the day“! Bearbeite deinen
Tag: pflüge, säe, ernte, teile.
*
Ist Gott für uns, wer kann
wider uns sein?
Der auch seinen ersten Sohn nicht verschont hat,
sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht
alles schenken?
Römer 8,31f
Ist Gott für uns, kann auch der Weg steinig sein. Wir
sind einfach in die Mühen des Lebendigen einverleibt. Gottes Liebe schließt
nicht aus, dass Diebe uns bestehlen oder wir uns die Beine brechen können. Aber
vor uns steht, daß er uns alles schenkt- das All schenkt. Er hat mit uns ewig
Freude vor. Das schwört er uns mit dem Schicksal des Jesus. Der hat sich ja von
den widrigen Umständen martern lassen, um uns beizubringen, daß wir nicht aus
Gottes Händen fallen, egal was kommt. Gerade weil er sich für Gottes Sohn
hielt, drückte er sich nicht weg sondern bot die Stirn denen, die ihn aus der
Zugehörigkeit zu Gott ausixen, herauskreuzigen wollten.
*
Nichts kann uns scheiden
Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal
oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Not oder Gefahr oder Gewalt? Ich
bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten,
weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine
andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus
offenbart ist, unserm Herrn.
Aus Römer 8,35-39
Wir meinen oft, wenn Gott uns lieb hat, hat es uns gut
zu gehen. Aber alles Kreatürliche, alles Natürliche kann auch Schmerz leiden,
und unsere Macht kann zu Gewalt ausarten. Doch nichts kann uns von Gott
wegreißen. Auch der Tod ist kreatürlich, ist keine Gottheit, auch die Zukunft
ist Gottes Wirksamkeit. Und die ist Liebe, durch wieviel Mühen auch hindurch.
*
Wenn
Wenn du bekennst: „Herr ist Jesus“ und in deinem
Herzen glaubst: „Gott hat ihn von den Toten erweckt“, dann empfängst du das
Heil.
Römer 10,9
Glutnehmen von diesem leuchtenden Christus sei dein Verlangen.
Glaub dich einverleibt in das kosmische Heilwerden aller Dinge. Wenn wir aus Jesu Leben Maß nehmen für Gut und
Böse und aus seiner Auferweckung die Dynamik für unser Hoffen schöpfen, dann
sind wir auf Empfang in Sachen Heil und
Glück.
*
O welch eine Tiefe des
Reichtums,
beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie
unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! Von ihm und
durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.
Römer 11, 33.36
Ein großer Seufzer-Jauchzer entringt sich da der Brust
des Paulus. Er ist stolz auf seine Denkkraft. Er hat eben ein schmerzensreiches Kapitel abgeschlossen:
Er ist erschüttert, dass sein Volk Israel, Gottes „erste Liebe“, Jesus Christus
schmählich übersehen hat. Es bleibt dabei, daß die Christenheit in den Ur-Stamm
Israel eingepfropft ist. Und Israel wird gesegnet bleiben- wie, das ist Gottes
Geheimnis.
Grandios ist die dreifache Formel, Gott betreffend. Es
könnten die drei Zeitebenen gemeint sein: von ihm her, durch ihn jetzt, auf ihn
zu – Auch: Alles ist von Gott her, geschieht durch ihn und zielt auf ihn, kommt
in ihm zur Ruhe. Dies auf dich beziehen: Du von ihm geschaffen, durch ihn
erhalten, zu ihm auf dem Weg.
*
Das Leben als Gottesdienst
Gebt eure Leiber hin als Opfer, das lebendig, heilig
und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.
Römerbrief 12,1
„Tu es mit dem Leib oder lass es bleiben“ (Harold
Brodkey). So meint es auch Paulus: Nicht reden und grübeln, sondern tun, anfassen, Hand anlegen;
leibhaftig dasein. Nicht dem Geist ein Vorrecht gegen den
Körper einräumen, Keine Arroganz der Kopfarbeiter gegen die Handwerker!
Die Kirche hat lange leibfeindlich gepredigt- alt ist
der Verrat, daß die Seele im Körper stecke als einem Gefängnis und nur danach strebe,
ihn los zu werden. Dagegen sollen wir mit dem Leib Gott dienen. Köperarbeit als
Gottesdienst- so hat Arbeit und die Liebesumarmung viel mit Lob und Dank zu
tun. Und der Gottesdienst am Sonntag hat dem Gottesdienst im Alltag zu dienen.
*
Jeder denke maßvoll von sich.
Wie wir an einem Leib viele Glieder haben, die Glieder
aber alle verschiedene Aufgaben -so sind wir viele ein Leib in Christus, aber
untereinander sind wir Glieder mit verschiedenen Gaben, aus Gnade an uns
ausgeteilt. Jeder übe seine Gaben aus dem Glauben gemäß.
Aus Römerbrief 12,3-6
Gewöhnlich halten wir uns
ja jeder für seine „eigene kleine Lustfabrik“ (R. Musil). Aber einig ist mehr
als eins. Wir gehören viel mehr zusammen als wir wissen. In Notzeiten entdecken
wir, wie verwandt wir sind. Paulus lockt uns, auch im Normalen uns zugehörig zu wissen, und das
Verbindende zu pflegen.
Es gibt viele Beziehungsinvaliden. Aber beieinander ist doch mehr als nebeneinander -
stärken wir uns doch durch Teilen unserer Gaben. Laden wir den andern ein,
halten ihm einen Platz frei, sprechen ihn an, meinen ihn. Und es wächst ein
Wir. „Man versteht nicht, was man nicht mit einem andern teilt“ (Christa Wolf).
Glaub dich als Glied eines
Leibes, Stück eines Netzes, das letztlich Christus, die Liebe, darstellt. Durch
dich strömen die Kräfte des Alls. Du gehörst zu einem höheren Ganzen.
*
Hängt
dem Guten an.
Liebt euch herzlich. Ehrt einander. Seid nicht träge,
seid brennend im Geist. Dient dem Herrn. Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in
Mühen, fest im Gebet.
Römerbrief 12,9-12
Fröhlich aus Hoffnung- Hoffnung ist das große
Versprechen. Tania Blixen hat es so gesagt: „Bis zu diesem Tage hat noch
niemand gesehen, daß die Zugvögel ihren Weg nehmen nach wärmeren Gegenden, die
es gar nicht gäbe, oder daß die Flüsse ihren Lauf durch Felsen und Ebenen
bahnen und einem Meer entgegenströmen, das gar nicht vorhanden wäre. Gott hat
gewiß keine Sehnsucht oder Hoffnung erschaffen, ohne auch die Wirklichkeit zur
Hand zu haben, die als Erfüllung dazugehört. Unsere Sehnsucht ist unser Pfand,
und selig sind, die Heimweh haben, denn sie sollen nach Hause kommen“.
Fröhlich aus Hoffnung, geduldig in den Mühen, fest im
Gebet, wach im Geist, herzlich in der Liebe-
das sollen, können, wollen wir sein. Diese intensive Lebendigkeit ist
schon ein Vorgeschmack auf Himmel. Und
die Freude am Gelingen und am Gutsein ist uns mitgegeben. Darum ist moralisches
Handeln eigentlich keine Mühe. Aber wir sind leicht träge. Der Heilige Geist
bringe uns auf Touren!
*
Lass dich nicht vom Bösen
überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.
Römerbrief 12,21
Jeder hat auch Unverantwortliches
getan. Schon ein einigermaßen angenehmes Leben schließt das Schweigen zu so
viel Unrecht mit ein. Auch politisches Uninteressiertsein ist ein Weg in die
Schuld.
Ob etwas vorteilhaft scheint, ob einer als geschickt oder
attraktiv oder „very important“ gilt- das alles sind angesehene Werte. Gültig
aber für unser Entscheiden soll sein, was gut ist. Lasst uns doch wieder und
wieder Geschmack daran finden: „Das wirklich Gute ist immer neu, wunderbar,
berauschend“ (Simone Weil). Und das Böse- denk es, wie es in dir ist, stell
dich ihm, und transformiere es. „Wünsch dir nicht, daß irgendeine deiner
Erbärmlichkeiten einfach verschwände, sondern erbitte die Gnade, die sie
verwandelt“ (S. Weil). Wir sind bei Gott in Arbeit, dass er uns vom Bösen
erlöse. Steuern wir nicht direkt an, das Gute zu wollen. Lasst uns etwas in Güte wollen.
*
Fächer der Güte
Nehmt euch der Nöte der Mitmenschen an. Übt
Gastfreundschaft. Segnet, die euch verfolgen; segnet, und flucht nicht. Freut
euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden.
Seid eines Sinnes untereinander. Verzichtet auf
Imponiergehabe, wollt keine Privilegien. Haltet euch nicht selbst für klug.
Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht jedem Menschen
gegenüber. Ist’s möglich, soviel an euch
liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.
Aus Römerbrief 12,13-18
In knappen Worten ist hier eine intakte Persönlichkeit
entworfen: Die will sich nicht hervortun und freut sich am Vorwärtskommen
aller. Sie hat auch Kraft, Böses aufzusaugen, Beleidigungen zu überhören,
einige Fouls einzustecken, kann Mürrisches mit Freundlichkeit aufweichen.
Bringen wir den guten Willen auf, alles in Güte zu
tun. Frieden halten, soweit es an uns liegt, das ist schon mühsam genug. Es
kann sein, daß der neben dir andere Maßstäbe hat. Aber auch er will seine Taten
rechtfertigen- das ist die Chance von Verhandlungen; nutzen wir sie.
*
Römer
13
Jedermann sei untertan der
Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott;
wo aber Obrigkeit ist, ist die von Gott angeordnet.
Willst du dich aber nicht
fürchten vor der Obrigkeit, so tue Gutes; so wirst du Lob von ihr erhalten. Sie
ist Gottes Dienerin und vollzieht das Strafgericht an dem, der Böses tut.
So gebt nun jedem, was ihr
schuldig seid: Steuer, dem die Steuer gebührt; Zoll, dem der Zoll gebührt;
Gehorsam; dem Gehorsam gebührt; Ehre, dem Ehre gebührt.
Aus Römerbrief 13,1-7
Das berühmte Kapitel „Römer 13“ hat viel Unheil
gebracht. Paulus hält jede Regierung für von Gott eingesetzt, also mit
Autorität vom Himmel her ausgestattet. Der fürchterliche Gehorsam gegen Hitler speiste sich auch aus diesen
Quellen. Nationale Gewalttätigkeit wurde unterstützt, ja begrüßt durch
quasitheologische Behauptungen, etwa Gott wolle ein siegreiches Deutschland.
Aber auch die Herrschenden haben
dem Guten zu dienen; auch sie, gerade
sie werden an den Geboten sich messen lassen müssen. Paulus setzt den guten Handlangerdienst der Oberen für Gott
einfach voraus. Er behauptet: Die da oben loben das Gute derer da unten. Aber die Regierenden sind doch auch
interessengeleitet und sind nicht automatisch davor geschützt, für gut zu
halten, was ihnen nützt. Darum darf Obrigkeit kein Recht auf blinden Gehorsam haben. Sicher
wollte Paulus die Christen auch als treue Untertanen zeigen und hatte auch
Angst vor Aufruhr und Chaos (wie Luther später). Er hat Demokratie noch nicht
als angewandte Nächstenliebe gedacht.
Auch unter Berufung auf Römer 13 fordern konservative
Christen den starken Staat, der die individuellen Gelüste der Bürger in Schach
halten kann. Sie trauen dem Bürger nicht; sie meinen, wir alle brauchen „Druck
von oben“ und Eliten, die sagen, wo es lang geht. Dabei hat Paulus dem
einzelnen zugetraut, in Freiheit zu bestehen. Und hat trotz dieses
Gehorsamsgebotes den Grundstein für das Recht auf Gewissensfreiheit gelegt.
*
Erkennt die Zeit
nämlich dass die Stunde da ist, aufzustehen vom
Schlaf, denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden.
Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen. So lasst uns
ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts. Zieht an
den Herrn Jesus Christus.
Aus Römerbrief 13,11-14
Ein Ruck soll durch uns fahren, so geht es doch nicht
weiter, Schlafmützen. “Wach auf du verrotteter Christ! Geh an dein sündiges
Leben“ (Bert Brecht)! In der Geschichte erklang schon oft die Fanfare des
Aufbruchs. Revolution sollte die schlechten Verhältnisse umkrempeln. Und wohl
wahr, ein Umdenken in Sachen Klimaschutz und Mindestlohn und
Bildungsgerechtigkeit ist bitter nötig. Wir sind doch erweckt zu Mittätern des
Herrn Christus.
Einige Nächstenliebe gelingt uns doch schon, wir sind weitergekommen in der Entfeindung.
Wir kommen doch aus dunklen Zeiten! Wir haben
die Waffen des Lichtes schätzen gelernt, wollen Vernunft walten lassen und wach
sein vor Geist.
Doch das Warten auf Massenbekehrung hat keinen Zweck.
Jeder steht für sich vor Gott. Mach Deins, steh du auf zu einer Veränderung in deinem Leben.
*
Freiheit und Rücksicht
Der eine glaubt, er dürfe alles essen; der andere
verzichtet auf Fleisch. Streitet nicht,
was besser sei. Wer isst, der verachte den nicht, der nicht isst; und wer
verzichtet, der richte den nicht, der isst; denn Gott hat jeden angenommen. Wer
bist du, dass du richtest? Ein jeder steht oder fällt Gott, seinem Herrn. Er
wird aber stehen bleiben; denn der Herr kann ihn aufrecht halten.
Ein anderer Fall: Der
eine hält einen Tag für heiliger als den andern; der andere aber hält alle Tage
für gleich. Ein jeder sei in seiner Meinung gewiss.
Wer besondere Tage,
besondere Essensvorschriften achtet, der tue es in Verantwortung vor Gott; wer
keine Besonderheiten achtet, der tue es
auch vor Gott.
Keiner lebt sich selber,
und keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir,
so sterben wir zu dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des
Herrn. Denn dazu ist Christus gestorben und auferstanden, dass er über Tote und
Lebende Herr sei.
Jeder von uns wird für sich
selbst Gott Rechenschaft geben. Mühen wir uns doch, dass niemand einem
andern Ärgernis bereite. Ich weiß und
bin gewiss in dem Herrn Jesus, dass nichts unrein ist an sich selbst; nur für
den, der es für unrein hält, ist es unrein.
Wenn aber dein Nächster an
deiner besonderen Art der Speise oder der Feiertage, Anstoß nimmt, musst du
dann deine Freiheit ausleben? Wäre das in Liebe getan? Bringe nicht durch deine
Vorliebe den in Gewissensqualen, für den Christus doch auch gestorben ist.
Das Reich Gottes ist nicht
Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen
Geist.
Den Glauben, den du hast,
behalte bei dir selbst vor Gott. Selig ist, der sich selbst nicht zu
verurteilen braucht, wenn er sich prüft. Wer aber dabei zweifelt und dennoch
isst, der ist gerichtet, denn es kommt nicht aus dem Glauben.
Was aber nicht aus dem Glauben
kommt, das ist Sünde.
Aus Römerbrief 14
Hier steht eine hochwichtige Klarstellung: Nichts ist
unrein, böse, verderbt an und für sich. Alles Geschaffene ist rein, echt, gut
von Gott her. Nur der Mensch kann es verderben und missbrauchen. Nur der Mensch kann es zum
Schaden oder zum Nutzen einsetzen, kann es für gut oder schlecht halten. Dein
Einschätzen, dein Bewerten macht es dir gut oder böse. Und deine Selbstgefälligkeit
macht dir deine Freiheit zur Rutschbahn in die Pleite.
Um die
große Wirklichkeit etwas übersichtlich zu machen, klassifiziert der Mensch die
Natur und ordnet sie sich zu. Auch unser Verhalten regeln wir miteinander,
damit wir nicht dauernd in Streit geraten. Um Nähe und Ferne, Fremde und Heimat
zu klären, gibt man sich Abzeichen, kleidete sich besonders, erklärt Speisen
für widerlich, für „out“, zum Beispiel Schweinefleisch- weil es mal dem Fleisch
des Wildebers nahekam, dem heiligen Tier der bedrohlichen Götzen.
Der Islam feiert den Freitag, Israel den
Sabbat-Sonnabend, die Christen den Sonntag. Jede Religion hat ihre hochheiligen
Tage- feiern wir sie doch mit, wenn wir eingeladen werden, laden wir zu Gast
bei unsern Festen, aber bieten nicht gerade nur Spanferkel an. Lernen wir
einander achten mit unsern verschiedenen Herkünften und Traditionen.
*
Gott und Vater
Was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre
geschrieben, damit wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben. Der
Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einverstanden seid miteinander, Christus Jesus gemäß.
Lobt Gott und den Vater unseres Herrn Jesus Christus.
Darum nehmt einander an, wie
Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob,
Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller
Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch
die Kraft des Heiligen Geistes.
Römerbrief 15,4-7,13
Das sind die Schlussworte des Paulus in seinem Brief
an die Gemeinde in Rom. Mächtig hat er sich ins Zeug gelegt, ein Grundgerüst
christlicher Theologie darzulegen. Ein Grundstein dazu ist das „Gott und Vater
Jesu Christi“ –Gott, das ist die Schöpferische Potenz, der Herr der Geschichte,
der Gebote -Geber und Richter, der Herr über Leben und Tod, Der Herr Zebaoth
(Herr der Heerscharen) Israels. Als Vater Jesu Christi bekommt er Jesu Antlitz,
kommt uns nah als der, der unser Leben mitlebt, und auf dem Grund des Leids als
Heilender uns aufnimmt. Ich kann dem Jesus seinen Gott nicht abschlagen (D.
Sölle). Der Jesus hat den dunklen und
mächtigen Gott „Vater „ genannt, er hat ihn
uns als Gott der Geduld und des Trostes vorgestellt. Mit ihm kann man es
wagen: Dir Geduld, für dich Trost und hoffnungsvolle Projekte.
* *
1.Korintherbrief
Mitarbeiter Gottes
Wer ist Apollos? Wer ist Paulus? Diener sind sie,
durch die ihr gläubig geworden seid, und dies, wie es der Herr einem jeden
gegeben hat: Einer hat gepflanzt, andere begießen, aber Gott lässt wachsen,
lässt geschehen. So ist nun weder der pflanzt noch der begießt etwas, sondern
Gott, der das Gedeihen gibt.
Wer gibt dir einen Vorrang? Was hast du, das du nicht
empfangen hast? Wenn du es aber empfangen hast, was rühmst du dich dann, als
hättest du es nicht empfangen?
1.Korinther 1,5-7; 4,7
Die beiden Briefe des Paulus an die Gemeinde in
Korinth spiegeln die Probleme der Urchristenheit wider. Die Gemeindegrößen rivalisieren
gegeneinander. Paulus müht sich zu schlichten: Ruhm und Ehre gelten Gott; wir
Menschen tun doch nur, was uns aufgegeben ist. Und sollen froh sein, wenn wir
ohne Schmach durchkommen. Was sind denn die Verdienste der einzelnen, gemessen
an der Wirkkraft des Herrn. Immer sind wir höchstens Verwandler, Finder,
Entdecker, Eltern, nicht Schöpfer. Auch
untereinander sind die Abstufungen an Wichtigkeit belanglos, gemessen an der
Urkraft des Einen. Wir zeugen, gebären, versorgen erziehen, Gott aber schafft.
Darum sollten wir bescheiden miteinander sein, wir, „die Ungrossartigen“
(DeLillo).
*
Als wie durch Feuer
Wenn aber jemand auf Gottes Grund baut Gold, Silber,
Edelsteine, Holz, Heu, Stroh- das Werk eines jeden wird offenbar werden; der
Tag des Gerichts wird’s klarmachen. Von welcher Art eines jeden Werk ist, wird
das Feuer erweisen.
Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat,
so wird er Lohn empfangen.
Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden
leiden; er selbst aber wird gerettet werden als
wie durch Feuer hindurch.
1.Korinther 3, 12-15
Das ist die deutlichste Äußerung über das Jüngste
Gericht, alle weitergehenden Höllenvorstellungen sind nicht christlich. Unsere
Taten werden alle noch einmal zur Sprache kommen. Und sie werden gewogen, sie werden geprüft. Und wir stehen
damit in der Prüfung der Geister. Ein Trost: Wie schwach auch unsere Taten
waren, mögen sie auch brennen wie Zunder- wir selbst werden gerettet werden,
sicher versengt, sicher gezeichnet, aber wir werden gerettet- weil eben nicht
wir uns das Bleiben bei Gott erwerben sondern es geschenkt bekommen.
*
Heiligsprechung des Leibes
Wisst ihr nicht, dass ihr
Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?
Verderbt nicht den Tempel Gottes. Denn der Tempel
Gottes ist heilig; der seid ihr. Ja, eure Leiber sind Glieder Christi, ihr
gehöret nicht euch selbst. Kostbar seid ihr. Preiset Gott mit eurem Leibe.
1.Korinther 3,16.17; 6,15.20
Es gibt religiöse Überzeugungen, auch in der Kirche,
die halten den Leib für ein Gefängnis
der Seele, halten ihn nur für Staub, für einen Klumpen Gier, ein Stück
Fleisch, dem Geist entgegengesetzt. Doch liebevoll spricht die Bibel vom Schöpfer,
der den Leib formte und ihm seinen Atem einhauchte; „Entzieh dich nicht deinem
Fleisch und Blut“ mahnt Jesaja 58,7. Im Hohen Lied der Liebe wird
zärtlich-schön vom Menschenleib gesprochen. Und wie viele Menschen mit
Gebrechen hat Jesus wieder hergestellt.
Paulus nun singt ein inniges Lied auf den Leib. Tempel Gottes ist er, also
Gottes Heimat, ein Ort seiner Offenbarung. Streicheln wir einen, berühren wir
auch Gott; verletzen wir eines Menschen Leib, tun wir Gott darin weh.
Nachdenklich macht auch, daß wir miteinander den Leib Christi bilden. Wir sind
uns nicht selbst genug.
*
Alles ist euer
Welt oder Leben oder Tod,
Gegenwärtiges oder Zukünftiges, alles ist euer,
ihr aber seid Christi, Christus
aber ist Gottes.
1.Korinther 3,21-23
Wieder die Fanfare der Freiheit: Alles Euer, alles
Euch anvertraut, dass wir damit glücklich werden und glücklich machen. Eins
nicht ohne das andere. Denn wir sind nicht Besitzer unserer selbst. Wir sind
Gottes Mitarbeiter, Handlanger, Wegbereiter. Sind Christi „Heilsarmee“, sein
Freuden-Corps, sein Erste-Hilfe-Team.
Wichtig auch:
Wir gehören nicht dem Tod, sind nicht definiert durch Tod. –Das muss man mal
durchdenken; dann wird die endlose Sterbeliteratur echt überflüssig und das
eigene Sterben ist nicht des langen Redens wert.
*
Kein Recht zum Richten
Jeder halte uns für Diener
Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse.
Vertrauenswürdig lasst uns sein. Und wenn ihr mich
beschuldigt- es ist nicht tragisch, von
Menschen gerichtet zu werden.
Auch soll ich mich selbst nicht richten. Selbst wenn
ich mir keiner Schuld bewusst wäre, rechtfertigt das mich nicht. Der Herr
ist’s, der mich richtet.
Darum richtet nicht vor der Zeit. Wenn der Herr kommt,
stellt er alles in sein Licht.
1.Korinther 4,1-5
Das beschafft uns Freiheit: Wissen, dass Gott uns
richtet und zwar herrichtet, nicht hinrichtet.
Da sind die Verurteilungen von Menschen, weil vorläufig,
vernachlässigbar und auch die eigenen Selbstbeschuldigungen sind für die Katz.
„Liebe, und tu, was du willst !“- das Wort des Kirchenvaters Augustin eröffnet
einen weiten Horizont.
´Treue Haushalter an Gottes Geheimnissen- das ist ein
scharfer Auftrag besonders für Menschen, die mit Theologie beschäftigt sind.
Sie sind in Versuchung „ Gedanken mit ungeheuren Stelzschritten zu machen, die
Erfahrung nur mit winzigen Sohlen berühren“ (R.Musil). Treu sei damit
beschäftigt, das Geheimnis „Gott liebt dich und braucht dich“ zu wechseln in
die Münze des Alltäglichen.
*
Und das
unter Brüdern
Wie kann jemand von euch, wenn er einen Streit hat mit
einem andern, sein Recht suchen vor weltlichen Gerichten statt in der Gemeinde?
Wenn ihr rechtet, nehmt solche, die in der Gemeinde
nichts gelten, und setzt sie zu Richtern.
Überhaupt: Es
ist schon schlimm genug, dass ihr miteinander zankt. Warum lasst ihr euch nicht
lieber Unrecht tun? Warum lasst ihr euch nicht lieber übervorteilen? Statt
dessen tut ihr Unrecht und übervorteilt, und das unter Brüdern!
Aus 1.Korinther 6,1-8
Paulus lockt, sich
lieber übervorteilen zu lassen als vor Gericht zu ziehen. Aber wir haben
zu gern recht. Und recht behalten, schriftlich mit Brief und Siegel, das hebt
und beruhigt. Doch mit einem Gegner Frieden zu schließen, auch wenn das teuer
kommt, bringt viel mehr Lebensqualität als ihn vor Gericht niederzuringen- und
er sinnt weiter auf Genugtuung und Rache, legt weiter Steine in den Weg. Das
Anliegen des andern verstehen, damit fängt die Umkehr zum Frieden an. Dazu Rat holen bei denen, die nichts zu sagen
haben, das hilft zu einem Blick „von unten“. Aber christliche Gemeinde- wo ist
sie anfassbar, einladend, überzeugend?
*
Alles ist mir erlaubt.
Aber nicht alles baut auf. Alles ist mir erlaubt, aber
nichts soll gefangen nehmen. Jeder hat seine eigene Gabe von Gott, der eine so,
der andere so.
1.Korinther 6,12;7,7
Paulus intoniert hier die große
Freiheit. Als Sohn, Tochter Gottes ist dir alles erlaubt, was nicht schadet.
„Schutz vor der Überredungskunst der Begierde“ (R. Musil) aber ist der Wink,
daß wir als Bauleute Gottes gefälligst förderlich zu sein haben. Ja, wir sind
freigesprochen, Glück zu suchen, wo wir wollen, wenn es nicht auf Kosten
unseres Nächsten und der Schöpfung
geht.
Sieh zu, was du dir
schuldig bist. Nichts soll dich gefangen nehmen, heißt: Werde keines Menschen,
keiner Sache Knecht. Sieh zu, daß deine
Entscheidungen dir und anderen Raum schaffen, nicht Einengung.
Weil jeder seine Gaben hat,
sind gemeinsame Sittengesetze so schwierig- Paulus gibt die damals üblichen
Umgangsregeln als Christenpflicht aus und nimmt damit von der Freiheit viel zurück.
Wir müssen unsere Regeln für heute finden. Achten wir darauf, die Gaben blühen
zu lassen und keinem zu schaden.
*
Stellvertretung
Der ungläubige Mann ist
geheiligt durch die Frau und die ungläubige Frau ist geheiligt durch den
gläubigen Mann.
1.Korinther 7,15
Wunderbar, diese großzügige Stellvertretung- einer
wird heil durch den andern. Einer lernt vom andern, wird friedlich durch den
andern. Wir müssen nicht gleich sein, im Gegenteil: Laßt uns die Gaben auch dem
andern zugut haben. Und der andere braucht auch nicht die christliche
Konfession anzunehmen. Du kannst deinen Partner anders sein lassen, auch er ist
von Gott geliebt.
*
Die Zeit ist kurz
Habt ihr einen Gefährten, so seid, als hättet ihr
keinen; und die weinen, seien, als weinten sie nicht; und die sich freuen, seien,
als freuten sie sich nicht; und die kaufen, seien, als behielten sie es nicht;
und die diese Welt gebrauchen, verbraucht
sie nicht.
1.Korinther 7,29-31
Paulus meint, im Blick auf die Kürze der Erdenzeit ist
nur das Leben aus Glauben wichtig, am Wichtigsten das Weitersagen des Glaubens.
Alle rundum müssen noch die Chance haben, sich zu bekehren, denn gleich ist
Weltuntergang und der Himmel steht vor der Tür.- Da, ist Verheiratetsein oder
nicht, allein sein oder zu zweit sein, unwichtig, Weinen oder Lachen –nicht
entscheidend, wichtig nur ist: Glaube,
Liebe, Hoffnung.
Das Reich Gottes fängt mitten unter uns an im Tun des
Nötigen. Ja , wir dürfen auch feiern,
genießen, Freude haben aneinander. Aber nimm aus deinem Besitzen nicht deine
Würde. Und Weinen und Lachen hat seine Zeit, halte nichts fest. Einen lieben
ist nicht alles, mit dem Geliebten Wichtiges betreiben ist gut. Hetz nicht,
dich nicht, andre nicht, sondern sei dankbar hier auf dieser schönen, armen
Erde. Mach Geschäfte aber übervorteile nicht,
nutz die Welt aber nicht verhunze sie nicht - denn im Angesicht der Ewigkeit
ist aller Egoismus verrückt und alles Versinken in der jeweiligen
Befindlichkeit ist Zeitverschwendung. Paulus ruft uns in eine messianische
Lebensweise: glücklich machen ist Glück, setz keinen Eigentumsanspruch durch. Verhandle,
berate dich, such Kompromisse. Und freu dich aus ganzem Herzen, wenn Freude dir
vergönnt ist. Jesus hat sich oft gefreut.
*
Wie der Andere werden, ihm zugut Ich
bin frei von jedermann und jedermanns Knecht. Denen unter dem Gesetz,
bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden – denen ohne Gesetz bin ich wie gesetzlos geworden. Den
Schwachen bin ich ein Schwacher, den Starken ein Starker geworden, damit ich
sie alle gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf viele Weisen
einige rette.
1.Korinther 9,19-22
Dies zeichnet den geistig gesunden Menschen aus. Er
lebt in Gesellschaft, ist aber nicht ihr Gefangener. Er kann abwägen, was dem
Andern Sitte, Anstand, Regeln, Ordnung, Manieren bedeuten. Er kann als Gast das
an in diesem Haus Übliche tun, läßt aber seinen Gästen ihr Gewohntes, läßt
ihnen ihren Spieltraum, es bricht ihm
keinen Zacken aus der Krone, wenn er ihnen ihren Gebetsritus lässt auch in
seinem Hause. Er bedenkt, was etwas bedeutet. Er macht nicht sein Wissen zum
Maß aller Dinge, gibt nicht in gleicher Münze zurück. Er kann Wichtiges vom
Unwichtigen unterscheiden, er muß sich seine Unabhängigkeit nicht dauernd
beweisen. Mit sich im Reinen kann er vieles zulassen, Er lässt jedem seine Ehre,
stößt wenig vor den Kopf.
Nicht zwingen, nicht imponieren
wollen, ist große Kunst.
*
Stadion und Kirche
Alles tue ich für den
Glauben, ich will ihn wirklich leben.
Die Sportler sind mir ein Vorbild, sie kämpfen unermüdlich, beherrschen
sich, schinden sich, verzichten. Alle rennen sich die Kehle aus dem Hals,
obwohl nur einer gewinnt, und der Siegespreis ist sehr vergänglich. Dagegen wir
– wir erringen doch einen ewig gültigen Siegeskranz. Da
können wir uns doch wirklich für das Evangelium ins Zeug legen.
1.Korinther 9, 24f
Paulus bewundert die
Leistungssportler; ja, er sieht sich auch als getrieben und will hoch hinaus,
er will ein guter Zeuge des Jesus Christus sein. Andere sollen an ihm Mut
fassen, das Leben zum Besten zu kehren. Sehend, wie sich die Sportler
zusammennehmen und auf so vieles verzichten, will er auch die Zähne
zusammenbeißen- will lieber vergeben als verfluchen, lieber teilen als raffen,
will lieber dienen als sich bedienen zu lassen.
Paulus sieht als Teilhaber
des Jesus ein großes Glück voraus, was zählen da die Mühen heute, fragt er.
Da muss ich mich doch
fragen: Wo ist mein Kampfplatz heute, wo
ist mein mich Selbstbesiegen nötig?
*
Gewissensfreiheit, hurra
Sollte ich etwa das Gewissen
eines andern über meine Freiheit urteilen lassen?
Wenn ich’s mit Danksagung genieße- was soll ich mich
anschwärzen lassen, wofür ich danke? Ob ihr nun esst oder trinkt oder was ihr
auch tut, das tut alles zu Gottes Ehre. Aber wichtig auch: Erregt möglichst
keinen Anstoß.
1.Korinther 10,29-31
Hier ist die Freiheit eines Christenmenschen herrlich
herausposaunt: Wenn ich für etwas Gott danke, nehme ich es als Geschenk, als
Anlass zur Freude. Wenn ich mit ganzem Gewissen mich mit Gott eins weiß, muß
ich mich nicht schuldig machen lassen von einem, dessen Gewissen anders
„tickt“. Aber ich soll auch kein
Aufsehen erregen, ich darf nicht protzen mit meiner Freizügigkeit. Gott zum
Mitwisser haben, das drängt mich auch, behutsam zu sein. Frage ist, ob ich
lügen darf um keinen Anstoß zu erregen.
Kann es sein, daß der Schöpfer selbst dem Menschen die
Fähigkeit zu lügen verliehen hat „damit er in schweren Momenten seelischer
Spannung das Geheimnis des eigenen Nestes hüte, so wie es die Wildente und der
Fuchs tun.“ (Anton Tschechow)?
*
Viele Gaben - ein Geist
Es sind verschiedene Gaben;
aber es ist ein Geist.
Und es sind verschiedene Ämter;
aber es ist ein Herr.
Und es sind verschiedene
Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.
1.Korinther 12,4-6
Wir sind verschieden. Wir
haben verschiedene Gaben, Interessen, Freuden, Biorhythmen, wir verkraften
verschieden, wir wollen und können Verschiedenes, ein jeder auf seine Weise.
Aber darin treibt ein Geist sein Wesen, ein Heiliges ist in uns allen am Werk.
Darum fließt Einvernehmen als Strom in uns allen. Lasst uns diesen leichten Sog
immer bedenken.
Und es sind verschiedene Ämter, Berufe,
Ebenen, aber es ist ein Dirigent, ein Treiber, der sein Werk in uns spielt.
Darum lasst uns aufeinander hören, einander zuarbeiten, einander fördern und
nicht in den Schatten stellen.
Und es ist ein Streben in
uns allen, das wir wirken lassen sollen entgegen allem kleingeistigem Egoismus. Die Triebkraft in uns
ist letztlich Gottes Wirken in uns- das zu wissen bremse uns vor
Schlechtigkeiten. Spannend, das alles.
*
Die Gemeinde: Viele Glieder -
ein Leib
Ein Leib hat viele Glieder. So auch Christus und wir.
Wir sind durch Christi Geist alle zu einem Leib getauft, sind alle mit einem
Geist getränkt. Wir sind viele Glieder, aber der Leib ist einer. Und kein Glied
kann zum andern sagen: Dich braucht der Leib nicht. Wie das Auge nicht sagen
kann zur Hand: Ich brauche dich nicht; oder auch das Haupt zu den Füßen: Ich
brauche euch nicht.
Glieder sorgen füreinander: Und wenn ein Glied leidet,
so leiden alle Glieder mit. Und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle
Glieder mit.
Wir, christliche Gemeinde, sind
der Leib Christi und jeder von uns ist ein Glied, jeder mit eigenen
Gaben.
Aus 1.Korinther 12,12-27
Wir sollen uns gegenseitig ehren und achten. Wir sind
alle dem Leib wichtig, nötig, unersetzlich. Christus hat Kirche und die ganze
Menschheitsgesellschaft als Leib. Kirche und Menschheitsgesellschaft haben verschiedene Ämter und verschiedene Autoritäten, verschiedene Berufe
und Verantwortlichkeiten. Sie sollen alle ihre Arbeit tun und ihren Lohn
empfangen.
Eigentlich sollen wir gern für den Leib arbeiten
und vom Leib genug zum Leben bekommen -aber
in einer Welt der knappen Vorräte und des begrenzten Fleißes und der
verschiedenen Leistungsfähigkeiten muss
nachgedacht werden, wie man fürs Ganze die Fähigkeiten locker macht und seine
Begabungen zu Markte trägt.
Für viele Gaben und Fähigkeiten ist Geld ein zweckmäßiger Wechselstoff. Unter
Brüdern und Schwestern sollte Hilfe in der Not nicht eine Frage des Geldes
sein. Doch wer etwa die Eltern fürsorglich begleitet- dem soll es von den
Geschwistern auch vergütet sein.
Menschengemeinde zum Reich Gottes wird, werden wir
uns zu bescheiden lernen. Dann nehmen wir nur, was wir brauchen- und arbeiten
mit, wie wir Lust und Liebe und Kraft haben. Und wenn wir nur nehmen, was wir brauchen, wird
genügend bleiben auch für die, die weniger Leistung beisteuern können.
Christliche Gemeinde sollte Modell und Schrittmacher
für die große Gemeinschaft werden. Ob die eigene Kirchengemeinde einen Hauch von gemeinsamem Leben hat, hängt
wesentlich an geistvollen Gottesdiensten, die den Leib Christi auferbauen.
*
Das Hohelied der Liebe
Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und
hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein mißtönender Gong oder nur eine klirrende
Glocke.
1.Korinther 13,1
Die bewußt mitfühlende Seele sieht schmerzlich sich
getrennt von den anderen Lebewesen; die Liebe macht den Versuch, das Getrennte
zu verbinden. Also ist alle Poesie- und
auch dieses begnadete Gebet des Paulus- hinfällig, ist nur Gerede, wenn sie
nicht zum Menschlichsein erhebt. Viele Predigten klirren, viele gutgemeinten
Worte sind nur eitel. Viele Politikerreden strotzen vor Selbstgefälligkeit.
Aber Worte aus Liebe machen den Hörenden schön. Ohne Liebe ist die Wahrheit ein
Untier; Sprache soll verbinden, ohne Liebe fertigt sie nur ab.
Erkenntnis ist zu wenig
Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle
Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge
versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.
1.Korinther 13,2
Erkenntnisse aus der Zukunft, aus der Tiefe- alles
Weltwissen- schön und gut. Auch Glaube, der Wirklichkeit bezwingen kann- schön
und gut. Aber ohne Liebe ist all das nicht der Rede wert. Was nützt mir Wissen,
wenn es nur durchschaut und nicht Flügel
macht? Leben verstehen kann nur die Liebe, weil sie hinübersetzt zum anderen.
Aufhören, jemand zu lieben, das
verneint, verneint auch mich selbst. Kein Wissen, kein Haben- nur Lieben rettet
vor dem Nichtsein.
Verzicht reicht nicht
Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe
meinen Leib als Fackel brennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mirs nichts
nütze.
1.Korinther 13,3
Verzicht kann Andern viel
bringen. Aber ist es nicht aus Liebe getan, ist es mir vergeblich. Anderen kann
meine Mildtätigkeit das Leben retten. Aber ist es nicht getan aus Seelenverwandtschaft,
aus dem Spüren: der Hunger leidet, der bin ich selber - dann mag ich soviel
nützen, daß ich den Friedensnobelpreis bekomme- ich selber gehe ohne Liebe leer
aus.
Langmütig, freundlich
Die Liebe
ist langmütig und freundlich, die Liebe neidet nicht, die Liebe prahlt nicht,
sie bläht sich nicht auf.
1.Korinther 13,4
Ja, so wollen wir geliebt
sein. Und wissen auch, was andere
brauchen. Lieben heißt ja trotzdem lieben, nicht wegen etwas. Dass einen eine
Art Zärtlichkeit überfällt für diesen
Menschen gerade vor mir, mit seinem erschöpften Gesicht. Und daß ein Mensch da
ist, ohne den man nicht leben möchte.
Dies Übergreifende, dies
Zusammengehören fördern durch Gönnenkönnen! Andere im Spiel halten, sie nicht
in den Schatten stellen, nicht aufrechnen, immer noch einmal Frieden machen-
Lebensarbeit eben. Und immer wieder vorerst nur Momente gelungener Nähe.
Liebe ist ausdauernd
Die Liebe verhält sich nicht
verrückt, sie sucht nicht das Eigene, sie lässt sich
nicht erbittern, sie rechnet
das Böse nicht zu.
1.Korinther 13,5
Das Größte, was das Leben bietet, sind
Liebesmöglichkeiten. Also nicht zu verletzen, diskret, höflich, klug das Seine
tun; Und mich dem andern aufschließen und er sich mir. Liebe macht Egoismus
wenigstens bewusst, sie müht sich um Fairness, gesteht im guten Fall dem andern
mehr Recht zu als man sich selbst nimmt. Sie lässt sich nicht bitter machen,
Kränkungen kann sie ein Stückweit wegstecken, sie versteht, hält zugute,
entschuldigt, kehrt zum Besten. Sie gibt
am liebsten so, „ dass die Gabe aussieht, als sei sie des Empfängers Eigentum“
(Kierkegaard). Sie verhilft dem andern, er selbst zu werden. Und sie hält sich
nicht für eine Leistung, sie geschieht und das genügt ihr.
Sie freut sich
Die Liebe freut
sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit;
1.Korinther 13,6
Liebe lässt frei, sie zwingt nicht. Sie nutzt die Not
des andern nicht aus. Von Natur aus streben wir nach Macht -
den besten Brocken selber zu essen; Ungerechtigkeit ist das Ursprüngliche;
Liebe das Heilende.
Die Wirklichkeit mit Augen der Liebe sehen, das vermag
der Glaube. – Er kann auch Geheimnisse hüten, auf verfängliche Fragen verzichten,
entschuldigen und in die Wahrheit leiten. Die Wahrheit einer Ehe, einer
Freundschaft, einer Gruppe mus sich erst einfinden auf langem Weg. Dazu hilft
auch, die Tragweite des Wortes auf der Zunge noch mal prüfend zu schmecken, ehe
es entschlüpft.
Sie
trägt Alles,
sie glaubt in Allem, sie
hofft für Alle, sie duldet Alles, dem Nächsten zu gut.
1.Korinther 13, 7
Unser kleines Lieben vermag das alles nicht, wir
kommen schnell an unsere Grenzen. Aber Gottes Lieben erschafft die Welt und
befeuert uns mit Elan. Wenn ich auch schwächle in Sachen Liebe, will ich doch
Gott meine Hände, Geist und Körper leihen, will Zusammengehören leben.
Das Hohelied auf die Liebe ist auch ein Abgesang aufs
Siegenmüssen. Das Gesetz dieser Welt lautet: For winners only. Christus aber erringt den Sieg übers
Siegenmüssen. Dienen, lieben ist der Weg in die Wahrheit und zum Leben.
Die Liebe hört niemals auf,
wo doch das prophetische Reden aufhören wird und unser
Können ein Ende nimmt und Erkenntnis vergeht. Denn unser Wissen ist Stückwerk
und unser Können Bruchstück. Das Stückwerk wird aufhören. Das Vollkommene wird
kommen.
1.Korinther 13,8-10
Es ist eine erotische, zu einander drängende,
aneinander hängende magnetische Energie, die die Welt im Innersten
zusammenhält. Alles endet, alles hochgeschätzte Vermögen ist nur vorübergehend
wichtig. Das Vollkommene aber wird das Stückwerk aufnehmen und ins Ganze
einpassen. Alles wird an seinen Platz finden durch die Liebe.
Bruchstückweise
Wir sehen jetzt wie durch einen beschlagenen Spiegel
ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich
stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich von immer her gemeint bin.
1.Korinther 13,11.12
Jetzt ist alles vorläufig, ist Übung, Ouvertüre,
Ahnung, Entwurf. Jetzt schimmert uns nur
eine Idee von Vollkommenheit. Dann aber, ja dann... Dann schauen wir Gott Auge
in Auge. Dann sehen wir sein Angesicht leuchten und sein Strahlen macht uns
hell. Dann werden ich erkennen, wie ich von Anfang an gemeint bin; wie ich
schon immer belichtet war- jetzt ist es entwickelt von der Liebe: Nach all dem
irdischen Gewese werde ich mich erkennen
als Kind Gottes ganz und gar.
Nun aber
bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die
Liebe ist die größte unter ihnen.
1.Korinther 13,13
Glauben ist das Vertrauenswissen, zu Gott zu gehören.
Hoffnung ist der Elan, dass morgen weniger geweint und gelitten wird. Beides
bringt mein Lebensschiff durch die Zeit. Aber dass wir einander nähren können,
einander ergänzen können, einander Auferstehung vom Sogutwietotsein beschaffen
können, das ist das Größte- zusammen zu gehören in Verschiedenheit. Wir werden
nicht ins Private versinken, zufrieden, für unsere Person das Schlechte zu
meiden. Wir werden uns bemühen, dass auch in der Politik Liebe das Größte ist-
wir wollen mit den Menschen ringsum in gutem Einvernehmen, in Sympathie, in Frieden
zu leben. Das Reich Christi ist Glaube, Liebe, Hoffnung in Aktion.
Wie die Trinität der Kardinaltugenden zusammengehört?
Der Glaube neigt uns einander zu, macht uns verantwortlich füreinander. Gott will uns füreinander, das schenkt und
fordert uns ab die unantastbare Menschenwürde. Deren Krone ist die Liebe. Sie
ist immer voll Hoffnung für den Nächsten.
Und das Größte ist die Liebe, weil sie Gottes Energie selber ist, die
„feurige Flamme des Herrn“ (Hohelied Salomos 8,6).
*
Gott ist nicht ein Gott der
Unordnung, sondern des Friedens.
1. Korinther 14,44
Unordnung im Verkehr, im
Haushalt, im Kopf, ist gefährlich und anstrengend und lebensfeindlich.
Herrlich, daß wir auf Strukturen geeicht
sind, die Zusammenleben organisieren. Wir alle halten uns lieber in einer
aufgeräumten Küche auf als in einer verdreckten. Uns ist eine schwache
Magnetisierung auf Frieden hin mitgegeben. So können wir Unordnung außen und Chaos in uns
bändigen. Freuen wir uns des sanften
Druckes in Richtung Fairness und
Teamgeist. Weil uns dieser Geist
zusammenhält, zerstieben wir nicht.
*
Die älteste Nachricht
von Jesus Auferstehung
Ich erinnere euch an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das
ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch selig
werdet, wenn ihr’s nur festhaltet. Als
Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus
gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden
ist und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift und dass er
gesehen worden ist von Petrus, danach von den Zwölfen.
Danach
ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen
die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen.
1.Korinther 15,1-7
Das
ist die weitest zurück in die Geschichte reichende Urkunde christlichen
Glaubens. Der 1.Korintherbrief ist wohl um 60 nach Christi Geburt geschrieben,
also 30 Jahre nach Jesu Tod. Paulus hat
schon in gestanzter Sprache („nach der Schrift“) die Mitteilung des Todes
überliefert bekommen. Dieser Text ist also noch nah am Geschehen.
Die
Tatsache von Jesu Sterben scheint immer
schon zusammengeschweißt zu sein mit Glauben von seiner Bedeutsamkeit. Aber Paulus war der erste
Wort- und Sinnfinder für die Dramatik der Kreuzigung
Christi, doch auch er
sieht sich schon in einer Kette von Gläubigen. Er sagt,
er habe das Credo, den Glaubensinhalt, empfangen. Wir sind also bei diesem Text historisch ganz nah an der Quelle des
christlichen Glaubens.
Auferstanden ist Jesus „nach der Schrift“, also entsprechend
den Weissagungen, etwa: „Deine Toten werden leben“ (Jeaja 26,19) oder „Du Gott hast mich von den Toten heraufgeholt“
(Psalm 30,4); und „Mein Erlöser lebt, er wird mich über den Staub erheben“
(Hiob 19,25). Jesus hat „das Zeichen des Jona“ (Matthäus 16,4) auf sich hingedeutet-
die drei Tage im Bauch des Fisches kann
man lesen als verschlungen im Bauch des Todes, bis er wieder ausgespuckt wurde.
Hochwichtig ist: „Er ist ihnen erschienen.“ Das ist
mehr, als nur: „sie sahen ihn“, was als Vision in Richtung Halluzination
abgetan werden könnte. Auferweckung ist
ein Geschehen, das Jesus passiert ist, ihm angetan wurde. Auch die
Begegnung mit dem Auferstandenen ist „angetan“ worden den Zeugen, die noch namentlich
bekannt sind.
Es scheint keine neutralen Berichterstatter dieses
Geschehens gegeben zu haben. Was darauf hindeutet, dass diese Begegnung keinen
neutral ließ. Im Akt der Erfahrung des Auferstandenen wurden die Jünger zu
Aposteln berufen, die andern Zeugen wurden
zur Urgemeinde umgeschmolzen. Auch wenn keine objektive Berichterstattung
vorliegt, können und dürfen wir die Auferstehung Jesu als passiert und als historisches Faktum wissen. Viele gingen
in den Märtyrertod -für eine aus der Luft gegriffene Idee tut man das wohl
nicht.
Die Begegnung mit 500 Menschen ist wohl identisch mit
dem Pfingstereignis (Apostelgeschichte 2). Paulus legt wert auf nachweisbares
Passiertsein; etliche Zeugen des Auferstandenen leben noch und sind
befragbar.
Der Nachzügler wird zum Frontmann
Zuletzt von allen –wie eine Nachgeburt ist Christus
auch mir (Paulus) erschienen. Ich bin der geringste unter den Aposteln- ich bin
nicht wert, dass ich ein Apostel heiße- ich habe doch die Gemeinde Gottes
verfolgt.
Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und
seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr
gearbeitet als sie alle; nicht aber ich habe das bewirkt, sondern Gottes Gnade,
die mit mir ist.
1.Korinther 15,8-10
Paulus hat eine ihm allein geschehene Begegnung mit
Christus ( Apostel-geschichte 9). Die hat sein Ich umgekrempelt. Zwar bleibt
der Makel, daß er die Urchristengemeinde verfolgt hat. Aber diese vormalige
Blindheit will er wieder gutmachen mit übermenschlichem Missionsfleiß. Rührend,
wie Paulus jedes Verdienst von sich weist und alles Erkennen und Fleißigsein
als Gnade kennzeichnet.- Dann aber rühmt
er sich doch wieder seines unermüdlichen Einsatzes wegen.
Paulus muss um Anerkennung kämpfen. Es herrscht harte
Konkurrenz in der Urkirche: Wer hat das wahre Evangelium? Und da haben Petrus
und die andern Jünger mit der Glorie des alten Jüngerkreises um Jesus große
Strahlkraft.- Aber Paulus hat die
besseren Argumente für die Einzigartigkeit des Christus. Er zieht die Christen
aus dem Schattendasein einer jüdischen Sekte - er nennt sie „Die Gemeinde
Gottes“. Und er zielt von Anfang an nach Rom-
also auf Weltkirche.
Christus muss auferstanden sein
Wie können einige von euch sagen: Es gibt keine
Auferstehung der Toten? Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch
Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre
Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. Und wir sind noch in
Sünden. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die
elendesten unter allen Menschen.
Aus 1.Korinther 15,12-19
Die Auferstehung der Menschheit, ja, aller Kreatur,
vollendet die Schöpfung. Darum muss sie geschehen, Gottes Vollkommenheit hängt
daran. Darum wäre ein christusgemäßes Leben allein hier in irdischer Existenz
nur Bruchstück und Jammer. Mit der Auferstehung Jesu Christi fängt Gott seine
Vollendung an. Jesus ist der
Brückenmensch von dem Ufer Jetztzeit zum andern Ufer der freudenvollen
Ewigkeit.
Durchbrecher des Todes
Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als
Erstling derer, die gestorben sind. Ihm folgen wir alle. Wie mit dem ersten
Menschen der Tod in die Welt gekommen ist, so kommt durch den Leuchtfeuermensch
Jesus die Auferstehung der Toten. Als Adams und Evas Kinder sterben wir alle, als Christi Geschwister
werden wir alle lebendig gemacht werden.
Dann, wenn auch der letzte Feind, der Tod, vernichtet
sein wird, und alles Widerstehende durch Christus unterworfen ist, dann wird
Gott sein alles in allem.
Aus 1.Korinther 15,20-28
Paulus stellt sich die Rettung als Erlösungsprozession
vor. Jesus hat dem Tod die Macht genommen, und führt den Auferstehungszug aus
den Gräbern an. Als Endlosgirlande stehen wir alle auf, wenn eine
Riesen-Posaune den Jüngsten Tag anstimmt. Dann erstehen die Toten- erst werden
die eben noch Lebenden mit in die Höhe gerissen, dann die aus den Gräbern. Und
alle werden zum heilenden Gericht vor Gott versammelt.
Uns ist dieses Weltbild abhanden gekommen. Was uns
bleiben könnte, ist der Triumph Gottes, die
Schöpfung zu vollenden. Und dann hat auch der Tod ausgedient als Taktschläger der Generationen. Dann wird Gott
alles sein, mit uns dabei. Aber dafür fehlen uns die Worte und die Bilder. Denkbar,
dass dann Gott nicht mehr nur „da“ ist, sondern alles Dasein ist dann Gott.
Gott wird sein alles in allem
1.Korintherbrief 15,28
Das meint wohl, Gott wird alles durchfluten. Alles
wird Zelle am Baum Gottes sein. Alles, was noch jetzt sich gegen Gott stellt,
wird er dann in sich einverleibt haben, alles Böse wird verdaut sein, alles
Isolierte wird heimfinden. Im Weltbild
der Physik ausgedrückt: Wie einmal von einem Urpunkt die ganze Schöpfung sich
entfaltete, so wird sie am Ende der Zeit wieder eingeatmet. Mit aller Ernte der
Erfahrung holt Gott seine Kreaturen wieder zurück in sich. – Wie das gehen
soll, wissen wir nicht, wir werden sein wie „die Träumenden. Mund voll Lachens“
(Psalm 126)- das dürfen wir wissen.
Leben aus der Auferstehung
Wenn die Toten nicht auferstehen, dann „lasst uns essen
und trinken; denn morgen sind wir tot!“
1.Korinther 15, 33
Knallhart behauptet Paulus, das
Leben ohne Auferstehungshoffnung sei sinnlos.
Dabei haben viele atheistisch Gesonnene als
Kommunisten z.B. heldenhaft gegen Hitler
und später auch gegen Stalin gekämpft; sie sahen Sinnfülle genug darin, die
Menschenrechte vorwärts zu bringen, „und
im Menschheits-gedächtnis eingeschreint zu sein“ (E. Bloch). Kann man
nicht Gutes tun, einfach weil es gut
ist, Gutes zu tun? Hat es nicht seine Belohnung in sich?
Aber Paulus spricht eine Ahnung aus: Wichtiges, das
wir tun, hat einen weiten Horizont. Jedes Lieben hat doch den Schein von ewig
Gültigem bei sich, all unser Tun ist Anfang von Etwas. „Und alle Lust will
Ewigkeit“ (Goethe). Unser Wünschen scheint auf eine geheime undenkbare Hoffnung
hinzudeuten, dass wir in ein anderes Leben fliegen, befreit an Geist und Leib
und Seele mit einer vollendeten Schöpfung. Wie sollte der, der uns solches Wünschen mitgegeben hat, zuletzt unseine
lange Nase drehen?
Der neue Leib bei der
Auferstehung
Es gibt himmlische Körper und
irdische Körper; jeder mit eigener Herrlichkeit.
Einen eigenen Glanz hat die Sonne, einen andern Glanz
hat der Mond, einen andern Glanz hat das irdische, einen andern Glanz hat das
himmlische Leben.
Ein natürlicher Leib geht dahin und auferstehen wird ein geistlicher Leib. Der
erste Mensch, der alte Adam, die alte Eva- sie wurden zu lebendigen-
sterblichen Wesen und der neue Mensch Christus
bringt den Geist, der aus sterblich lebendig macht.
Wie wir noch
das Bild des irdischen Adams in uns tragen, so ist uns auch eingeprägt das
Bild des himmlischen Menschen Christus.
Aus 1.Korinther 15,40-49
Genaues weiß Paulus auch nicht, nur dies: Wir
sterblichen Kinder Adams und Evas sind auch Geschwister des Christus, und als
solche unsterblich mit ihm. Wir tragen schon auf unsern irdischen Antlitzen das
Strahlen aus dem Himmel. Dass wir von Gott erwartet werden, das wird uns auch
einen neuen Leib bescheren. Unser Geist, wenn er Gehirn und Fleisch hier zurücklässt,
wird verwandelt und neu eingekleidet werden. Wie, das weiß Paulus auch nicht.
Und dann müssen wir es wohl auch nicht so genau wissen.
Dem Tod ist sein Stachel
gezogen
Wenn aber das Verwesliche anziehen wird das
Unverwesliche und das Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann ist
der Tod verschlungen vom Sieg. Dem Tod ist sein Stachel, der von der Sünde kam,
gezogen.
Gott aber sei Dank, der uns den
Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!
Aus 1.Korinther 15,54-57
Der Tod ist ja für sich genommen ein Knecht Gottes. Er
ist ja das Mittel der Schöpfung, dass Generationen sich ablösen können und so
neue Mischungen von Genen und Erfahrungen gelingen. Was den Tod giftig macht ist, wenn
er der Schluss für uns mit allem wäre.
Und das ist das Gift der Sünde, dass sie nach
Verneinung, Lieblosigkeit, Vernichtung, Tod
schmeckt. Weil wir so viel Zeit und Chancen vertan haben werden, werden wir
schuldbeladen von der Erde gehen und dann nichts mehr gutmachen können. Das macht das Sterben bitter. Aber all diese
Todesschatten sind mit verschlungen in den Sieg des Lebens. Christus ist die
Leuchtschrift in jeder Seele: Gott wirft unsere Schuld hinter sich und wird
allen Opfern das Verlorene erstatten in Fülle.
*
Maranata
Unser Herr kommt. Ja, komm
bald, Herr.
1.Korinther
16,22b
Der
alte aramäische Gebetsruf in der Sprache der Jerusalemer Urchristen:
“Maranata“ strahlt Sehnsucht und
Gewissheit aus. Es steckt in uns allen wohl ein Ausschauhalten nach Fülle und Vollendung, nach
immerwährendem Geliebt- und Umfangensein. Eine
Verkörperung des Sehnsuchtszieles ist
die Lichtgestalt Christus. Gläubige sehen ihn schon auf sich zukommen. Das
Kinderspiel „Wer kommt in meine Arme“ hat etwas vom Heimlaufen in ein großes
Rettendes. Wir haben wohl diesen Ruf nach Hause lebenslang bei uns.
* *
2. Korintherbrief
Gnade
sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn Jesus
Christus! Gelobt sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater
der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes. 2.Korinther
1,2.3
Gott
ist uns väterlich-mütterlicher Lebensgrund, er ist uns die Lebenskraft. Das wissen wir durch Jesus Christus, der ihn
zuerst Vater, ja “lieber Vater“ (Markus 14,36) nannte. Dem Jesus nach dürfen auch
wir Gott „Vater“ nennen. Abgesehen von Christus ist er jedenfalls „Gott“,
Schöpfer, Richter, Vollender, auch Geleiter der Seinen. Aber von Jesu wissen
wir, dass Gott unser aller Vatermutter ist - Liebe, Trost, Barmherzigkeit sein
Wesen ausmacht. Gnade und Friede erbitten von dem Gott,
den Jesus Christus uns nahe gebracht hat, ist das tägliche Brot des Glaubens.
*
Allen Pfarrern ins Stammbuch
Nicht dass wir Herren wären über euren Glauben, sondern
wir sind Gehilfen eurer Freude; ihr steht im Glauben.
2.Korinther 1,24
Gehilfen der Freude einander- das sei die umfassende Zielangabe für alles aufeinander Einwirken.
Handeln wir also mannschaftsdienlich, menschheitsdienlich.- Machen wir, dass Freude wächst. Eltern, Lehrer;
Politiker, Seelsorgende- all diese Berufungen sind gefährdet, ihren Glanz zu
verderben durch herrisches Gebaren, durch Eitelkeit und Missbrauch der
Anvertrauten. Traurig, dass gerade Menschen, die viele heilige Wahrheiten auf
den Lippen haben, gern das große Wort führen, eigene Schwächen verschleiern und
Lust haben, andere in den Schatten zu stellen. Gehilfen der Freude sein
einander- das ist das Jesus-Projekt. Die Ehrenplätze den Verachteten und
Beladenen! Teilnehmen an den Leiden! Autorität hat nur noch die Gruppe.
*
Der Buchstabe tötet, aber der
Geist macht lebendig.
2.Korinther 3,6
Wir sind gewarnt vor Gesetzlichkeit und Einpferchen in
Befehle. Wenn wir den anderen verhören, ist kein Gespräch mehr möglich. Wenden
wir Wort und Buchstabe um und um, dann sind wir bei Anwälten und vor Gerichten.
Der Geist der Liebe aber klärt und heilt und verknüpft. Geh hin zum Nachbarn,
red mit dem Bruder, bahne besseres Verstehen an. Gib was zu, gib ein Stück nach, eröffne
Spielraum- du bekommst alles mit Zinsen zurück.
Und meine doch nicht, Gott schiebe Verträge und Gebote
zwischen sich und uns. Er ist uns doch haut-nah, redet mit uns in der
Muttersprache. Wir brauchen keine gewieften Dolmetscher. Horch nach innen. Da
bist du direkt verbunden.
*
Der Herr ist der Geist; wo aber
der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.
2.Korinther 3,17
Also wo Zwang und Druck herrscht, kann man sich nicht
auf den Geist Gottes berufen. Gott stellt deinen Fuß auf weiten Raum (Psalm
31,9). So können wir immer auch anders, sind nicht festgenagelt, müssen nicht
schematisch entscheiden.
Wir sagen viel zu oft „Ich muß, ich muß“- dabei können wir nein sagen, können ja sagen-
wie wir es von innen her wissen. Ist der Geist bei uns, dann macht er uns auch frei
von dem immerwährenden Kampf um Rechtschaffenheit und frei von der Jagd nach Bedeutung und der blöden
Gier, im Recht zu sein.
*
Durch uns Erleuchtung
Der Gott, der das Licht aus der Finsternis
hervorleuchten lässt, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass
durch uns Erleuchtung entstehe.
2.Korinther 4,6
Wie sollen uns gegenseitig erleuchten, sollen dem
Andern Glanz in seine Seele und auf sein Gesicht zaubern. Dazu gibt uns Gott
hellen Schein in unsere Herzen- es ist die Inbrunst, sich verwandt mit dem
andern zu wissen. Es ist ein Magnetisiertsein aus Lust am Anden und auch aus
Erbarmen in uns. Man kann es auch die
Christusenergie nennen. Die Erleuchtung bewirkt die Freude, miteinander zu
sein. der Geist erweckt Freiheit, die Freiheit erschafft die Liebe.
*
Wir haben diesen Schatz in
zerbrechlichen Gefäßen.
Wir sollten uns bewusst sein: Überschwängliche Freude
und Kraft ist von Gott und nicht selbstgemacht. Wir sind doch von allen Seiten
bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht.
Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt,
aber wir kommen nicht um. Wir tragen das Leiden unseres Herrn mit, wie wir auch
das ewige Leben unseres Herrn mitfeiern werden. Darum werden wir nicht müde.
2.Korinther 4,7-10,16a
Den Gewissheitsschatz haben wir
nicht sicher. Die Zuversicht zerrinnt uns oft.
Unser Bewusstsein ist wetterwendisch, auf uns ist kein
Verlass. Wenn einer sagt, er glaube nur an sich, weiss er nicht, auf welch
dünnem Eis er tanzt. Wer nicht an Gott glaubt, muss an viele Götter
glauben. Wir setzen da besser ganz auf
das Geliebtsein von dem einen Gutenganzen. Da kann uns all Morgen ganz frisch
und neu das nötige Quantum Lebensmut aufkeimen. Ich kann sagen: “Und wäre mir auch
was verloren, kann immer tun, wie neugeboren“ (Goethe).
Darum können wir uns auch ins Getümmel der Freuden und Aufgaben
stürzen. Dabei unterlaufen uns Fehler. Aber auch mit ihnen macht Gott aus uns
was. Da passt der alte Satz: Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade. Und
die Mühen und Schläge werden uns weh tun aber nicht auslöschen. Denn vor uns
liegt Freundesland.
*
Guten Mutes altern
Wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch
der innere Mensch Tag für Tag erneuert. Sind wir bedrückt, ist das letztlich
nicht von Gewicht- Gott schafft eine über alle Maßen gewichtige, ewige
Herrlichkeit. Wir haben einen Bau, von Gott erbaut im Himmel. Hier aber sind
wir auf Abbruch.
Darum - seufzen wir auch viel und die Beschwernisse
werden mehr, so ist es doch auf Hoffnung:
Wir werden neu behaust und das Sterbliche wird vom Leben verschlungen.
Solange wir im Körper sind, sind wir fern vom Herrn.
Erst wenn wir den Erdenleib verlassen, kommen wir richtig Nachhause zum Herrn.
Bis dahin haben wir als Pfand und Proviant den Heiligen Geist.
2.Korinther 4,16-18; 5,1-8
Das könnte den Nutzen des Alterns beschreiben:
Körperlich werden wir schwächer; aber geistig werden wir mehr wir selber. „Der
innere Mensch“ soll wachsen. Also werden wir dankbar, visionär für die Enkel,
großmütiger, wiedergutmachend, von Privilegien und Besitz uns lösend, weniger Platz
einnehmend, weniger fordernd, weniger auf Rechte pochen, demütig werden - auch bereit,
mal gern zu gehen. Also mehr leben vom
und für den Geist als von
Zerstreuung und Fitness. Und mehr Gedanken wenden ans himmlische Zuhause, wie
das auch immer werden mag. Mal sich auf den Grabstein schreiben lassen: Der
Anfang ist gemacht.
*
Energie vom Himmel
Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur;
das Alte ist vergangen; Neues ist im Werden. Gott war in Christus und versöhnte
die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter
uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an
Christi statt, wir bitten in seinem Namen: Lasst euch versöhnen mit Gott!
2.Korinther 5,17-20
Geh davon aus, daß Christus bei dir ist, ja- du
geschiehst in ihm. Natürlich funktionierst du auch als Teil der Schöpfung, aber dein Gegenüber ist nicht die Natur
sondern das Ebenbild Gottes, der Christus. Das macht zur neuen Kreatur:
: nicht der Kreislauf von Werden und Vergehen ist dein
Wesen sondern die ewige Ansprache Gottes an Dich, das Gespräch in Christus
macht dich unsterblich zu Gottes Kind. Deine Seele ist „vom Himmel her“, die
naturhafte Maserung läuft nur biologisch mit- gültig und leuchtend prägt dich
Christus. Du bist versöhnt mit Gott, mit dir, mit deinen Nächsten.
Paulus bittet drängend: Jetzt steh auf aus deinen
Argwohnsbanden, den Depressionszwängen, gib dem Christus recht, der dich zu
deiner wahren Größe emporhebt: Du Tochter/Sohn Gottes. Ein neues Einssein ordne
dich neu: Nicht ist das deine erste Definition: Partner, Vater/Mutter/Kind, Mitglied dieses Vereins,
dieser Firma, dieser Clique- sondern
wesentlich für dein Ich sei dir: Du mit und in Christus;
Du offen für
ein neue Art, von dir zu denken: Du erschüttert durch eine neue Art zu sein: Du
bekennst dich zu dem Leuchtfeuermensch Christus und seinem völligen Verzicht
auf Gewalt.
Klassisch ist auch der Satz: Gott war in Christus.
Also hat Gott selbst Frieden gemacht mit uns. Nicht Gott musste versöhnt werden
durch ein Opfer, sondern Gott brachte die Gottesbilder zurecht, er lehrte uns
den liebenden Gott sehen.
Aus der Angst- Ärger-Trauer- Raupe soll der
Schmetterling der Zuversicht aufsteigen. Das ist auch Mühe. Aber Sonne geht
nach und nach über dem Ganzen auf.
*
Christsein praktisch
Mögen wir uns als gute Mitarbeiter Gottes erweisen: in
großer Geduld, in Nöten, in Schlägen, in Freundlichkeit, in Erkenntnis, im
Heiligen Geist, in ungefärbter Liebe - als die Sterbenden, und siehe, wir
leben; als die Geschundenen und doch nicht getötet; als die Traurigen, aber
allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die
nichts besitzen und doch alles haben.
Aus 2.Korinther 6,1-10
Christ ist man nicht sondern wird man, es ist kein
Sein sondern ein Werden, wir sind kein Fertiges sondern auf dem Weg (nach M.
Luther). Martin Luther King hat es so gesagt: „ Ein Christ ist absolut
furchtlos, immer in Schwierigkeiten und unsagbar glücklich.“ Es braucht Kraft,
ganz bescheiden zu sein, Erkenntnis muß festgehalten, gesichert, befragt und
ins Tun überführt werden; es braucht schöpferische Geduld, nach den Mühen der
Berge die Mühen der Ebenen zu bestehen (nach B.Brecht).
Wichtig, uns
als Diener Gottes zu wissen, als seine Mitarbeitende, seine Ausführenden,
seine Mundstücke und verlängerte Arme, seine Geschickten und Gesandten. Und in Schwachsein und Starksein, in Gelingen und Scheitern bleiben wir die
Seinen. „Einer fällt in die Grube aber immer auf die Füße; oft jemandem in die
Hände, aber nie einem zur Last; oft auf die Nase, nie auf die Knie, allen in
die Rede, keinem auf die Nerven; gern mit der Tür ins Haus; immer wieder aus
allen Wolken, immer wieder in Gottes Schoß“ (M.L. Kaschnitz).
*
Wer kärglich sät, der wird auch
kärglich ernten
Und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im
Segen. Ein jeder handhabe Tun und Lassen, wie es ihm aus dem Herzen kommt,
nicht mit Unwillen oder aus Zwang. Ein fröhlicher Geber kommt Gott am nächsten.
Gott kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich
sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid
zu vielen guten Taten.
2.Korinther 9,6-8
Mit nichts kamen wir zur Welt, nichts werden wir
mitnehmen können. Dazwischen ist uns eine Spanne Zeit eingeräumt zum Annehmen
und Abgeben, zum Festhalten und Loslassen, zum Verwandeln und Verbrauchen,
Essen und Nähren, Hingabe und Genießen, Bebauen und Ernten, Bitten und Danken.
Das Leben ist ein Kunstwerk aus Einatmen und Ausatmen, Lernen und Lehren,
Guttun und Versäumen. Enorm ist der Umsatz an Energie, Geschick, Liebe, Mühe,
Ruhen, Handeln. Wir sind Investitionen Gottes. In uns Geschöpfe verkörpert der
Schöpfer seine Kräfte.
Dich selbst zu erhalten, ist dir mitgegeben als Motor.
Aber du bist nicht der Sinn. In mir und dir
betreibt das Leben seine Filialen zum gemeinsamen Nutzen. Andere müssen
was davon haben, dass wir sind. Geizt du mit dir? Lässt du es nicht strömen
sondern hältst an dich? Warum das? Aus Angst, daß nichts nachkommt? Reichlich
soll auch bei dir die Gnade wirken. Übergenug sollst du haben für dich und noch
für andere. Setzen wir uns den Begnadungen und den Zumutungen des Lebens aus.
Und helfen wir den Überforderten. Und lassen wir es, in fast religiöser Inbrunst behalten und mehren
zu wollen.
*
Alles relativ
Gott hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade
genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum bin ich guten
Mutes in Schwachheit; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark, sagt Paulus
2.Korinther 12,9.10
Schwer zu verstehen, das, weil wir so gern stark und
überzeugend sein wollen. Ist es so gemeint?: Unser Entbehren macht uns groß,
nicht unser Haben; unser Hoffen, nicht unser Wohlleben? Schon das Bedürftigsein ist voller Gnade-
alles ist Anfang von Gottes Werdewelt. An dieser Anteil haben- mehr geht nicht.
An ihr hat der Sehnende mehr Anteil als der Satte. Der mit Defizit, Handicap,
Behinderung, Einschränkung weiss mehr vom Leid der Welt, und ist manchmal
energiegeladener und willensstärker, er schafft Barrieren weg, welche die von
Normalität geschlagenen gar nicht merken. „Die mit Tränen säen, werden mit
Freuden ernten“ (Psalm 126,5).
Wir sollten schon die kleine Flamme Freude wahrnehmen.
Auch das kleine Können bringt vorwärts; deine kleine Erkenntnis, wenn sie
dankbar macht, ebnet den Weg zur Fülle. Und der Schwache kann den Starken
mitleidvoll und sogar zart machen.
Und Stolz- ist oft eine letzte Zuflucht. Doch wir
sollten aus unserm Stolz heraustreten, der ja ein Gitter ist. Wir sollten mit dem Geringsten sprechen und uns so
erlösen (R. Walser).
Ach könnt ichs mir von Gott sagen lassen: Meine Gnade
genügt dir. Verlass dich drauf- wie würden alles andere zweitrangig.
*
Ein Segen
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe
Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
2.Korinther 13,13
Mehr geht nicht. Eingehüllt in diesen Schutz gelingen
wir dem Leben. Weiss dich gesegnet.
* *
DER BRIEF DES PAULUS AN DIE
GALATER
Paulus –Apostel der Heiden
Ich sage euch: Das Evangelium, das von mir gepredigt
ist, ist nicht menschliche Erfindung sondern eine Offenbarung des Christus an
mich. Ich habe ja in meinem früheren
Leben als jüdischer Lehrer über die Maßen die Christen-Gemeinde verfolgt und
wollte sie zurückholen in das Gehege des Gesetzes. Gott aber hat mich durch
seine Gnade berufen, er hat mir seinen Sohn offenbart, damit ich ihn als Evangelium verkündigen
sollte unter den Heiden.
Ich besprach mich nicht erst mit Autoritäten aus der
Gemeinde, sondern zog nach Arabien und kehrte dann wieder zurück nach Damaskus.
Drei Jahre später kam ich nach
Jerusalem, um Petrus kennen zu lernen und Jakobus, den Bruder des Herrn. Dann
missionierte ich in Syrien. Vierzehn Jahre später zog ich aufgrund einer
Offenbarung abermals hinauf nach Jerusalem.
Da besprach ich mich mit den andern Aposteln über das Evangelium.
Wir bewahrten unsere Freiheit und unterwarfen uns
nicht, damit die Wahrheit des Evangeliums bestehen bliebe. Selbst Titus, der
bei mir war, ein Grieche, wurde nicht gezwungen, sich dem Ritus der
Beschneidung zu unterziehen.
Die andern Apostel anerkannten die Gnade, die mir
gegeben war. Jakobus und Petrus und Johannes, die als Säulen angesehen werden,
gaben mir und Barnabas die rechte Hand und wurden mit uns einig, dass wir unter
den Heiden, sie aber unter den Juden predigen sollten.
Aus Galater 1-2.9
Ein tiefer Blick in die Anfänge der Christenheit: In
und um Jerusalem und auch in Galiläa war man jüdischen Glaubens. Und die Jünger
und die Anhängerinnen und Freunde des
Jesus blieben es auch. Vielleicht mit
mehr Inbrunst, mehr jesuanischer Frömmigkeit- aber sie blieben Teil der
Tempelgemeinde, das biblische Gesetz blieb verpflichtend, inklusiv Beschneidung
der männlichen Gemeindeglieder.
Erst dem Paulus ging der grundstürzende Unterschied
auf zwischen dem Glauben wie Jesus und dem Glauben an Jesus Christus. Dem
Paulus geschieht die Erleuchtung, daß Christus uns den unmittelbaren Zugang zu
Gott im Glauben eröffnet, statt des Gehorsams gegen das Gesetz. Natürlich
bleibt Liebe geboten aber nicht als Schlüssel zu Gott sondern als Antwort auf
Gottes unbedingtes Ja zu uns. Darum ist auch nicht mehr die Zugehörigkeit zum
Volk Israel heilsentscheidend; das hat Paulus mit den „Säulen“ der Jerusalemer
Urgemeinde, den Autoritäten, durchgepaukt. In Galatien könnte man sagen,
wurde die Hohe Schule der christlichen
Freiheit zum ersten Mal exerziert. Dank der grandiosen theologischen
Argumentation des Paulus und der
Wiederneuerfindung durch Martin Luther können auch wir „in der Freiheit
bestehen, zu der uns Christus befreit hat.“
*
Paulus setzt ganz auf die Gnade
Einmal kam Petrus nach Antiochia. Dort gab es Grund
zur Klage gegen ihn. Erst aß er mit den Heiden; als aber der strenge Jakobus
kam, drückte er sich heuchlerisch weg. Ich stellte ihn zur Rede: Wenn du, der
du ein Jude bist, heidnisch lebst und nicht jüdisch, warum zwingst du dann die
Heiden, jüdisch zu leben?
Durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch gerecht. Wir
hoffen, durch Christus gerecht zu werden.
Auf die Spitze getrieben sage ich: Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern
Christus lebt in mir.
Aus Galater 2, 11-20
Ein Elend der Christen
heißt Heuchelei. Sie ist besonders verwerflich bei Priestern und Pastoren; man predigt Wasser aber trinkt Wein; wirbt
feurig für die Kollekte und bleibt das Eigene schuldig, schwingt von der Kanzel
die Moralkeule, zieht sich aber im Internet die schlimmen Sachen rein, predigt
die Vergebung der Sünden aber will zu eigenem Versagen nicht stehen; beruft sich
gar noch auf das Max-Scheler-Wort: ein Wegweiser laufe auch nicht in die
Richtung, in die er zeige.
Petrus ließ es sich gut
gehen bei einem Mahl, zu dem er von einem Nichtjuden eingeladen war, und
genoss, was fromme Juden sich versagen. Dann kam überraschend der Jakobus hinzu
und Petrus drückte sich weg, Das kam Paulus sehr gelegen, der für die Freiheit
der Christen von den jüdischen Gesetzen (nicht von den Zehn Geboten) eintrat.
Petrus hatte sich Heuchelei zu schulden kommen lassen- was diesem klar machte,
dass auch er der Gnade bedürftig ist.
Paulus setzt völlig auf die
Liebe Gottes- auch wenn Paulus bei anderer Gelegenheit sich seines Fleißes und Verzichtens rühmt.
Hier wagt er sogar von sich
zu sagen, daß er kein eigenes Ich mehr habe, sondern Christus sein besseres Ich
sei. Das festzustellen steht uns wohl
nicht zu.
*
Alle eins
Wir sind alle Gottes
Kinder- wir wissen es durch den Glauben an
Gottes Vatersein. Auch sind wir ja Geschwister Christi und der Heilige Geist
formt uns zu einer Lerngemeinschaft. Es
zählt nicht mehr Jude- oder Grieche sein , nicht Sklave noch Freier, nicht Mann
noch Frau; wir sind allesamt einer in
Christus Jesus und Abrahams Kinder
und damit der Verheißung gemäß Erben des
Reiches Gottes.
Galater 3,26.28f
Wir bleiben unterschiedlich aber gleich wert, bleiben
verschieden aber jeder einzigartig- wunderbar. Wenn wir es nur wüssten und es einander
beglaubigten! Wir sind einander als Kinder Gottes anvertraut und zugemutet;
wir sollen uns ergänzen und fördern.
Eins in Christus!- Das ist das Programm der wahren
Globalisierung: Statt an Waffen und Geld an den gekreuzigten Christus glauben;
ihm nach wissen: Das Ende der Herrschaft des Gesetzes als Weg zu Gott ist
ausgerufen.
Nicht mehr Beschneidung oder Taufe oder Bildung oder
Nationalität schaffen das Bürgerrecht im Reich Gottes, sondern der Glaube, zu
Christus zu gehören.
Noch sind die Nahrungsmittel und Naturschätze, das
Trinkwasser und die Medikamente begrenzt- noch ist Streit und keine gerechte
Verteilung. Aber es sollen gesegnet sein alle Menschen auf Erden. Gott ist noch dabei, diese Verheißung
an „Vater“ Abraham (1. Mose 12,3) zu erfüllen. Helfen wir ihm, indem wir nicht
benachteiligen wegen Geschlecht oder Religion oder Hautfarbe oder sexueller
Prägung; lernen wir, auf Privilegien zu verzichten.
*
Als aber die Zeit erfüllt war,
sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau ins irdisch
Normale. Wir sind Kinder Gott und er hat den Geist seines Sohnes gesandt in
unsre Herzen. Der ruft in uns: Abba, lieber Vater!
Galater 4,4-6
Das ist auch so ein Traumsatz, der uns den Himmel
öffnet. Irgendwann war die Zeit reif, daß sich Gott in einem Menschen zu
erkennen gab.- Lange schon war Gott in Sonne und Korn, Geburt und Sterben, in
Religionen und Sprachen mit den Menschen zugange. Aber als für Gott die Zeit
der indirekten Mitteilungen erfüllt war, kam er selbst in Gestalt des Jesus,
und steht ein exemplarisches Menschenleben durch.
Wie Jesus zu den Mitmenschen war- geschwisterlich eben- das hat unsern Status
geklärt- eben Geschwister des Jesus und also auch Kinder Gottes zu sein. Wir
können den kindhaften Geist in uns merken, es ruft in uns ja: lieber, lieber
Gott- jedenfalls, wenn wir sehr dankbar oder sehr in Not sind.
*
Der Schatz des Christus
Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So besteht nun
in Freiheit und begebt euch nie wieder in Knechtschaft. Gehorsam macht den Hund
aus, uns aber der Glaube, der durch die Liebe tätig ist. Nicht ausgeliefert an das Zick-zack der
Instinkte sind wir sondern zur Freiheit
berufen. Beißt euch nicht, zerfetzt euch nicht. Durch die Liebe diene einer dem
andern.
Galater 5,1.6.15.13
Dem Christus nach ist Freiheit nicht Willkür. Was gemeint ist, kann man ahnen, wenn man als
Gegenteil von Unfreiheit nicht Freiheit
sondern „Verbundenheit“ einsetzt. Was uns kleben lässt an Ideen und Menschen,
ist die Angst, allein zu sein und nichts zu gelten, wenn wir nicht mit der
Mehrheit im Gleichschritt sind. Dem Christus nach gehört man zum Freundeskreis
Gottes- da ist man als starkes Ich erwählt, ist nicht allein, tritt hin als Freier zu
Brüdern und Schwestern. Mit Fühllust will man dem Nächsten gut sein, will die
Liebe mehren, will eigentlich nicht nur in Ruhe gelassen werden oder für sich
Punkte machen sondern will einem gemeinsamen Glück dienen, auch wenn es jetzt
eben erst nur aufglüht.
*
Lebt
im Geist,
die Frucht aber des Geistes
ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut. Lasst
uns nicht nach eitler Ehre trachten, einander nicht herausfordern und beneiden.
Wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder,
klar zu kommen.
Einer trage des andern Last
mit, so werdet ihr den Willen Christi erfüllen.
Irrt euch nicht! Gott lässt
sich nicht spotten. Dazu gehört auch: Was der Mensch sät, das wird er ernten.
Galater 5,16.22.26; 6,1.2.7
Also der Heilige Geist bringt uns Niveau bei. Seine
Gaben machen nicht klein und verhuscht, sondern erfinderisch, neugierig,
hellwach, tatkräftig, „sie entlarven Wunschlosigkeit als Armut“ (D.
Bonhoeffer). Also lasst uns den Geist wichtig nehmen. Der will in uns Frieden
schaffen und lässt uns Blicke schicken, die lauter Lieben auf den ersten Blick sind.
Gott hat der Menschheit eine Balance mitgegeben, dass einigermaßen
wir ernten, was wir säen. Und wo diese Balance mit Füßen getreten wird , wo sie
systematisch vernichtet wird, wie im Dritten Reich etwa- da muß diese
Zerstörkraft besiegt werden. Das Leben blüht- nach Abstürzen hat sich die
Balance immer wieder eingependelt - oder fromm gesagt: Wurde von Guten Mächten
eingependelt.
* *
Epheserbrief
Gott gebe uns
erleuchtete Augen des Herzens, damit wir erkennen, zu
welcher Hoffnung wir berufen sind.
Epheser 1,18
Erleuchtete Augen des Herzens haben das tiefe Verwandtschaftswissen, das innige
Mitfühlen, die Phantasie des Einssein auch bei allem Fremdem. Dann erinnern wir
uns: Niemand hat sich selbst geschaffen Wir sehen den Nächsten an, wie Gott ihn
meint, sehen den Goldstaub an ihm. Und werden erweckt zu Helfern des Herrn. Machen
wir uns an die Arbeit, eine Hoffnung Gottes in die Tat umzusetzen.
*
Getrenntheit ist der Sündenfall
Christus ist unser Friede: Aus zweien hat er eines
gemacht. Er hat die Feindschaft aufgelöst, den Zaun abgebrochen zwischen uns.
Er hat im Evangelium Frieden
verkündigt den Fernen und den Nahen.
Denn durch ihn haben wir alle in einem Geist den Zugang zum Vater.
So seid ihr ehemaligen Heiden nun nicht mehr Gäste und
Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen,
Epheser 2,14.17-19
Feindschaft, Hass, Grenzen, Mauern, Mein- Dein, Ich- Du; Trennungen laufen durch Gesellschaft, Familie, sogar durch einen selbst. Christus nun versöhnt das Zerrissene. Er holt die Fernen heran, lädt die Abgedrängten an einen Tisch, Er entpanzert uns Krustentiere, ruft Frieden aus, so daß wir was anderes tun können als ständig auf Angriff oder Verteidigung zu lauern. Statt endloser Wachsamkeit des versiegelten Bewusstseins wünsch dir Phantasie, Freude, Wonne, gemeinsame Projekte. In einem Haus mit Gott und allen- da gibt es auch Rückzugsräume, wir müssen nicht alle zur selben Zeit aus einem Topf essen. Die Richtung aber heißt: Entfeindung.
*
Gegen das Auseinanderfallen
Seid darauf bedacht, die Einigkeit im Geist zu wahren durch
das Band des Friedens: Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu
einer Hoffnung;
ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater
aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.
Epheser 4,3-6
Wir sind gefährdet durch Ichanbetung und Vereinsamung.
Dann kreisen wir nur noch um uns selbst, sind uns der einzige Zweck. Und fragen
nur, was bringt mir das. Das atomisiert die ganze Gesellschaft und zerbröselt
auch die Kirchen. Dagegen hilft nur das Band des Friedens, das uns aneinander
knüpft. Genießen wir Freude an einem
gemeinsamen Werk. Wir sind viele
Glieder, aber uns stärkt der Zusammenhalt wie der des einen Leibes. In uns
regen sich viele Widersprüche, aber lasst es zu, daß der Sog des einen Heiligen
Geistes das Widerstrebende einarbeitet.
„Gott über, in, durch alles, von ihm alles her, auf
ihn alles zu“.- Gott- der, die, das All,
das Alles inklusiv allem Werdendem. Stellen wir es, ihn uns vor (im Namen Jesu
Christi) als Liebe. Die kommt einmal von Gott, das andere Mal ist sie Gott selbst; Gott- Liebe, „der Schoß der Welt,
der sanfte Schoß des sich selbst nicht begreifenden Geschehens, Meer der Liebe (R.
Musil).
*
Zürnt ihr, so sündigt nicht;
Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.Wer
gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit eigenen
Händen das Nötige, damit er auch dem Bedürftigen abgeben kann.
Epheser 4,26.28
Zorn ist die Gemütsbewegung, die gern uns was
zerreißen läßt. Wir leiden an schreiender Ungerechtigkeit, Verachtung,
Ohnmacht. Wir wollen Wiedergutmachung und lassen uns dabei leicht hinreißen zu
anderem Unrecht. Aber Rache, so süß sie im Augenblick scheint, rückt nur mit
dem Täter auf die gleiche Unrechtsstufe. Hass
zerfrisst- auch unabhängig davon, ob er im Recht ist. Darum sollten
Vergewaltigungsopfer mit ihren Tätern
reden können. KZ-Überlebende berichten, daß ihr Leben ruhiger wurde, als sie
ihren Peinigern vergeben konnten. So berechtigt unser Zorn ist, wir müssen
miteinander reden, möglichst vor Sonnenuntergang.
Stärkend ist der Hinweis, daß die Würde von Arbeit in
einem Doppelten liegt, einmal, daß man sich selbst ernähren kann und auch noch nächste Bedürftige.
*
Ihr seid Licht
Lebt als Kinder des Lichts;
strahlt Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit aus.
Und wach auf, der du schläft, steh auf von den Toten,
so wird dich Christus erleuchten.
Nutzt die Zeit. Kauft sie aus;
die Zeit ist heikel.
Epheser 5,8.14.16
Denk nicht schwach von dir, nicht funzelig, tranig. Du
bist ein Schatz aus dem Energiehaushalt des Herrn. Du bist ein leuchtendes Kind
Gottes. Also steh auf zur Tat. Du kannst dich nicht schlafend, nicht tot
stellen. Du bist nötig. Wo du bist, wird es hell, hoffnungsvoll, ehrlicher,
fairer. Das ist unbequem, du machst auch Ärger, bekommst auch Ärger. Die Zeit
ist nicht gemütlich, sondern Kampffeld. Und Gott, mittendrin, setzt auf
dich.
* *
Der Philipperbrief
Lasst uns denken und handeln,
wie es Christus Jesus entspricht.
Er war in göttlicher Gestalt, beutete es aber nicht
aus,
Gott gleich zu sein,
sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt
an,
wurde den Menschen gleich.
Er erniedrigte sich selbst und wurde gehorsam bis zum
Tode,
ja bis zum Tode am Kreuz.
Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen
gegeben,
der über alle Namen ist,
dass in dem Namen Jesu sich
beugen sollen aller derer Knie,
die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,
und alle Zungen bekennen
sollen,
dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des
Vaters.
Philipper 2,5-11
Paulus hat diesen urchristlichen Hymnus schon
vorgefunden und in seinen Brief übernommen, den er um 55.n.Chr an die Gemeinde in Philippi schrieb. Es ist ein Triumph- und
Bekenntnislied, es wurde wohl bei Taufen gesprochen. Beschrieben ist das Wesen
des Christus: Der bei Gott war; ja Gott selbst war, jedenfalls Anteil an Gott
hatte, der beutete seine Allmacht nicht aus für sich. Er hielt nicht
selbstsüchtig fest am Gleichsein mit Gott, sondern unterzog sich dem Schicksal,
ein Mensch zu sein. Ja, er ist sogar bereit, der schlimmstmöglich Leidende zu sein. Und das will
er tun im Gehorsam zu Gott, dem die Menschen vorwerfen, er lasse die Menschheit
leiden. Aber in Gestalt seines Sohnes leidet
Gott das Leid der Welt mit, das offenbart Christus. Und so können wir
fortan den liebenden Gottes glauben. Der produziert nicht Leid sondern trägt
mit an den Widersprüchen und Unzulänglichkeiten seiner Schöpfung. Indem sich
Gott mit Jesus identifiziert, läßt er das Unvollkommene, ja, Sünde und Tod
nah an sich heran, ja, verleibt sie sich ein.
“Gesalbter Gottes („Christus“), „Sohn Gottes“ ist
stärkstes Bild für Einssein. Die Menschheit wird sich verbeugen und ihn anbeten
als mit Gott gut und ganz, und wir werden alle seine Gefolgsleute.
*
Schaffet, denn Gott
schaffts
Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und
Zittern. Denn Gott ist’s, der in euch wirkt, beides- das Wollen und das
Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.
Philipper 2,12f
Dies sollen die beiden Klammern für unser Denken sein:
Schaffet, als gäbe es keine Gnade, nur nackte Abrechnung nach Leistung. Und
Gott ist es, der euer Können und Wünschen bewirkt, ihr könnt also gar
nichts falsch machen. Ihr seid die Handlanger des Herrn. Ein Widerspruch?
Paulus begründet eins mit dem andern: Schuftet- denn
Gott machts.
Also lasst
uns arbeiten, als hülfe kein Beten; und beten wir, als hülfe kein Arbeiten. Es
ist für dich gesorgt, drum müh dich.
*
Freuet euch an Gott.
Ja, freut euch! Eurer
Menschenfreundlichkeit lasst freien Lauf gegen alle Menschen! Der Herr ist
nahe! Zersorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in
Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kommen! Singt und spielt Gott in euren
Herzen!
Philipper 4,4-6 ; Epheser 5,19
Dass wir uns an Gott freuen sollen ist unser Sinn. Lasst
uns also Lust haben am Leben und uns und anderen Lebensfreude bereiten.
Jedenfalls lsst uns möglichst wenig Verdruss machen, keine Angst, keine bösen
Träume, wenig Schaden! Wenn einer durch dich freudlos wird, bestiehlst du Gott
um die Freude, die er doch bei diesem Menschen zu ernten hofft. Jedes Grämen
ist ein Armutszeugnis für den Herrn. Haben wir Grund zu Bitten, lasst uns
bitten. Haben wir Anlass zum Dank, lasst
uns danken.
Menschen, die vor Gott singen und spielen – mehr
können wir nicht werden.
*
Ich habe gelernt, mir genügen zu lassen, wie es kommt.
Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; mir ist
alles und jedes vertraut: Beides kann ich: satt sein und hungern, Überfluss
haben und Mangel; ich vermag alles durch Gott, der mich mächtig macht.
Philipper 4,11-13
Diese starke Gelassenheit ist große Kunst. Eben nicht:
Alles egal. Sondern mit allem zurechtkommen, in allem eine Würde bewahren,
alles als Lernstoff nehmen, den Wechsel der Gezeiten im Auge haben. „Und fahr
ich durch die Höll, ist Christus mein Gesell“, heißt es in einem Kirchenlied.
Das Leben voller Verheißung wissen.
Wir müssen die Welt nicht verstehen, wir müssen sie
nur bestehen. Wir kommen durch. Wir kommen beim Herrn an. Halten wir uns also
wacker.
* *
Kolosserbrief
Als die Auserwählten Gottes,
als die Heiligen und
Geliebten, zieht nun an, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut,
Geduld; und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn
jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt
auch ihr!
Über alles aber zieht an
die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.
Und alles, was ihr tut mit
Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott,
dem Vater, durch ihn.
Kolosser 3,12-14,17
Ziehen wir an all
die guten Eigenschaften, ja, wie eine Dienstkleidung, einfach, weil es nötig
ist. Einer den andern ertragen- einen Augenblick noch sich die harte Reaktion
verkneifen, noch einen entlastenden Gedanken einfädeln, vielleicht eine
entspannende Bemerkung beisteuern, augenzwinkernd vom eigenen Missgeschick
sprechen, dem andern den Rückzug erleichtern, ihn nicht entblößen sondern einen
Ausweg ihm auftun- das wärs. Und dran
denken, niemand hat sich selbst geschaffen. Und es ist wohl schwierig, der zu
sein, der gerade meint, sich so aufblasen zu müssen, aus Angst, hinweggewischt
zu werden.
*
*
1. Brief an die Thessalonicher
Wir bitten euch
liebe Geschwister, haltet
Frieden untereinander. Weist die Unordentlichen zurecht, tröstet die
Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig, jagt allezeit dem Guten nach
untereinander und gegen jedermann.
Seid allezeit fröhlich,
betet immer wieder, seid dankbar in allen Dingen. Den Geist dämpft nicht.
Meidet das Böse in jeder
Gestalt. Prüft alles und das Gute behaltet.
1.Thessalonicher 5,12-22
Den Geist nicht dämpfen sondern ihn wirken lassen, wir
sollen mit Hilfe des Heiligen Geistes verknüpfen, befreunden, entspannen von
falschen Kompliziertheiten. Verstehendes Sehen
mögen wir ersehnen, dem Guten zum Durchbruch verhelfen, aus Gottes
Behütung Mut ziehen. Das Böse meiden- ein frühzeitiges klares „Nein“ versetzt Berge.
Setz dem Unrechten und Mulmigen Deins entgegen.
* *
1.Brief an Timotheus
Alles, was Gott geschaffen
hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird.
1.Timotheus 4,4
Alles ist gut geschaffen; nur- wir können es auch missbrauchen als Waffe,
als Droge, als Götzen. Dagegen hilft Danken- in Verbindung bringen mit dem
Schöpfer und Geber. Bedenke, bevor du denkst: Kannst du für dein Vorhaben Gott
als Teilnehmer denken, kannst du, was du tust, unter seinen Augen tun? Nur dann
tu es, Handfest und ernsthaft und fröhlich.
* *
2. Brief an Timotheus
Gott hat uns nicht gegeben
den Geist der Furcht, sondern den der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
2.Timotheus 1,7
Menschen können ausgezogen
und nackt gemacht werden (H.Domin). Wir sind doch sehr verletzbar, ängsten uns
vor einem Leidensweg. Bangigkeit kann
uns den Atem verschlagen vor der übermächtigen Wirklichkeit. Und doch haben wir
ein gutes Quantum Geistes-Kraft mitbekommen, und das Zutrauen der Liebe und Abwägenkönnen zwischen frechem und
bedachtem Mut. Die Angst klopfte an der Tür, der Glaube antwortete, niemand
trat ein (M. Luther King).
*
Alle Schrift, von Gott
eingegeben,
ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur
Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass Gottes Mensch vollkommen
sei, zu allem guten Werk geschickt.
2.Timotheus 3,16
Alle Texte die zu heiligen Schriften taugen, sind
von Gott vorgesagt, sind vom Heiligen Geist eingegeben. Aber nicht alle Texte,
die Menschen zu Heiligen Schriften erklärt haben, sind göttlichen Ursprungs.
Vor allem sind sie nicht ewig gültig, alles was mit Menschen zu tun hat, hat
seine Verfallszeit und wird durch neues Wort Gottes überholt. Was Wort Gottes
ist, erweist sich an seiner Geisteskraft, Leuchtkraft, Heilkraft, seiner
friedensstiftenden Überzeugungskraft, auch an seiner Sprengkraft, die Wahrheit ja
bei sich hat. Wenn Gott geschehen läßt, was sein Wort sagt, war es sein Wort.
Wenn es seine Früchte bei uns bringt, war es gutes Saat.
Wir können Gott nicht
festlegen auf einen Wortbestand namens „Heilige Schrift“ – als hätte er
nur Worte für die 1200 Seiten Bibel
gehabt, und wäre seitdem sprachlos.
* *
Brief an Titus
Die Menschenliebe Gottes,
unseres Heilands, sie erschien,
sie machte uns selig durch
das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geist. Den hat er über uns
reichlich ausgegossen durch Jesus Christus, unsern Heiland, damit wir Erben des
ewigen Lebens würden.
Titus 3,4-6
Gott ist voll Menschenliebe. Liebende in ihrer
Begeisterung für einander spüren diese Menschenliebe hautnah, wir können
gemeinsame Sache machen, uns verstehen, uns fördern. Wir können Leben empfangen
und es in Gestalt eines neuen Menschleins weitergeben - es ist wunderbar zu
leben, mit soviel Gründen zur Freude und
zum Mitmachen am Guten.
Gott hat den
Jesus-Christus gesandt, dass er uns in der Gotteskindschaft trainiert. Manchmal
müssen wir hart rangenommen werden, noch einmal neu das Glauben und Vertrauen
lernen, müssen klein werden wie ein Neugeborenes und allen Selbstruhm fahren
lassen. Heiliger Geist macht uns dann schön durch Dankbarsein. Er lässt uns wie
neugeboren das Leben noch einmal erfahren als köstlich und schutzwürdig. Und
wir werden wissen, daß Gott ewig was mit uns vor hat.
* *
DER ERSTE BRIEF DES PETRUS
Ihr seid das auserwählte
Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des
Eigentums. Ihr sollt verkündigen die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von
der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.
1.Petrus 2,9
Herrlich- diese klare Zueignung höchster
Menschlichkeit an die Leser dieses Briefes: Wer dies liest oder hört ist
auserwählt, ist königlich, priesterlich, heilig, gotteigen. Und ist berufen,
die Güte Gottes weit auszustreuen. Keiner soll sich mehr abartig und abgelehnt vorkommen. Du, der du das liest,
bist berufen vom Dunklen hin zu seinem wunderbaren Licht der Liebe.
*
Das ist der Wille Gottes,
dass ihr mit guten Taten törichten Menschen das Maul
stopft- als die Freien und nicht als nähmt
ihr die Freiheit zum Deckmantel der Bosheit. Ehret jeden Menschen.
1.Petrus 2,15-17a
Krass gesagt. Manchmal muss man mit Gutem mutig
verblüffen. Unerwartete Güte überzeugt mehr als Gegengewalt. Dem Hass den Wind
aus den Segeln nehmen, Streithähne mit Humor von einander abbringen- schön
wärs. Jedenfalls ist Freiheit kein Freispruch zum Weggucken und Abtauchen.
Jeden ehren als unter Gottes Schutz stehend- da wird man wach und springt ein
und hilft dem lieben Gott, daß er nicht als Enttäuscher dasteht.
*
Dient einander
habt untereinander beständige Liebe; denkt dran: »Die Liebe
deckt auch der Sünden Menge« (Sprüche 10,12). Seid gastfrei untereinander ohne
Murren. Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als
die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.
1. Petrus
4, 9.10
Christen sind nötig, sie liefern den Schmierstoff für
Gemeinschaft: Miteinander wirken und einstehen für einander, die Begabungen
einbringen für eine bessere Zukunft. Dir soll es gut gehen und dem Andern auch.
Lasst uns Vergebung trainieren und Gastfreiheit und das Entfalten gegenseitiger
Chancen.
*
Seid hellwach
Denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein
brüllender Löwe und sucht, welchen er verschlinge. Dem widersteht fest im
Glauben. Alle eure Sorge werft auf Christus; denn er sorgt für euch.
1.Petrus 4,8.9.7
Es ist kein Gegengott, der uns dem Guten Gott
abspenstig machen will. Dies Bild vom Teufel drängt sich aber auf. Kräfte
ziehen uns vom Guten weg wie mit Krallen, und unser Gewissen wird von irrem Gebrüll
der Gier übertönt. Doch wir können widerstehen. Wir können nein sagen, auch
wenn wir dann plötzlich allein da stehen. Verzicht schmerzt im Augenblick. Doch
lebenslang währt die Freude, nicht zum „miesen Typen“ verkommen zu sein.
Einfach das Gute tun, und alles Wenn und Ach Gott überlassen- das ist
Lernstoff, lebenslang.
*
Alle Sorge
werfet auf Gott, denn er sorget
für euch
Petrus 5,7
Wir könnten ohne Gottvertrauen
gar nicht morgens aus dem Bett. Wenn wir nicht glaubten, dass wir heil durch
den Tag gebracht werden, könnten wir ihn gar nicht anfangen.
Im Gebet zur Nacht die Sorge abgeben, im
Morgengebet um Kraft bitten und sich die Besorgung des Tages wieder auflegen
lassen- das wärs.
Mich in Gottes Hand wissen- und
damit entlastet sein von der Sorge um mich selbst; mir die Fürsorge um andere
angelegen sein lassen und das Lebendürfen feiern- so will ich’s machen.
Jede Situation ist gut für Weiteres, gut
für Weiteres aus dem Schatz Gottes. An Abraham und Jakob und Jesus kann man
ablesen, dass Gottes Hände, die uns führen, oft rau sind. Auch in unserm Leben
gab es Augenblicke, wo Gott uns wie einen Handschuh packte und ganz langsam
über seine Finger umstülpte (Robert Musil). Wir sagten gedankenlos „Zukunft“,
aber auf einmal ging uns auf: Es ist doch Zugriff, was uns geschieht. Wir sind
in Arbeit bei ihm, er hat uns in der Mangel, er sorgt für uns.
Und wie sorgt er für uns?
Gott sorgt für uns, indem er uns
Zeit einräumt, uns Menschen zufügt, mit Begabungen betraut, mit Sehnsucht nach
Freude ausrüstet, uns gemeinschaftsfähig erzieht, so dass wir uns zu anderen
nicht als Zuschauer verhalten sondern als Mitliebende, Mitleidende,
Mitschuldige. Er sorgt für uns, indem er uns lebenstüchtig macht und mit Gespür
für einander versieht.
Er sorgt auch für uns, die wir jetzt
hier sind, durch ein Geflecht von Leistungen und Schätzen und Gemeinnutz- Und
statt zu klagen, dass wir nicht alles haben, was wir wollen, sollten wir lieber
dankbar sein, dass wir nicht alles bekommen, was wir verdienen (Dieter
Hildebrandt).
Sieh zurück- Du bist auch eingespannt in
Gottes Sorgen: Gattensorge, Elternsorge, Kindersorge, Nächstensorge- da sind
wir doch in seinen Diensten. Er wirft auch seine Mühen auf uns, dass wir ihm
helfen, Last zu tragen.
Und sieh nach vorn: Er sorgt für
uns. In den Sinnoasen des Daseins schimmert der freundliche Gott.
* *
DER ERSTE BRIEF DES JOHANNES
Das Leben selbst
Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir
gesehen haben mit unsern Augen und was unsre Hände betastet haben- das Wort des
Lebens, ja, das Leben selbst- ist erschienen. Und das verkündigen wir auch
euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt- die Gemeinschaft mit dem Vater
und mit seinem Sohn Jesus Christus.
Und das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört
haben und euch verkündigen: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis.
Also lasst uns im Licht wandeln.
Nach 1.Johannesbrief 1.1-7
Der Schreiber dieses Briefes ist auch der Verfasser
des Johannesevangeliums- beide Texte beginnen rauschhaft mit der Schöpfung. Das
Wesentliche des Schöpfungs- Uranfangs, das Leben pur, ist auch in Christus und
erstreckt sich in die Gemeinschaft der Gemeinde. Licht ist dessen Charakter.
Darum ist es so nötig, lichtvoll und
erleuchtet zu leben.
Herrlich zu wissen, daß Gott nur gut ist und ohne
Flecken. Das Böse in der Welt ist Mangel an Liebe, ist Mangel an Gott, ist
Sehnsucht nach ihm.
*
Die Finsternis vergeht
Das wahre Licht scheint schon jetzt. Wer sagt, er sei im Licht, und hasst
seinen Bruder, der ist noch in der Finsternis.
1.Johannes 2,8b.9
Die Menschheitsgeschichte
kommt an ein Ziel in Gott. Mehr wissen wir noch nicht. Aber Licht geht nach und
nach über das Ganze auf. Der Leuchtfeuermensch Jesus hat Erhellung und Güte zu
uns gebracht. Das macht Freude am Guten. Wir mögen es nicht mehr, zu hassen. Es
ist gegen unsere Ehre. Wir wollen Frieden mit den Mitmenschen. Erleuchtung geschehe
uns.
*
Die Welt vergeht mit ihrer
Lust;
Wer aber den Willen Gottes tut,
der bleibt in Ewigkeit.
1.Johannes 2,17
Sinneslust, Körperlust,
Genuss standen früher in schlechtem Ruf. Man dachte, Lebenslust brächte ab von
den wahren Werten, von Demut, Fleiß und Barmherzigkeit. Aber eigentlich ist die
Lust an der Freude doch Gottes liebste
Erfindung. Zwar hat alles seine Zeit; auch Verzicht, Fleiß und Sparsamkeit, Weinen,
eben aber auch Lachen und Lieben. Auch
Lachen und Lieben ist Gottes Wille. Was wir mit Dank annehmen, ist in seinem Sinn.
*
Die Herrlichkeit, Kind Gottes
zu sein
Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen,
dass wir Gottes Kinder heißen sollen - und wir sind es auch! Doch es ist noch
nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar
wird, werden wir ihm gleich sein; wir werden ihn sehen, wie er ist.
1.Johannesbrief
3,1
Das ist großes Glück, Kind
Gottes zu sein, ein Stück von ihm, nicht Erde und Dreck, nicht Masse. Kinder
Gottes, wir alle, erhoben und gewollt und berufen und geadelt und verbunden mit
dem Herzen der Welt. Wie sich das gestaltet, das ist noch offen. Wir werden
aber von ihm gesehen und wir werden ihn schauen. Von ihm wahrgenommen sein ist
ewiges Leben. ( „Mit wem Gott geredet hat, in Zorn oder Gnade, der ist gewiss
unsterblich“ , hat Luther gesagt.) Stärken
wir einander jetzt schon durch Beachten und Wahrnehmen.
*
Wer nicht liebt, der bleibt im Tod
Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben gekommen
sind; denn wir lieben die Mitmenschen.
1.Johannes 3,14
Leben ist nicht nur
Vorhandensein- das ist noch nahe am Todsein. Leben ist Lieben. Wer liebt, der
erhebt und fördert und schmückt das Geliebte, lässt es aufblühen. Der sieht
sich beteiligt an der Schöpfung, der hilft zu werden.
*
Frieden innen
Damit können wir unser Herz
vor Gott zum Schweigen bringen, dass,
wenn uns unser Herz verdammt, Gott größer ist als unser Herz und erkennt alle
Dinge. Haben wir Zuversicht zu Gott, verdammt uns unser Herz nicht.
1.Johannes 3,19f
Wir haben viel Grund, uns in Grund und Boden zu
schämen- denn wir bleiben viel schuldig. Aber Gott kennt uns. Er weiß, wie es
uns oft innen zerreißt, wie Pflicht und Lust im Streit liegen und Gutseinwollen
oft nicht zur Tat wird. Doch verdamm dich nicht, bleibe einigermaßen in
Richtung Richtiges. Gott kennt dich, er hat dich ja erfunden.
*
Gott ist die Liebe;
und wer in der Liebe bleibt,
der bleibt in Gott und Gott in ihm.
1.Johannesbrief 4,16
Gott ist ein glühender
Backofen voll Liebe, hat Luther mal gesagt. Alle Energie will zusammenfinden,
alle Liebe ist Zusammenfindekraft. Gott ist alle Energie und ist Bindekraft,
ist Zusammenhütewillen, ist Befreundung, ist Willen zum Du, Gott treibt uns hin
zum Du, in welchem wir uns wieder finden, mit dem wir uns neu erfinden.
Aber wir Menschen sind die
einzige Schöpfung, die sich der Liebe verweigern kann; wir können Feindschaft
und Gewaltherrschaft wollen statt Liebe
und Zusammenhalten. Wir können Gott zuwider handeln. Aber wir bleiben beschädigt,
bis uns die Liebe heimholt- spätestens durch den Tod hindurch.
So spür dich als
Mitarbeiter der Liebe, teile, heile, vertrag dich, du leuchtender Mensch.
*
Furcht ist nicht in der Liebe,
sondern die vollkommene Liebe
treibt die Furcht aus.
1. Johannes 4,18
Die Durchschlagskraft der
Furcht ist die Angst vor einem unbekannten Verlorensein. Zu keinem zu gehören,
allein und ausgeliefert, bedroht und ohnmächtig zu sein, ist fürchterlich.-
Aber du darfst und sollst dich umfangen wissen von der vollkommenen Liebe.
Liebe treibt die Furcht aus- das ist stark. Man muss es sich immer wieder ins
Bewusstsein rufen. Und muss an die Ansprechbarkeit aller Menschen glauben.
* *
DER BRIEF AN DIE HEBRÄER
Nachdem Gott vorzeiten
vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vorfahren
durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den
Sohn. Den hat er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch ihn hat er auch die
Welt gemacht.
Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das
Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat
vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der
Majestät in der Höhe und ist so viel höher geworden als die Engel.
So haben wir einen großen Hohenpriester, der die
Himmel durchschritten hat, der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne
Sünde. Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit
wir Barmherzigkeit empfangen, wenn wir Hilfe nötig haben.
Hebräer 1,1-4; 4,14-16
Die wenigen Sätze lassen die Großartigkeit des
Christus leuchten. Nach den Vorworten durch
die Propheten hat Gott das endgültige Wort eingesetzt. Dies war schon im
Schöpfungswerk mit da und hat unsere Kärglichkeit beseitigt, hat uns die ewige
Werthaltigkeit beigelegt, an die nicht mal die Engel heranreichen. “Sitzend zur
Rechten Gottes“ meint, dass Christus das Ebenbild Gottes ist, wesensgleich mit
ihm - und zieht uns nach auf sein Niveau. Nie dürfen wir mehr abfällig von
einem Menschen denken, denn jeder gehört
mit Christus zu Gott.
Der altertümliche Titel „Hoherprister“ erinnert noch
an den ferngedachten Gott, zu dem Mittler die Verbindung schlagen mussten. Doch
jetzt haben wir direkten Zutritt zum
Thron der Gnade und empfangen Zuversicht, wenn wir sie nötig brauchen.
*
Freier Zugang
Weil wir denn nun durch Jesu
die Freiheit haben zum Eingang in das Heiligtum,
so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in
vollkommenem Glauben, los von dem bösen Gewissen und gewaschen mit dem Wasser
der Reinheit. Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht
wanken; denn er ist treu, der sie verheißen hat; und lasst uns aufeinander Acht
haben und uns anreizen zur Liebe und zu guten Werken.
Und werft euer Vertrauen nicht
weg, welches eine große Belohnung hat.
Hebräer 10,19.22-24.35
Jesus beschafft uns den
Adel der Gotteskindschaft; jeder einzelne hat Zugang zu Gott, nur böses
Gewissen könnte ihn uns entfremden. Doch wir sind mit dem Wasser der Taufe
besprengt- das besiegelt uns die Zugehörigkeit zu Gott. Was uns zu tun bleibt, ist,
die Hoffnung festzuhalten in den Taten des Alltags. Sind wir also achtsam
miteinander, immer bereit zu Werken der Liebe.
Vertrauen wir, auf immer in den guten Händen Gottes zu bleiben. Das beschafft
eine große Lebensenergie: Wir werden uns glücken, auch wenn unter Mühen.
*
Es ist aber der Glaube
eine feste Zuversicht, ein Hoffen, ein Nichtzweifeln ohne
Sehen.
Wir haben „eine Wolke von Zeugen“ um uns. So lasst uns ablegen alles, was uns
beschwert, auch die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit
Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger
und Vollender des Glaubens
Hebräer 11,1;12,1.2
„An wen glauben“ kommt von „geloben“: Gott steht zu
dir, er gehört zu dir, gelobt sich dir an- daraus schöpfe Zukunft. Auch das
Nichtgeschaute ist seins und darum nicht gegen dich- du kommst durch an seiner
Hand. Dafür gibt es eine “Wolke von Zeugen“, ein Heer derer, die mit ihm
“durchs Feuer“ gegangen sind und erlebt haben, wie sie hindurch getragen
wurden. Leben ist immer Kampf, auch gegen die eigene Schwäche. Das Vorbild des Christus
und einiger starker Mitmenschen gebe uns Mut, auch durchzuhalten.
*
Selig die Heimatlosen,
sie werden nach Hause kommen.
Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.
Hebräer 13,14
Wir sind hier nur Vorübergehende, sind auf Abruf und
Abbruch hier. Hier ist Übung, Anfang, Ouvertüre. Die Freuden hier sind
Vorgeschmack, die Mühen kommen von dem steinigen Zeit-Weg, den Gott selbst noch
geht, die Schöpfung zu vollenden. Darum ja: “Du sollst an keinem wie an einer
Heimat hängen, der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, er will uns Stuf
um Stufe heben...weiten“ (H.Hesse).
* *
DIE OFFENBARUNG DES
JOHANNES
Gnade sei mit euch
und Friede von dem, der da
ist und der da war und der da kommt.
Offenbarung 1,4
Ein herrliches Anfangs- und
Schlusswort für Tun und Lassen des Tages, des Lebens. Mit diesem Segenswunsch
sehen wir uns zugehörig dem Einen-Guten-Ganzen, der sich nach allen Richtungen
erstreckt und in dem alle Gegenden und Zeiten geschehen. Von ihm Gnade und
Frieden haben- mehr geht nicht.
*
Sei getreu bis an den Tod,
so will ich dir die Krone des
Lebens geben. Siehe, ich komme bald.
Halte, was du hast, dass
niemand deine Krone nehme!
Offenbarung 2,10;3,11
Mit diesem Leuchtsatz von der Krone ausgerüstet, sind in
den Weltkriegen Millionen Menschen in den Tod marschiert, weil fahrlässig das
Irdische zum Ewigen erklärt wurde. Und fälschlich ist unser Tun zur Bedingung
für Gottes Güte gemacht worden. Sicher sollen wir unsere Zuversicht behalten in
den Versuchungen der Zeit. Aber die Krone, die Gotteskindschaft, verleiht
ausschließlich Gott allein und wenn wir sie auch verlieren, passt Christus sie
uns wieder und wieder an.
*
Das sagt der Heilige:
Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan- du mit
deiner kleinen Kraft hast mein Wort
bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.
Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand mir
die Tür auftut, bei dem werde ich einkehren und das Fest mit ihm feiern und er
mit mir.
Offenbarung 3,8.20
Das Entscheidende geht nicht von uns aus sondern kommt
auf uns zu, fliegt uns zu. Türen werden uns aufgetan, dass uns das Leben
gelinge. Immer wieder werden uns Chancen vorgelegt, wir werden an Kreuzungen
geführt, werden in Aufgaben eingewiesen, die wir schaffen oder an denen wir
versagen. Wichtig dabei, dass wir ins Gelingen verliebt sind; ja, dass wir
Gott, dem Grundgütigen, gelingen wollen. Sein Wort bewahren, heißt: Uns in
seinem Wort bewahrt wissen- nicht uns verloren vorkommen, keinesfalls. Dies Zugehörigwissen
zu Gott ist tatsächlich die Krone.
Also sammle und verschenke im Alltag die Perlen der
Gotteskindschaft. Komm dir nie verloren vor. Halte dich an dein Getauftsein. Du
gehörst Gott, nichts kann dich aus ihm herausbrechen. Was auch kommt, darin
kommt Gott auf dich zu.- Nimm ihn an in all den Gestalten, in denen dir Leben
begegnet. Er geht mit dir hin zum Fest der Fülle und der Freude. Keine Angst
wegen der Stolpersteine unterwegs. Nichts soll dich von Ihm trennen.
Und noch eins ist zu lernen von Jesus: Er will anklopfen
an die Tür und nicht sie einschmeißen. So sollen auch wir mit einander sanft
umgehen und tolerant das Verschiedene annehmen oder wenigstens zulassen.
*
Schalen des
Zorns
Und ich hörte
eine große Stimme aus dem Tempel, die sprach zu den sieben Engeln: Geht hin und
gießt aus die sieben Schalen des Zornes Gottes auf die Erde. Und der zweite Engel goss aus seine Schale
ins Meer; und es wurde zu Blut wie von einem Toten, und alle lebendigen Wesen
starben. Und der dritte Engel goss aus
seine Schale in die Wasserströme und die Quellen und sie wurden zu Blut.
Und der
siebente Engel goss aus seine Schale in die Luft. Und es geschahen Stimmen,
Blitze und Donner und ein Erdbeben, groß, wie keines noch gewesen ist. Und alle
Inseln verschwanden und die Berge wurden nicht mehr gefunden. Und Hagel wie Zentnergewichte fiel vom Himmel
auf die Menschen…
Offenbarung 16,
1.3.4.17.20.21
Zuerst waren
diese Schauer-Prophezeiungen gesagt, um die christliche Gemeinde zu trösten.- Die erlebte schlimme Verfolgungen unter dem
römischen Kaiser Diokletian. Vernichtet sollte die „Hure Babylon“ – Rom –
werden, damit dann die Christen in Frieden leben können.
Aber die
apokalyptischen Schreckensvisionen wurden auch vernommen als Drohungen mit dem kommenden
Weltenende. Schon oft in den Jahrhunderten ist der Weltuntergang als Strafe für
die Sünden angesagt worden.
Heute ist die
Vernichtung der Menschheit und die Zerstörung der Erde machbar. Um so
dramatischer hängt der Erhalt des Lebens von Gottes Segen ab und unserer Bereitschaft, abzulassen von Ausbeutung.
Kehren wir um, und bewahren die
Schöpfung.
Neue Erde
Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; der
erste Himmel und die erste Erde sind vergangen und das Meer ist nicht mehr. Und
ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel
herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.
Und die zwölf Tore waren zwölf Perlen, ein jedes Tor
war aus einer einzigen Perle, und der Marktplatz der Stadt war aus reinem Gold und
wie durchscheinendes Glas.
Und ich sah keinen Tempel darin; denn der Herr, der allmächtige
Gott, ist ihr Tempel, er und das Lamm.
Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die
sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen
wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr
Gott sein.
Offenbarung 21,1-3
Diese Vision hat das Geschichtsbild der Menschheit
stark geprägt: Die Verwandlung aller Dinge ist im Gange und sie wird
grundstürzend sein. Ob eine neue Schöpfung bereit steht, die herabgelassen wird
wie aus dem Schnürboden eines Welttheaters? Eher nicht. Aber wichtig am Neuen,
dann Letztgültigen ist die soziale „Bauweise“ des ewigen Lebens. Wir gehen wohl
alle auf ein Zusammenleben zu, das noch was mit Wohnen in Hütten zu tun hat und
mit Handeln auf einem Marktplatz- und auch noch Bäume und Tiere hat. Jedenfalls wird Gott mit
uns zusammensein- das ist wohl das, was bleibt. Er hat keinen Raum extra für
sich. Gott ist unser Raum und unsere Zeit.
*
Das Alpha und das Omega
Und Gott wird abwischen alle Tränen von unsern Augen,
und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird
mehr sein; denn das Erste ist vergangen.
Und der auf dem Thron saß,
sprach: Siehe, ich mache alles neu!
Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich
will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.
Offenbarung 21,4-6
Die Erdenzeit ist auch Tränenzeit und fährt gegen die
Wand- den Tod. Alle Angst ist Angst vor dem Tod in großen und kleinen Dosen:
Unter Schmerzen allein und hilflos sein. Aber
unsere Tränen sind aus Heimweh geweint- wir sind voll Ahnung, daß das
Erste vergeht. Der uns umfängt als Schutzmantel der Welt, der wird weiter reichen
als alle Beendigungen und Tode. Gott ist Anfang und Ziel- einst wird der Tod
ausgedient haben und unser Durst nach dem Lebendigen wird für immer, immer
gestillt sein.
*
Der letzte Tag hat keinen Abend
Und der Geist führte mich hin auf einen hohen Berg und
zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem herniederkommen aus dem Himmel von Gott,
ihr Licht war gleich dem alleredelsten Stein, einem Jaspis, klar wie Kristall;
sie hatte eine hohe Mauer mit zwölf Toren, Die Mauern waren aus Edelsteinen und
die Tore aus Perlen und der Marktplatz der Stadt war aus reinem Gold wie
durchscheinendes Glas.
Und ich sah keinen Tempel darin; denn der Herr, der
allmächtige Gott, ist ihr Tempel.
Und die Stadt bedarf keiner Sonne noch des Mondes,
denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm. Und
die Völker und Könige werden ihre Herrlichkeit in sie bringen. Und er zeigte
mir einen Strom lebendigen Wassers, klar wie Kristall, der ausgeht von dem
Thron Gottes und des Lammes; Und es wird nichts Verfluchtes mehr sein. Gottes
Name wird an den Stirnen der Heiligen
sein. Und es wird keine Nacht mehr sein, und sie bedürfen keiner Leuchte und
nicht des Lichts der Sonne; denn Gott der Herr wird sie erleuchten, und sie
werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Es spricht, der dies bezeugt:
Ja, ich komme bald. - Amen, ja, komm, Herr Jesus!
Aus Offenbarung 21,10ff ;
22,1-5; 22,20
Das ist das biblische Schlussbild; das Siegel, welches
der Unbegreifliche uns einprägt. Wir bleiben die Tiefgeliebten von immer
Größerem (R.M.Rilke). Unserm Denken drängen sich Hölle, Inferno, Vernichtung
als Ende auf. Aber der Gott, der alle
Tränen abwischt, der hat Himmel und
Vollendung vor. Wie das Vollendete aussieht, ist offen. Ein starkes Bild ist
genommen aus menschlichem Zusammenleben: Die Stadt ist ja unser intensives
soziales Geflecht. Also soll auch für den
Himmel eine gottvolle Art von Zusammenleben erwarten werden. Mauern schmücken
dann nur, sie wehren nicht ab, Die Tore stehen offen, ein Markt ist noch da-
wir tauschen miteinander Glück und Gaben. Aber kein Tempel, keine Kirche wird
mehr sein, kein besonderer Raum der Gottesbegegnung wird mehr nötig sein. Wir
wohnen in Gott, nichts Verfluchtes ist mehr, kein „Jenseits von Eden“ mehr. Uns
bleibt nur, zu bitten: Du, der Du uns Himmel zusagst, komm bald. Und der letzte Satz der Bibel
lautet: (Offenbarung 22,21) Die Gnade des Herrn Jesus sei mit uns allen.
* * *
Die Bibel weiterscheiben
Irgendwann um 200 n Chr. hatte sich in Rom ein Kanon
von kirchlichen Schriften zusammengerüttelt. Als Richtschnur für die Aufnahme
in das „Neue Testament“ galt die Urheberschaft durch die vier Evangelisten und
die Apostel, die bis auf Paulus, alle zum Jüngerkreis Jesu gehört hatten. Aber
nur wenige Schriften, und zwar die von Paulus, sind so alt, dass sie Anschluss
haben an Jesu irdische Lebenszeit. Alle anderen Schriften sind eine oder
mehrere Generationen nach Jesus
geschrieben worden und behaupten nur, von Petrus oder Paulus zu stammen- um
sich ihre Autorität zunutze zu machen.
Sie sind Arbeitspapiere der
jungen Kirche um das Jahr 200 und später. Man kann auch sagen: Das Neue Testament
ist der erste Predigtband der Kirche.