Wochenspruch mit kurzer Auslegung (T.G.) 25.10.1998
Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert,
nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein
vor deinem Gott. Micha 6.8
Wir wollen, was gut ist. Aber manchmal sind wir zu träge, sind
auch unterhaltungssüchtig, ehrversessen, brauchen Geld. Eigentlich
wollen wir, was gut ist, aber nicht immer wollen wir es stark genug. Darum
gut, zu bitten, daß Gott uns mit seinem Wort hält. Und wir das
Lieben trainieren. Sofort anhalten und Schieben helfen, sofort die Börse
zücken, wenn einer in Not ist. Ausreden gibt�s genug. Wir müssen
das Lieben üben. Und bescheiden werden, im Maß bleiben, danken,
ach ja.
Keitumer Predigten Traugott Giesen 25.10.1998
Ich glaube, hilf meinem Unglauben. Markus 9, 24
Dieses Wort des Jesus ist ein Juwel der Menschheit. Aufgehoben ist dies
Wort in der Geschichte von der Heilung des Besessenen durch Jesus. � Heilung
gelang Jesus uns ist so oder anders allen Menschen aufgegeben und zugesagt.
Heilung brauchen wir zuerst für uns selbst. Heil sind wir, wenn
unsere Seele gern in unserm Körper wohnt und sie sich mittels unseres
Geistes gut ausdrücken kann. � Also Körper und Geist sind Aggregatzustände,
in denen sich unser Ich, unsere Seele gut entfalten kann. Oder aber die
Seele nimmt Schaden, verkrümmt, verdurstet � da muß an Geist
oder Körper entlang, am besten über beide, die Seele wieder aufgerichtet
werden. Das gelingt, indem der Körper wieder Wachstum und Regung zeigt
und der Geist sich zur Ordnung ruft, aus Chaos und Stagnation heraus Neues
auf den Wege bringt. � Körper und Geist müssen arbeiten, daß
die Seele wieder gern in ihnen wohnt.
Wie aber zu Kräften kommen? Wie können Körper und Geist
Elan behalten oder wiedergewinnen? Da ist unser Glaube gefragt. Glaube,
das ist Lebenswille, Lebensmut aus Gottvertrauen.
Uns Eltern sind die Kinder anvertraut von der großen Kraft �
dies glauben wirkt den Willen, dem Kind gut zu sein.
Nicht blinder Zufall treibt Spott mit uns. Wir sind von der Liebe in
die Welt geschickt. Das glauben wirkt den Willen, der Liebe zu trauen.
Unsere Begabungen nehmen wir als Gaben Gottes. Dies glauben wirkt den
Willen, in Absprache mit Gott die Fähigkeiten zu nutzen.
Deine Zeit ist dir als Gottes Quantum ausgeteilt. Dies glauben wirkt
den Willen, gespannt den neuen Tag aus Gottes Schatz entgegenzunehmen.
Gottvertrauen beschafft Lebensmut.
Und was ist mit meinem, deinem Lebensmut? Wir verzagen auch, ermatten,
sprechen andere schuldig, entwickeln Schadenfreude, weil�s bei uns auch
nicht so klappt. Die Lebenslust wird manchmal zum Rinnsal � der Körper
macht Mühe oder der Geist ist schwach.
Dann brauchen wir einen, der Glauben aufrecht hält, dann brauchen
wir Kirche, die aus dem Glaubensschatz Geschichten weiß � und das
Gebetbuch, die Psalmen uns hinhält, daß unsere Seele wieder
zu Atem komme. Da ist zum Beispiel dieser Spitzensatz Christlichen Wissens:
Ich glaube, Herr, hilf meinem Unglauben! Wie da eins ins andere übergeht,
eins sich am andern reibt, eins nah am andern ist, ja beides zusammengehört,
es scheint ganz normal, zu schlingern von Glaube zu Unglaube und wieder
zurück. Das ist mir befreiend. Wir brauchen uns nicht zu schämen
über unser Unstetes. � Wir sind hin- und hergerissen, aber nicht unsere
Seele beschafft Gott, hält ihn fest. Sondern Gott hält unsere
Seele, hält sich unsere Seele als einen seiner Außenposten,
wie wankelmütig wir uns selbst auch sind.
Was müssen Christen glauben? Welchen Stapel Sätze muß
ich unterschreiben, wenn ich Christ sein will. � So werde ich schon mal
gefragt. Aber Glaube ist kein Sack, der voller Glaubensgegenstände
gepreßt wird, und je mehr wir glauben, desto praller und fester wäre
unser Glaube. Nicht was sondern wem glaube ich? Wem vertraue ich im Leben
und im Sterben. Darum geht�s. Glauben ist jenseits von: �nur ungefähr
wissen�; glauben meint lieben, zugehören; �ich glaube dir� ist doch:
ich nehme dich als wahr an, als verläßlich an; Glaube ist nicht
Ungefähres Wissen von Sachen sondern ist Vertrauenswissen, ist Beziehung,
ist ein Wissen der Seele, ein Zugehören.
Wohin gehöre ich und wem? Wem traue ich, von wem weiß ich
mich ins Leben gesät? Wem bin ich verantwortlich? Wem klage, wem danke
ich? Letztlich, durch die irdischen Instanzen hindurch. � Wenn ich verletzt
daliege und ein Mensch nach dem andern geht vorüber � dann seh ich
mich doch auch von Gott verlassen. Und umgekehrt: liebt mich einer, macht
mich begeistert von Lebendigkeit, dann dank ich doch an höchster Stelle.
Also, von wem hoffe ich, daß er sei? Bitte! Gott, sei! Sei bei
uns! Das ist doch dein, mein Seelenwunsch und -wissen. Du glaubst ihn als
deinen Halt und Sinn und deinen Erfinder und Betreiber. Du glaubst ihn
anhand der Geschichte Jesu und seiner Geschichten von Gott als unser aller
Vater/ Mutter. � Er treibt uns durch Leben und Sterben � durch Güte
und Sünde. Ich, du glauben Gott als das offene, letzte Ende von allem.
Du glaubst dich als Funken von seiner Glut, als Flamme seiner Liebe, als
Wort seiner Sprache, als Licht von seinem Licht.
Und auch: Ich glaube, hilf meinem Unglauben � dieses Auf und Nieder,
Hin und Her von Glaube und Nichtglaube ist Tatsache. Dann spiele ich mich
auf als Gott in meinem Revier, setze rabiat mich durch; oder verdrücke
mich als graue Maus und stelle mich tot. Dann verwischt sich mir der Unterschied
von Schöpfer und Geschöpf, ich rühme mich meiner Leistung
oder erliege der Versuchung der geschlossenen Hand: festhalten, nichts
entweichen lassen, raffen, erkalten. � Dann halte ich mich selbst für
Kirche, meine Familie für den Tempel, verwechsle den Schatz des Glaubens
mit meinem kleinen Kramladen an Durchkomme-Geschick. Oder will nicht Gott
vertrauen, sondern will ihm in die Karten gucken durch Astrologie und Pendeln
und mir Wahrsagen lassen. � Viele Sorten Unglauben sind uns Peitsche für
unser kreiselndes Ich. Hoffentlich finde ich mich wieder, vom Glauben gehalten.
Ich glaube, hilf meinem Unglauben � diese Schiffschaukel von getrost
und verzweifelt; von vertrauend und stolz oder zerrissen. � Wir können
kippen von jetzt auf gleich.
Da ist die Getrostheit, daß ich mich an die Guten Gebote halten
will, sie begrenzen meine Autonomie und behüten sie � und dann � als
ritte mich ein Teufel � werde ich unbescheiden, arrogant, beleidigend,
andere beschädigend, unglücklich, voll Skrupel, bin wie ein Spielball.
� Bis ich dann wieder vom Glauben getragen werde.
Diese Schaukel, dies Auf und Ab hat der deutsche Mystiker des Mittelalters,
Heinrich Seuse, so beschrieben (Dorothee Sölle, Hinreise, Kreuz-Verlag):
Wahrlich Herr, ich suche und finde in mir einen gar großen Unterschied.
Fühle ich mich verlassen, so gleicht meine Seele einem Kranken, der
nichts schmeckt, dem alles zuwider ist; der Leib ist schlaff, der Sinn
schwer; in mir herrscht Herzenshärte, außen Traurigkeit. Was
ich auch sehe, höre und weiß, verdrießt mich, wie gut
es auch sei, denn ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll; leicht
falle ich in Fehler, unschlüssig verhalte ich mich Feinden gegenüber,
lau und kalt bin ich zu allen guten Dingen. Wer zu mir kommt, findet das
Haus leer; der Hausherr ist nicht daheim, er, der guten Rat geben könnte
und durch den die Hausgenossenschaft freudig gestimmt wird.
Geht aber der helle Morgenstern auf mitten in meiner Seele, so ist
alles Leid verschwunden, alle Finsternis gelichtet, der Himmel wird hell
und heiter, und mein Herz lacht; es freuen sich Sinn und Seele in mir;
mir ist es so recht festlich zumute, und alles, was an mir und in mir ist,
wird zu einem Lobe für dich. Was schwer, mühsam, unmöglich
war, wird leicht und angenehm: Fasten, Wachen, Beten, Leiden, Meiden und
alles Strenge in der Lebenshaltung wird zu nichts bei deiner Gegenwart.
Gar manche Kühnheit kommt mich an, die mir in der Verlassenheit gefehlt
hat. Die Seele wird so mit Klarheit, Wahrheit, Freundlichkeit durchtränkt,
daß sie alle Mühsal vergißt. Ich kann frommen Herzens
ohne Mühe betrachten, die Zunge voll Selbstbewußtsein sprechen,
der Leib alles behende anpacken, und wer nur sucht, findet für all
das, was er begehrt, klugen Rat. Mir ist dann, als wäre ich über
Raum und Zeit hinausgewachsen und stünde in dem Vorhof ewiger Seligkeit.
Ach, Herr, wer verleiht mir (dieses Zustandes) Dauer? Denn geschwind in
einem Augenblick ist es vorbei, und ich stehe da, bloß und verlassen,
zuweilen beinahe so, als ob ich jenes Glück nie erlebt hätte,
bis es dann nach schwerer Herzensnot sich wieder einstellt.
Und beide Tendenzen sind in uns, vielleicht weil unser Ich, unsere
Seele aus Gott und Schatten gebacken sind und wir �der Staub sind in dem
Gott Feuer gefangen hat�, also wir erst noch im Verwandeltwerden begriffen
sind, noch erst von Gott in Arbeit gehalten.
Und wir schwanken zwischen Inspiration, Gottes Atem, und Müdesein,
wieder zu Staub werden wollen, jedenfalls pflanzenhaft, motivationslos
� einfach nur da sein wollen.
�Was ich auch sehe, höre und weiß, verdrießt mich,
wie gut es auch sei� � dieser Satz von Seuse beschreibt die Traurigkeit
von uns allen oft � wir wissen nicht, was das Ganze soll. Sehen auch kein
Ganzes � nur immer mehr Zerfall in ein Gestöber lauter egoistischer
Aktionisten mit Herzenshärte und manischer Selbstverherrlichung.
Geht aber der helle Morgenstern auf mitten in unsern Seelen, dann weichen
Schwermut und Zweifel, dann packe ich wieder behende an, kann Schüchternheit
überwinden, mich konzentrieren. Und das aber nicht aus Körperverwandlung,
nicht aus Geistes- und Willenskraft, nicht aus Autosuggestion: denk positiv!
� diese Tyrannei, das Ungute in mir zu unterdrücken. �
Geht aber der helle Morgenstern auf in unsern Herzen. Ichstärke
kommt von der Nähe Gottes, dir geht wieder auf, daß Gott dein
Gott ist, ganz nah dir, näher als dein Augapfel dir, du �von der Guten
Gegenwart so ganz umgeben� (Seuse), du, in dir pulsiert eine Seinsgewißheit:
�Gut daß du da bist, du bist�. Diese Seinsgewißheit kann im
Bild des Christus dir erscheinen oder kann gespeist sein aus einer herrlichen
Liebe. Morgenstern, Christus, Liebe � sind drei Seinsweisen der Gottesanwesenheit
in dir.
Nicht erst dein Glauben besorgt dein Gottgehören. Dein Glaube
empfängt und merkt diese Gewißheit und zieht daraus Kraft für
Leib und Geist. Deine Seele, dein Ich blüht, du bist gern Du.
Im Unglauben ist das die Rettung, noch Erinnerung zu haben. Gedenke
dann an bessere Zeiten, wenigstens bitte: Gott, Du warst mir mal so klar,
jetzt scheinst du mir untergegangen, laß den hellen Morgenstern wieder
aufgehen in meinem Herzen.
Vor der Zukunft stehen wir im freien Feld. Da brauchen wir sense �
nicht Nonsens, brauchen und bekommen Glauben, der hält und trägt.
Amen.
Wochenlosung der kommenden Woche (01.11.1998)