Traugott Giesen Kolumne 24.04.1999 aus Hamburger Morgenpost
Highschool-Killer als Feuermal
Wie können Menschen davor geschützt werden, daß Gewalt
nicht explosiv aus ihnen rausbricht? Gewalt kreist in uns allen. Nur haben
wir meist gelernt und sind noch dabei, uns zu zügeln. Meist haben
wir das Recht auf unserer Seite oder können uns verdienen, was wir
benötigen und halten zum eigenen Vorteil Sicherheitsabstand.
Ehre, Besitz, Einfluß brauchen wir alle. Kampfbereitschaft, um
mein Quantum Lebensmittel sicherzustellen, ist uns mitgegeben. Es gibt
Theorien, daß plötzlicher Kindstod auch davon kommt, daß
das Menschlein ganz früh über die Mühsal des Erdenlebens
zu Tode sich erschreckt; und es will wieder weg hier, weil es zuwenig Lebensgier
hat. Die Gier nach Luft, Nahrung, Wärme, Geliebtsein ist Bedingung,
um das Meine zu bekommen � nichts gegen zu sagen. Der Punkt ist: Ob ich
das �Leben und leben lassen!� lerne.
Ich brauche dazu die Gewißheit, das Nötige immer zu bekommen
und muß darum nicht den Geliebten klammern, nicht Vorräte horten,
brauche nicht Bunker für mein Überleben, nicht Waffen für
meinen persönlichen Schutz. Ohne das Vertrauen, das Leben ehrt mich
genug, um mir das Nötige schon einzuräumen, muß ich mir
immer mehr Sicherheiten schaffen, Gelder, Abhängige. Meine Selbstmächtigkeit
meine ich, immer weiter stützen und bewaffnen zu müssen, je mehr
ich mich bedroht wähne. Angst verbreiten ist dann Abwehr der eigenen
Angst. Und mit einem großen Bluten das eigene Sterben illuminieren
� das haben Tyrannen und Brandstifter vorgemacht.
Zwei äußerlich unauffällige Jungen erschießen
13 Mitschüler, einen Lehrer, dann sich selber. Einer erhielt zum 18.
Geburtstag ein Gewehr geschenkt. � Sicher ist die Waffenverherrlichung
in USA ein Treibmittel. Auch das selbstgewisse Recht, als Staat bis an
die Zähne bewaffnet zu sein und Saddam Gehorsam beizubringen, trägt
ins eigene Land die Strafgerichte von selbsternannten Rächern. Und
die Todesstrafe gibt vor, daß Tötung zur Strafe gut sein kann.
Rambo-Filme sind beliebt; sie bieten Massaker als Unterhaltung und tarnen
das Morden als Notwehr.
Auch die verrückt gewordenen Jungen hielten ihr Morden für
Notwehr. Sie fühlten sich als zweite Wahl, als verachtet und hatten
kein Prestige. Sie sahen sich abgelehnt und erfanden dagegen immer tiefer
wurzelnde Abneigung. Aus dem Haß-Arsenal der Menschheit suchten sie
blutrünstige Parolen und Bilder. Sie entwerteten Leben, wie sie ihr
eigenes für leer hielten. Ehrfurcht vor dem Leben haben sie nicht
gelernt, weil sie wohl nie Ehrfurcht erfuhren. Die Greuel der jungen Mörder
von Denver jagen Schauer über den Rücken. Gewalt ist noch nah
unter unserer Haut.
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