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Keitumer Predigten   Traugott Giesen   Silvester 31.12.2001

Lehre uns, dass wir begrenzt sind, auf dass wir klug werden

Losung 2001: "In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis." Kol. 2,3

Losung 2002: "Gott ist meine Rettung; ihm will ich vertrauen und niemals verzagen." Jes. 12,2

Psalm 90: "Gott, du bist unsere Zuflucht, für immer und immer. Ehe die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du von Ewigkeit zu Ewigkeit. Du rufst die Menschen ins Leben und dann auch zum Sterben und sprichst: Kommt wieder Menschenkinder. Ja, tausend Jahre sind vor dir wie ein Tag und wie eine durchwachte Nacht. Du lässt uns dahinfahren wie einen Strom, wir sind wie ein Schlaf; wie Gras, das am Morgen blüht und sprosst und am Abend verdorrt. Das macht dein Wollen, dass wir kommen, bleiben und dann plötzlich von hier müssen. Dann stellst du unsere Taten ins Licht deines Angesichtes. Dann zeigt sich: wir brachten unsere Tage oftmals zu wie ein Geschwätz. Unser Leben, wenn's gewährt ist, währet siebzig Jahre und wenn's hoch kommt so sind es achtzig Jahre, und wenn es köstlich gewesen ist, so ist viel Mühe und Arbeit dabei gewesen. Es fähret schnell dahin als flögen wir davon. Gott, lehre uns, dass wir begrenzt sind, auf dass wir klug werden. Fülle uns frühe mit deiner Gnade, so wollen wir dich rühmen, wollen fröhlich sein das Leben lang. Und unser Gott sei uns freundlich und fördere das Werk unserer Hände, ja das Werk unserer Hände und Gedanken wollest du fördern."

Wieder ein Jahr an seinem Rand. Und du, ich durften es miterleben, das Schaurige und das Herrliche, die Sensationen und das Alltägliche, das Laute, das Stille. Und durch uns hindurch ging die Zeit, ein Fließen riß was weg und ließ noch mehr da - Anwachs an Person geschah uns, Gewinn an eigener Mitte.

Wir sind glücklich dran, wir hier jetzt, in St. Severin Versammelten - und die anderswo um das Herdfeuer christlichen Glaubens Gescharten, - glücklich, weil uns ein Jahr mündet und nicht im Vergessensfluß endet. Nicht mit wegwerfender Geste, sondern mit offenen Händen im Schoß lassen wir das Jahr gehen, - wissen, wohin es fließt: Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für immer und immer. Das Trostwort überhaupt: Du "Gott Zuflucht" - in deine Hände ist alles gelegt.

Wir sind ja erschöpft von diesem Jahr, von diesem besonders - und nähmen uns gern ein Sabbatjahr, Auszeit von öffentlichem und privatem Schicksal, - das geht aber nicht. Was geht, ist wenigstens eine Stunde, - jetzt - mich in Dich Gott eingelassen wissen, wie ein Kind im Mutterleib, einfach nur vorhanden sein, - Du das reine Sein, ich, wir Menschen im Werden, aber einen Augenblick, nur vorhanden sein, in dir, Gott Zuflucht. Dafür Dank, Dank, jetzt.-

"Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du von Ewigkeit zu Ewigkeit." Du, Gott bist, alles andere ist im Werden und damit im Vergehen. Nicht, dass dein Sein wie ein stehender Teich wäre, - auch du, Gott wächst, - wächst um deine noch unentdeckten Absichten, - so ja Rilke - allein schon, mit uns quirligen Kreaturen, hast du dich so eingelassen, - das färbt ab. Das ist ja dein Meisterliches, mit uns am Werk zu sein. Doch mit all den Katastrophen und Kainszeichen und Türmen von Babel und den Golgathas bist du doch der Gott Zuflucht. Du Schutz und Behütung, du Nahrung und Umarmung, du Liebe in allen Farben und Schattierungen, du Freude, du Sonnenaufgang und zur Ruhe kommen.

"Du rufst uns ins Leben." Mit welchen biologischen, chemischen Verfahren du uns entwickelst erkennen wir so langsam sehr staunend und sind besorgt, dass selbstherrliche Zauberlehrlinge Menschen ins Leben rufen; dabei ist das unser Glanz, ist unsere Berufung: dein Wille gebietet uns, hier zu sein, keinem verdanken wir unser Leben als dir, Herz aller Dinge. Das möge so bleiben: Du rufst ins Leben, du rufst in die Chromosomen, - darum bleiben wir Person, wörtlich: Durchtönte, Angesprochene, Gemeinte von dir, Ewiggültigem. Darum ist die Würde des Menschen unantastbar. Weil unser Wesen ist: Gott mit uns im Gespräch.

Du rufst ins Leben, das klingt mir sehr nach "göttlichem Auftrag, produktiv zu sein" (Goethe). Du lässest leben und dann auch sterben und sprichst: Kommt wieder Menschenkinder. Mir klingt das mitfühlend, "das Menschliche muß man immer ausbaden" (Goethe), auch einladend und heimholend, als wären wir im Leben in der Fremde gewesen. Tatsächlich, Hölderlin 37 Jahre in geistiger Umnachtung, gestern nach dem Weihnachtsoratorium, diesem Rausch, noch ein Zipfel im Fernsehen Hölderlin gesehen, - und wieviele andere leben hier entfremdet, entrechtet, entmündigt, ein von Gewalt entstelltes Dasein. Kommt wieder, Menschenkinder - sagt der "Gott Zuflucht" mit Anteilnahme, ja Wehmut in der Stimme, weil das Projekt Leben kein Paradiesisches geworden ist, ja, Fressen und Gefressenwerden immer noch die dunkle Struktur des Lebens ist und gerade bei seinen Menschenkindern ein Jähzorn und eine Raffsucht möglich sind, die Gott selber schmerzen.

"Aber 1000 Jahre sind wie ein Tag dir" - was heißt das? "Gott leidet mit" - wir sind doch nur ein Flußwirbel, ein Schlaf, ein Gras, - aber was hat Pascal gesagt, ja wir sind ein Gras, ein Schilfrohr, - aber ein denkendes. Darum nochmal, welch Glück, nachdenklich das Jahr gehen zu sehen. Es ist eines der letzten, die wir mitbegleiten, mitgestalten dürfen. Denn irgendwann müssen wir plötzlich dahin. Viele sind gestorben, und jeder hatte einen sehr Nahen, ohne den es ärmer, jedenfalls sehr anders ist. Und ob die, die starben, weinten um die Zurückzulassenden, ob sie uns segneten oder hinweggerissen wurden, fast unverrichteter Dinge? Du "Gott Zuflucht" stellst unsere Taten ins Licht deines Angesichtes. Das ist Rettung, ist heilgemacht werden, hergerichtet werden. Dein Angesicht, dein Anschauen macht gut, schmilzt das Mißlungene ein, in Sprache des Paulus: "Gnade mit Namen Christus ist der Grund; ob aber darauf du baust Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu oder Stroh, - das wird Feuer erweisen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, er selbst wird gerettet werden wie durch Feuer hindurch." (1. Korinther 3,11-15), angesengt eben, humpelnde Heilige werden wir.

"Dann zeigt sich: wir brachten unsere Tage vielfach zu wie ein Geschwätz." Gehäkselt war die Zeit, banal, vertrieben, es war unempfänglich und folgenlos, was wir schwätzten, Männer oft unfreundlich vor Sachlichkeit oder voller Selbstdarstellungskämpfchen, immer mich beschönigend; Frauen mehr an Beziehungen interessiert, und es wird viel zugegeben und geleugnet und zurechtgelogen und abgemildert. Und beschädigt wird, wenn nicht zum Besten gekehrt wird, oder gar Falsches in Kurs gebracht wird. Aber doch auch Finden im Gespräch gelingt, ein sehr behutsames Berühren, ein Ohr schenken und mehr, und Verabredungen flechten, die Waage für Gerechtigkeit ermitteln, Frieden beraten, und ein fast schöpferischer Akt gelingt auch: "einen ins Gespräch zu ziehen oder ins Netz einer herzlichen Unterhaltung einzufädeln, und man wird ihn alsbald sein linkisches Wesen abwerfen sehen." (Robert Walser). Nein, nicht pauschal brachten wir unser Leben zu wie ein Geschwätz, nicht in seichter Heiterkeit, da ist auch Denken, Bekennen, Suchen, auch Gebet. Und Arbeit, viel Arbeit.

"Unser Leben, wenn's gewährt ist, währet siebzig Jahre und wenn's hoch kommt so sind's achtzig Jahre,..." -  eigenartig, dass seit Menschengedenken diese Jahresmarken die Normalität ansagen. Jeder kennt Menschen, die dieses biblische Alter nicht erreichten. Und es ist Schmerz, auch wenn Leben mühevoll ist. Wenn es köstlich gewesen ist, so ist viel Mühe und Arbeit dabei gewesen. Ja, das Leben hat nicht alle Tage Kerzen auf den Tischen, und Freude macht auch Mühe, Erfolg ist harte Arbeit, und ist doch Gnade, ist kein Anrecht. Ein Jahr heißt auch unermesslich viel Mühe, den Acker zu bestellen, das Placken, und Schinden, das Schleppen und Ausgebeutet werden: Kinderarbeit, Frauenfron, Sklaverei noch immer, Tierquälerei. Wie viel Schweiß um das Stück Brot, die Handvoll Reis und das Stück soziale Achtung, ungedemütigt hier sein zu können. Viel Mühe und Arbeit, ja - und das Köstliche davon: Etwas Eigenes, ein eigenes "Fürsich" (Goethe)und das Glück, sich zu gemeinsamem Tun zu verbinden,und Liebe, dies leibhaftige Spüren von Wohlwollen, und so viel erdhaft Schönes und Gutes und Lachen - es fähret schnell dahin, als flögen wir davon.

"Ja, Gott, lehre uns, dass wir begrenzt sind, auf dass wir klug werden." Bitte, lass uns spüren, "dass unser Leben jeden Tag neu beginnen kann, sinnvoll und bewusst und mit Hoffnung, und einem bißchen Courage, vor allem aber mit einer unverlierbaren Fröhlichkeit"(Heinrich Albertz) Und der Psalm schließt: "Fülle uns frühe mit deiner Gnade, so wollen wir dich rühmen, wollen fröhlich sein das Leben lang. Und unser Gott sei uns freundlich und fördere das Werk unserer Hände, ja das Werk unserer Hände und Gedanken wollest du fördern." Amen .


 




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