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Predigt 21. November 2004

Keitumer Predigten Traugott Giesen 21.11.2004

Totensonntag

1. Korinther 13, 8-13

Was bleibt ist die Liebe. Die Liebe bleibt, wo Weissagen und Beten und Kennen aufhören werden. Denn unser Wissen ist Bruchstück und unser Können ist Fragment. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. Wir sehen jetzt in einen beschlagenen Spiegel nur ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich von immer her gemeint bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, aber das Größte ist die Liebe.

Hofften wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen- wir mit soviel Sehnsuchtsbildern, die alle zerplatzen; und Christus ist dann auch nicht auferstanden (1. K 15,16-19).

Hier ist Stückwerk, Provisorium, Fragment; Stirbt uns ein naher Mensch, trennen sich unsere Wege. Wir sehen ja ein, daß geschieden sein muß, vielleicht konnten beide nicht mehr, der eine nicht bleiben, der andere nicht mehr halten. Und doch steht die Liebe vor einem Abgrund. Allein noch weiter müssen und dürfen, ist das eine, das andere ist die verstörende Frage: Wohin denn ihn geben?

Dies Ungeklärte, wohin stirbt es sich denn? - macht viele Hände so verkrallt ins Hier. Gabriel Garcia Marquez schreibt von einem: „Mit 81 Jahren hatte er die nötige, geistige Klarheit, um zu begreifen, daß ihn an diese Welt nur noch schwache Fäden banden, die bei einer einfachen Drehung im Schlaf schmerzlos reißen konnten, doch er tat sein Möglichstes, um sie zu erhalten aus Furcht, Gott in der Dunkelheit des Todes nicht zu finden.“

Gott nicht zu finden in der Dunkelheit des Todes - diese Furcht ist der Stachel des Todes, ist Misstrauen und garstiger Zweifel - ausgelöst von soviel Sterben an Krankheit und Gewalt.  Aber Du hast doch Gott gefunden in deinem Leben, er hat sich dir erschlossen, er hat sich dir nahegelegt. Wenn du einen Bach sieht, weißt du, daß es ein Meer geben muß (nach Musil)- So mit der Liebe: Du hast die Bächlein irdischer Liebe erfahren, dann weißt du, es ist ein Meer der Liebe, „Selbst der Schmerz, den du verspürtest, schien er dir nicht vom Licht der Sonne gesegnet zu werden“ (Murakami). Du weißt dich doch von guten Mächten wunderbar geborgen, selbst wenn du Naturwissenschaftler bist. Von dir könnte der Satz sein: „Ich bediene mich der Mathematik, aber ich glaube nicht an sie. Ich glaube an Gott.“ Also, wenn du schon zu Lebzeiten den Ewigen mit dir beschäftigt sahest, dann weißt du deine Gestorbenen in guten Händen und dich auch, wohin es auch geht.

Mit dem Sterben ist es so wie mit einem Schiff: Wir am Ufer sehen das Schiff wegfahren, die Menschen an Bord werden kleiner, die Aufbauten und Masten schrumpfen, dann ist das Boot am Horizont untergegangen. Aber denen an Bord geht nach großer Fahrt ein neues Land auf, und sie sind Kommende für die am jenseitigen Ufer. Für uns sind die Gestorbenen gegangen, für sich selbst sind sie Angekommene, Heimgerufene.

Hört von Michael Ende: Ein Schnurps grübelt: Also, es war einmal eine Zeit, da war ich noch gar nicht da. Da gab es schon Kinder, Häuser und Leut´ und auch Papa und Mama, jeden für sich- bloß ohne mich.  Ich kann`s mir nicht denken. Das war gar nicht so. Wo war ich denn, eh es mich gab? Ich glaub ich war einfach anderswo, nur, daß ich´s vergessen hab, weil die Erinnerung daran verschwimmt. Ja, so war`s bestimmt! Und einmal, das sagte der Vater heut, ist jeder Mensch nicht mehr hier. Alles gibt`s noch: Kinder, Häuser und Leut`, auch die Sachen und Kleider von mir. Das bleibt dann für sich, bloß ohne mich.

Aber ist man dann weg? Ist man einfach fort? Nein, man geht nur woanders hin. Ich glaube, ich bin dann halt wieder dort. Wo ich vorher gewesen bin. Das fällt mir bestimmt wieder ein. Ja, so wird es sein.

Erdenzeit ist für uns Invaliden der Liebe Werdezeit, Übezeit, „Leben ist das Zögern vor der Geburt“ sagt Kafka, und Schopenhauer, gerade der: „Ich glaube, daß - wenn der Tod uns scheidet, wir in einem Lichte stehen, von dem die Sonne nur ein Schatten ist.“ Also vor uns das Gut- und Ganzwerden. Wir sehen uns jetzt nur schemenhaft, nur in Umrissen bemerken wir unsere Würde. Wir verschatten uns und andere, wissen uns klein und ängstlich und unbedeutend, darum überschätzen wir andere oft, unser Meinen macht sie bedrohlich, und konkurrentisch; oder wir machen sie in Gedanken nieder, um emporzuragen - wir erkennen uns hier nur wie in einem beschlagenen Spiegel, vielleicht noch am vollständigsten, wenn wir nicht reden sondern uns umarmen.

Alles Gelingen, so bruchstückhaft es auch ist, schreit nach dem Ganzen, wie Puzzleteile aufgehoben sein wollen, hinzugehören wollen zum ganzen Bild. Wir sterben alle unvollendet, waren nie genug geliebt worden, und haben nicht genug geliebt- alle sterben wir unabgefunden in unseren Wünschen. Erdenzeit ist Werdezeit, war nur Ouvertüre. Gott hat noch viel vor mit uns, wir seine Menschen, seine Kinder „und wenn Kinder dann auch Erben“ (Galater 4,7) sagt mal Paulus, wir werden erfahren die herrliche Freiheit der Kinder Gottes, wenn er sein wird „alles in allem“ (1. Korinther 15,28). Und die übrige Kreatur in ihrem Seufzen hat dann auch gut davon (Römer 8).

Uns hier ist es aufgegeben, die Bruchstücke zu ehren und nicht das Irdische zu überspringen. Keine Überflieger sollen wir sein, sondern den Stoff des Lebens kneten. Und wenn wir uns auch mühten, sind wir zu Lebzeiten dem Andern doch nicht auf den Grund gegangen. Dabei hat jeder ein Recht, von Grund auf erkannt und angenommen zu sein. Aber solange wir einander die Spiegel sind, bleiben wir uns vage. Unser aller wahres Gegenüber ist „von dem Himmel“ – erst wenn Gott uns aufnimmt in sich, werden wir ganz wir selber werden.

Wie ich mich dann wahrnehme und die anderen, weiß ich jetzt nicht, wir werden, sagt Paulus, mit einem Geistleib umkleidet (so Paulus 1K 15,44), dem auferstandenen Christus hinterher. Christus spricht: Ich lebe und ihr sollt auch leben. Gott ist kein Gott der Toten, sondern der Lebendigen. Darum gibt es eigentlich keine Toten, nur uns Gestorbene, ihm Gott aber sind sie lebendigst. Wir hatten auf Erden Zeit uns aneinander, miteinander zu entwickeln. Stirbt einer, dann „waren wir uns geworden, was wir der Anlage nach uns sein konnten“ (C.L. Lewis : Über die Trauer, Benzinger V.) Warum du noch eine Strecke Erde gehen sollst ohne ihn? Du musst und darfst noch mehr du selber werden, sollst es ohne ihn werden. Für die Gegangenen sei voll Dank und voll standhaften Wissens: Die Seele ist ihnen vom Erdenleib abgeschält und sie sind frei, ihr Fassungsvermögen ist gottvoll geweitet, sie sind im Glück. Ob und wie wir noch zu ihrem Glück gehören? Wir gehören der Liebe - mehr jetzt nicht. Amen


 




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