L e b e n s m u t
 
Herzlich willkommen auf der Homepage von Traugott Giesen, ehem. Pastor in Keitum auf Sylt!

Aktuelles

Predigten
Kolumnen
Bibelenergie
Tägliche Losung
Gastpredigten
 

Archiv

Nachhören
Archiv Predigten
Archiv Kolumnen
Themenverzeichnis
Weitere Texte
Bibelstellen
Aufgelesenes
 

Informationen

Bücher
Links
 

Kontakt
Emailkontakt
Webmaster
Gästebuch
Impressum

Besucher seit
12.03.2001
0961278
Predigt 01. Januar 2005

Keitumer Predigten Traugott Giesen 01.01.2005

Neujahr 2005

Die Losung für das neue Jahr lautet: “Christus spricht: Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre”. Lukas 22,32

Ich habe gelesen, das heiße “Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre”, aber das fand ich komisch, und deshalb sage ich lieber: „gebetet“. Wenn das der Jesus für den Petrus getan hat, dann hatte er es nötig, und wenn er es für Petrus getan hat, dann tut er es auch für uns, und nur darum ist es so wichtig, dass er es auch für Petrus getan hat, weil er es auch für uns tut.

Was sagt Gott zu dir? Was sagt Christus zu dir? “Ich bete für dich”, das ist unglaublich. Er fädelt mich und dich ein in ein gutes Gewebe. Für einen beten, ist ja überhaupt mit das Stärkste, was wir uns tun können. Es ist ja, als würden wir einen anschließen an frisches Wasser, anschließen an rettendes Denken. - Wir hegen für einen anderen gute Gedanken und halten ihn damit in Gottes Spiel.- Beten heißt, Gott mit ihm beschäftigen. Also, ich bete zu Gott, dass er sich mit ihm gut beschäftigt. Jetzt sagt aber Christus selber “Ich bete für dich”, also sagt Gott selber “Ich, Gott, bete für dich, dass dein Glaube nicht aufhöre”. Gott betet für uns. Zu wem? Gott, Christus betet für uns. Er hält uns im Gespräch mit sich selbst. Er hält uns den Atem hin, dass wir von ihm Atem nehmen. Er hält uns seine Fürsorge hin, dass wir uns darin wiederfinden. Vor allem - er hält uns im Gespräch mit sich. Beten ist ja zuerst einmal sprechen - zu. Sprechen mit - sprechen zu, sprechen mit. Gott spricht mit uns, hält uns im Gespräch. Das ist ja das Faszinierende, dass Gott den Menschen sich geschaffen hat, um ein Gegenüber zu haben, um mit ihm - also, wenn’s nicht missverständlich ist - um sich zu erkennen. Also, das ist ein bisschen sehr hoch vom Menschen gedacht, bei Thomas Mann, in ‘Josef und seine Brüder’, da kommt eine Szene vor, wo der Josef tief im Brunnen ausgesetzt ist und nachdenkt. Er meint, er müsse sterben und weiß dabei: Das kann nicht das Ende der Wege Gottes sein. –Allein schon dies starke Bild: in einer unendlich tiefen Röhre stecken und über sich ein Stück Himmel mit Sternen sehen, und dann ...

Jedenfalls, ging dem Josef das Licht auf, dass Gott mit ihm mehr vorhat; Gott kann es sich gar nicht leisten, ihn da unten kaputt gehen zu lassen und aus und vorbei. Dann heißt es so ähnlich bei Thomas Mann “Und Gott küsste sich die Fingerspitzen über dieses ausgeklügelte Denken seines Josef”. - Als würde Gott an Josef entdecken, die noch unentdeckten Möglichkeiten bei sich selbst.

Ob Gott uns braucht, um sich wahrzunehmen - also, ich möchte es schon glauben, weil wir ja als Minimalausgaben des lieben Gottes – „Gott hat uns weniger, wenig niedriger gemacht als Eloim, als Gott; mit Ruhm und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt“ (Psalm 8,6).. Dass Gott in uns auch sich wiederfindet wie wir uns ja auch wiederfinden im Gegenüber - “Ich weiß gar nicht, was ich gesagt habe, bevor du mir nicht antwortest-” Das geht uns ja oft so. deshalb sind die Diskussionen zwischen Ehe- oder eheähnlichen Menschen ja so unheimlich spannend, weil sie erst im Contra entdecken, was sie überhaupt gesagt haben, und dann wird abgeklopft, ob man das denn wirklich so gesagt habe und wenn ja, was das denn meine. Jedenfalls, wir werden erst durch das Gegenüber. Daß aber Gott sich diese Blöße gibt, dass er selber werden will mit uns als Antwortenden und mit uns als Fragenden - das ist Gottes wahre Demut.

Wenn er beim Äffchen aufgehört hätte, seine Evolution zu kochen, dann hätte er ja viel mehr Ruhe, dann gäbe es aber nichts Böses. Und also auch nichts Gutes. aber er wollte ja wesen die fähig sind für diese . Diese Befähigung macht uns wunderbar und sehr verschieden. Legt nun Gott was von seiner Geistenergie in uns, dann redet was von Gott mit Gott. „Er hat uns die Ewigkeit ins Herz gelegt“ (Prediger 3), meint ja auch, Gott hat uns diesen ewigen Dialog mit ihm ins Herz gelegt. Der kann verstopfen, es wird ein Monolog, man stilisiert sich selbst zur Ewigkeit. Aber das soll uns nicht passieren. Auch darum das Gebet Gottes für uns, dass unser Glaube nicht aufhört.

Es wäre einmal wichtig, heute auf dem Nachhauseweg oder Spaziergang zu überlegen Habe ich einen, für den ich bete? Habe ich einen, der für mich betet? Weiß ich, dass einer für mich betet? Also weiß ich, dass einer mich in den weiten Raum vor Gott mitnimmt? Frère Roger aus Taizé etwa nahm seine Brüdern mit: „Seid nicht traurig, daß ihr manchmal keine Lust auf Gottesdienst habt, schleppt euch einfach hin, den Rest macht der Heilige Geist schon selbst.” Ich bin gewiß - der liebe Gott picke sich schon seine Körner heraus aus unsern auch müden Gedanken-, Ernährt sich Gott von unseren Gebeten? Sehr fraglich - aber “Lobe den Herren”! Lobe den Herren

Wenn wir schon stolz sind daß uns die Pfannekuchen gelangen, und der andere mampft sie so weg, sind wir enttäuscht, er könnte doch mal ein anerkennendes Wort sagen. Da könnte man schon denken, dass der liebe Gott bei so einem Projekt Welt doch auch ein paar haben will, die ihn loben. Michelangelo hat ihn sicher gelobt, weil er kongenial ein Stückchen Kongenialität erlebt hat  in sich selber und Einstein die loben ja beim Rechnen, oder das Rechnen ist Loben und sich Einfühlen, aber ich kann es immer noch nicht beschreiben, wie intensiv diese Zeilen für mich sind “... der dich erhält, wie es dir selber gefällt, hast du nicht dieses verspüret ...?” Dass wir’s nicht jederzeit sagen können, gerade im Blick auf diese Tragödien die unmittelbar neben uns auf der anderen Seite der Erde passieren - und trotzdem : “hast du nicht dieses verspüret?”

Auch im Blick auf das alte Jahr - hast du es nicht verspüret, dass du durchgekommen bist und mehr als durchgekommen bist , und dass er dich gut erhalten hat. Doch, ich glaube schon, dass Gott Lob braucht, aber vor allem brauchen wir , dass wir loben. Warum sollen die Kinder „Danke“ sagen zur Mutter, Danke sagen, wenn sie wieder die dreckigen Sachen hinterm Bett herausgesucht und in die Wäsche gesteckt hat? Warum sollen wir’s sagen? Damit wir es nicht für selbstverständlich halten, dass sie dient. Das Danken ehrt uns, als die, die wahrnehmen können und etwas merken können, und statt Klötze zu bleiben, graziös werden, weil sei etwas von Grazie, von Gratia, von Gnade und Beschenktsein wissen. Außerdem - Wenn Gott für uns betet, dass unser Glaube nicht aufhört, dann betet er darum, dass unser Glaube an das Zugehören zum Ganzen nicht aufhöre, dass wir wissen, Tochter oder Sohn des Universums zu sein. Jeden Tag denke groß und achte deine Selbstachtung, und deine Menschenbefreundung, lass sie gedeihen. Ein Theologe hat einmal gesagt “Gott erwartet von uns eine Erotik des Seins” - also eine liebevoll gestimmte Empfindung für fast alles, was lebt und uns gegenüber ist. Und dass du gewollt bist, Mensch, und dass du eben nicht ein anderer sein willst, Mensch, das ist wichtig. Also auch der Respekt vor der allernächsten Umgebung , dafür braucht die Seele Kraft, dieses Staunen über die Lust, zu sein, und sich zu zeigen.

Pferde auf der Weide- ihre wiehernde Lust. Und die Altgewordenen, wie sie stolz darauf sind, über die Runden zu kommen, ohne dass sich jemand in ihr Leben einmischt. Diese Lebensbegeisterung auf kleiner Flamme, vielleicht auch mit Angst, dass man zu viel Wärme abgeben muss. Aber wie sie sich mühen, ein Stückchen Würde zu bewahren, und ein Stück Stolz. -Ich meine, im Blick auf “65 werden“, merkt ihr, mit welcher Sympathie ich über die noch Älteren rede, und hoffe, daß ihr Glaube ans Leben nicht aufhöre.

Wenn Gott betet darum, dass unser Glaube nicht aufhört, dann betet er auch darum, dass unser wohl tapezierter Verstand im Maß bleibt. Wir wollen uns ja eigentlich nur lösbare Aufgaben stellen, und das andere überlassen wir den Spezialisten. Es ist schon nötig, dass wir mitfühlen und mitdenken in dieser Welt, weit über das, was mich unmittelbar betrifft, hinaus. Manchmal hängen wir an einem Problem, aber, nach Oliver Sacks, denk mal so, versuch das mal: „Du hängst nicht in einem Problem, sondern du stehst einem Geheimnis gegenüber, einer Erweckung zum Leben und einem neuen Anfang. Vielleicht musst du jetzt eine unendliche Stille und Finsternis durchqueren. Vielleicht ist dies der Schoß, der Schoß der Nacht, in dem neues Leben dir entsteht“. Also, lass zu, wenn du dir dein verschlossen vorkommst, Gott brütet was aus, in dir, mit dir. Das einfach Aufhören des Glaubens ist die Katastrophe.

Dass auf einmal man gar nicht mehr weiß, ob man noch zugehört. Also Alzheimer des Glaubens, auf einmal. Wo man Wissen hatte um eine unbedingte Geborgenheit, ist auf einmal eine Leere, eine Öde - das Wort Öde ist vielleicht passend. Gott betet, dass dein Glaube nicht aufhöre: Leb mit deinem wirklichen Leben eine Zuversicht und jeden Tag erfahre als eine neue Berufung. Mit einer „Hoffnungszähigkeit des alternden Goldgräbers“ - Martin Walser sagt das - das heißt auch, dass man keinen mehr beweihräuchert - auch sich selbst dann nicht mehr. Und dem realen Problem wirklich ins Auge sieht, und eine Art von Geben und Nehmen entwickelt, die nicht mehr aufdringlich fordert,  sondern: Empfangen können wir doch nur, wenn wir wissen, dass wir begnadet sind, empfangen zu dürfen. Und dass Gott nicht verpflichtet ist, mir den nächsten Atemzug zu geben, geschweige denn das dreizehnte Monatsgehalt, - das ist ja sowieso halbiert, aber trotzdem.

Dass dein Glaube nicht aufhöre, dafür betet Gott und bittet Gott - denn Gott ist ja selber diese dynamische zeugende Ewigkeit, aus der heraus die Zeit vorwärts springen kann. Dieses wache Hüpfen des Heiligen Geistes in uns, nicht jederzeit - aber auf-der-Spur-bleiben, dass Gott etwas in uns anfacht, nämlich anfacht ein Wissen vom Taktschlag des Lebendigen. Von diesem Taktschlag des Lebendigen sagte Botho Strauss: “ Die helle Freude des Kindchens, wenn ein Augenpaar über der Tischkante auf- und abtaucht, daraus entwickelt sich im Kind ein Taktschlag des Wissens, des Vertrautwerdens, des einigermaßen Glücklichwerdens.”

Dazu gehört, was Elias Canetti sagte: “Ich möchte tolerant werden, ohne etwas zu übersehen, niemand verfolgen, auch wenn alle mich verfolgen, besser werden, ohne es zu merken, trauriger werden, aber gerne leben, heiterer werden, in anderen glücklich sein, niemand gehören, in jedem wachsen, das beste lieben, das schlechteste noch trösten, nicht einmal mich mehr hassen.” Wenn Gott betet, dass unser Glaube nicht aufhört, dann können wir versuchen, sogar in einem Blumentopf einen Apfelgarten zu züchten (H. Brodkey). Amen


 




Service

Startseite
Druckvorschau

Presse-Feed EKD

© 1996-2024 Evangelische Kirche in Deutschland
Weitere News...  

 
Online 6