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Predigt 10. April 2005

Keitumer Predigten Traugott Giesen 10.04.2005

Seid wach

Christus spricht: Ich schicke euch wie Schafe, wie Lämmer mitten unter die Wölfe. Darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben. Wenn man von euch Rechenschaft verlangen,, so sorgt nicht, wie oder was ihr reden sollt; denn es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt. Denn nicht ihr seid es, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet. (Matthäus 10,16 ff.)

Christus sagt: Matthäus 7,1-5 Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn nach welchem Recht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden.

Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge?

Oder wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen?, und siehe, ein Balken ist in deinem Auge.

Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach sieh zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst.

Wer aufrichtig redet, wird geliebt Sprüche 16,13b-Dieses Bibelwort trifft sicher auf den Verstorbenen Papst. Es war wohl eins von Johannes Paul II Gnadengaben: glaubwürdig zu sein. ,aber vielleicht war es noch mehr. Glaubwürdig erscheint man im Auge des Betrachters immer braucht es dafür ein empfängliches, ein zugewandtes Gegenüber.

Köstlicher ist: "aufrichtig sein". Aufrichtigkeit ist mein, dein eigenes Verhältnis zur Wahrheit, mein guter Glaube, mein Echtsein in mir- Es ist ein Authentisch sein, ein Echtsein, was viele für den Papst einnahm.

Aufrichtig sein - das ist: in Tat und Wort übereinstimmen mit meiner Seele, meinem Ich. Sagen, was ich glaube. Glauben, was ich sage - also mir zuhören können. Nicht erbleichen müssen - treu sein zu dem, was ich glaube. (Siehe auch: Andre Comte-Sponvill: Ermutigung zum unzeitgemäßen Leben), freimütig, nicht heuchlerisch, nicht doppelzüngig. Also mit wenig Verstellung, nah an der Wirklichkeit. Doch auch Aufrichtigkeit allein ist zu wenig, ein aufrichtiger Schurke ist ein Schurke, ... der aufrichtige Nazi bleibt ein Nazi.

Aufrichtig in Liebe - das wär's. Das geöffnete Herz, das sich weigert zu täuschen, zu beschönigen, zu verharmlosen - das Vertrauen lebt und darum keine schönen Worte drechseln muß.

Aber arglos vertrauensvoll sein und Eigenliebe reiben sich aneinander.

Mein, dein Ich will doch Recht haben, will siegen, will gemocht sein, will Vorteile gewinnen, sich Privilegien sichern, will Vaters, Mutters Liebling sein, nimmt in Kauf zu ködern, zu überlisten, lässt was Negatives über die mit konkurrierenden Geschwister durchscheinen, spielt den Unwissenden, den Arglosen, lügt.

Der Gebrauchtwarenhändler muß die Schlitten loswerden zu gutem Preis, sonst verhungert er. Auf wieviele Mängel soll er aufmerksam machen? Er muß den Andern ehren als Kunden, der sich gut bedient wissen soll. Darum auch sich nicht beschweren kommt, mal wiederkommt, den Laden weiterempfiehlt, was dann langfristig auch ein gutes Geschäft wird. Der langfristig denkende Geschäftsmensch muß einen Preis nehmen, der dem Kunden günstig, jedenfalls angemessen scheint. Und der dem Händler ermöglicht, weiter sein Geschäft zu führen. Auch der Kunde muß Interesse daran haben, daß der Händler nicht pleite geht, sonst hat er zwar ein Schnäppchen gemacht, aber wenn dieser Anbieter sich vom Markt verabschiedet, schrumpft die Vielfalt, und der Preis wird steigen. Also Aufrichtigkeit lohnt sich langfristig auch fürs Geschäft.

Aufrichtigkeit ist aber nicht Exhibitionismus, einiges gehört dir allein. Schweigen ist noch nicht lügen.

Aufrichtig sein, ist ohne Lüge auskommen. - aber es gibt vielschichtige Situationen, wo Ehrlichkeit Verrat wäre oder Gewalt. "Man braucht nicht alles immer zu sagen, das wäre Torheit; aber was man sagt, soll sein, wie man es denkt, sonst wäre es Arglist" - so der große Moralist Montaigne. Aufrichtigkeit ist auch nicht Grobheit - die Nächstenliebe braucht Klärung und Sanftheit. Denn wir sind ja erst im Werden. Wir sind immer mehr oder weniger als wir scheinen

Die Wahrheit ist kein Kristall, den man bei sich tragen kann, sondern wie eine Flüssigkeit, in der man schwimmt - nach R. Musil. Uns ist verheißen, in der Wahrheit zu leben. Christus sagt: "Ich werde euch in die Wahrheit leiten, und die Wahrheit wird euch frei machen" (Johannes 16,13). An Jesus Hand werden wir in die Liebe eingebettet, in Gottes große Großmütigkeit. Paulus konnte aus dieser Großmütigkeit sagen: "Nichts ist verwerflich, was ihr mit Danksagung empfanget" (1 Timotheus 4,4) Was ihr mit Dank annehmt, das ist am Tisch des Herrn, im Hause des Herrn erlebt; das ist mir, dir gegeben; aber nie für mich allein, sondern ist mir gegeben als Bruder und Schwester, damit Friede wird durch mich, dich.

Nein, nicht immer auf deine Kosten, du brauchst, du darfst dir nicht gleichgültig sein. Du darfst dich lieben, wie du dich kennst. Dazu gehört auch dein Wunsch nach Ansehen. Aber was nützt dir Ansehen, das gar nicht dir gilt, sondern einem Schemen, einer Mumie, einer Maske? Darum zeig dich, dich, sonst bekommst du nicht, was du brauchst.

Willst du einen Menschen schonen, dich zu gut zu kennen? Weil du nicht enttäuschen willst, nicht erschrecken? Dann nimmst du in Kauf, daß der andere dich verfehlt. Dann gesteh dir aber auch ein: Du willst auch dich schonen, willst den Status quo nicht riskieren.

Vielleicht hast du es leicht, aufrichtig zu sein. Und warum? Weil du dich von Gott geliebt weißt, er kennt dich, du weißt es. Und wenn er dich kennt, dann kannst du dich auch deinem Nächsten zumuten, kannst dich ihm zu erkennen geben, richtig so. Du, geliebter Mensch Gottes, hast ein herrliches Selbstbewusstsein, brauchst nicht Beifall um jeden Preis, auch forderst du die wahre Freundschaft heraus, willst sie geradezu ans Licht zwingen, indem du entlarvst. Dann weißt du, wo du mit ihm dran bist. -

Andere erbitten sich einen leichten Schleier um ihr Aufrichtigsein und gestatten auch dem anderen ein Unschärfefeld. Sie können Ungereimtheiten auf sich beruhen lassen. Wenn des anderen Vernunft gebietet, mich nicht ins Vertrauen zu ziehen, was sagt das über mich? Bin ich Konkurrent oder Über-Gewissen, warum gebietet ihm seine Klugheit, mich abzulenken, mir auszuweichen? Fürchtet er mein Zensieren? Hab ich denn ein Recht auf sein Vertrauen? Vielleicht erinnere ich ihn zuviel, was weiß ich, an wen.

Vertrauen wird geschenkt. Sie ist eine Schwester der Liebe. Sie regt sich unter dem Atem der Liebe, sie zieht sich zurück unter Zweifeln. Gerade die Liebe verlangt nicht Vertrauen, lässt ihr Zeit, reicht dem Vertrauen langsam wie einem Vogel die Hand hin.

Wenn du wenig lügst, sei dankbar, dann bist du ziemlich frei von Rücksichtnahmen. Andere sehen sich gezwungen, sich selbst zu verleugnen, sich zu beherrschen, meinen, vorauseilend gehorchen und dienen zu müssen, sind in der Pflicht eines Berufes, eines Amtes, eines Versprechens, einer großen Erwartung. Sie meinen, nicht enttäuschen zu dürfen.

Auch diese Predigt soll den Kopf heben, nicht vor den Kopf stoßen, "nicht also Pastor, hau die Wahrheit wie ein nasses Handtuch vor den Hals, sondern halte sie wie einen Mantel hin zum Hineinschlüpfen" (M. Frisch).

Aufrichtig sein, heißt auch, daß wir die Sachen nicht zum eigenen Vorteil hinreden. Aber wir reden doch, was wir wollen, daß es die Mitmenschen für unsere Meinung halten. Wir reden, was wir wollen, daß über uns gedacht wird -so Max Frisch. Wir brauchen gemeinsame Wahrheit, ein Nest von Gemeinsamkeit, - da muß man sich oft langwierig zueinander hinreden. Wir sondern soviel Scharfes ab, aus Gereiztheit, Müdigkeit, weil mit den Gedanken ganz woanders, und dann genügt ein falscher Satz auf was flüchtig nur Gehörtes, und der schlimmste Krach ist da - da muß man schon sich aneinander wieder ranreden.

Die Wahrheit sagen ist eins- ein anderes ist: In der Wahrheit leben, in der Wahrheit der Liebe leben, also im Geflecht: der Zusammenhang des Lebendigen ist die Wahrheit. "Der Nächste ist wahr. Setzt man die Aufrichtigkeit absolut, so verspielt man sie; dann ist sie nicht mehr gut. Dann ist sie nur kalte, tödliche Wahrhaftigkeit."(Comte-Sponville).

Es kann die Liebe gebieten, daß man lügt. Am Sterbebett, muß man sagen, daß der Sohn den Vater nicht besuchen will? Oder kann man sagen, er ist verreist und telefonisch nicht erreichbar. Muß ich meine Diagnose dem Ehepartner sagen, oder kann ich versuchen, sie allein zu tragen? Und die "kriminelle Wahrheit der Denunziation" (Comte-Sponville)?

"Die Liebe deckt alle Übertretungen zu" (Sprüche10,12), jedenfalls "übel von ihm reden und einen bösen Leumund machen, sollen wir nicht, wir sollen entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum Besten kehren" (Luther).

Am wichtigsten aber ist die Aufrichtigkeit gegen mich selbst.- Meine eigene Begrenztheit wissen, meine eigene Unfreiheit, meine Angst, als der Dumme da zu stehen, meine Eitelkeit, die fordert, mich für besser zu halten als ich bin; die fordert, mich für aufrichtiger zu halten als ich bin: Seh ich gar nicht mein erstarrtes Bewusstsein?

Wir brauchen eine Freude an der Erkenntnis; Freude, in die Wahrheit geleitet zu werden.

Dazu gibt es ein schlichtes Werkzeug: "Richte nicht", nimm dich selbst wahr. Erkenne dich selbst, dann merkst du , wieviel Anteil du hast an dem, was du am andern verurteilst.

Wenn du richtest und zensierst und kurz hältst, dann wirst du selbst gerichtet und zensiert und kurz gehalten, von dir selbst. Wenn du andere kurz hältst, hältst du dich selbst in Schach. Sieh doch, wie du am andern Fehler wahrnimmst, die du bei dir fürchtest, die du bei dir nicht abstellen kannst, dann wenigstens beim andern. Dagegen zensiere nicht, hilf ihm, sich nicht zu zensieren. Hab Erbarmen mit dem andern, dann darfst du auch Erbarmen mit dir haben. Verstehen statt verurteilen, "Aufrichten statt richten" (Eugen Drewermann). Glauben an die Großzügigkeit des Lebens, Gottes, des Lebens - und ich darf ihr Handlanger sein.


 




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