3. Advent 13.12.1998
Bereitet dem Herrn den Weg; denn siehe der Herr kommt gewaltig. Jesaja
40, 3. 10
Christus nicht als Vergangenes sondern als �Gott bei dir� � das feier
Weihnachten und bereite das vor. Mit ihm wächst dir Energie der Liebe
zu, und dein Zugehören zum Gutenganzen wird dir sicher. Dem Christus
den Weg bereiten heißt, ihn mir wünschen, mit ihm eins sein,
glauben wie er, von ihm den Atem des Vertrauens nehmen � ja, ihn bei dir
haben � und eine gewaltige, konzentrierte Gewißheit trägt dich.
Du wünschst dir doch den leuchtenden Christus als Inbild deines bewahrten
Ichs.
Keitumer Predigten Traugott Giesen 13.12.1998
3. Advent
Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht. Und
über denen, die da wohnen im Finstern Lande scheint es hell. Du Gott
weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir wird man
sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist,
wenn man Beute austeilt (Jesaja 9, 1, 2).
Diese bald dreitausend Jahre alte Verheißung kann auch unsern
Lebensmotor anspringen lassen. Licht, Freude, Ernte bringt auch uns auf
Touren, könnte jedenfalls unsere Sehnsucht an Weihnachten beschreiben.
Vor allem ist Licht doch die Christ-Gabe, Licht vor viel dunklem Hintergrund.
Grund genug, mal Licht zu bedenken.
Licht ist uns Heutigen ein normal Vorhandenes � oft bedauern wir zuviel
Licht; zu grell, es blendet, es wird vergeudet. Das Streulicht der Großstädte
nimmt den Sternen ihren Glanz.
Seit St. Severin von Keitumer Kaufleuten eine Beleuchtungsanlage geschenkt
bekam, stoßen sich die zwei Meinungen: Man solle doch die Natur walten
lassen und nicht mit künstlichem Licht die Kirche hochstilisieren;
andere sagen: sie steht da wie ein Gebet. Wenn Leuchttürme helfen,
die Schiffe auf richtigem Weg zu halten, dann kann auch eine aus der Finsternis
auftauchende Kirche auf gute Gedanken bringen. Daß man St. Severin,
die Seelen-Heimat für manchen, von ferne sieht, auch nachts, ist doch
sehr gewünscht.
Ja, Licht ermöglicht Sehen, Wissen wo�s lang geht und um was es
sich handelt. Ohne Sehen gäbe es kein Menschsein.
Licht führt den Lebewesen notwendige Strahlungsenergie zu, die
als Wärme wirkt und organische Substanz bildet, Licht ist Strahlung,
hat Farben. Licht schwingt in Wellen, von denen nur ein Ausschnitt fürs
menschliche Auge sichtbar ist. Durch die Entdeckung des Stromes wird Licht
herstellbar- und speicherbar, ist also auch eine Ware. Es ist die Energie,
an der die Moderne wie an keiner andern hängt, es ist neben Brot,
Wasser, Luft das Lebensmittel.
Sobald der Strom ausfällt, fangen wir an zu bangen um den Antrieb
von Motoren aller Art für Wärme und Kälte, Bewegung, Kommunikation,
medizinische Apparate. � Bleibt der Strom länger weg, so geht uns
das Wunder des Lichtes wieder auf und wir beten um das Gottesgeschenk.
�
Wie in der Polarnacht die Menschen ersehnen den Wiederanstieg der Sonne!
Herrlich, daß die im Norden die Sonnenkönigin �Lucia� mit ihrem
Gefolge haben. Und wie werden wir niedergeschlagen von trüben Tagen
und Wochen.
Kein Wunder, daß die Sonne Inbegriff für Gottes Energie
ist: �Gott ist Sonne und Schild� (Psalm 84, 12). Gott ist Energie und Liebe.
Wie durchflutet uns die Sonne bei ihrem Aufgang, wie ist ihr Abschied zur
Nacht uns ein Gedenken an unser eigenes Dahingehen � und zugleich entzündet
doch der Sonnenuntergang uns ein Hoffnungsbild, daß uns aufs neue
das Licht leuchte �Von Angesicht zu Angesicht�.
Manchmal sagen wir auch zu einem liebenden Menschen: �Meine Sonne�,
ja mein Lebensmittel.
Licht wärmt, durchleuchtet, läutert, klärt, zeigt, macht
schön, versieht mit Glanz. � Jesus sagt: �Das Auge ist das Licht des
Leibes. Wenn dein Auge leuchtet, so wird dein ganzer Leib licht sein" (Matth.
6, 22).
Licht hat viele Schattierungen. � Von Raphael sagt Lessing: R. hat
in einem von seinen Gemälden ein dreifaches Licht angebracht: das
eine ist der Ausfluß von dem Engel, das zweite ist die Wirkung einer
Fackel, und das Dritte ist der Schein des Mondes � alle diese drei haben
jedes seine ihm eigentümlich zukommende Scheine und Widerscheine.
So hat erst recht auch jeder Mensch sein eigenes Licht, seine Aura,
sein Fluidum, jeder seine eigentümliche Ausstrahlung � und sie gehört
uns nicht, sie ist uns beigelegt, auch die Verschattungen der Seele.
Licht steht im Gegensatz zum Dunkel, zur Finsternis der Sünde.
Warum dann ein Name für das Böse �Luzifer� � Lichtträger
� ist? Es wird von einem sagenhaften Engelsturz hergeleitet, Strafe für
eine Gottheit neben Gott, die rebellierte und verstoßen wurde � aber
lassen wir diese Neugier für Innergöttliches. Wir sind doch zu
Lichtträgern bestimmt, durch uns sät doch Gott die Spuren von
Wärme, Weisheit, Wahrheit in die Welt. Nur wenn die Lichtträger
leuchten und glänzen für sich selbst, dann sind sie sowas wie
gefallene Engel, statt Licht zu sein denen im Dunklen. I. Aichinger sagt
das so: �Wir sind gar nicht gemeint. Gemeint ist, was an uns Licht gibt.�
�
Jedenfalls: Licht ist eins der Ursymbole der Menschheit: Das erste
Wort, das Gott gesprochen haben soll: �Es werde Licht� (1. Mose 1, 3).
Das lat. Wort für Gott, Deus, kommt von dei = leuchten. Der stärkste
Titel des Christus: �Ich bin das Licht der Welt� (Joh. 8, 12).
Womit das Heilende des Christus benannt ist: Das Diesseits-Irdische
ist nicht dem Chaotischen, Dunklen überlassen. Die Geschichte ist
nicht dem Sog der Katastrophen überlassen, das Böse wird unterbrochen,
aufgebrochen vom Guten. Christus als Licht der Welt � das ist Kennzeichnung,
Markenzeichen des Wirklichen: Die Liebe erhellt das Sein.
Was Wunder, daß wir uns die Geburt Christi als großes Leuchten
zur tiefsten Nacht vorstellen. Selbst wenn die historischen Umstände
der Geburt Jesus unbekannt sind, spricht alles dafür, daß die
Geburtsgeschichte von Lukas wahr ist: Ringsum Weiden, Schafe, Hirten, und
die Stern-Diamanten am schwarz-violetten Samt des Firmamentes. Und dann
bricht das Leuchten aus dem Himmel, golden flirrend als Kaskade von Engeln.
�
Einen Abglanz von Engels-Kaskade legen wir ja dem Christ-Baum an, die
Kerzen, Engelshaar, Kugeln, die das Licht vervielfachen und brechen � Sterne
dabei und an die Spitze des Baumes ein großer. Und wenn wir davor
stehen, mit Kindern, mit Menschen, vielleicht auch welche, die sonst allein
säßen � dann hoffen wir doch, selber licht zu werden.
Jede Kerze ist ja Sinnbild; du, wir ein Licht mit dem Erleuchtung entsteht:
daß wir einander aufklären über unsere Begabungen, einander
die Fähigkeiten ans Tageslicht bringen, einander säubern vom
Schmutz der Verachtung.
Auch die Not mit der Liebe und der Mangel an Liebe erscheinen bedrückend.
Wir sollen einander aber doch als verheißungsvoll aufgehen. Ohne
Liebe mußt du meinen, alles Licht sei anderswo. Doch liebend, geliebt
erlöschen die Lichter in dir selbst nicht. Du empfängst mit allen
Antennen Bejahekraft.
Das ist wohl die Symbolkraft von Licht: Du bejaht, du angestrahlt durch
den Schwur: Gott liebt dich und braucht dich. Und du wirst bestätigt
von Menschen: daß dich einer bemerkt, dich im richtigen Licht sieht.
Eines der Wehmutslieder der Menschheit ist von Bertolt Brecht und geht
so: �Und die einen sind im Dunklen und die andern sind im Licht, und man
sieht nur die im Lichte, die im Dunklen sieht man nicht.� � Dagegen an
sing ich: Glaub dich im Licht. Du bist vom Ewigen gewollt. � Das ist übrigens
der Gehalt der Taufe, dies unauslöschliche Siegel: Du im Licht von
Gottes Angesicht. � Du auch anvertraut der Sympathie deines Nächsten.
Du angestrahlt von Menschenliebe � nimm daraus Energie, gern du zu sein,
gern spiegel dich in den Augen anderer. Du bist auch nötig, daß
andere mittels deiner gern sie selber sind.
Ziehen wir einander in den Lichthof des Zum-Leben-taugen. Und lassen
wir dabei Geduld walten, es ist auch eine Frage der Zeit: So viel stärker
ist in der Jugend der Trieb, selbst zu leuchten, als der, im Lichte zu
sehen (R. Musil). Und manche müssen sich viel mühen, weil sie
gern im Rampenlicht stehen, und die sehen dann die Menschen nicht. � Dagegen
Jesus und seine ihm Ähnlichen: die stellen andere auf einen Leuchter,
und sie fühlen sich angesteckt wie ein Licht. Sie fühlen sich
wieder etwas mehr gelten. Bewirken, daß uns ein Licht aufgeht der
Menschenwürde, das ist gut getan.
Verheißung ist: Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein
großes Licht. Und über denen, die da wohnen im finstern Lande
scheint es hell. Denn Du, Gott, weckst lauten Jubel, Du machst groß
die Freude. Vor Dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte,
wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt (Jesaja 9, 1. 2). Und
dieses Versprechen löst Gott auch an uns ein. Die Lichtfülle
des Lebens soll uns am Glauben dem Jesus nach aufgehen. � Und wahr: (M.
L. Kaschnitz) Manchmal stehen wir auf, stehen zur Auferstehung auf, mitten
am Tag, in unserer atmenden Haut.... vorweggenommen in ein Haus von Licht.
Amen.