Kolumne 15. Februar 2003 -
Krieg soll nicht sein
Traugott Giesen Kolumne 15.02.2003 aus "Die Welt" Ausgabe
Hamburg
Krieg soll nicht sein
Wenn ein Diktator sein Volk mit Gefangenschaft überzieht, Teile davon
vergast, ein Nachbarland angegriffen hat, zurückgeworfen und dann
abgerüstet wurde, beziehungsweise seine Entwaffnung versprochen hat
- und sich nicht an sein Versprechen hält, nicht die Vernichtung seiner
Waffen beweist und stattdessen die als Kriegstreiber beschuldigt, die auf
Einhaltung seiner Verpflichtungen pochen - die aber sehen sich als bewaffneter
Arm der Völkerfamilie, sind bereit, die Abrüstung und Entmachtung
des Diktators zu erzwingen - dann bleibt die Frage: Ist dem Diktator klar,
die UNO wird die zum Krieg bereite Streitmacht beauftragen. Sie kommt in
den nächsten Tagen mit vernichtender Bombenlast, wird die Waffen vernichten
und den Diktator dazu. Da gilt das Wort der Bibel wohl: Wer Wind sät,
wird Sturm ernten. Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen.
Krieg soll nicht sein.
Von Albert Camus ist die Erkenntnis: Die heuchlerische Ungerechtigkeit
ruft die Kriege hervor. Die gewalttätige Gerechtigkeit
überstürzt sie." Beides könnte gelten für die, die jetzt
auf Krieg drängen.
Man kann nur beten um Einsicht auf allen Seiten. Vor allem um Einsicht, dass
wir alle Brüder und Schwestern sind, und Kain nicht Kain bleiben muss
und Abel nicht Abel. Frieden schaffen heißt, den anderen verstehen
wollen und ihm Anteil geben an den Früchten der Erde und des Geistes.
Man kann nur heulen, wenn man die weinenden, schreienden Menschen bedenkt,
und vor sich sieht die in den Feuerstürmen Verbrennenden, die Millionen
Fliehenden und die vielleicht von Gas oder Pockenviren Zerstörten.
Es darf nicht sein, dass wir mit legalen Mitteln Krieg machen, um einen Krieg
zu verhindern. Wer sind wir denn, die das Reich des Bösen ausrufen,
als wären wir die Lichtgestalten, wir die Guten. Der Denkfehler ist
offensichtlich: Erkläre welche zu Satan und du wirst heilig, wenn du
den Kampf gegen sie aufnimmst. Es gibt Böses in der Welt, aber ganz
selten ist es schwarz-weiß verteilt. Wir müssen unsere Anteile
am Bösen erst mal wahrnehmen, müssen zu unserm Unterdrücken
stehen, unserm Kaufen der Arbeit aus armen Ländern zum Hungerlohn, zum
Verprassen des endlichen Erdöls, und zum Geschäftemachen mit
Diktatoren. Der Terror gegen die westliche Welt ist auch aus Hass gegen unsere
Lebensart, die andere für einen Ausfluss des Bösen halten.
Beten wir um Klugheit und Demut, um Befreundung und dass der Krieg nochmal
vermieden wird. Krieg ist keine Chance, keine Möglichkeit, Frieden zu
sichern. Wer Krieg macht, wer Hunderttausende zu töten bereit ist, um
den Übrigbleibenden ein besseres Leben zu besorgen,
der ist Mörder. Nazideutschland musste niedergerungen werden, weil die
Nazis mit dem Morden nicht aufhören wollten. Aber muss der Irak
niedergerungen werden? Will man ein Land, ganze Städte in Schutt und
Asche legen, um einen Bösen zu treffen? Es wäre Sünde, es
wäre Irrsinn.