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Kolumne 15. März 2003 - <br>Mit Unsicherheit leben

Traugott Giesen Kolumne 15.03.2003 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg

Mit Unsicherheit leben

In der Fahrschule lernt man, vor Antritt der Fahrt Bremsen und Beleuchtung zu überprüfen. Aber wer tut das schon? Zumal man die Bremslichter nur mit Hilfe eines netten Menschen sichten kann, oder man hat in der Garage Spiegel montiert.

Wir nehmen schon eine ganze Menge Unsicherheit in Kauf, sonst kämen wir überhaupt nicht voran. Wer prüft schon die Echtheit der Geldscheine? Meist stecken wir auch das Wechselgeld ungezählt ein. Und Geschäftsleute müssen vertrauen in Lieferanten und Bahn. Denn sie können ja gar nicht alles in Gegenwart der Spediteure ein- und auspacken, wie geboten. Auf dem Weg der Kulanz wird Schaden geregelt, denn Geschäftsbeziehungen sind kostbar. Die bauen auf Vertrauen aus Erfahrung. Aber viele neue Anbieter, weniger treue Kunden - mehr Vorsicht ist geboten; andererseits ist der Vorschuss an Vertrauen lebenswichtig. Hat der Reklamierer nur keine Lust mehr am Gekauften? Hat womöglich die Ware selber schadhaft gemacht, um sein Geld zurück zu kriegen? So darf man gar nicht denken, sonst wird man verrückt und verlangt Vorkasse schon bei Betreten des Ladens.

Auf allen Gebieten nimmt Gewissheit ab und die Gier nach Sicherheit zu. Kluges Vertrauen ist die wahre Chance. Wir brauchen ein Denken, das mit Urteilskraft die vielen Informationen sortiert. Voraus muss gehen, klar zu sehen, was man will. Ist dir Sicherheit das Wichtigste? Dann zieh in einen Bunker. Ist Reichtum das Wichtigste? Dann musst du nur aus allem einen Vorteil ziehen. Willst du Freiheit, dann bleib allein. Willst du wissen, was über dich gedacht wird? Dann kontrolliere. Nur, wer überwacht die Kontrolleure?

Wie wäre es, wenn du Freude willst, gern du sein willst, verbunden leben willst? Dann tust du nur, was Frieden schafft, willst auch nur wissen, was in diese Richtung geht. Und schlagartig hast du einen Meinungs-Magneten in dir, der anzieht, was deinem Frieden und Friedenstiften dient. Und zurücktreten lässt, was dir unbekömmlich ist.

Dann wirst du nicht mehr Sicherheit verlangen, sondern mehr Gewissheit, auch im Unsicheren gehalten zu sein. Und wirst auch für schwierige Dinge bereitet sein. Dein Ich wird geborgen sein, auch wenn es dich durch Katastrophen triebe. Dies Traumbild sei bei dir: Jesus mit seinen Jüngern im Sturm. Das Schifflein könnte koppheister gehen, aber Jesus schläft. Dann wecken sie ihn - und seine Ruhe beruhigt die Elemente.

Du musst darauf vertrauen, dass du zu einem guten Ganzen gehörst und dein Du mit deinen Begabungen dies Ganze mitbaut. Menschen musst du Vertrauen schenken. Nicht für alles, aber einen guten Willen musst du erst mal einräumen. Lass die Szenarien des Argwohns hinter dir. Wer hätte denn sonst Lust und die Kraft, dein Vertrauen zu gewinnen? Heute dir einen freien Mut! Und auch „Möglichkeitssinn" für das Unbekannte - es ist spannend, auch gefährlich, aber voller Verheißung.


 




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