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Kolumne 29. März 2003 - <br>Beten in Zeiten des Krieges

Traugott Giesen Kolumne 29.03.2003 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg

Beten in Zeiten des Krieges

Krieg ist der schlimmste Ernstfall des Glaubens. Von allen Seiten dringen Menschen auf Gott ein, bitten ihn um Hilfe gegen ihre Feinde. Die wiederum beten auch um Erfolg und Sieg. Also das Beten lassen?

Es geht nicht. Als Menschen müssen wir beten über unsere Not hinaus, müssen die verzweifelte Lage an höherer Stelle in guter Hand wissen. Ganz kreatürlich fliehen wir in Bunker, drücken uns bei Geschützdonner an die Wand oder den nächsten Menschen, halten uns die Ohren zu.

Aber darüber hinaus flieht unser Ich zu über- irdischem Schutz; wir müssen wollen, dass wir von guten Mächten wunderbar geborgen sind. Wir rufen Gott in der Not und in die Not zu Hilfe. Es muss eine Macht sein, die letzen Endes die Macht hat. Sonst bestünde ja die Welt aus lauter Fetzen Willkür; es wäre zum Verrücktwerden.

Weit vom Krieg entfernt erleben wir uns doch mittendrin, die verängstigten Gesichter sind unsere Gesichter. Darum wollen die Krieg Führenden keine Leidenden auf dem Bildschirm. Aber wir haben ein Recht und die Pflicht, Zeugen zu sein; Mitleidende, auch über weite Entfernung hinweg. Wir sind auch, wenn auf verdünnte Weise, Mittäter, jedenfalls nicht Verhinderer.

Der Krieg stürzt uns in Traurigkeit. Die Kinder halten wir dazu an, friedlich ihren Streit zu klären. Und wir Erwachsene - gegenüber den Kindern, sind wir "die" Erwachsenen - machen uns zu Haudraufs, die mitten im Zerstören schon sammeln für den Wiederaufbau, die noch weiter und weiter zerbomben, was sie schöner wieder aufzubauen versprechen. Was soll da in Zeiten solchen Irrwitzes Gebet? Machen wir nicht Gott zum Komplizen unserer Sünden? Laden ihm auf, was wir verantworten. Gibt nicht der oberste Angreifer des Irak vor, im Namen des Guten, des Höchsten, das Reich des Bösen zu bekämpfen - und die Moslems in aller Welt sehen ihrerseits einen Glaubensbruder im heiligen Krieg stehen. Man kann Atheisten verstehen, die Religionen für Schuld halten am Krieg. Nur ist auch klar: Die Krieg treibendste Gläubigkeit heißt: "mein Volk über alles" und "Heil, dem großen Führer"; sowohl Hitler wie Stalin wie Pol Pot haben sich selbst als Gottheit erhoben.

Ich bete zu Gott als Allwissendem, Allmächtigem und Alleserleider. Gott weiß - das lässt mich mein beschränktes Wissen und Vermögen akzeptieren. Seine Allmacht bleibt letztlich zuständig auch für die von Menschen missbrauchte Macht; sein Mitleiden sichert dem Schmerz und Leiden seine Würde. Ich bete an die Macht der Liebe, heißt für mich: Der Menschheit Jammer soll heilen. Hass soll in Wohlwollen füreinander verwandelt werden. Es wird Friede auf Erden, weil es so nicht bleiben kann. Ach komm, Schöpfer Heiliger Geist, erfülle unsere Sinne, dass wir aufhören zu schaden, uns selbst und anderen. Und dass Freude unter unsern Händen und Gedanken wächst; bringe uns zur Vernunft und lass uns Dir gelingen, du Freund des Lebens.


 




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