Kolumne 26. April 2003 -
Schutzengel - das ist ein Leibwächter der Liebe
Traugott Giesen Kolumne 26.04.2003 aus "Die Welt" Ausgabe
Hamburg
Schutzengel - das ist ein Leibwächter der Liebe
Natürlich gibt es Schutzengel, wir brauchen sie doch. "Das war knapp"
- wie oft fuhr dir das durchs Hirn, ein Bruchteil von Sekunde eher und es
hätte kein Halten mehr gegeben, eine Haaresbreite tiefer das Eisen,
und du wärest verblutet. Da hat Gott seine Hand zwischen gehalten, sagen
wir dann, oder: Dein Schutzengel war zur Stelle.
Schutzengel - das ist ein Leibwächter der Liebe, auf dich persönlich
angesetzt. Du hast ihn erlebt. Vielleicht könntest du sogar sein Gesicht
malen, sein Gewand, seine Stimme hören. Oder erscheint dir Bewahrung
eher gestaltlos? Jedenfalls war eine Kraft mit dir zu Gange, ein Sog, eine
Idee, die dich bewegte. Und auch jetzt.
Angenommen, du fühlst dich mutlos und leer, dann sollst du doch wissen:
Es ist ein Engel für dich da, der dich behütet. Du darfst eine
Strecke müde sein, du kannst schwach sein und versagen. Aber eine Macht
bewahrt dich vor dem Zerfall. Du wirst geweckt und auferstehen mit neuer
Kraft, wenn es dran ist. So lange steht dein Engel bei dir und hält
Wacht.
Oder sprühst du vor Energie, kannst alle begeistern um dich rum für
ein Projekt, kannst aber übermütig auch viel falsch machen? Verlass
dich drauf: Dein Engel hält dich im Maß. Du bekommst genug Signale:
Bügel nicht über die anderen weg, sieh dich mit allen von gutem
Geist behaucht.
Auch im Verkehr sei achtsam, dein Engel kann nicht alles alleine. Die
Bewahre-Energie ist viele Male größer als die Vernein-Energie,
in Gestalt von Rasen, Wegdrängen, Vorfahrterzwingen. Dein
Selbsterhaltungstrieb ist ein Trumpf, mit dem dein Engel dich zur Vernunft
lockt. Auch die Lust, deinen Gefährten wiederzusehen, macht dich willig,
auf deinen Engel zu hören.
Es gibt Gewalt und Böses, da sind wir hilflos, engellos. Da fühlen
wir uns verlassen und verloren. Dann müssen wir unsern Engel rufen,
und wenn er uns nur den Schweiß von der Stirn wischt oder ein Pflaster
bringt oder seinen Arm uns umlegt oder uns "lauf, Forrest, lauf" anfeuert
und unsere Feinde ablenkt. Engel haben manchmal Flügel, oder geben
Flügel. Einer sagte: Warum können Engel fliegen? Na, weil sie sich
leicht nehmen. Auch wissen sie, es trägt sie einer.
Das Schönste an Engeln ist, wir können sie innen haben. Engel sind
auch ein starkes inneres Bild: Du, dein Ich ist geschützt. Du brauchst
nicht ängsten, brauchst nicht andere unter Druck zu setzen, du gehst
nicht verloren, du wirst nicht mies. Gott steht in Gestalt deines Glaubens
um dich, dein Vertrauen in die Liebe hat die Gestalt eines wunderschönen
Engels. Auch darum haben ja die gemalten Engel so schöne Angesichter
- weil Gott einem jeden Menschen ein schönes Bild als Entwurf von sich
mitgab - dem sollen wir im Laufe des Lebens ähnlich werden. Bitte, sei
deines schönen Ichs gewiss; und die Angst vor Menschen kannst du in
Grenzen halten. Und du erkennst in anderen auch ihren Engel. Dem komm zur
Hilfe mit deiner Schutz- und Freudenkraft.