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Kolumne 3. Mai 2003 - <br>Zufriedenheit - die zauberische Macht

Traugott Giesen Kolumne 03.05.2003 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg

Zufriedenheit - die zauberische Macht

Was uns alles eingeredet wurde, dass wir es nötig hätten: Jede Menge Anschaffungen und Reisen und Ertüchtigungen, und Spaß bis die Schwarte kracht. Inzwischen ist so was wie Zeitwende: Fall der Twin-Towers, Platzen der Seifenblase Börse, Afghanistan, ein Amoklauf an einer Schule in Erfurt, Terroranschläge auf Touristen, im Irakkrieg scheint der Stärkste sich wieder das Recht auf Weltgestaltung zu nehmen, sicher eine Milliarde Arbeitslose, die Lungenseuche - die Stimmung scheint zu drehen. Gang und Gebe war ein Verrücktspielen ohne Vernunft, eben noch wollte man Menschen klonen. Eben noch erblödet sich eine Eisfirma, ihre neuen Geschmackssorten nach den mittelalterlichen sieben Todsünden zu benennen. Aber es sind Tendenzen da in Richtung einer neuen Bescheidenheit. Stehen die Signale in Richtung Seelenheil? Gehen die Menschen in sich? Zusammenfinden ist gefragt, mehr Achtsamkeit in der Liebe; Wellness, die Leib und Seele aufbaut, offene Kirchen, auch bei Verödung religiösen Verstehens insgesamt. Es wächst die Sehnsucht nach Zufriedenheit.

Zufrieden sind wir, wenn wir zu Frieden kommen, also zum dem Streit entgegen gesetzten Zustand einer äußeren und inneren Ruhe. Zufriedenheit hat einen leicht verächtlichen Klang bei sich nach Friedhofsruhe und Schläfrigkeit, aber eigentlich ist sie eine zauberische Macht; sie betreibt, dass wir einander begreifen und ohne Böswilligkeit auskommen. Und die einen wollen nie wieder eifersüchtig sein, und die anderen wollen nie wieder triumphieren.

Gelingen macht zufrieden. Eine Arbeit tut gut, in der ich nicht nur irgendwas erledige, sondern in der ich mich verwirkliche. Das bewirkt ein sonnenhaftes und funkelndes Dasein mit innerem Wachstum.

Hilfreich ist weniger Zerstreuung und mehr Hinfühlen, mehr Merken, was mir gut ist. Bei allen Lockrufen und Einladungen halt einen Augenblick ein: "Moment mal! Was dir da angeboten und eingeschmeichelt wird, willst du das denn?"

Das braucht natürlich, dass du angeschlossen bist an die eigenen Wünsche. Was macht dir Freude? Stillt es eins deiner Verlangen? Ja, wonach verlangt dein Ich? Ja, makellose Haut - also gesünder leben, auch eine Creme vielleicht. Aber eigentlich brauchst du Nähe, willst gemocht sein, willst geliebt sein - Dann leb in diese Richtung, zeig dein freundliches Gesicht, mehre die Freundschaft, steh bei, erhebe den andern zu sich, tu die Arbeit der Liebe.

Bist du mit dir im Frieden, dann bewahre diese Gestimmtheit immer länger; was dich stört, das meide oder bring es zügig hinter dich. Notwendiges lerne achten, hadere nicht mit dem Unausweichlichen. Mit dem Unzulänglichen, auch mit deinen Schwächen finde ein Auskommen. Und sei zufrieden, wenn du gerade genug Gehirn hast, um dir bewusst zu sein, dass du genießt - dann bist du dankbar, du musst es nicht begreifen. Wie überhaupt wir das Leben nicht verstehen sollen. Uns darin zurechtzufinden reicht.


 




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