Kolumne 23. August 2003 -
Schwierige Menschen
Traugott Giesen Kolumne 23.08.2003 aus "Die Welt" Ausgabe
Hamburg
Schwierige Menschen
Man sucht sich doch die vom Leib zu halten, die nerven. Die
großmäulig Gespräche an sich reißen,
Meinungsführerschaft für sich behaupten, die unterdrücken,
drohen, andere madig machen, die sich aufspielen als die Hüter heiliger
Werte; die lauthals Verzicht fordern, und selbst prassen - die haben wir
alle gern am andern Tisch, möglichst weit weg.
Die Schwierigen haben es sicher nicht leicht mit sich. Sie haben schon genug
Ärger am Hals mit diesem Kopf voll grober Gedanken. Sie vertragen sich
auch mit sich selbst schlecht, sind also schon genug gestraft. Wir müssen
ihnen helfen, sich besser zu verstehen. Sie sind nicht gerne so, sie spüren
doch ihr Garstigsein und bestrafen sich oft selbst.
Wir müssen auch die Schwierigen mittragen. Nur zu Vorsitzenden und in
Ämter sollen wir sie nicht rufen. Jede Multiplizierung ihrer Macht
lässt uns mit schuldig werden. Wir dürfen nicht ihren Einfluss
vermehren, ihnen nicht Menschen anvertrauen.
Alle Rüpel fingen klein an, und lernten den Haudrauf zu geben, zum
Rädelsführer ist es dann nicht mehr weit. Dann, von keiner
Rücksicht eingeengt, verwechselt er Frechheit mit Wahrheit. Er hält
es mit dem Satz: "Wer nicht für mich ist, ist gegen mich", und macht
sich zum Eckstein, an dem sich die Meinungen scheiden. Man muss ihnen in
die Parade fahren, muss sich mit ihnen anlegen, ganz früh. Und dank
den Lehrern, die das tun. Wir alle brauchen Grenzen. Aber der Schwierige
will nur anderen ihre Grenzen aufzeigen, mit Lust greift er in fremdes Leben
ein durch unerbetene Belehrung und Klarstellung nach seinem Geschmack; für
ihn ist alles einfach, schwarz-weiß, klare Kante. Man muss ihm die
falsche Bauformel seines Gedankengebäudes aufzeigen, immer wieder. Mit
ihm einlassen, das bringt Verwicklungen, man sieht es kommen. Aber es muss
sein. Wenn er sich auf Schultern getragen wähnt, kann das ihm die Einbildung
einflüstern, auserwählt zu sein. Und so wird er frecher und
anmaßender, und verbirgt sich mehr und mehr seine eigene
Unzulänglichkeit und dann gibt es einen großen Fall. An dem mit
schuld sind, die ihm zu nah waren und die nur mit hochgezogenen Brauen einen
Bogen um ihn machten.