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Kolumne 13. September 2003 - <br>Kinder - Ein Pfand f�r das Gutsein des Lebens

Traugott Giesen Kolumne 13.09.2003 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg

Kinder - Ein Pfand f�r das Gutsein des Lebens

Sein winziger Atem geht leise, die nackten Fü�chen luken unter der Decke hervor, das Haar ist lockig, die Ohrmuscheln fein, die Stirn ist hoch, die Wangen wohlig, und die Hände, die Hände - was sie noch alles ergreifen und packen und streicheln und zubereiten und schreiben und schlagen und festhalten und loslassen werden. Man muss für dieses Kind beten, tut es ohne Beschluss, einfach, weil es richtig ist: Dies Wunder sehend, wei�t du höhere Mächte für das Kind zuständig.

Es ist so viel Schrecken in der Welt, so viel scharfe Kanten und ruppige Worte. So zerbrechlich sind die Kinder der Erde, so hungrig und durstig nach Essen und Liebe. Woher Trost für Mütter mit ungeweinten Tränen, woher Arbeit und Würde für die Väter, die zeugen konnten und wohl auch mussten, aber zerrissen sind vom Hilflossein. Und du Kindlein schläfst, als würden wirklich 14 Englein um dich stehen.

Gerade hast du den wichtigsten Lernstoff des Lebens kapiert: Aufstehen, hinfallen und wieder dich aufrappeln, wieder aufstehen und gehen, einen Weg unter die Fü�e nehmen bis zum nächsten Straucheln und wieder Sichhochstemmen. In dir ist ein Wissen, das will deinen aufrechten Gang. Und in dir ist eine kleine, mächtige Flamme namens Ich, die will bemerkt sein. Wie du schreien kannst, wenn dir was nicht passt, so schreie, dass Oma erbleicht. Und was kannst du jauchzen, kannst deine Stimme, die schon Wörter formt, hell erklingen lassen.

Du bist ein Schatz. Was ist ein Sternenhimmel gegen dich leuchtenden Planeten? Mit dir ist so viel Zukunft in die Welt gekommen, deine Eltern sind in der Liebe weiter fortgeschritten, weil Du sie in Prüfungen geleitet und viel Liebe aus ihnen entwickelt hast. Und vielen andern mehr soll dein heller Schein zur Erleuchtung dienen. Du bist wunderbar, wichtig, einzig, ein Pfand für das Gutsein des Lebens.

Natürlich werden andere Kinder dir schlimme Sachen erzählen und beibringen und antun - sie sind in die Unaufrichtigkeit ihres schwierigen Zuhauses verwickelt. Und du wirst auch auf Erwachsene sto�en, die haben ihre blutige Kinderangst noch im Gesicht stehen und dass sie lästig waren. Aber Du wirst fest und weich zugleich sein, dein überschwang soll dir niemals ausgehen, bleibe begeistert von dir selbst und von den Augen, die dir zulachen. Respektiert sollst du sein in deiner Eigentümlichkeit und beschirmt bleiben von guten Mächten - ja, so soll es sein. Keine Mutter wei�, was ihrem Kind wird gescheh'n, keine Mutter kann in die Zukunft seh'n: Ob es einmal früh wird sterben oder aber ein Weltreich erben, keine Mutter wei�. So ähnlich singt Maria in einem Krippenspiel. So gehen dir auch die Gedanken durch den Kopf, während du wohlig schläfst. Aber jetzt schlägst du deine blauen Augen auf, stemmst dich hoch und rufst nach Vater, Mutter, deiner ersten Heimat.


 




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