Kolumne 14. Februar 2004 - Was sollte man vor der Ehe regeln? - Kolumne
Traugott Giesen Kolumne 14.02.2004 aus "Die Welt" Ausgabe
Hamburg
Was sollte man vor der Ehe regeln?
Ehe ist Liebe plus Zeit, eigentlich bis dass der Tod uns scheidet-
Ehe ist auf Dauer angelegt; wenn man nicht den Horizont ewig meint, sollte
man es ganz lassen. Aber die Liebe lässt sich nicht zementieren, nicht
als Haustier halten, lässt sich nicht versprechen. Die Liebe, heißt
es in der Bibel ist stark wie der Tod und eine feurige Flamme des
Herrn. Sie läßt sich nicht kasernieren, auch durch gesegnete
Ringe nicht an die Kette legen. Sie ist Wunder, ist nur zu erbitten.
Man kann sich Soziales versprechen, Fürsorge, Beistand, Pflege, aber
eben nicht Begeisterung, den andern immer richtig zu finden. Vielleicht
können wir Treue versprechen, aber eigentlich wollen wir nicht die Treue,
sondern seine Liebe. Und wer meint, er hätte die Liebe des andern sicher,
wenn der keinen anderen Menschen anguckt, dann kann noch immer sein Herz
bei den Kaninchen sein oder beim Kirchenchor oder bei seiner Forschung. Die
Liebe ist eine Gnade.
1999 wurden 430.000 Ehen geschlossen. Von allen bestehenden Ehen wurden 192.000
geschieden; von 1.000 Ehen etwa 10. Wieso behauptet wird, jede dritte Ehe
werde geschieden, weiß ich nicht. Aber es sind viel zu viele, die einander
kündigen, sich verlieren; wo einer den andern sitzen lässt, oft
mit Kindern und Schulden dazu. Trostlos ist, wie viele Männer die Frau
und Mutter der Kinder verraten, wie viele sind so kaputt im Kopf, dass sie
den Unterhalt schuldig bleiben. Nicht zu verstehen die neue Frau, die Geld
mit verbraucht, das den Kindern vom Munde geklaut ist. Wer zu einer neuen
Liebe aufbricht, sollte eher nackt vom Hof reiten, als die neue Zukunft zu
finanzieren auf Kosten der Zurückgelassenen. Bricht einer zu neuem
Glück auf, der Verlassene aber hat lange nur die Scherben im Schoß,
dann ist das ein schlechter Start.
All die Verträge, die wohlhabenderen Partnern Vorteile sichern sollen
gegen ihre Partner, sind sie nicht schlechte Starts? Da ist doch der Argwohn
eingebaut. Warum bleibt man nicht solange unverheiratet, bis man einander
sicher ist - jedenfalls sicher, dass er niemals einen mies behandelt, was
auch kommt? Sicher gibt es Regelungsbedarf in komplizierten Fällen,
aber Ehe zielt auf Dauer, Regelungen zielen auf Scheidung. Gut jetzt, dass
Regelungen kraftlos werden, die einen knebeln können. Was bringt ein
Vertrag, der Wohlverhalten belohnt, Ehrlichkeit aber bestrafen würde.
Der Vertrag zwänge doch im Ernstfall nur zu mehr Raffinesse, also zu
noch mehr Hass und Verrat, Liebe lässt sich nicht sichern.
Mancher ist so stolz, dass er des andern Geld ablehnt und darum
Gütertrennung will. Aber er will doch den andern Menschen. Von der Last,
die der mit seinem Besitz hat, kann sich der Liebende nicht freihalten,
jedenfalls nicht in einer Ehe. Aber Gütertrennung verlangen? Es ist
nicht in der Liebe, wenn sie sich was vorenthalten. Gut, sie sind wenigstens
ehrlich und sagen es vorher. Besitz, Freiheit, Schönheit, Freude,
Verantwortung, das Genießen des Gelingens - wie kann die Liebe eins
draußen halten?