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Kolumne 12. November 2005 - <br>Man mu� auch mal traurig sein d�rfen

Traugott Giesen Kolumne 12.11.2005 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg

Man mu� auch mal traurig sein d�rfen

Himmel und Erde

von Traugott Giesen

Die dunklen Tage tun gut nach den Monaten voll Sonne und Licht. Helle treibt aus den Betten, man muß gute Laune haben. Aber jetzt - sanft schwingen die Novembertage - da darf man auch mal mürrisch sein, in sich gekehrt, nachdenklich, ungesellig. "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, daß ich so traurig bin..." denkt man jetzt häufiger als sonst. Einige Zeitgenossen rüsten schon wieder für Karneval - laß sie machen. Du aber gönn dir deine kleine Schwermut. Drück dein Verstimmtsein nicht weg, nimm dir eine Strecke Nachdenklichsein.

Natürlich hilft Arbeit. Weil sie macht, daß einem was gelingt. Das Erleben des Gelingens ist das beste Heilmittel gegen Bedrückung. Jetzt steht viel Arbeit an: Müde von Arbeit sein und Dunkelheit legt einen, ist man endlich zu Hause, schnell flach - wenn keiner ist, der noch versorgt sein will. Aber dann, am Wochenende um so mehr, nimm dir eine Strecke Zeit, nichts zu müssen. Verweigere, wenn dir danach ist, mal Fernsehen und Telefon. Geh Menschen aus dem Weg, bleib im Bett, wenn du es dir leisten kannst, lies dir Grübelei an, nimm dir Zeit für Träume, auch düstere. Spazier über einen Friedhof. Nimm dir deine Tage, Tage der Melancholie.

Dies verlockende und bedrohliche Wort kommt aus dem Griechischen und heißt "Schwarze Galle". Die läßt sich leider nicht abstellen, sie muß erlitten sein. Und darum steht Melancholie bei uns auch schlecht im Kurs. Wir haben Angst, da nicht mehr rauszukommen. Depression ist schlimm und braucht alle seelsorgerliche Kunst.

Aber vielleicht hilft es gesund zu bleiben, wenn man von Zeit zu Zeit Wehmut und Gram zuläßt. Es ist ja genug Leid in der Welt. Auch hat jeder Menschen verloren durch Tod und Vergessen, Kraftlosigkeit und abnehmende Lust. Man kann schon mal seufzen und sich klein vorkommen. Hat sich auch genug verhoben.

Lassen wir besonders in diesen Tagen einander das gedämpfte Gefühl. Nehmen wir es nicht als Vorwurf, wenn einer in unserer Nähe schlechte Laune hat. Solange er höflich dabei bleibt, laß ihn in Frieden. Auch die Kinder, die Partner. Die will man immer voll demonstrativer Zuversicht. Doch sie dürfen auch mal zugeknöpft sein. Es ist dann kein Trick, daß wir uns kümmern sollen. Lassen wir einander doch Zeit fürs Traurigsein, auch fürs grundlose.

Und achten wir auf Tiefentrauer. Wenn die einen Menschen in Besitz nimmt, ist Alarm fällig. Dem Bedrückten kann seine Selbsterhalte-Kraft auslaufen, dem Arbeitslosen kann seine Restwürde zertreten werden. Unsern Staat können wir schlechtreden, als hätten wir einen andern in petto.

Wir müssen trösten und aufrichten und Chancen einräumen. Das Vor-sich-hin-Brüten hat seine Zeit, danach aber ist Zeit für Geburt und frische Tatkraft. Meditieren hat seine Zeit und Handlungsfähigsein hat seine Zeit. Dann muß man wieder zurück an eine Arbeit, muß etwas anderes als sich selbst für wichtig halten, eine Pflicht übernehmen - und schon weicht die Verschwommenheit.

Der Autor war viele Jahre lang Pastor in Keitum auf Sylt. Sie erreichen ihn unter: [email protected]


 




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