Kolumne 15. April 2006 -
Auferstehung - nicht zu fassen
Traugott Giesen Kolumne 15.04.2006 aus "Die Welt" Ausgabe
Hamburg
Auferstehung - nicht zu fassen
Himmel und Erde
von Traugott Giesen
Ostern geht es nicht um eierlegende Hasen. Ostern steht für den wunderbaren Beginn des Lebens, für das Glück der Auferstehung aus Winter und Ruinen. Unerklärlich ist, wie die Kastanie einen Keim gebiert. Heiliges geschieht, wenn mittels Zeugung und Empfängnis ein neuer Mensch zur Welt kommt. Normal ist nur der Tod.
Alles läßt nach, läuft ab, vergeht, endet, hört auf, stirbt. "TOD" ist das Wort für diesen Vorgang; vielsagender noch das Wort "verwesen". Es zersetzt sich das Wesen von etwas. Wenn wir sterben, löst sich also unser Wesen auf? Ja, wenn wir nur Biomasse wären, die wieder zu Erde wird. Nein jedoch, wenn wir dem Ewigen etwas bedeuten.
Nimm an: Unser Wesen ist, daß Gott uns beim Namen ruft. Dann müssen wir nicht notwendig mit unserm Leib vergehen. Hat unser Körper ausgedient, kann unser Ich noch sein und bleiben. Wenn ein Zentral-Ich ist, und dies mich will.
Aber ist ein Zentral-Ich? Ein Weltwille, ein Herz aller Dinge, ein dynamisches Zentrum unseres Bewußtseins? Ist ein Schöpfer, der die Natur betreibt? Es muß sein. Denn schöpferische Liebe läßt die Natur geschehen - das erkennt jedenfalls der denkende Mensch. Wir sehen doch, daß eine Allmacht immer neue Schönheit auf- und untergehen läßt. Die Lust zu leben ist greifbar, hört man Mozart oder schaut einem Kind ins Antlitz oder bemerkt das Dankgefühl bei Gelungenem.
Es könnte sein. Sinn des Lebens ist, daß alles Wesende in seiner Zeit mit Lust existiert. Und Gott genießt den Honig der Lebensfreude und leidet alles Lebensverneinde. Und mit wem Gott gesprochen hat, in Grauen oder in Gnade, der ist gewiß unsterblich (Luther). Wenn schon jeder Mensch seinen Hund immer bei sich behalten will, wird doch der Schöpfer von allem auch Zukunft haben wollen mit allem. In der Bibel heißt es sogar überschwenglich: Gott wird sein alles in allem.
Ostern ist dann das Qualitätssiegel auf diese Weltsicht. Ostern geht es um nichts weniger als um Gottes und der Welt Wesen. Der Herold der gottvollen Welt, der Jesus, ist nicht verwest, aus und vorbei. Sein Leib mag den Weg allen Irdischen genommen haben, aber er selbst ist als leuchtender Planet der Liebe Gottes bei uns geblieben. Er reißt uns den bleiernen Himmel der Verdrossenheit auf, er befeuert uns mit Heiligem Geist, er macht uns verliebt in Gottes schöne Erde, er rückt uns "das Leben der andern" nahe. Wann immer wir erblühen, betreibt uns die Auferstehungsenergie, die auch ihn ins ewige Leben zog.
So ist Ostern der Tag des Herrn, der uns Zukunft verschafft. Auf dem Markt der Hoffnungen ist die Auferstehung die härteste Währung. Vor uns immer "Stirb und werde", der Tod hat nicht das letzte Wort, der Tod ist verschlungen in den Sieg des Lebens, alles Enden muß letztlich dem Werden dienen. Abschied ist Neubeginn, Loslassen ist Neugewinn. Sagen wir uns täglich vor: "Ich werde auferstehen" - und es klart in uns auf: Was ist, ist ein Anfang, wir sind nie fertig, wir werden heiler.
Traugott Giesen war Pastor in Keitum auf Sylt.