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Traugott Giesen Kolumne 28.06.1997 aus Hamburger Morgenpost

Wärst du mit zum Kirchentag gewesen!

Das protestantische Christentreffen in Leipzig gab mir viel. Ich sah endlich diese große, schöne deutsche Stadt, stand an J. S. Bachs Grab und am monströsen Völkerschlachtdenkmal und genehmigte mir mit lieben Menschen ein Mahl im berühmten Auerbachs Keller. Wichtiger aber: Ich traf Menschen, deren gemütlichen Dialekt ich sonst nur von den Grenzbeamten kannte.

Leidgeprüfte Biographien, mit Überlebenswillen gesalzen, flößten mir sowas wie Ehrfurcht ein vor herbem Glauben. Auch zermürbte, verängstigte, politikverdrossene Menschen traf ich - achtzig Prozent haben ihre alte Arbeit verloren; zwanzig Milliarden Mark sind schon in dieser Stadt verbaut worden, aber viel Büro- und Ladenräume stehen leer, ein atemberaubend zeitgemäßes Messegelände scheint am Bedarf vorbei gebaut. Die Taxifahrer sagen, es sei zum Heulen.

Tiefgekränkt sind die Menschen, die nach vierzig Jahren aus ihren Wohnungen verjagt werden. Wohl allen ist die illusionäre Hoffnung auf den Goldenen Westen gründlich vergangen. Der Weg ins gelobte Land zieht sich wie einst beim Weg Israels aus der Knechtschaft Ägyptens.

Um so mehr Einheimische waren zum Kirchentag erwartet - das Angebot an ermutigenden Einsichten und zur Freundschaft anstiftenden Aktionen war riesig. Wohl 2800 Treffen waren von etwa dreißigtausend Menschen vorbereitet: Workshops, Gottesdienste, Techno-Feste, Ideenbörsen zur Linderung vieler Arten Leiden - so quirlig, diskussionsfreudig und konkret habe ich Kirche selten erlebt.

Auch hat sich Kirche als das Haus bewährt, unter dessen weitem Dach man sich einander näherte: Die sonst nur feindlich sich beargwöhnen hörten einander zu - die Westdeutschen den enttäuschten Ossis, die Ostdeutschen den das Verzichten lernenden Wessis. Es gab Theologie erster Güte - sowohl von den alten Publikumsmagneten als auch von den experimentellen Denkerinnen und Denkern. Das Frauenforum schwärmte von Gottes weiblichen Eigenschaften - wie wahr, daß wir doch auch zu "Mutter unser" beten dürfen, wenn uns das die Seele vorschreibt. Und es gab Tiergottesdienste und tiefschürfende Beratungen, wann der Mensch ein Mensch sei; Ausstellungen zur Wende und viel Schubkraft für verantwortlichen Umgang mit der zerbrechlichen kleinen Erde: "Wer will, daß die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht daß sie bleibt; wir müssen uns ändern."

An einem Laden für Ankauf von Elektroniksachen steht: "Nur Bares ist Wahres". - Der Kirchentag war eine richtige Mustermesse für Gewinne jenseits des Materiellen, für Lebensmut und handfestes christliches Tun. Doch die Ostdeutschen blieben auf Distanz wie Westdeutsche bei einem Zeugen-Jehova-Kongreß. Fünfundsechzig Jahre Kirchenfeindschaft gehören mit zu den deutschen Erblasten. Doch glaubwürdige Christenmenschen sind überall nötig.


 




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