Traugott Giesen Kolumne 01.08.1998 aus Hamburger
Morgenpost
Unsere Lust auf Schnäppchen
In diesen Tagen des Schlußverkaufes können wir eine besondere
Gier auf fette Weide führen: Die Lust, einen dicken Fang zu tun �
jetzt können wir sie locker befrieden. Es ist ein rechter Spaß,
das schnittige Sakko jetzt für die Hälfte zu bekommen. Genau
die richtigen Schuhe, die elegante Bluse, jetzt schnapp ich sie und belohne
mein Wartenkönnen.
Auch die Mahagoni-Liegen könnte ich mir jetzt leisten oder den
Computer beim Discounter, vielleicht auch mein Wunschauto, das gerade eben
jetzt "umständehalber" annonciert wird. � Ach wäre das ein Fund,
wenn ich, gerade ich den Glücksgriff täte. Eben gab es einen
Lotto-Jackpot in den USA von 200 Millionen Dollar. � Das muß es nicht
sein, so viel Schwein, eine ganze Schweineherde, nein � es reicht schon
ein bißchen Glück im Alltag, und man wär' wieder obenauf.
Denn das ist der Reiz der Sonderangebote: Du feierst einen Sieg: Genau
das Richtige zum halben Preis; da bist du auf der richtigen Seite, hast
den enormen Riecher, bist geschickter, taktisch klüger. Du kannst
es aufnehmen mit den Mächtigen der Welt, du schlägst sie mit
ihren Waffen, du läßt für dich arbeiten. Du bist doch nicht
der Verlierer, du nicht. Du hast auch mal Glück. Das ist der Anfang
einer Strähne, hurra. � Ein Glückskauf kann das Lebensgefühl
auf ein neues Niveau heben: warst du eben noch nur vorhanden, findest du's
jetzt gut, du zu sein und kannst dich leiden.
Aber nur sparsam darf man von diesem Aufwind Gebrauch machen. Denn
Schnäppchen sich auf Vorrat kaufen, verzehrt genau den Vorteil. Du
bekommst mehr Computer fürs Geld, aber brauchst du die vielen Funktionen
denn? Die neuen flotten, günstigen Pullover, verdrängen sie nur
andere schöne nach weit hinten? Glückskaufen kann zur Droge werden.
Dann büßt man mit Entzugsleiden, mit schlechtem Gewissen. Und
weiß, daß man sich selbst betrogen hat, sich den Sieger nur
vortäuschte. Der Freundin konnte man vielleicht ein "Oh, toll" abringen,
sich selber nicht.
Ein günstiger Preis und ein günstiger Kauf ist zweierlei.
Weißt du genug über die Herkunft der Ware? Bürgt eine Firma
mit gutem Namen auch für ihre Sonderangebote? Und überhaupt:
Ist das Glück im Kauf dein Thema � oder mußt du nicht mehr in
Menschen, in Freundschaft investieren? Mußt du Preise studieren oder
eigentlich Herzen, dich selbst? Nicht in Kataloge sondern in Augen schauen
� ist das das Feld, das du besser bestellen solltest?
Nichts gegen geschicktes Handeln. "Aber was nützte es dir, wenn
du die ganze Welt gewönnest, und nähmest doch Schaden an deiner
Seele" � so Jesus. Dein Wunsch nach Schnäppchen wird auch gespeist
vom Wunsch, nicht ausgelacht zu werden. Schon recht. Aber laß mehr
Freude in dein Leben. Liebe gut. Lache gut.