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Traugott Giesen Kolumne 08.08.1998 aus Hamburger Morgenpost

Vom Rollstuhl aus regieren

Ob wir Menschen in Deutschland einen Kanzler haben wollen, der vom Brustbein abwärts gelähmt ist, diese Frage rührt tief. Es treibt uns ja Sehnsucht nach Glanz, Stattlichkeit und Charme. Auch regieren ließen wir uns gern von einem, der uns glänzend scheint und was vom Glückskind hat. Und immer gilt Körpergröße noch als Pfand für Größe überhaupt. Der zierliche Japaner neben Kohl sieht etwas verloren aus. Im Rollstuhl ist man nicht hochaufgeschossen.
Doch es wäre wunderbar, wenn wir im Politischen jedenfalls endlich vom Faszinierenden losgebunden wären. Es gibt ein Charisma jenseits von Glamour und Sex-Appeal. Dr. Schäuble hat einen Glanz anderer Art: Es ist die Gnade der Überlebenden, die er repräsentiert. Er ist durch das Feuer von Entichung gegangen, er ist der Hölle des Zerstörtwerdens entronnen. Er ist fast getötet worden von einem Mitbürger, nur weil der anderer Meinung war � das hätte Schäuble zum Menschenhasser machen können. Aber nach drei Monaten saß er wieder am Kabinettstisch. Und hat immer noch Freude an Politik.
Politik macht Schicksal. Inmitten von viel Wahndenken, knapper Ressourcen und Gruppenegoismen soll menschenwürdiges Leben möglich bleiben und blühender werden. Jedes Gesetz, jedes öffentliche Wort strickt Glück und Unglück aller mit. Darum wäre mir an oberster Stelle ein Mensch lieb, der durch die Gnade der Lebensrettung berufen ist zu ethischem Verhalten. Wer so ausgeliefert war und die Liebe seiner Frau, seiner Kinder, so vieler helfenden Menschen erfahren hat, der ist selbst zu Erbarmen angezündet � wenn nicht alles täuscht. Der Leidgeprüfte weiß Wichtiges zu wägen. Und hat erfahren, daß wir nicht des eigenen Glückes Schmied nur sind sondern auch ausgeliefert sind aneinander und darin an sowas wie Gott. So wird er immer im Gewissen haben, daß alle Begabungen auch sozial verpflichten und alle Leiden auch gemeinsame Sache sind.
Gleichzeitig hat er eine bewundernswerte Willenskraft an den Tag gelegt und beweist einfach: Die Behinderten haben oft Fertigkeiten, deren ein normal gebauter Mensch wo nicht unfähig, doch zu erlernen nicht entschlossen genug ist (nach Lichtenberg). Auch weil er sich nicht zurückzog, sondern sich uns allen zumutet, haben wir hoffentlich alle abgespeckt an Illusion, unverletzbar zu sein. Und viele haben durch ihn gelernt, sich ihrer Einschränkung nicht zu schämen, sondern anders, aber eben auch stark, zu leben. Und besser den richtigen Weg humpeln als den falschen tanzen. � Wir sind durch ihn einen Hauch solidarischer geworden und würden mit ihm als Kanzler noch verbliebene deutsche Großmannssucht verlieren.
Wolfgang Schäuble scheint im Frieden mit dem Geheimnis seiner reduzierten Körperlichkeit zu sein. Geist als "Zuchtmeister" hilft ihm dabei. Wenn er kandidiert, darf seine Lähmung kein Wahlhindernis sein für den, dem das Programm seiner Partei zusagt.
 


 




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