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Traugott Giesen Kolumne 19.09.1998 aus Hamburger Morgenpost

Sprechen wir uns frei

Eine Theorie besagt, daß Sprache das Haarekraulen fortsetzt und ersetze. � Unsere fernen Vettern, die Affen, schaffen sich Verbündete innerhalb der Horde durch eifriges Kratzen und Streicheln und Zeckenentfernen bei anderen. Doch man kann nur einen zur Zeit verwöhnen, der Bedarf an Freundschaften, an verläßlichen Allianzen aber ist unstillbar � und so wurde uns Sprache geschenkt, um mehrere auf einmal zu erreichen.
Für diese Theorie spricht: Das meiste Sprechen soll Wohlfühlen beschaffen und will sich Läuse von Unzufriedenheit aus dem Pelz ziehen lassen, will Sicherheit. Wir reden kleine Zufriedenheiten uns zu. Oft ist es nur �small talk�, was das Interesse aneinander fließen läßt .Nicht die Sachinformationen sondern das Gespinst des Gemeinsamen ist die erstrangige Botschaft. Darum auch das viele Reden vom Wetter, von den lieben Kleinen und den Neuigkeiten aus der Nähe. Auch Klatsch hält das soziale Netz intakt. Sicher werden auch Gehässigkeiten gezüngelt, aber Neugier ist ein Ableger des Zusammengehörens � wären wir einander egal, gelänge kein freundlicher Blick, kein gutes Wort.
Unsere Sprache könnte tatsächlich eine ferne Verlängerung des Kraulens sein � und seines Gegenteiles: Treten, Verscheuchen, Bedrohen. Wir besänftigen mit Sprache, werben und schmücken mit ihr, aber fertigen damit auch ab, verschrecken, verletzen.
Wie tief die Bannsprüche eine Seele imprägnieren, das müssen Eltern und Erzieher immer wissen. Und Anerkennung fördert, macht Menschen einfach größer.
Das Kraulen sollte Sympathie besorgen, auch, damit man im Streit Verbündete hat. Eine ganz miese Tour, sich Verbündete zu beschaffen, ist, wenige Andere zu Zweitklassigen abzustempeln. Wenn Menschen als minderwertig verschrien werden, scheint das die anderen zu erheben. Nur schlimm ist, aus Besitz oder Religion oder Nation Vorrechte abzuleiten. Auch mehr Muskeln oder PS beschaffen keine Vorrechte. Niederträchtig ist schmachvolles Reden gegen Frauen, die sich zur Abtreibung gezwungen sehen oder gegen Homophile, gegen Asylsuchende, gegen Minderheiten überhaupt. Politiker, die unsere niedrigen Instinkte füttern, sollten uns anwidern, allergisch sollten wir werden gegen �Einschüchterung durch gehobenes Schwadronieren� (P. Spork).
Wir sind auf Ansprache angewiesen. Ein König wollte die Ursprache der Menschen erforschen. Er gebot, daß einer Schar Säuglinge alle Fürsorge zuteil werden sollte, aber es durfte nicht mit ihnen gesprochen werden: alle sollen sie gestorben sein. �
Wir können Gefühle, Einschätzung, Wissen unermeßlich nuanciert mitteilen. Aber am Anfang aller Mitteilung stand das Kraulen � ich nehme es als Wink, heute wohltuend mit anderen zu reden.
 


 




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