Keitumer Predigten Traugott
Giesen 29.03.2002
Karfreitag: Wer mir nachfolgt, der nehme
sein Kreuz auf sich (Matthäus 16,24)
In Indonesien lassen sich Menschen reihenweise
ans Kreuz schlagen, jetzt am Karfreitag, um es dem Jesus gleichzutun, seine
Leiden und Qualen nachzuempfinden. Aber das kann es nicht sein. Wer mir
nachfolgt, der nehme sein Kreuz auf sich, sagt Jesus. Ihm nachfolgen heißt:
mein Kreuz auf mich nehmen. Was ist mein, dein Kreuz? Was meine, deine
Lebenslast, das dir Aufgegebene, Zugemutete? Dein Kreuz ist, was dir bestimmt
ist. Nicht nur einzelne Mühen, sondern was zu dir, mir gehört,
wesentlich. Was muß ich schultern? Was in mir zur Reife bringen? Was
in mir zusammenhalten?
Das Kreuz ist ja das Bild für Zusammenhalt
geworden. Bei den Römern war der Pfosten mit dem Querholz nur das
Henkerswerkzeug. Durch Jesus wurde es zum Zeichen des Lebensauftrages. Was
auseinanderklafft, aber doch zusammengehört, das zusammenzuhalten. Durch
Zusammenhalten der verschiedenen Kräfte eine Brücke sein, über
die Neues erreicht wird, oder Schoß werden, aus dem Lebendiges entspringt.
Jesus war berufen, Gottes Liebe zu verkündigen im Angesicht von Hass
und Gesetzlichkeit. Jesus muß seinen Glauben an die Liebe hochhalten
bei aller niederziehenden Grausamkeit. Er muß den inneren Weg gehen
vom Fliehenwollen zum Standhalten, von der Bitte "Ach Herr, laß diesen
Kelch an mir vorübergehen" geht er hin zu: "Dein Wille geschehe." In
tiefster Qual hält sich Jesus am überlieferten Gebet Israels fest,
dem Psalm 22: "Mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich bin
ausgeschüttet wie Wasser, mein Herz ist in meinem Leib wie zerschmolzenes
Wachs; meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe... Aber Du, Herr,
meine Stärke, eile mir zu helfen... Errette meine Seele, ich will deinen
Namen kundtun meinen Geschwistern. Ich werde dich rühmen in der großen
Gemeinde: Unsere Seele soll ewiglich leben."
Diesen Weg vom Verlassensein zu: "In deine
Hände befehle ich meinen Geist" mußte Jesus tun, das war sein
Kreuz: zusammenhalten - Gott und Tod, sein Ich und das Ich des Universums.
Sich selbst als Knotenpunkt der Weltgeschichte erleben, wo alles auf dem
Spiel steht: Jesus hängt da, ausgestoßen - so scheint's. Aber
es hält ihn die Macht der Liebe, er betet für seine Mörder:
Sie wissen, nicht was sie tun.
Genau der Punkt, sie schaffen nur irgendeinen ab, - doch der sprach so dicht,
so rettend, so ergriffen von Gott - bleibt innerhalb dieser Umarmung, die
er lebte.
Jesus war die sichtbare Umarmung der Widerstände, er konnte Krankheit
und Sünde, er konnte Geschwisterhaß und Armut als das Kreuz sehen,
das wir tragen müssen, und in dieser Mühe umarmt uns Gott, hält
uns in den Wirren des Wirklichen an seiner Brust. In keinem andern, soviel
ich weiß, stand auf dem Spiel, ob wir sterbend ausgespien werden vom
Leben oder heimgeholt werden ins Hause des Herrn.
Jesus Auferweckung ist das Siegel auf den
mitgehenden Gott: "Und fahr ich durch die Höll, ist Gott doch mein Gesell."
- Das Kreuz wird vom Mordgerät zum Pluszeichen des Lebens. Die Hände
des Gekreuzigten sind ausgebreitet zum Segen. Er starb nicht mit einem Fluch,
sondern "In Deine Hände befehle ich meinen Geist". Er stirbt, indem
er Gott anspricht und erhält Antwort. Gott bleibt mit ihm im Gespräch.
Und das ist keine Privatsache eines wundersamen Menschen, sondern - wie es
Paulus sagt: mit dem ersten Menschen, dem ersten Adam ist der Tod in die
Welt gekommen, mit Jesus, dem zweiten Adam, ist die neue Kreatur der Kinder
Gottes geboren: Wohin wir auch kommen: Immer nach Hause. Was auch passiert,
ein Liebes oder Leides, es ist innerhalb. Du, ich gehören zusammen,
mit allem, dem Herz aller Dinge.
Erleben als Pionier, dass Gott und Leid
zusammengehören, das ist Jesu Werk, das war sein Kreuz.
Was ist deins, meins? Jesus wusste, dass Gott in ihm zusammenhalten will
Geliebtsein und Leidenmüssen.
Was will Gott durch dich zusammenhalten? Wir sind ja vom Körperbau her
selbst Zusammengehaltene, der Mensch - ein lebendes Kreuz, die Wirbelsäule
der Hauptstamm, die Senkrechte des Menschen, Becken und Schultern die
Querhölzer.-
Oft zerrt es uns und lastet auf uns, oft sind wir verspannt und leiden Pein,
im Kreuz - oft sind wir krummes Holz, doch zu aufrechtem, inneren Gang bestimmt.
Oft will es in mir zusammensinken, dann hilft kein eiserner Wille, der macht
höchstens stocksteif, aber mir hilft die Vorstellung, dass ich gehalten
bin von Fäden aus dem Himmel, oder eine Hand hält mich am Schopf
über Wasser. Wenn wir die Arme ausbreiten, wenn wir uns mit dem
Nächsten verbinden, segnet Gott. Da spüren wir uns als segensreich,
als brauchbar fürs Leben.
In uns will sich treffen Himmel und Erde, Mann und Frau, Geist und Materie,
Gut und Böse, Ja und Nein. Ein jeder ist einmalige Mischung. In dir,
mir sollen zusammengehören genau die Zutaten des Lebens, die mir bestimmt
sind. Du sollst das Kreuz tragen, mit dir auskommen, mit dir im Zusammenhang
der Menschen, der Zeit, du mit deinen Begabungen und deinen Grenzen ein
Treffpunkt des Lebendigen, leb das, leb dich, bring dich ein, säe dich
aus, wenn der Tod uns fortküsst soll alles ausgegeben sein an das Gedeihen
des Lebens, soll Brot des Lebens geworden sein, mittels deiner.
Trag dein Kreuz, heißt auch: Nimm den
Kampf auf, der dir geboten ist, du bist zuständig für das, was
du weißt. Dass daraus Gutes wird, ist dein Kreuz mit. Nächstenliebe
- Eigenliebe, wie kannst du das beides leben, das ist dein Kreuz. Auch wie
ich, du Geist und Fleisch übereins kriegen, Lust und Gewissen,
Freudensprünge und Schläfrigsein, Selbstbewusstsein und
Niedergeschlagensein, Widerstand und Ergebung, Nehmen und Geben - wir sind
dazu da, das Kreuz des Wirklichen in Richtung Mögliches ein Stück
weiterzutragen. Auch weil wir weniger lasten, kann das Reich Gottes mehr
kommen, mehr unter uns anbrechen. Mein Kreuz tragen, kann heißen, ich
soll Recht besorgen, ohne hinzurichten. Gott allein kann das Licht von der
Finsternis scheiden, und deshalb hat nur er die Macht, Seelen zu lösen
und zu binden. Aber immer wieder mich mühen um das, was weniger falsch
ist.
Und wir müssen uns aneignen, dass die
Idee der Einfachheit in Stücke fällt. Es kann keine Ursachen geben
in einer Welt, in der alles was geschieht, in mehr oder weniger gleichem
Umfang von allen anderen Geschehen abhängt. Die Zusammenhänge erkennen
wollen, ist Arbeit. Eins hängt vom Andern ab. Ich bin mitschuld. Über
wen ich schimpfe, in dem bekämpfe ich auch meinen Schatten.
Oder ist mein, dein Kreuz der Geiz oder Gefallsucht,
oder die Angst, nicht zu taugen, nicht zu gelten? Was ist mir, dir aufgeladen?
Und was nicht, welches Kreuz kann ich endlich abladen? Der Augenblickszustand
der Welt ist heilig, denn Gott hat uns in der Mache. Das ist die
Glückseligkeit, die Jesus eröffnet: Jesus erkennt Gott an, wo und
wie er sich offenbart. "Wenn der Kelch nicht an mir vorübergehen kann,
so geschehe dein Wille" (Matthäus 26,42).
Gott erkennen, in dem was mir gegeben und
aufgegeben ist, das ist die Kunst des Lebens. Die Tendenz ist klar, wir sollen
Grund zum Jubel haben. Doch Mühe und Arbeit liegt auf dem Weg. Wir
müssen auch durch Bitteres hindurch, und wenn wir uns drücken,
dann machen wir es nur schlimmer. Dann begehen wir Fahrerflucht. Jesus hat
standgehalten, ist Zeuge geblieben, dass wir auffahren mit Flügeln wie
Adler. Das Kanzelkreuz in St-Severin zeigt es: Gott hat viel mit uns vor,
wir bleiben in der Liebe. Darum laßt uns das Kreuz tragen, jeder das
Seine. Amen
Schlußgebet