Predigt 5. September 2004
Keitumer Predigten Traugott Giesen 05.09.2004
Der Schatz im Acker, die köstliche Perle
Mt. 13,44-46
Von wichtigen Dingen können wir nicht direkt reden, sondern nur auf
Umwegen, mit Bildern, in Gleichnissen. Das Wichtigste für uns nach
Überleben ist das Glücklichwerden. Jesus hat ein starkes Bild
dafür: das Reich, da Fried und Freude lacht, das Reich Gottes.
Wir sollen es vom Herzen her ersehnen, erbitten und sein Kommen mitbetreiben.
Das Reich Gottes wird erst ganz sein, wenn alle Tränen abgewischt sein
werden von aller Augen und kein Leid mehr sein wird und kein Geschrei. Vielleicht
braucht es dazu einen neuen Himmel, eine neue Erde - wie der Seher Johannes
es verheißt (Offenbarung 21). Doch das Reich, wo Gottes Macht und Liebe
hinreicht, ist mitten unter euch im Anbruch, sagt Jesus, seht
doch, wie den Menschen das Herz aufgeht und wie sie erleuchtete Antlitze
bekommen, jetzt. Wenn ihr freundschaftlich euch begegnet, dann passiert das
Reich Gottes.
Doch nicht nebenbei. Mit dem Reich Gottes ist es so wie mit einem Kaufmann,
der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin
und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie. Und so wie mit einem Schatz,
verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude
ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.
Listig? Unterschlagung? Alles auf eine Karte setzen, alles andere hingeben
für den einen Fund - so begehrenswert ist das Reich Gottes. Daran
teilzuhaben, lohnt vollen Einsatz. Was ist denn keinen Einsatz zu hoch, keine
Mühe zu viel, kein Wagnis zu groß, kein Weg zu weit? Reich Gottes,
also jetzt leben mit Gott, als Sohn, Tochter, Kind Gottes. Das ist die kostbare
Perle, Leben in höchster Fülle. Märchen von der kostbaren
Perle gibt es viele. Mal ist es die Königstochter - einer findet sie,
muß aber Plagen bestehen, die Monster besiegen. Oder die Perle, die
kristallene Kugel", ist Mittel, angenehm zu machen bei Gott und den Menschen.
Oder aber: Perle ist die eigene Seele, der Kern deines Selbst. Jesus sagt
mal: "Was nützet es dem Menschen , wenn er die ganze Welt gewönne,
doch darüber seine Seele, sich selber verliert?"
( Mt16, 26): Die kostbare Perle - das wahre Selbst des Menschen - darüber
lasst uns mehr nachdenken, wobei "mich finden" und "Gott finden" nah beieinander
sind.
Der Perlenkaufmann handelt ein Leben lang, er sieht Qualität unter rauer
Schale. So kann er günstig einkaufen und zu Interessenten gehen, ihnen
mit einer Gewinnspanne für sich verkaufen. Die muß hoch genug
ist, dass für ihn was übrig bleibt und niedrig genug, daß
der Käufer Kunde bleibt. Kaufmann sein heißt lebenslanges Suchen,
Auswählen, Polieren, Arrangieren, Dekorieren, Anpreisen, Mitarbeiter
erziehen, und verhandeln, verhandeln -bis er auf die Perle trifft. Gegen
die eine sind alle andern ab sofort nur Ware. Angesichts der einen überaus
edlen Perle hört dieser Mensch gewissermaßen auf, noch ein
Händler zu sein. Er wird vom Händler des Vielen zum Verehrer der
einen. Künftig lebt er mit ihr, für sie, von ihr.
Menschen, die entdecken, worin ihre wahre Freude besteht, leben dafür
und davon. Sie haben ihr Glück gefunden. Das ist nicht steigerbar durch
ein Mehr an anderen Dingen. Die können sogar stören, ablenken,
in die Irre führen. Nicht, dass wir alles dahingeben sollen für
das einzig Wichtige. Keine Unterdrückung von Freude oder Eigenwillen,
- keine Forderung, alles aufzugeben um des Himmelreiches Willen. Sondern
Jesus gibt ein Bild für das Wahre, das Nötige, das Echte, eine
Entdeckung meiner neuen Mitte, eine enthusiastische Beglückung: Ein
Auffahren mit Flügeln wie Adler ist das Finden der eigenen Seele. Und
dann wird alles anders, wird neu gewichtet. Hat doch vor kurzem einer im
Lotto gewonnen und lange gezögert, die Millionen abzuholen - er wollte
keine plötzliche Belastung mit viel Geld. Der arme Perlenfischer, der
Tag für Tag hinunter muß und gerade den Tageslohn
zusammenschürft - der wartet auf den großen Fund- und dann kommt
er, doch Neid und Missgunst zerreißt die Gemeinschaft. Wenn wir nicht
zu innerem Frieden finden, ist alles atemberaubender Tand. Das innere
Glück- Gott finden, die Teilhabe am Unendlichen, die Liebe, die Güte,
die eigene Seele.
Ein Schatz ging verloren, wurde vergessen, ein Pachtbauer, findet beim
Pflügen den Schatz - hellwach verkauft er alles um den Acker samt Schatz
zu kaufen. Ob das ganz korrekt ist? Einer kauft das Land , dann findet sich
Erdöl- oder wusste er vorher davon? Vielleicht ein Streit für Juristen.
Bei Geld sind wir ziemlich clever, in der Regel - du aber, Mensch was tust
du, um deine Seele zu retten? Fürs Detail so scharfsichtig, fürs
Ganze so blind (R. Musil) Du doch nicht - du mach es wie der, der
die köstliche Perle fand, der seine Seele rettet, energisch , ohne
Zögern,. Gegen das vorsichtige Abwägen und Sichern macht Jesus
Tempo. Rette deine Seele, finde dich.
Keine Seele kann in der Welt bereits genug sie selbst sein. Sie wird abgelenkt
von der Glitzerwelt, sie wird verstrickt in die Sorgen, gekrümmt durch
vielerlei Rücksichtsnahmen und Gefälligkeiten, geknebelt durch
Gieren. So viele Verpflichtungen, aus dem Wunsch, nicht weh zu tun, auch
mir selbst nicht. "Die alltäglichste Art, Selbstmord zu begehen, ist
in unserer Zeit die, sich eine Kugel durch die Seele zu schießen".
Gómez Dávila .
Normalerweise durch zuviel Sachen beschicken, Geld, Angst, Zukunft - es ist
da eine rigorose Versuchung, die Säulenheiligen der alten Kirche lebeten
das, sie fristeten ihr Erdendasein auf einer Säule, heute Pfahlsitzen,
mit buddhistischer Askese die Seele heilig halten durch Abschneiden des
Körperlichen, durch Vonsichtreten der bösen, argen Welt, Verzicht
auf Wünsche und Meinung- pflanzenhaft werden. Aber das geht nicht.
Wir haben eine zutiefst körperliche Seele, der Körper ist der weltliche
Bug der Seele. Du riechst und schmeckst, du hörst und sprichst, dass
unsre Sinnen wir noch brauchen können ist Lob und Dank wert. Therese
von Avila sagte: Tu deinem Leib Gutes, damit deine Seele gerne in ihm
wohnt. Deiner Seele gut sein - da musst du unterscheiden: Was gehört
mir und aber: Was entspricht mir, was ergänzt mich? Was macht, dass
ich in Freude bin, und was lässt mich wahrnehmen das Schöne am
anderen? Wieviel Schmeichelworte braucht der Mensch um besser zu werden?
Ein betrübt und verzagt Gewissen aufrichten ist mehr als ein
Königreich erobern, so Martin Luther.
Die Seele, dieser menschliche Stern(H. de Balzac), wie ein
unaufgelöstes Rätsel wohnt sie in dir (Musil). Oder noch ein besseres
Bild: Deine Seele - das ist ein starker Goldfaden, namens Kind Gottes. Dieser
Goldfaden bilde die Mitte, die Seele deines Lebensfadens. Du Kind Gottes,
an diesem Goldfaden kannst du eine Menge Probleme hängen zum Abtropfen:
Besonders körperliche und seelische Schmerzen hängen oft
zusammen. So kann man einen Schlag außer als Schmerz auch als
Kränkung empfinden, wodurch er unerträglich wächst, als Schmerz
im Ich am Ich. Aber man kann den Schlag auch sportlich aufnehmen als Hindernis,
als Trainingseinheit, oder als Irrtum, von dem man kaum Notiz nehmen will.
Über eine Gemeinheit in der Runde hinweggehen, leicht, fast heiter -
selig sind die Friedensstifter.
Jesus könnte sie gemeint haben. Erst durch mein Einreihen in einen
Zusammenhang, erst durch mein Gewichten, verleihe ich dem Geschehen den Rang,
sieh Schläge, auch Zurücksetzungen als Herausforderung deiner geistigen
Kräfte an - häng sie an deine Goldfadenleine. Vertraue, dass deine
Seele nicht Schaden nimmt durch Beleidigungen. Wenn sie dich nicht als Kind
Gottes behandeln, dann sag dir, sie kennen dich nicht richtig, aber sie haben
nichts zu sagen, dass ich verloren sei. Du erlebst nur mal, was Gott dauernd
erlebt, nicht bemerkt zu werden. Halt es aus, "unbesonders" behandelt zu
werden. Jesus warnt geradezu, setz dich nicht oben hin. Die köstliche
Perle: Du bist Kind Gottes. Ergreif diese Gewissheit, dass nicht
Erschöpfung sie überzieht, polier sie mit goldenen Worten aus Gottes
Mund. Und die Lähmung aus Selbstmisstrauen weicht. Du verachtest dich
nie mehr, Es ist sehr schwer, sich selbst zu verachten ohne Gott zu
beleidigen (G. Bernanos).
Was liegst du im Krieg mit dir selbst - aus Eitelkeit-bis hin zur tödlichen
Selbstüberforderung. Die Richtung unserer Eitelkeiten geht nicht auf
unser Selbst hin, sondern von uns selbst weg (M. Frisch).
Liebe ist: im andern sein Selbst, seine Seele, die köstliche Perle zu
ehren, sie nicht vor die Säue zu werfen. Helfen wir einander weg zu
kommen von den stagnierenden Selbstbildnissen, dass jeder doch er selbst
werde. Mehr ich werden, mit meiner Seele einig, das ist schwer zu machen,
aber das ist der Schatz im Acker des Lebens: Du, Dich finden, befreit von
der Abhängigkeit vom Urteil der andern. Egal, ob du Wäsche machst
oder Millionenprojekte kalkulierst, das Bewußtsein davon, wer du bist,
das Geheimnis von dir, lass es dir nicht nehmen weder durch Schmeicheleien
noch durch Übersehenwerden. Und wenn du nicht genug wahrgenommen wirst,
- schieb es darauf, dass manch eines Seele rindsledern (Thomas
Mann ) scheint. Vielleicht ja klopfst du sie noch weich, oder lass fahren,
was nicht zu dir gehört; lass fahren, was dir nicht anvertraut ist.
Die köstliche Perle, der Schatz im Acker des Lebens, ist deine Seele,
die soll das gelobte Land Reich Gottes schauen, die soll mit viel erfahrung
beladen wieder zu Gott kehren, die hüte hier und tu mit ihr einen guten
Tanz. Dann wirst du etwa wünschen wie Elias Canetti: Ich möchte
tolerant werden, ohne etwas zu übersehen; niemand verfolgen, auch wenn
alle mich verfolgen; besser werden, ohne es zu merken; trauriger werden,
aber gerne leben; heiterer werden, in anderen glücklich sein; niemand
gehören, in jedem wachsen; das Beste lieben, das Schlechteste trösten;
nicht einmal mich mehr hassen...