Keitumer Predigten Traugott
Giesen 1. Advent 02.12.2001
Siehe, dein König kommt zu
dir
Matthäus 21,1-9
Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen,
nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus und
sprach zu ihnen: "Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet
ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie
los und führt sie zu mir! Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so
sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen."
Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den
Propheten, der da spricht (Sacharja 9,9): "Sagt der Tochter Zion: Siehe,
dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel mit
einem Füllen dabei." Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen
Jesus befohlen hatte, und brachten die Eselin und das Füllen und legten
ihre Kleider darauf und er setzte sich darauf. Aber eine sehr große
Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den
Bäumen und streuten sie auf den Weg. Die Menge aber, die ihm voranging
und nachfolgte, schrie: "Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt
in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!" Und als er in Jerusalem
einzog, erregte sich die ganze Stadt und fragte: "Wer ist der?" Die Menge
aber sprach: "Das ist Jesus, der Prophet aus Nazareth in Galiläa."
Diese Kirche ist besonders Gestalt für
das, was in ihr gesagt wird. Ein uraltes Haus mit uraltem Text. Doch das
alte Haus ist beste Herberge heute, und der alte Text sprüht Funken
für jetzt. Es ist wie mit einer Quelle, die auch schon ganz alt sein
mag, und doch fließen Ströme lebendigen Wassers. Nehmt diesen
Text. Er ist 50 Jahre nach Jesu Tod und Auferstehen geschrieben. Er erzählt
vom Einzug des Jesus in Jerusalem, das Volk feiert ihn begeistert: Hosianna
jauchzen sie ihm. Der Sinn dieser Geschichte ist jetzt: Jetzt nehmt Jesus
als König der Herzen, als Heiland deines Innersten. Nehmt Jerusalem,
die Burg, die stolze Stadt, die viele Könige schon gesehen hat und sehr
umworben ist, als Bild für euer Ich. Mein, dein Ich, wie ist es verfasst:
selbstbezogen, ängstlich, herrisch, je nach dem, beraubt, ermattet,
oder überheblich stolz, abwesend oder in Ruhe, weil ich weiß,
wem ich gehöre. "Siehe dein König kommt zu dir" - ist ein ewig
junge Liebeslied, ein Locken und Einladen mit Worten des 2500 Jahre alten
Propheten Sacharja: Du Tochter Zion, freue dich sehr. Siehe, dein König
kommt zu dir, ein Gerechter, ein Helfer, sanft.
Heute wieder ein 1. Advent. Ein Versprechen:
Dein König kommt.- König, das ist ein inneres Bild. In uns sind
ja viele Gestalten mit uns zu Gange. Wir haben ein Bild von der großen
Mutter, etwas auch gefärbt durch unsere eigene Mutter, aber sie ist
das Mütterliche durch alle Zeit, Stark durch Tragen und Dulden und
Nähren. Und dann haben wir auch das Starke des himmlischen Vaters -
und das Bild des Geschwister, Bruder oder Schwester, - einer der mit mir
geht, der alles weiß von mir, mit dem ich mich auch streite, aber im
Ernstfall immer zusammenhalte und: zusammen sind wir unschlagbar. Es ist
da auch der oder die alte Weise. Der, die redet nie ungebeten, sie sagt ihrs
und lässt dich machen. Sie verachtet nie, sie macht mit dir da weiter,
wo du gerade bist. Und es gibt als Inbild die Frau, den Mann als Traum- und
Drohbilder. Und eben den König. Dein König kommt zu dir.
Vor 2500 Jahren war der gerechte, der sanfte
König ein Wunschbild des ganzen Volkes. Gott sollte in ihm die Streitwagen
wegräumen und die Kriegsrosse abrüsten, die Kriegsbogen sollten
zerbrochen werden, seine Friedensherrschaft sollte das Erdreich einen. Als
Jesus in Jerusalem mit seinen Freunden einzog, 500 Jahre später, hieben
die Menschen Zweige, Palmwedel von den Bäumen und legten Kleider auf
den Weg: Hosianna riefen Sie, siehe dein König kommt zu dir. Sie sahen
jetzt das Reich Gottes anfangen, mit dem Jesus, der ein sanfter Weltkönig
werden sollte.- Es war versucht worden, ein christliches Weltkaiserreich
der Menschheit aufzuerlegen - mal mit dem Kaiser als wierdererstandener Christus,
mal mit dem Papst als Stellvertreter Christi auf Erden. Aber gegen das
Himmelswort des Jesus: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt", war kein
Christkönigreich zu bauen hier, jedenfalls nicht mit uns schwierigen
Menschen.
Und heute 2000 Jahre weiter schallt der Ruf
noch immer: Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.
Nicht mehr ein Staatenlenker ist gemeint, wie wohl bei Sacharja, - nicht
mehr ein Revolutionär gegen den Kaiser in Rom kommt, wie es vielleicht
Judas und andere Partisanen erhofften, sondern der König des Herzens
kommt. Von ihm lasst uns reden.
Jesus Christus kommt, der leuchtende Mensch,
der uns zum wahren Menschlichsein mitnimmt. Dies denken, fühlen, wissen:
der leuchtende Christus Gebieter deines Herzens. Du weißt, wie er aussieht,
wie er dich ansieht, erstaunlich - wir haben, jeder für sich das Bild
des Christus in uns, sanfte, klare Augen, mit den Wassern allen Wissens
gewaschen, den Tod durchfahren und wieder auferstanden von den Toten, erweckt,
Sohn Gottes, Bruder Christus, Bürge für das Reich des Geistes und
der Güte. Er kommt zu dir, steckt dich mit sich an, breitet über
dich die Gottesgewissheit wie ein Kleid. Du wirst innen schön, du richtest
dich auf, du kommst wieder zu dir, zu dir, Kind Gottes, wirst neu beatmet
in dieser Gewißheit: du geliebt, du geachtet, du gewollt, genau du,
- du, hinter dir der König Christus, an den angelehnt hast du Gott vor
dir, - und nichts dazwischen, mit dir regiert Gott die Welt und bringt durch
dich etwas zustande, ob es ein Blumenbeet ist oder ein Adventskalender für
den Enkel oder die Verwandlung des Menschen an deiner Seite von Wirrheit
in Wegbereitschaft.
Er als König deines Herzens: Dann verlieren
die Herren der Erde ihren Glanz. Du kannst sie sein lassen, Christus löst
deinen starren Blick auf die Mächtigen, er hält deine Hand - und
dich durchströmt die eigene Königswürde und Freiheit. Das
hat viele schöne Früchte: dich durchströmt die eigene
Königswürde - dann lockern sich die Bande, mit denen andere dich
willfährig halten. Und du gestehst anderen ihre Selbstbestimmung zu,
verlierst die Lust, daß sie dir was zuwillen tun, gegen ihren
Willen.
Aber schon "das Licht geht nach und nach über
das Ganze auf" (Ludwig Wittgenstein) will sagen: Eine Kerze, dann zwei, dann
mehr, dann ein ganzer Baum voll Licht. Ein starkes Bild für Erkenntnis:
Siehe, dein König kommt zu dir: sanft gelingt die Befreundung, sie geht
zusammen mit neuen Besitzverhältnissen, die Macht Gottes wird dir ganz.
Auch die Gewalt, die sich scheinbar losgerissen hat und teuflischen Göttern
dieser Welt zu unterstehen scheint, - so lebenszerstörend fuhrwerkt
sie - auch, der verhängte Tod, der produzierte Tod, der benutzte Tod,
der für Interessen mißbrauchteTod, millionenfach passiert er,
und doch schließt Gottes Macht diese Menschensünden mit ein. Und
kein Menschen-Ich geht Gott verloren, keins ist jemals von ihm abgetrennt
und hätte einen eigenen Besitzer.
Mit Christus als deinem König kannst du
auch mit deinem Nichtwissen leben, keine anderen Götter neben Christi
Gott. Das reicht. Im übrigen viel Zeit damit verbringen, den Nächsten,
den eben gerade dir nahe Kommenden zu lieben wie dich selbst. Manche mögen
Gott lieben, aber mit der Menschnliebe haben sie es nicht so, auch das
ändert sich mit Christus als dem König deines Herzens. Der zeigt
uns Gott, der sich in seine Kreatur ergießt und verausgabt. Seine Wurzeln
sind die Menschen. Menschen mögen, Kreatur mögen ist Gott und dich
selbst mögen. Wir sind ja gefährdet, unsere Mitmenschen zu mögen
je nachdem, wie sie uns nützen oder uns liegen oder uns bestätigen.
Entsprechend denken wir, Gott sei so ähnlich und wollen uns ihm lieb
Kind machen oder verachten ihn, wenn er so ist.
Da könnte mit Christus als Freund unseres
Herzens sich was ändern: Der hat ja als Jesus zu Lebzeiten bis aufs
Blut den Hass von Menschen auf sich gezogen und sie doch nicht verflucht.
Er hat für sie gebetet: Gott vergib, sie wissen nicht was sie tun, wissen
nicht, daß sie deine Wurzeln anhacken. Jesus zog ein nach Jerusalem
- laß ihn bei dir einziehen. Der Dichter Botho Strauß fragte
mal: "Wo ist zu meiner Treue der Herr?" Das erinnert an ein Wort des Predigers:
Gott hat uns die Ewigkeit ins Herz gegeben. Darum können uns die Freuden
hier nicht satt machen, höchstens die Vorfreude spüren lassen.
Und keinem Menschen können wir uns ganz geben, wie sind doch alle versuchbar
und können einander auch gefährden. Siehe, dein König kommt
zu dir- ist ein Anklopfen dessen, der nichts für sich will, mit dem
du Teilhaber von allem, von Gott wirst. Es ist was im Gange, diesen Advent,
nutz' die Zeit als Kur für deine Seele, hör' hin, fühl' hin.
Lies' noch mal ein Evangelium. Wo ist Gott? Wo man ihn einlässt. So
leicht, so schwer. Amen.
Schlussgebet