Kolumne 22. März 2003 -
Der Zweck heiligt nicht die Mittel
Traugott Giesen Kolumne 22.03.2003 aus "Die Welt" Ausgabe
Hamburg
Der Zweck heiligt nicht die Mittel
Jetzt fallen die Bomben. Die Hoffnung, in einer gezirkelten
Scharfschützenaktion den Bösewicht zu töten, ist wohl bloßes
Wunschdenken, das zeigt der Riesenaufmarsch von einer Viertel Million Soldaten.
Hier wird ein Krieg gemacht, um mögliche Attentate zu verhindern, und
dieser Zweck wird Tausende, Zehntausende zu Tode bringen.
Sicher hatte der Tyrann Hussein sich zur Abrüstung bequemt nur unter
dem Druck eines drohenden Krieges. Aber dass gegen die große Mehrheit
der Völkerversammlung der Krieg begonnen wird, dass also ein, zwei,
drei Mitglieder Krieg führen, ist schmerzlich. Alle Kriege wurden begonnen
mit verständlichen Gründen. Aber Gründe, die Ziele, die Zwecke
sind wohlfeil, erst die Mittel entscheiden über die Qualität der
Ziele. Genau so dürfen wir nicht mit Folter Leben retten; weil die
Würde des Menschen unantastbar ist, auch die des Mörders. Genau
so dürfen wir nicht töten, um Leiden abzukürzen, weil sonst
diskutabel wird, wann denn Leben sich überhaupt noch lohne. Genau so
müssen wir auf Todesstrafe verzichten, weil wir über kein Leben
verfügen dürfen, auch nicht über das Leben, das sich an anderem
Leben verging. Der Zweck heiligt nicht die Mittel, ein guter Grund genehmigt
keinen Krieg. Unendlich viel Leid wird hergestellt, für eine vage Zukunft.
Wer kann denn überhaupt sich trauen, diese Entscheidung zu treffen?
Er muss sich von Gott beauftragt sehen, er muss überzeugt sein, Gott
zu dienen.
Doch im Namen des Vaters, wie ihn Jesus Christus offenbart, ist kein
Angriffskrieg gerechtfertigt. Wohl Verteidigung, zur nackten Not, und nur
aus Schwäche, weil wir nicht stark genug sind, nach einem Schlag auf
die rechte Wange auch die linke hinzuhalten. Wir in Europa, vor allem in
Deutschland, haben bitter gelernt, dass wir mit dem Nachbarn nur Frieden
haben, wenn er auch mit uns Frieden hat, also sich von uns nicht beraubt
fühlt, sondern wir uns achten zu gegenseitigem Nutzen.
Krieg wird es geben, solange die einen die andern ausnutzen - ja, das ist
doch schon Krieg. Das Ehrabschneiden und Hassen und Nichtgönnen ist
schon Krieg, in den Wohnzimmern, in Nachbarschaft, in Konferenzen. Wie entfeinden
wir unser Zusammenleben; wie werden wir Freunde, die einander fördern?
Das ist die Frage, im Kleinen, im Großen.
Du sollst nicht töten, sondern zum Leben helfen, ist Gebot. Es ist viel
Weinen in der Welt. Und Beten um Willen zum Frieden.