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Kolumne 26. Juli 2003 - <br>Abschied vom Meckern

Traugott Giesen Kolumne 26.07.2003 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg

Abschied vom Meckern

Wenn es wärmer ist als sonst, sind wir noch genervter. Liegen die Nerven blank, dann geht die Höflichkeit verloren, der Ton wird schärfer, der Takt zerbröselt. „Kannst du nicht in geziemender Eile die Straße überqueren?“ raunzt der Gemahl die Gefährtin an, nachdem sie erst das nächste Grün erreichte. „Der Deo-Stift würde dir auch nicht schaden“ flötet die Gattin. Kinder werden mit Missmut vollgeladen bei der langen Fahrt in den Urlaub: „Vater, schlag mal nach hinten“ fordert die Patronin, weil das Spektakel anschwillt. Die alte Mutter mahnt die Tochter mehrmals täglich: Das Brot ist hart, die Suppe verpfeffert, der Fernseher zu leise, immer zieht es. Der Sohn kritisiert den Vater: „Wie du schon fährst, und überhaupt so eine abgewrackte Karre, und latscht in uralten Klamotten..- Was ist nur mit uns los?

Die wir uns zu Freunden gegeben sind, machen sich das Leben schwer. „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ - dann doch die Allernächsten erst recht. Und wenn „lieben“ auch nicht befohlen werden kann, sollen wir doch ehren, stärken, fördern und nicht fertigmachen. Klar, mal muss ein deutliches Wort gesagt werden. Lasst uns die Bereiche abstecken, lasst uns klären, wer für was zuständig ist. Unfairness muss angesprochen werden. Ausnutzen geht nicht auf Dauer. Es müssen Regeln her und abgesprochene Strafen bei Verstößen, und dann muss geschluckt sein, und mit einer zweiten Chance weitergemacht werden. Es braucht auch mal ein Donnerwetter, wo jeder einen Schritt zu weit geht, und ein Schimpfwort das andere gibt. Aber dann muss auch Versöhnung sein und Lachen und wieder friedliches Sprechen. Beanstandungen, sagen wir, in der Woche zwei- na gut, eine am Tag! Eine Kritik, eine Mahnung, eine Zurechtweisung. Aber mehr nicht. Und die sanft, mehr nebenbei, mehr als Frage gesagt .

Was haben wir denn davon, dass wir mit Meckern fertigmachen? Den eigenen Mist, den wir loswerden wollen, laden wir dem Nächsten auf, ist es das? Wir sind neidisch,überfordert, übelgelaunt; und braten dem Nächstbesten eins über. Unter dem Siegel, es doch nur gut zu meinen und zu belehren, stellen wir bloß, qualifizieren ab. Erhebt uns das? Wir spielen uns auf als Rechts- und Ordnungshüter; einer muss es doch sagen. einer muss sich doch unbeliebt machen, sonst herrscht bald das Chaos. So fühlt der Meckerer sich noch als Opfer.

Klug muss gemeinsam beraten werden, wenn Fehler abgestellt werden sollen. Es muss die Waage gemeinsam gebaut werden, auf der gerechte Pflichten, Zeiten, Löhne eingeteilt werden. Barsche Zurechtweisungen von oben nach unten verdüstern mehr als sie erhellen. Wird einer zur Schnecke gemacht, dann wird er kaum mehr bessere Leistung bringen sondern die Kränkung wird langanhaltend ausdünsten. Und eine Ehe wird nie wieder dieselbe sein, wenn erst mal Krieg ausgebrochen ist. Hüten wir die Zunge, kehren wir zum Besten; fragen wir nur, was wir müssen. Liebe deckt zu.


 




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